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Nachhaltiges E-Government – Teil II

Die Nachhaltigkeit von E-Government hängt von der Qualität seines Designs ab. Das war bisher selten ein Thema in E-Government Programmen. Die E-Government Strategie Schweiz 2016 – 2019 definiert allerdings Nachhaltigkeit als eines von vier Zielen. In diesem zweiteiligen Beitrag wird untersucht, was Nachhaltigkeit im E-Government bedeutet und wodurch sie sich auszeichnet.

Teil II: Die Nachhaltigkeitsziele im Schweizer E-Government
In Teil I dieses Beitrags wurde die Nachhaltigkeit von E-Government sehr grundsätzlich diskutiert, mit wenigen Referenzen in Bezug auf die Schweiz, ausgenommen einigen Aussagen zu eCH und der EU. Im zweiten Teil wird nun speziell Bezug genommen auf die E-Government Strategie Schweiz 2016-2019, die Nachhaltigkeit als eines von vier Hauptzielen formuliert. Der Text der Strategie wird nachfolgend analysiert und anschliessend werden bisherige Schweizer Erfahrungen mit den in der Strategie formulierten Zielen diskutiert.

Nachhaltigkeit in der E-Government Strategie Schweiz 2016-2019
Verglichen mit den in Teil I geschilderten grundlegenden Überlegungen ist die E-Government Strategie Schweiz 2016-2019 zugleich konkreter und bescheidener. Sie formuliert unter 3.IV als Kernziel „Die Mehrfachnutzung von Lösungen wird gefördert. Bund und Kantone stellen die Nachhaltigkeit von E-Government-Diensten sicher, indem sie Voraussetzungen für deren Organisation, Finanzierung und den Betrieb schaffen.“

Der zweite Satz ist unbestritten und äusserst begrüssenswert. Er adressiert insbesondere auch das Ressourcenproblem: So lange keine langfristigen Finanzierungen etabliert sind, wird das Ressourcengerangel das strategische Denken und Handeln behindern. Wenn Innovationen über Jahresbudgets finanziert werden, ist eine kontinuierliche Entwicklung schwierig und verschlingt viel Engagement und Zeit.

Der erste Satz macht dagegen ein grosses Fass auf, das weiter unten ausführlicher diskutiert wird. Wenn man das Ziel allerdings weiter fasst, beispielsweise als „Reduktion der Parallelentwicklungen im E-Government“, so ist es zu begrüssen. Denn die Ressourcen für E-Government sind endlich. Wenn viel in Mehrfachentwicklungen investiert wird, so fehlen Geld und Fachpersonen für schnelleren Fortschritt. Trotzdem sollten Eingriffe zur Reduktion der Mehrfachentwicklungen mit Bedacht gewählt werden, weil eine Mehrfachentwicklung auch die Chancen erhöht, wirklich gute und nachhaltige Lösungen zu bekommen. Es geht darum, gestützt auf Mathias Binswanger(Schweizer Ökonom), sinnlose Wettbewerbe zu vermeiden, die in beziehungsgeprägten Umgebungen nur eine liberale Fassade darstellen.

In Summe ist die Zielausrichtung in Bezug auf Nachhaltigkeit also sehr positiv. Es werden zwei zentrale Probleme angegangen:

  • die Finanzierung
  • die unnötigen Parallelentwicklungen

Offen sind zwei Aspekte:

  • Was ist mit Wiederverwendung konkret gemeint?
  • Was ist mit experimentellen Pilot-Innovationen, die gar nicht nachhaltig betrieben werden sollen?

Die weitere Konkretisierung in der Strategie (ebenfalls unter 3.IV) ist etwas irritierend: „Um Investitionssicherheit zu garantieren und die Wiederverwendung von E-Government Lösungen zu fördern, ist Nachhaltigkeit im Betrieb nötig.“ Betrieb wird meist mit ökologischen Aspekten beim Thema Nachhaltigkeit assoziiert. Hier ist offensichtlich finanzielle Nachhaltigkeit gemeint. Die Kombination der Begrifflichkeiten wirft aber Fragen auf. Investitionssicherheit sichert man traditionell durch Standards, die eingefordert werden, also zuallererst durch eine entsprechende Ausschreibungspraxis. Investitionssicherheit auf Produktebene dagegen ist in der digitalisierten Welt negativ korreliert mit Nachhaltigkeit. Es geht eben genau nicht darum, dass Bestehendes bewahrt wird, sondern darum, dass die Veränderung möglichst kostengünstig ist.

Die weitere Präzisierung des Nachhaltigkeitsziels legt erfreulicherweise eine andere Auslegeordnung nahe: „E-Government zeigt am meisten Wirkung, wenn projektspezifische lokale, regionale oder nationale Kooperationen gebildet werden. Basismodule für die Ausbreitung von E-Government werden einmal realisiert und gemeinsam genutzt.“ Hier werden Zusammenarbeit und gemeinsames Lösungsdesign als wichtige Mittel zum Zweck formuliert, die man anstreben will. Das gibt auch dem Satz über die Mehrfachnutzung eine zusätzliche Bedeutung: er ist offensichtlich nicht nur reaktiv gemeint (das Vorhandene soll oft genutzt werden), sondern auch proaktiv (Lösungen sollen so entwickelt werden, dass sie mehrfach genutzt werden). Was nur wie eine wissenschaftliche Spitzfindigkeit klingt ist tatsächlich ein riesiger Unterschied, breiter und tiefer als der Röschtigraben.

Probleme mit der Wiederverwendung in der Praxis
Natürlich macht es Sinn, bereits vorhandene Lösungen ebenfalls wiederzuverwenden, und zwar dann und NUR dann, wenn Qualität und Fitness der Lösung stimmen. Wenn sie dagegen nicht stimmen, sollte man die Finger davon lassen. Das ist freilich nicht ganz einfach, denn im Schweizer E-Government hat die Wiederverwendungsideologie Tradition. Ich habe vor Jahren selbst einen Kanton beraten, der Opfer der Ideologie geworden ist und den Fehler gemacht hat, die Software eines anderen Kantons zu übernehmen, ohne davor deren Fitness zu prüfen. Das Ergebnis war entzückend für mich als Software-Architekten (weil ein konkretes Beispiel für ein davor nur gefühltes Antipattern) und nützlich für mich als Lehrenden, aber natürlich äusserst unangenehm für den Kanton, der brav der Wiederverwendungsideologie gefolgt war. Erst beim Betrieb der wiederverwendeten Lösung hatte man nämlich festgestellt, dass die Organisationsstrukturen beider Kantone unterschiedlich waren. Dieser Unterschied musste mit hohen Kosten – bei beträchtlichen operativen Risiken – kompensiert werden.

Mein Anti-Pattern Erlebnis im Bereich Software-Architektur ist leider kein Einzelfall. Wenn ich gelegentlich darauf hinweise, dass das Übernehmen von Geschäftsprozessen nur dann sinnvoll ist, wenn einige Bedingungen erfüllt sind – fehlerfrei und aus organisatorischer und technischer Sicht sinnvolle Darstellung des Geschäftsprozesses, kompatible Gesetzesgrundlagen und Organisationskultur in den für den Prozess relevanten Aspekten, vergleichbare Organisationsmaturität, etc. – werde ich noch immer als Gegner der Wiederverwendung wahrgenommen, weil ich die Wiederverwendung nicht bedingungslos gutheisse. Populär ist auch, Geschäftsprozesse nach Softwareprodukten auszurichten. Ich habe erlebt, wie sich IT-Mitarbeitende einer öffentlichen Institution über eine Weisung der Geschäftsleitung mit der Begründung beschwert haben, dass diese Weisung nicht zum ERP-System passe und es deshalb viel Aufwand bedeute, sie mit IT zu unterstützen. Man war empört, dass sich die Institution nicht nach der Technologie ausrichtete. Das wird zwar selten ganz offen ausgesprochen, ist aber die Haltung von vielen.

Lernen von den Erfahrungen der Entwicklungshilfe und der Privatwirtschaft?
Der Blick in den ureigentlichen Nachhaltigkeitsbereich, nämlich die Entwicklungspolitik, hilft vielleicht, die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten bei der Wiederverwendung besser zu verstehen. Die grundlegende Erfahrung dort ist, dass das Anwenden der Erfolgspraktiken der ersten Welt anderswo fast immer scheitert. Impfen nutzt beispielsweise wenig, wenn die Gesundheitsinfrastruktur fehlt. Ausbildung hilft ebenfalls wenig, wenn die Wirtschaftsunternehmen fehlen, in denen die Ausbildung gebraucht wird. Und E-Government hat in Entwicklungsländern eine andere Wirkung als bei uns und folgt – zu Recht – oft sogar entgegengesetzten Prinzipen (z.B. dem Recht darauf, systemweit eine Nummer zu haben).

Aus diesen Erfahrungen kann man nützliche Lehren für die Wiederverwendung von Lösungen im E-Government ziehen. Allerdings versucht man im E-Government häufiger, Erfolgspraktiken von Grossunternehmen der Privatwirtschaft zu imitieren. Auch dies ist nützlich, aber NUR solange man die Good Practices sinnvoll adaptiert übernimmt und NICHT Karikaturen der Privatwirtschaft kopiert. In der Wirtschaft heisst Standardisierung nämlich nicht notwendigerweise, dass nur eine Technologie genutzt wird, sondern bereits die Wahl der Anzahl unterschiedlicher alternativer Standardtechnologien ist eine strategische Entscheidung. Gleiches gilt für die Wahl des Betriebsmodells, das heisst den Standardisierungsgrad der Geschäftsprozesse und den Integrationsgrad bei den Daten. So viel strategisches Denken ist angesichts der autonomen Akteure im E-Government schwer umsetzbar, aber es wäre natürlich erstrebenswert und würde die Nachhaltigkeit im Schweizer E-Government entscheidend fördern.

E-Government Landkarte Schweiz und eOperations
Um die Wiederverwendung von existierenden E-Government Lösungen zu fördern bräuchte es eine Liste kritischer Fragen und Antworten, die bei Wiederverwendungsentscheidungen hilft, die Fitness der in Frage kommenden Produkte zu prüfen. Noch besser wäre eine E-Government Fachausbildung, die die Zusammenhänge vermittelt, so dass die Fitness auch ohne Checklisten adäquat beurteilt werden kann. Die E-Government Landkarte Schweiz bietet einen Überblick über vorhandene Lösungen, hilft aber bei der Fitness-Beurteilung nicht weiter.

Sehr positiv ist, dass auf der Ebene der Umsetzung des E-Government Strategie Schweiz 2016-2019 das Entwickeln gemeinsamer Lösungen mit dem eOprations Projekt gefördert wird. Hinter dem Projekt standen einst unterschiedliche Visionen, derzeit übt man sich in Bescheidenheit, vielleicht zu viel Bescheidenheit. Wenn Kantone und Gemeinden bei Innovationsprojekten im E-Government unterstützt werden, so ist das sehr gut. Noch besser wäre es, man hätte den Mut, einen E-Government Broker zu bauen – obwohl natürlich auch dies das Risiko beinhaltet, dass eine normative Einschränkung von Lösungen stattfindet, die eventuell wichtige Innovationen blockiert.

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Auf dem Weg zum Smart Government: Gestaltung eines intelligent vernetzten Regierungs- und Verwaltungshandelns

Das Internet der Dinge und das Internet der Dienste bedeuten disruptive Veränderungen für Industrie, Gesellschaft, Staat und Verwaltung. Smarte Objekte und cyberphysische Systeme erfordern ein intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln. Der Beitrag zeigt hierzu ein erstes Leitbild sowie die für Smart Government zu bearbeitende Forschungsagenda auf.

Disruptive Veränderungen werden oft unterschätzt, insbesondere solange man weder die sich anbahnenden Veränderungen wahrnimmt noch eine existenzielle Gefahr für das bestehende System erwartet. Die große Herausforderung liegt darin, unter den zahlreichen Innovationen jene zu identifizieren, die als „Game Changer“ mit ihren disruptiven Wirkungen eine echte Herausforderung für die eigene Wertschöpfung, Geschäftsmodelle, die nachgelagerten Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation bedeuten. Zugleich sollte angemessen auf sie reagiert werden.

Disruptionen durch Industrie 4.0
Die Begriffe „vierte industrielle Revolution“ und „Industrie 4.0“ sind mit Sorgfalt so gewählt worden. 2011 wurden sie in Deutschland eingeführt, um Wirtschaft und Industrie öffentlichkeitswirksam auf die durch das Internet der Dinge und das Internet der Dienste zu erwartenden Disruptionen hinzuweisen. Bereits seit 2006 fördert die deutsche Bundesregierung im Rahmen der Hightech-Initiative gezielt die Forschung in diesen Bereichen. Diese Aktivitäten mündeten rasch in Anwendungsszenarien für intelligent vernetzte Objekte in industriellen Herstellungs- und Wertschöpfungsprozessen.

Smarte Objekte und cyberphysische Systeme
Das Internet der Dinge besteht aus smarten, das heißt intelligent vernetzten realen Objekten. Das sind Dinge, die zusätzlich mit Sensoren, Aktoren und Funkchips ausgestattet werden. Mit ihrer erweiterten Funktionalität lassen sie sich rasch in IT-Systeme einbetten. Dadurch erhalten sie eine virtuelle Identität, mit der auch kommuniziert werden kann. Zugleich können sie über Apps und Dienste genutzt und sogar in komplexere, so genannte cyberphysische Systeme eingebettet werden. Systeme aus intelligent vernetzten realen und virtuellen Objekten werden so zu sich selbst steuernden Ökosystemen, die Menschen nicht nur bei Information und Analyse unterstützen, sondern auch Automation und Steuerung eigenständig übernehmen.

Diese neuen technischen Möglichkeiten führen zu einem Paradigmenwechsel vor dem Hintergrund von Industrie 4.0, der für disruptive und damit auch revolutionäre Veränderungen sorgen wird: Hochautomatisiert lassen sich auch individualisierte Produkte mit einer Losgröße Eins in smarten Fabriken fertigen. Massenindividualisierung wird so bei niedrigen Durchlaufzeiten ermöglicht. Intelligente Produkte unterstützen aktiv die Produktionsprozesse. Aufträge steuern sich zum Teil selbst durch dynamische Wertschöpfungsketten und -netzwerke.

Smart Government
Selbstverständlich wird sich auch der öffentliche Sektor mit der Frage beschäftigen müssen, welche Veränderungen durch das Internet der Dinge und das Internet der Dienste ausgelöst werden: Wie soll ein intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln (Smart Government) aussehen? Auch Politik und Verwaltung werden sich Veränderungen stellen müssen, wenn sich Objekte des Alltags mit Hilfe von ansprechbaren Prozessoren, Sensoren und Aktoren erweitern und neu gestalten lassen. Vor allem die flächendeckende Einführung interoperabler elektronischer Akten- und Vorgangsbearbeitungssysteme wird Behörden verändern. Diese werden ihre Organisation dann nicht mehr um papierbasierte Dokumente, Akten und Vorgänge ausrichten, sondern sich mit Aufbau- und Ablauforganisation um smarte Dokumente und smarte Bescheide neu aufstellen.

Leitbild für ein intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln
Zentrale Aufgaben der Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung lassen sich künftig hochautomatisiert gestalten, ohne dabei menschliche Entscheidungsträger aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Dies ermöglicht eine stärkere Massenbearbeitung von Einzelanträgen, Rechnungen und Genehmigungsprozessen. Intelligente Vorgänge unterstützen aktiv die Vorgangsbearbeitungsprozesse. Das heißt Vorgänge steuern sich selbst durch Zuständigkeiten und dynamische Wertschöpfungsnetzwerke. Autonome, sich selbst organisierende Vorgangsbearbeitungssysteme mit Genehmigungsfiktion ersetzen die bewährte papierbasierte wie botenlastige Aktenhaltung. Portalbasierte einheitliche Ansprechpartner kümmern sich um das gesamte Anliegen der Bürger und Unternehmen, ohne dass diese administrative Kenntnisse aufweisen müssen. Proaktive Verwaltungsleistungen und intelligente Bescheide ergänzen das Leistungsportfolio. All diese neuartigen kooperativen Ansätze stärken die dynamische Selbstorganisation und können zur Auflösung von klassischen Zuständigkeits- und Fachbereichsgrenzen in Staat und Verwaltung führen.

Smart Government Forschungsagenda
Aus diesem Leitbild heraus stellt sich die Frage nach einer Forschungsagenda, mit der ein intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln rasch erschlossen und konkretisiert werden kann. Diese wird sich an den folgenden Fragestellungen orientieren müssen: Welche Ansätze smarter Objekte eignen sich für den Einsatz im öffentlichen Sektor? Welche neuartigen, vertrauenswürdigen und verlässlichen cyberphysischen Systeme (CPS) sind für den öffentlichen Sektor zu konzipieren, zu bauen, zu vernetzen, zu steuern, zu kontrollieren und zu warten? Wie kann dies realisiert werden? Welche vorhandenen smarten Objekte und cyberphysischen Systeme eignen sich bereits zur Aufgabenerfüllung in Staat und Verwaltung? Mit welchen Szenarien kann ein Verständnis von Smart Government in die Breite getragen werden? Wie ist eine IT-Architektur des Staates in Zeiten des Internets der Dinge und des Internets der Dienste zu gestalten? Welche überzeugenden Antworten gibt es auf die mit dem Internet der Dinge verbundenen juristischen und ethischen Fragestellungen? Mit Blick auf zahlreiche ungeklärte rechtliche Fragestellungen gilt es zudem den aktuellen Rechtsgestaltungsbedarf durch den Gesetzgeber zu bestimmen und mit in der Sache förderlichen Vorschlägen zu konkretisieren. Außerdem eröffnet sich für die empirische Sozialforschung ein neues breites Forschungsfeld. Für eine erfolgreiche Umsetzung eines intelligent vernetzten Regierungs- und Verwaltungshandelns sind außerdem Vorgehensmodelle, ein Kommunikationskonzept und neuartige Angebote für Aus- und Weiterbildung über ein intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln hilfreich.

Linkverzeichnis:
Smart Government: http://www.smartgovernment.de

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Ein innovatives Konzept verbessert den Nutzen von Daten nachhaltig

Frei zugängliche Daten, welche ohne Lizenz genutzt und weiterverarbeitet werden dürfen, bilden die Grundlage für datengetriebene Innovationen und schaffen dadurch einen wirtschaftlichen Nutzen. In der Schweiz stellen bereits viele öffentliche Verwaltungen Informationen als Open Data frei zugänglich im Internet zur Verfügung. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO hat sich zum Ziel gesetzt, den Nutzen und die Wiederverwendbarkeit solcher Daten mit dem neuen Linked Data Service LINDAS weiter zu verbessern.

Wir sind umgeben von Daten. Daten helfen uns, bessere Entscheidungen zu treffen und spielen eine immer wichtigere Rolle in unserem Leben. Immer mehr Individuen, Organisation und Maschinen stellen ihre Daten zur Verfügung und tragen somit weiter zu einer immer grösseren Datenflut bei.

Durch die Nutzung von Daten

  • entstehen neue Geschäftsmodelle und Innovationen
  • beschleunigt sich der wissenschaftliche Fortschritt
  • wird der Onlinehandel revolutioniert.

Die Nachfrage nach mehr und besseren Daten hält ungebrochen an. Wie können die Daten sowohl für Menschen wie für Maschinen lesbar, interpretierbar und besser zugänglich gemacht werden, dass

  • Daten einfacher wiederverwendet werden können und somit der Nutzen von Daten verbessert wird?
  • die benötigten/relevanten Daten in der riesigen Datenmenge einfacher gefunden und analysiert werden können?
  • Daten aus verschiedenen Datenquellen einfacher integriert werden können?

Im Vergleich mit herkömmlichen Konzepten wie das World Wide Web geht der Linked-Data-Ansatz einen Schritt weiter in dem nicht Tabellen (wie in klassischen Datenbanksystemen) oder Dokumente (wie im World Wide Web) sondern Ressourcen (real existierende Dinge – «things» – wie Organisationen, Orte, Personen etc.) mit Metadaten beschrieben und im semantischen Web zu Wissensnetzwerken verwoben werden.

Linked Data ermöglicht …

  • die einfache Publikation von Daten, so dass diese für Mensch und Maschine abrufbar sind
  • verschiedene Datenquellen organisationsübergreifend zu verknüpfen und über eine zentrale Schnittstelle zugänglich zu machen
  • Daten für unterschiedliche Zwecke und Anwendungen wiederzuverwenden
  • die Datenanalyse selbst riesiger Datenmengen zur Lösung von komplexen Fragenstellungen
  • den Aufwand für die Wartung und den Betrieb von Schnittstellen zu senken
  • die Daten im Einklang mit den föderalen Strukturen der Schweiz zu integrieren (Verantwortung und Bewirtschaftung der Daten verbleiben bei den zuständigen Stellen).

Der Linked Data Service LINDAS wurde vom SECO im Rahmen der E-Government Strategie Schweiz entwickelt. Das Projekt ist seit Ende 2015 abgeschlossen und LINDAS befindet sich momentan in einem Pilotbetrieb.

Nachfolgend sollen der Nutzen und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Linked Data anhand von drei mit LINDAS umgesetzten Anwendungsbeispielen aufgezeigt werden.

Datenpublikation: Umweltdatenkiosk
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat den Auftrag, Umweltinformationen und Umweltdaten zu veröffentlichen und diese wenn möglich als offene, digitale Datensätze zur Verfügung zu stellen. Eine Auswahl dieser Umweltdaten wurde zusammen mit der genauen Beschreibung der Daten in LINDAS abgelegt. Damit stehen sie für die freie Weiterverwendung zur Verfügung: Mit webbasierten Tools können die Daten angeschaut, abgefragt und in unterschiedlichen Formaten heruntergeladen werden.

Bisher mussten Datenanfragen von Kunden häufig manuell bearbeitet und geliefert werden. Werden alle diese Daten in LINDAS abgelegt, können die Kunden die gewünschten Daten selbst abfragen und im gewünschten Format downloaden. Das BAFU erspart sich damit Aufwand und Kosten.

Dank LINDAS stehen die Umweltdaten auch Software-Entwicklern zur freien Verfügung. Sie können neue Anwendungen programmieren, die direkt auf ganz bestimmte BAFU-Daten zugreifen und diese anzeigen oder graphisch darstellen. LINDAS macht es auch möglich, die Umweltdaten mit anderen Daten auf einfache Weise zu verknüpfen oder zu kombinieren. Die aufwändig erhobenen Daten zum Zustand der Umwelt werden dank LINDAS vielfältiger genutzt und dadurch wertvoller.

Datenverknüpfung: Nutzung des historisierten Gemeindeverzeichnisses in einem Immobilienportal
Im historisierten Gemeindeverzeichnis des Bundesamtes für Statistik (BFS) sind alle Gemeindestände, Bezirke und Kantone und deren Mutationen seit 1960 erfasst. Das amtliche Gemeindeverzeichnis wird als definitorische Grundlage zu Gemeindeidentifikation und Gemeindenamen für zahlreiche Verwaltungstätigkeiten auf Stufe Bund, Kantone und Gemeinden sowie in der Privatwirtschaft eingesetzt.

Das historisierte Gemeindeverzeichnis wird neu auch über den Linked Data Service LINDAS zur direkten Weiterverwendung bereitgestellt: in maschinenlesbarer Form und semantisch aufbereitet (als Linked Data). Dies ermöglicht eine informatikgestützte Abfrage der Gemeindestände sowie der erfassten Mutationen im Linked Data Format und ohne zusätzlichen Aufwand eine kombinierte Abfrage mit Informationen anderer «verlinkter» Datensätze.

Immooo.me, ein neuartiges Portal für den Verkauf von Immobilien, welches in den Labs des Inkubators Swisscubator AG in Solothurn am Entstehen ist, wird als privatwirtschaftlich finanziertes Vorhaben das historisierte Gemeindeverzeichnis in seiner Applikation nutzen. Dabei werden die benötigten Gemeindeinformationen inklusive verlinkter Zusatzinformationen direkt ab dem SPARQL Endpoint von LINDAS bezogen. Dadurch entfällt das lästige und aufwändige Pflegen von Stammdaten und Listen durch den zukünftigen Betreiber und die Daten sind stets aktuell.

Datenanalyse: Ausbruchsabklärung von Tierseuchen
Das Sicherstellen der Tiergesundheit in der Schweiz gehört zu den Hauptaufgaben des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Ein Tierseuchenausbruch kann zu grossen wirtschaftlichen Verlusten führen. Ausbrüche möglichst rasch eindämmen und eine nationale Ausbreitung verhindern zu können, ist daher ein wichtiges Anliegen.

Bei einem Verdachtsfall oder Ausbruch einer Tierseuche werden Schutz- und Überwachungszonen festgelegt. In diesen Zonen ist der Tier-, Waren- und Personenverkehr zur Verhinderung der Seucheneinschleppung eingeschränkt. Diese Einschränkungen greifen natürlich erst ab dem Zeitpunkt des Verdachts oder des Nachweises einer Tierseuche. Für den Veterinärdienst CH ist es daher entscheidend, mögliche Ausbreitungswege der Krankheit in der Population nachverfolgen zu können, um die Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche (z.B. Beprobung weiterer Betriebe) gezielt einzusetzen. Für die Nachverfolgung von möglichen Infektionsketten aufgrund von Tierbewegungen, braucht es aufwändige Netzwerkanalysen.

LINDAS bietet ein grosses Potential für eine effiziente und schnelle Ausbruchsabklärung, da sich das Linked Data Format selbst sowie die Art und Weise der Speicherung in Form von Graphen optimal für Netzwerkanalysen anbietet. Mithilfe von Abfragen werden Betriebe gesucht, die in einem für den Ausbruch relevanten Zeitfenster Tiere von einem Verdachts- oder Ausbruchsbetrieb erhalten haben, oder Tiere an einen solchen Betrieb geliefert haben. Die Kontaktketten mussten bisher in aufwändiger Handarbeit analysiert und möglicherweise infizierte Betriebe gesucht werden. Der mit LINDAS umgesetzte Showcase zur Ausbruchsabklärung von Tierseuchen automatisiert diesen Prozess und liefert rasch Resultate.

Die einfache Verlinkung mit Geo-Daten von Swisstopo bringt einen weiteren Vorteil, weil durch anschauliches Kartenmaterial die Kommunikation im Ausbruchsfall erleichtert wird.

Aktuell und Ausblick
Zahlreiche weitere Datenbestände der öffentlichen Verwaltung eignen sich für die Publikation als Linked Data und schaffen so die Voraussetzungen für datengetriebene Innovationen. Die Erschliessung, Verknüpfung, Anreicherung und Publikation von Daten in diesem Format (RDF) bringt durch die Möglichkeit der direkten Weiterverwendung einen hohen Nutzen für zahlreiche Anwendungsfälle mit sich. Insbesondere für die behördenübergreifende Integration von Daten – eine Grundvoraussetzung für ein schweizweit funktionierendes e-Government – sowie für die Publikation von Open Data eignet sich das Format sehr gut und verspricht damit ein grosses Zukunftspotential.

Weitere Informationen finden sich unter www.egovernment.ch/lindas.

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Nachhaltiges E-Government – Teil I

Die Nachhaltigkeit von E-Government hängt von der Qualität seines Designs ab. Das war bisher selten ein Thema in E-Government Programmen. Die E-Government Strategie Schweiz 2016 – 2019 definiert allerdings Nachhaltigkeit als eines von vier Zielen. In diesem zweiteiligen Beitrag wird untersucht, was Nachhaltigkeit im E-Government bedeutet und wodurch sie sich auszeichnet.

Teil I – Was heisst hier nachhaltig?
Nachhaltigkeit im E-Government bedeutet, dass der spätere Nutzen – auch der weit in der Zukunft liegende für kommende Generationen – bei der Entwicklung des E-Government hoch gewichtet wird, und dass Nebenwirkungen berücksichtigt werden, insbesondere auch negative Auswirkungen auf zukünftige Innovationen.

Ich verzichte hier bewusst auf Fachbegriffe und auf eine exakte Definition, denn in der für das E-Government relevanten Praxis hat sich wissenschaftliche Präzision bisher eher als negativ (organisationale Implementierung von Nachhaltigkeit) oder als wenig hilfreich (technische Aspekte von Nachhaltigkeit) erwiesen. Trotz fehlender wissenschaftlicher Terminologie ist obige Beschreibung von Nachhaltigkeit etwas abstrakt. Lassen Sie uns deshalb zuerst identifizieren, was NICHT nachhaltig ist. Ich beschränke mich dabei auf Aktivitäten, die das technische und organisatorische Implementieren von E-Government Lösungen beinhalten. Auch das verwaltungsinterne E-Government ist da miteingeschlossen.

Gibt es nicht nachhaltiges E-Government?
Nicht  nachhaltig ist im E-Government ganz viel – selbst dann, wenn wir uns auf Nutzen stiftende Lösungen beschränken (die hoffentlich auch gesetzeskonform sind oder die notwendigen gesetzlichen Änderungen mit beinhalten).

Erstens sind es Lösungen, die entweder schwer verständlich sind, oder deren Nutzung im jeweiligen Anwendungskontext schwierig ist oder deren tatsächlicher Nutzen von einem ganzen Ökosystem abhängt, das weder existiert noch mitgeplant wird. Oft wird es als selbstverständlich vorausgesetzt, dass sich der Nutzen von innovativen Lösungen allen erschliesst und allen klar ist, wie die innovative Lösung genutzt werden kann. Oder die Nutzenbewertung durch die Nutzer wird falsch beurteilt. Oder die Fähigkeit, Risiken zu managen, wird überschätzt. Et cetera. Oft wird auch Usability zu speziell gedacht, d.h. beispielsweise auf ein Gerät bezogen statt auf konkrete Nutzungsszenarien (Use Cases) und die verfügbaren Informationen dazu. Oft wird auch auf minimalistische Lösungen gesetzt, beispielsweise um möglichst wenig Staat neu zu schaffen (statt zukünftige Privatisierungen einzuplanen).

Problemkreis 1: Ignoranz der Probleme bei der praktischen Nutzung
In diese Kategorie nicht nachhaltiger Lösungen fallen auch alle Lösungen, die zu wenig kommuniziert und beworben werden oder deren organisatorische Implementierung unvollständig ist, weil sie keine explizite Nutzenvalorisierung vorsieht. Beispielsweise stellt sich der vollumfängliche Nutzen verwaltungsinterner IT-Lösungen typischerweise erst nach etwa zwei Jahren ein – und auch dies nur, wenn einerseits die Einführung intensiv betreut wird (durch Beratung, Motivation und konsequentes Einfordern der Nutzung) und anderseits die freiwerdenden Ressourcen auch bewusst neu genutzt werden. Ebenfalls in diese Kategorie fallen Lösungen, deren zukünftiger Betrieb nicht gesichert ist (siehe auch oben die Thematik Ökosystemeinbettung).

Problemkreis 2: Einseitige disziplinäre Dominanz
Zweitens sind es Lösungen, die indirekt die Institutionen im öffentlichen Sektor gestalten, ohne dass dies bewusst beabsichtigt und demokratisch legitimiert wäre. Wenn beispielsweise die neue User Experience die Geschäftsprozesse in der Verwaltung verändert und dabei eine neue Verwaltungspraxis etabliert, die politischen und organisatorischen Zielen widerspricht, so ist das nicht nur nicht nachhaltig, sondern das Gegenteil von nachhaltig. „Institutional design by technology“ kann sich zwar im Einzelfall sehr positiv auswirken, macht häufig aber auch den Bock zum Gärtner.

Allerdings gilt auch umgekehrt: Wenn das Design der E-Government Lösungen nur politischen oder/und organisatorischen Zielen oder existierenden rechtlichen Vorgaben folgt, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sowohl kurzfristig als auch langfristig das Nutzenpotential nicht ausgeschöpft wird. Nachhaltig ist dagegen eine Praxis, die E-Government Lösungen ganzheitlich entwirft und implementiert.

Problemkreis 3: Zukunftsblockade
Drittens ist es nicht nachhaltig, wenn die heutigen Lösungen die Gestaltung zukünftiger Innovationen behindern oder stark verteuern, weil die Umgestaltungs- und Neugestaltungskosten sich stark erhöhen. Dies ist unter anderem deshalb besonders relevant, weil Informationstechnologie sehr schlecht altert. Die Instandhaltung alter Lösungen ist sehr teuer, weshalb es eine Strategie zur stetigen Erneuerung braucht, die aber je nach Lösungsdesign billig, teuer oder fast unmöglich sein kann. Die Berücksichtigung zukünftiger Umgestaltungskosten ist aber auch deshalb wichtig, weil sich die Welt verändert und radikale Unsicherheit einfach nicht wegdiskutiert werden kann, weil weiteres nur durch regelmässige Umgestaltung der Nutzen aus dem Technologiefortschritt gezogen werden kann und weil zudem und nicht zuletzt die Grundideen des E-Government – das Digitalisieren, Integrieren und Teilen von Ressourcen – bei den involvierten Akteuren nur in Form von Mehrschrittprogrammen realisiert werden können.

In diese Kategorie nicht nachhaltiger Lösungen fallen insbesondere in der Schweiz auch Lösungen, die bewusst auf andere Standards setzen als jene der Schweizer E-Goverment Standardisierungsinstitution eCH und jene der EU. Im Einzelfall mag es Gründe geben, warum die vorhandenen eCH Standards nicht die Bedürfnisse erfüllen, in welchem Fall man dann dies von eCH einfordern kann und soll. Aber die Nichtnutzung von eCH untergräbt die verwaltungsinterne Zusammenarbeit und das Vertrauen in das gesamte Schweizer E-Government. Dazu kommt, dass es per se widersprüchlich ist, die mögliche Einbindung Schweizer Lösungen ins europäische E-Government als Ziel zu definieren, gleichzeitig aber Begrifflichkeiten der EU-Standardisierung selber mit anderer Bedeutung  zu belegen.

Erweitert betrachtet: Ungenügende Investitionen in die Zukunft
Viertens ist E-Government höchstens eingeschränkt nachhaltig, wenn es zukünftige Innovationen nicht fördert. Wenn beispielsweise nicht zur rechten Zeit übergreifend gültige Standards entwickelt werden, wenn nicht die richtigen Grundlagen für eine zukünftige Datennutzung geschaffen werden, wenn nicht das notwendige Fachwissen aufgebaut wird oder wenn das Verständnis gegenseitiger Abhängigkeiten nicht gefördert wird, et cetera, so sind zukünftige Innovationen schwierig. Allerdings können in den genannten Beispielen die so nicht geschaffenen Grundlagen mindestens teilweise in Zukunft nachgeholt werden und es handelt sich lediglich um aufgeschobene Investitionen. Manchmal macht so ein Aufschieben sogar Sinn, weil mit mehr Wissen über die Zukunft auch zukunftstauglichere Entscheide getroffen werden können, oft ist es aber auch schädlich, beispielsweise  wenn fehlendes Fachwissen zur Entwicklung schlechter Lösungen führt. Die Erfahrung im Ländervergleich zeigt: „Late followers follow slowly!“

Das Sünden- und das Tugendregister
Man kann ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgende kritischen Phänomene identifizieren, die zur Nicht-Nachhaltigkeit führen:

  • Schlechtes Design bzgl. Verständlichkeit und Nutzbarkeit
  • Unreflektierte Nebenwirkungen
  • Monodisziplinärer Lösungsentwurf
  • Ignoranz oder normative Behandlung der Zeitperspektive
  • Minimalisiertes Lösungsdenken
  • Vermeidbare Formen der Pfadabhängigkeit
  • Schlecht gemanagte Komplexität
  • Verlorene Kontrolle über die Datennutzung
  • Fehlende oder falsche Expertisen

In dieser Liste unter anderem nicht berücksichtigt sind nutzenfreie Lösungen, Lösungen deren Design an sich mangelhaft ist und Lösung die mit vielen schweren Fehlern behaftet sind. Da in der heutigen Welt die Auseinandersetzung mit Problemen zunehmend als unattraktiv angesehen wird (Häufiges Zitat: „Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen!“) ist es nützlich
umgekehrt auch die Massstäbe für existierende Nachhaltigkeit (beziehungsweise die positiven Herausforderungen) zu benennen. Das sind im Wesentlichen vier:

  1. Hohe Qualität bezüglich Verständlichkeit, Nutzen und kontextbezogener Nutzbarkeit
  2. Ausgezeichnetes multidisziplinären Zusammenspiels beim Lösungsdesign
  3. Geringer Umgestaltungswiderstand (Reengineering Resistance)
  4. Resilienz gegenüber Risiken UND radikaler Unsicherheit

Das sind vier sehr anspruchsvolle Herausforderungen und man kann sich zu Recht fragen, ob das nicht zu viel verlangt ist für das E-Government. Es gibt tatsächlich einige Bereiche, in denen auch ein nicht nachhaltiges E-Government Nutzen bringt und Nachhaltigkeit sogar in die Irre führt. Insbesondere macht es wenig Sinn, in teures nachhaltiges E-Government zu investieren so lange E-Government eine niedrige Maturitätsstufe hat. Wer aber eine hohe Maturität im E-Government erreichen will, der muss sich den anspruchsvollen Nachhaltigkeitsherausforderungen stellen.

Worauf sollte man achten?
Stark vereinfacht gesagt, basierend auf fünfzehn Jahren Erfahrung, steht und fällt die Nachhaltigkeit mit dem Lösungsdesign. Im erfreulichen Fall eines nachhaltigen Designs kann sie aber mit einer nicht konsequenten Implementierung trotzdem scheitern. Entscheidend für das nachhaltige Design ist (1) eine klare Idee zu haben und diese gut verständlich allen Involvierten zu vermitteln, (2) sämtliche relevanten Stakeholder-Perspektiven zu kennen und zu berücksichtigen, sowohl was den Nutzen (oder Nachteil) als auch was mögliche Veränderungen betrifft, (3) die Idee aus Sicht aller relevanten Disziplinen im Detail auszuarbeiten und  dabei sich wo notwendig interdisziplinär auszutauschen, sowie (4) ein klares Verständnis des zeitlichen Ablaufs und der Nutzungsskalierung zu haben.

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Public Sector Transformation, 20.10.2016 in Brüssel

Die digitale Transformation des öffentlichen Sektors wird in der Europäischen Union als Teil der Strategie zur Schaffung eines digitalen Binnenmarktes (Digital Single Market) angesehen und spezifisch mit dem E-Government Action Plan 2016-2020 adressiert. Die Konferenz hatte zum Ziel, entlang den wichtigsten Grundprinzipien des E-Government Action Plans die Erfolge und Herausforderung bei deren Umsetzung zu beleuchten. Die Grundprinzipien digital by default, open by default und cross-border by default bildeten die drei Themenblöcke der Konferenz.

Pierre Mirlesse von Hewlett Packard Enterprise eröffnete die Veranstaltung mit den drei Treibern der digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung aus seiner Sicht: Die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, der Siegeszug der mobilen Geräte und die Budgetkürzungen in der Verwaltung. Als Erfolgsgeschichte stellte er das Projekt MAGDA der flämischen Verwaltung vor, das die gemeinsame Nutzung von Daten zwischen allen Ministerien verwirklicht hat und grosse Effizienzgewinne für die Verwaltung und Vereinfachungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen realisiert hat.

In der nachfolgenden Pannel-Diskussion mit Luukas Ilves, Counsellor for Digital Affairs, Estland, Maximilian Strotmann, Kabinetsmiglied von Kommissar Andrus Ansip, und Wilfried Grommen, Hewlett Packard Enterprise, wurde nach Recht auf Datenportabilität in der EU-Datenschutzgrundverordnung und die kommende Free Flow of Data Initiative als Schlüssel für eine fünfte Freizügigkeit in der EU herausgestrichen: der freie Verkehr der Daten. Die Grundverordnung wurde vom Industrievertreter explizit willkommen geheissen, weil sie ermöglicht, Lösungen ohne Anpassung im Bereich Datenschutz, in den 28 Mitgliedstaaten zu verkaufen. Die Implementierung des once-only principle (Grundsatz der einmaligen Datenangabe gegenüber der Verwaltung) braucht aus der Sicht von Grommen drei Dinge: einen rechtlichen Rahmen, Standards und eine passende Architektur. Ilves machte darauf aufmerksam, dass das Recht auf Portabilität der eigenen Daten eine gute Alternativlösung sein kann, da wo das once-only principle noch nicht umgesetzt ist.

In der zweiten Session zum Prinzip digital by default diskutierten Andrea Servida, DG CONNECT, Kaja Kallas, Mitglied des Europäischen Parlaments, Reinhard Posch, CIO von Österreich, Elio Gullo, Digital Agenda Agency in Italien und Christophe Merer, Mastercard. Das once-only Prinzip greift, so die Pannelisten, direkt in Themen der digitalen Infrastruktur hinein: die elektronische Identität als Grundlage für Datenzugang und –freigabe sowie die Qualität von Daten. Hier sehen die Diskutanten die Nutzung von Basisregistern zentral. Im Bereich eID ist eIDAS die zentrale Grundlage, 25 Länder haben eine eID implementiert oder planen eine Einführung. Aber das Trust-Modell, das für eIDAS zentral ist, wird durch das once-only principle wieder in Frage gestellt, bzw. muss angepasst werden.

In der dritten Session zu open by default diskutierten Joe Macri, Microsoft, Celina Ramjoué, DG CONNECT, Noël Van Herreweghe, Flämische Regierung und Nick Wallace, Senior Policy Analyst, Center for Data Innovation. Open by default hat Wiederverwendung von Daten als primäres Ziel. Die rechtliche und technische Basis dazu muss geschaffen werden. Die PSI-Direktive war der erste Schritt dazu, in der die Prinzipien free, non-discriminiation, open licence und die Verwendung von Standards festgeschrieben wurde. Das Open Data Metaportal der EU als Such- und Supportplattform wurde hervorgehoben. Für die Schaffung der Open Science Data Cloud ist 2017 eine Roadmap mit konkreten Schritten zu erwarten. Die Verwendung von offenen Daten voranzubringen, bleibt die vordringliche Aufgabe. Die Schaffung von Inkubatoren, insbesondere die Open Data Institute in Grossbritannien wurden als gutes Beispiel hervorgehoben.

Die letzte Session fand zum Thema cross-border by default statt. Teilnehmende waren Xavier Poisson, Hewlett Packard Enterprise, Stefano De Panfilis, Chief Executive Officer, FIWARE Foundation, Mercedes Gozalbo, R&D Program Manager, Quirónsalud und Andrea Servida, DG CONNECT. Die Rolle von spezifischen Plattformen mit wiederverwendbaren Elementen wurde am Beispiel von FIWARE verdeutlich, das als best practice vorgestellt wurde. Andrea Servida machte auf den im E-Government Action Plan vorgesehen Pilot für das once-only principle für Businesses aufmerksam, der auch grenzüberschreitend durchgeführt werden soll.

Aus Schweizer Perspektive wurde an der Konferenz deutlich, dass dem Thema der Datennutzung eine zentrale Rolle zukommt. Während in Europa die Kommission bereits einen für nächstes Frühjahr erwarteten Vorschlag erarbeitet, ist die Schweiz noch in der Diskussions- und Entscheidungsfindungsphase. Ebenfalls erkennbar wurde das grosse Transformationspotenzial des Prinzips der einmaligen Datenangabe (once only principle), das zumindest vereinzelt bereits in der Praxis umgesetzt ist. Die aktuelle Rechtslage und die Verwaltungskultur in der Schweiz stehen diesem Vorgehen entgegen. Dies ist, auch unter genauer Beobachtung der Umsetzung in Europa, in der Schweiz kritisch zu hinterfragen, denn der Effizienzgewinn bei dieser verbesserten Datennutzung für die Verwaltung und die Vereinfachung für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ist sehr gross. Dies könnte, umfassende Umsetzung in Europa vorausgesetzt, zu einem Standortnachteil für die Schweiz werden.

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Stand und Verwendung der Unternehmens-Identifikationsnummer (UID)

Mit dem Anschluss der AHV-Ausgleichskassen an die UID-Schnittstelle Ende 2015 hat das UID-Register eine fast vollständige Abdeckung der Schweizer Unternehmenslandschaft erreicht. Dieser Datenbestand soll von der Verwaltung genutzt werden, damit das UID-Register seine angedachte Rolle als Datendrehscheibe vollumfänglich erfüllen kann.

Die wichtigsten Partnerregister haben die UID integriert..
Für ein Unternehmen soll es zur Selbstverständlichkeit werden, sich bei einem Behördengang mit seiner UID zu identifizieren. Die Grundlage dazu wurde inzwischen geschaffen. Seit dem Start der UID Anfang 2011 (E-Government-Vorhaben B1.05) haben die von Gesetz und Verordnung als prioritär bezeichneten Verwaltungsstellen (UID-Stellen mit umfassenden Pflichten) die UID mehrheitlich eingeführt (s. Graphik). Möglich wurde dieses erfreuliche Resultat durch die übersichtliche gesetzliche Grundlage und die gute Zusammenarbeit mit den Partnern.

Neben den kürzlich angeschlossenen AHV-Ausgleichskassen führen die Handelsregister und die Mehrwertsteuer die UID bereits seit 2014. Für eine optimale Abdeckung standen zudem verschiedene Branchenregister (freie Berufe, Primärsektor) im Fokus. Diese haben die UID ebenfalls mehrheitlich in ihre Systeme integriert. Bei der Eidgenössischen Zollverwaltung ist die UID seit Anfang 2016 im Einsatz und ersetzt seitdem zwei bisherige Identifikatoren. Für Schweizer (und liechtensteinische) Unternehmen ist die Angabe der UID bei Importen und Exporten nun obligatorisch.

..und melden ihre Unternehmens-Mutationen
Aufgrund der eintreffenden Meldungen werden im UID-Register pro Monat durchschnittlich 40‘000 Neueinträge, Mutationen und Löschungen vorgenommen. Darunter befinden sich beispielsweise täglich ungefähr 160 Neumeldungen von den Handelsregistern sowie deren ca. 100 von den AHV-Ausgleichskassen.

Von anfänglich knapp einer Million Unternehmen (UID-Einheiten) ist der Datenbestand des UID-Registers so auf über 1.6 Millionen angewachsen. Davon sind über 1.1 Millionen Unternehmen mit aktivem Status registriert, von denen wiederum über 600‘000 Einheiten im Handelsregister eingetragen sind.

Wir gehen davon aus, dass mit den heute am UID-System angeschlossenen UID-Stellen eine Abdeckung von «99 %» erreicht ist. Das heisst, dass (fast) alle Neueinträge, Mutations- und Löschungsmeldungen von Schweizer Unternehmen im UID-Register verarbeitet werden und dieses somit auf dem aktuellstem Stand ist.

Die Unternehmen sind über ihre UID informiert
Die aufgrund der Meldungen neu ins UID-Register aufgenommenen Unternehmen werden schriftlich über ihre UID und ihr persönliches Login ins UID-Register (myUID) informiert. Monatlich verschickt das BFS ca. 5‘000 Briefe. Im Oktober 2016 wurde das 1‘000‘000ste Unternehmen angeschrieben!

Die zunehmende Präsenz der UID bei den Unternehmen lässt sich namentlich aus den Zahlen der UID Hotline ablesen. Wurden 2014 monatlich ca. 330 E-Mail- und 370 Telefonanfragen an die Hotline gerichtet, sind es 2016 im Schnitt bereits fast 600 E-Mails und 670 Telefonanrufe pro Monat.

Die UID als Datendrehscheibe für die Partnerregister
Das Potential der im UID-Register verfügbaren Unternehmensdaten soll künftig von den UID-Stellen stärker genutzt werden. Die UID hat dazu den Service „InfoAbo“ entwickelt, ein System zur automatischen Benachrichtigung der UID-Stellen. Mit dem InfoAbo werden Neueinträge und Mutationen im UID-Register gezielt an die interessierten Partnerregister weitergeleitet. Der Service ist konfigurierbar und über verschiedene Kanäle verfügbar. So kann eine kleinere UID-Stelle das InfoAbo als E-Mail erhalten, während eine grössere UID-Stelle vorzugsweise einen automatisierten Webservice einrichtet.

Einzelne Stellen aktualisieren ihre Unternehmensdaten bereits heute per InfoAbo. Es gilt nun, bei allen weiteren interessierten Stellen die Einführung und Verwendung des Info Abos zu begleiten. Bei diesem Prozess ist es möglich, dass zusätzliche spezifische Benutzerbedürfnisse identifiziert werden, die einen Ausbau der Services bedingen. Dabei ist es wichtig, dass die Meldungstypen des InfoAbos richtig interpretiert werden. Eine Adressmutation ist z.B. für ein Handelsregister nicht relevant, wenn sich nicht das Rechtsdomizil ändert.

Im Prinzip können sich alle Verwaltungsstellen des Bundes, der Kantone und Gemeinden sowie Institutionen mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben, die ein Unternehmensregister führen, als UID-Stelle anmelden.

E-Government-Themenführerschaft
Seit kurzem hat das Bundesamt für Statistik (BFS) die Themenführerschaft für den Austausch von Registerdaten (Personen, Unternehmen, Gebäude, Wohnungen) übernommen.

Unter Berücksichtigung der bestehenden eCH-Standards soll der automatisierte Datenaustausch zwischen den Registern weiterentwickelt werden. Betroffen sind alle Register, für die das Registerharmonisierungsgesetz, das UID-Gesetz oder die Verordnung über das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister gilt. Affaire à suivre, wie man bei uns in Neuchâtel sagt.

kollerGraphik: Stand der Einführung bei den im UID-Gesetz bezeichneten 300 UID-Stellen mit umfassenden Pflichten (Oktober 2016)

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