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Wert und Werte im Schweizer E-Government

In der öffentlichen Diskussion wird gerne die Verwaltung mit Unternehmen verglichen. Dabei geht schnell vergessen, dass die Zielsetzungen der Organisationen sehr unterschiedlich sind. Auch wenn zum Teil das Handeln ähnlich erscheint, sind dessen Gründe selten identisch.

Im Leitbild von E-Government Schweiz heisst es: «E-Government ist selbstverständlich: transparente, wirtschaftliche und medienbruchfreie elektronische Behördenleistungen für Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung.» [1] Fokussiert wird in der Umsetzung auf drei Adjektive: transparent, wirtschaftlich, medienbruchfrei.

transparent
Das politische System in der Schweiz ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern sehr vielseitige Einblicke in das politische Handeln. Mit Hilfe von E-Government mehr Transparenz in den Behördenalltag zu bringen, ist ein sehr wesentliches Element der Gestaltung der zukünftigen Schweiz, mangelnde Transparenz führt zu Misstrauen. Dabei ist es absolut egal, ob dieses Misstrauen nun begründet ist oder nicht.

Die Herausforderungen bleiben auch nach über einem Jahrzehnt E-Government sehr gross: Bezüglich Transparenz im E-Government belegt die Schweiz in Europa einen der hintersten Plätze [2]. Während die Schweizer Behörden bezüglich der Darstellung der Informationen über sich selber noch etwa im EU-Durchschnitt liegen, fehlt weitgehend Transparenz bezüglich der Leistungserbringung (Fig. 3-12 in [2]). Zudem besteht wenig Möglichkeit, über den elektronischen Kanal Einsicht in die eigenen Daten zu erhalten. Bezüglich Transparenz besteht in der Schweiz noch sehr viel Potential, das mit E-Government erschlossen werden kann.

So landet im Hintergrundbericht der EU zum Stand von E-Government [3] die Schweiz für die Prozesse ums Verlieren und Finden einer Anstellung auf den Rängen weit hinten. Dabei erhält die Schweiz bezüglich der Transparenz hinsichtlich dem Prozessstand nur sechs von hundert Punkten. Gemeinsam erhalten die Schweiz, die Slowakei und Tschechien zur Transparenz bezüglich den persönlichen Daten Null Punkte und belegen so im Vergleich zu den anderen Ländern Europas die letzten Ränge.

Neben der Darstellung der Zuständigkeiten und der prozessbezogenen Transparenz gilt es aber, auch das Gesamtsystem verständlich zu machen. Behörden verfügen über sehr viele Informationen, die geeignet sind, die Schweiz in sehr vielen Facetten zu erklären. Hier ist jede Behörde gefordert, durch Publikation von Ausschnitten aus den Behördendaten nach und nach einen Beitrag zu leisten. Dabei werden alle, auch die Datenempfänger im Dialog mit den Datenlieferanten, gefordert sein: es geht letztendlich darum, ob die aus den Daten interpretierte Systemsicht stimmt, nicht ob korrekte Daten publiziert wurden.

wirtschaftlich
Wir erleben die Schweiz als prosperierende Volkswirtschaft. Wir wissen auch um das Positive der tiefen Staatsquote. Und trotzdem erleben wir immer wieder, dass Behördenprozesse wesentlich effizienter gestaltet werden könnten – zumindest aus der Sicht einzelner am Prozess involvierter Stellen. Bevor die Klagen über die Ineffizienz von gewissen Behördenprozessen noch lauter werden: es ist sinnvoll allen Beteiligten bewusst zu machen, was der Prozess alles leisten muss. In diesem Bewusstsein gibt es schliesslich verschiedene Optimierungsmöglichkeiten:

  • zu hinterfragen, ob all diese Ziele tatsächlich (noch) notwendig sind bzw. welche Ziele auf der Basis der verfügbaren Informationen zeitgerecht und zukunftsweisend wären
  • Prozesse auf der Basis der Digitalisierung neu gestalten (Informationsbereitstellung statt Prozessbeteiligung, Parallelität statt Sequenz, …)
  • Verlässlichkeit – insbesondere auch beim Termin, hat sehr hohe wirtschaftliche Bedeutung: maximale Verfahrensfristen, Genehmigungsfiktion als Optionen prüfen
  • Fokussierung auf relevante Fälle, statt auf alle?

Nicht zuletzt liessen sich mit mehr Transparenz auch wesentlich wirtschaftlichere Lösungen realisieren.

medienbruchfrei, elektronisch
Der elektronische Kanal im Behördenverkehr setzt sich eher schleppend durch. Statt ‘elektronisch zuerst’ leben wir immer noch in einer Zeit, in welcher es zwingend geblieben ist, Papier-basierte Prozesse zu ermöglichen. Dass dies, bei entsprechendem politischen Willen, auch anders sein kann, zeigt z.B. Dänemark. 2016 wurde in Dänemark 88% des Behördenverkehrs elektronisch abgewickelt [4]. Estland erreicht gemäss dieser durch Eurostat erhobenen Zahlen auch bereits 77%.

Medienbruchfreiheit ist aber kein Wert an sich, sondern deklariert eher, wie ‘transparent’ und ‘wirtschaftlich’ erreicht werden soll. Bei neuen Realisierungen gilt es folgendes zu beachten: Medienbruchfreiheit dank Behördenportal oder digitales Formular kann für den Anwender eben genau ein Medienbruch bedeuten. Er wird gezwungen, dieses (oft online) auszufüllen. Wenn Medienbruchfreiheit erreicht werden soll, muss auch der Prozess seitens des Anwenders beachtet werden. Medienbruchfreiheit ist eine Eigenschaft des Gesamtsystems und darf nicht auf Teilsysteme reduziert betrachtet werden.

Macht es Sinn, die Ziele von E-Government Schweiz einzig auf diese drei Adjektive zu reduzieren?

Neben den im E-Government-Leitbild verankerten Adjektiven sollte E-Government mindestens auch bezogen auf die nachstehenden Qualitäten einen positiven Einfluss haben. Dank E-Government ist es möglich,

  • Behördenleistungen vertrauenswürdig und verlässlicher zu erbringen.
  • Entscheidungen ganzheitlich zu betrachten und breit abzustützen.
  • das Gesamtsystem wartbar und veränderbar zu gestalten.

Dies geschieht nicht von selbst, sondern erfordert in der Planung, dem Betrieb und der Erneuerung von E-Government auch in Zukunft viel Umsicht. Es handelt sich dabei nicht um vernachlässigbaren Aufwand; aber es ist ein Aufwand, der Public Value schafft. Damit kommt die Verwaltung ihrer vordringlichen Aufgabe nach: sie schafft Nutzen für das Gemeinwohl.

Auch wenn Behörden keine Unternehmen sind, dürfen sie sich doch an den Werten von Unternehmen auch messen lassen. Gemäss [5] sollten nachstehende Punkte Teil jeder Unternehmenskultur sein: Vertrauen, Transparenz, sich an Ethik orientierende Strategie und optimale Wertschöpfung. Dies sind durchaus Werte, die sich, wenn sich die Wertschöpfung auf Public Value bezieht, auch für Behörden gut machen.


  1. www.egovernment.ch
  2. EU Commission. eGovernment Benchmark 2016 – A turning point for eGovernment development in Europe? Final background report – Volume 2. 2016. ISBN 978-92-79-61649-5.
  3. EU Commission. Future-proofing eGovernment for the Digital Single Market – ‘An assessment of digital public service delivery in Europe’. Background report, June 2015. ISBN: 978-92-79-48427-8. (page 51-59)
  4. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/73560/umfrage/ineraktion-mit-staatlichen-behoerden-ueber-das-internet-im-laendervergleich/
  5. Ulrich Hemel. Wert und Werte, Ethik für Manager – ein Leitfaden für die Praxis. Hanser, 2005.
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Open by default oder Open by demand ? – Teil I

Über neue Goldmacher und eine komplexe Wertschöpfungskette

Die Forderung nach Open by default
Gesetzgeber auf nationaler und regionaler Ebene in Europa standen und stehen vor der Frage, ob alle Behörden gesetzlich dazu verpflichtet werden sollen, alle nicht personenbezogenen Daten kostenfrei zur Weiterverwendung unter offenen Lizenzen auf Portalen im Internet bereitzustellen, wie dies Aktivisten aus der Open Data Szene fordern („Open by default“). Die Begründung klingt einfach: Erhebung und Verarbeitung dieser Daten wurden aus Steuermitteln finanziert. Sie gehören den Bürgerinnen und Bürgern. Ihre Verbreitung durch einen Download von einem Datenportal kostet praktisch nichts. Daher können diese Daten kostenfrei bereitgestellt werden. Eine offene Lizenz schafft sogar einen volkswirtschaftlichen Nutzen, der sich auch in höheren Steuereinnahmen niederschlägt. Diese überschreiten die Kosten für die Errichtung und den Betrieb eines Datenportals bei weitem.

Seit einiger Zeit wird versucht, für diese Argumentation einen quantitativen Nachweis zu führen. In den beiden ersten Teilen dieses Beitrags werden zwei Beispiele näher betrachtet, bevor im dritten Teil grundsätzliche methodische Mängel der volkswirtschaftlichen Berechnungen kritisiert werden und am Beispiel der Freien Hansestadt Bremen eine vernünftige Lösung mit Augenmaß vorgestellt wird.

Neue Goldmacher ?
Es war wohl EU-Kommissarin Kroes, die als erste auf der Basis von sektoralen Studien in einer Pressemitteilung behauptet hat, die Verwaltungen verfügten mit ihren Daten über eine Goldmine und sollten diese Schätze zum eigenen Nutzen und zum Nutzen der gesamten Volkswirtschaft heben, indem sie ihre Daten gebührenfrei zur unbeschränkten Weiterverwendung bereitstellen (EU-Kommission 2011). In Deutschland hat die Technologiestiftung Berlin dieses Bild aufgegriffen und unter dem Titel «Digitales Gold» eine Schätzung des Nutzens durch Open Data für den Stadtstaat Berlin vorgelegt, die je nach Szenario bei 22 bis 54 Mio. € pro Jahr liegt (Preische 2014).

Ich habe diese Behauptung mit der der Goldmacher im Mittelalter verglichen, die versprochen haben, aus einfachen Rohstoffen Gold herstellen zu können, wenn ein Fürst ihnen ein Labor einrichtet. Nun sollen Politiker überredet werden, Geld in ein Projekt zu investieren, in dem aus ohnehin vorhandenen Daten auf eine nicht näher erklärte Art und Weise neue Werte in Millionenhöhe geschaffen werden. Es wäre toll, wenn defizitäre Städte wie Berlin so ihre Haushaltsprobleme verringern könnten.

Nicht jede Formel ist wissenschaftlich
Der Vorwurf mangelnder Wissenschaftlichkeit bezieht sich auf die zur Berechnung verwendete Formel. Sie wird mit volkswirtschaftlichen Termini eingeführt, beinhaltet aber bei näherer Betrachtung einige Absurditäten, die hier nur kurz angesprochen werden können (ausführlicher Kubicek 2016):

Quelle: Preische 2014, S. 34

Der Nutzen „u“ wird aus dem Einkommen bzw. den Kosten, mehreren Multiplikatoren sowie der Preiselastizität der Nachfrage bestimmt. Was stimmt daran nicht?

  • Die Hauptkomponente, die mit den verschiedenen Multiplikatoren multipliziert wird, sind die Kosten F. Dass man den Nutzen über die Kosten bestimmt verwundert, wird aber damit begründet, dass Verwaltungen die Daten zu Grenzkosten bereitstellen und die Kosten somit hypothetische Preise seien, die summiert dann das Marktvolumen ausmachen.
  • Noch abwegiger ist die Wahl des konkreten Kostenansatzes. Für Berlin werden die Kosten der Bereitstellung nur mit den laufenden Betriebskosten für das Open Data Portal in Höhe von 120.000 Euro angesetzt. Das sind nur die Lizenz- und Auftragskosten für den Portalbetreiber. Würde man auch die Personalkosten und die Entwicklungskosten ansetzen, würde der errechnete Nutzen steigen, ohne dass sich an dem Portal und seinem Inhalt etwas geändert hat. Oder pointiert ausgedrückt: Man muss nur viele Kosten machen, um einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen zu erzeugen – Man kann das auch Verschwendung von Steuermitteln nennen.
  • Die Multiplikatoren werden willkürlich aus überwiegend nationalen Studien übernommen.
  • Für die Preiselastizität der Nachfrage nach offenen Daten wird der Wert 10 festgelegt. Das heißt bei einer Preissenkung von 1 % steigt die Nachfrage um 10%. Was aber, wenn die offenen Daten, wie es sein sollte, unentgeltlich abgegeben werden? Wäre dann die Nachfrageelastizität Null und durch den Faktor Null in den Multiplikationen der Formel auch der Nutzen gleich Null?

Die Autoren räumen selbst Mängel ihrer Untersuchung ein. Sehen diese aber nicht in ihrem Modell, sondern nur in der Datenlage (Preische 2014, S.43).

Ein Modell der komplexen Wertschöpfungskette
Nach meiner Auffassung liegt der Hauptmangel jedoch in dem verwendeten Modell einer einstufigen Wertschöpfungskette: Die Behörden stellen Daten bereit und daraus entsteht auf nicht näher beschriebene Weise ein volkswirtschaftlicher Nutzen. Es wird auch nicht erklärt, wie daraus für die Verwaltungen Einnahmen resultieren, die deren Kosten übersteigen.

Die Wertschöpfungskette für offene Daten ist sehr viel komplexer. In Abb. 1 wird versucht, dies annähernd darzustellen. Dieses Modell baut auf dem Input-Prozess-Output-Outcome-Impact-Modell auf, das zur Evaluation von Umweltprojekten entwickelt und auch zur Evaluation von Beteiligungsprozessen verwendet wurde (Aichholzer, Kubicek, Torres 2016). Es beginnt mit dem Input, insbesondere den vorhandenen Daten, und zählt dann die vielen Teilprozesse der Bereitstellung auf, die letztlich den Gesamtaufwand ausmachen.

Die Technologiestiftung unterschlägt wie viele andere Schätzungen zum Beispiel die Kosten der datenschutzrechtlichen Prüfung und einer gegebenenfalls erforderlichen Anonymisierung von Datensätzen sowie die Kosten für die Schulung der Verwaltungsmitarbeiter, die über die Zulässigkeit einer Veröffentlichung entscheiden müssen. Dies ist bei Geo- und Wetterdaten kein Problem, bei vielen anderen Daten der Verwaltungen jedoch sehr wohl.

Vor allem soll das Modell verdeutlichen, dass eine Wertschöpfung mit Rückflüssen nur entsteht, wenn die Daten für Apps verwendet werden, mit denen Umsätze erzielt und diese auch versteuert werden. Dies ist bei Geo- und Wetterdaten in Form von Werbeeinnahmen durchaus der Fall, für viele andere Daten jedoch nicht.

Für das Schweizer Bundesarchiv wurde eine Studie erstellt, die die resultierenden Steuereinnahmen schätzt. Sie soll im zweiten Teil kritisch betrachtet werden.


Quellenangaben:
Aichholzer, G., Kubicek, H., Torres, L. (2016): Evaluating e-Participation. Frameworks, Practice, Evidence. Berlin, New York u.a.
EU-Kommission (2011) Pressemitteilung „Digitale Agenda: Nutzung öffentlicher Daten als Goldmine“ Brüssel, 12. Dezember 2011 (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-11-1524_de.htm)
Kubicek, H. (2016): Warnung vor den Goldmachern. Eine Rezension der Studie der Technologiestiftung Berlin „Digitales Gold“. Blog government 2020, 13. Juni 2016. (http://www.government2020.de/blog/?p=1731)
Preische, J. (12014): Digitales Gold. Nutzen und Wertschöpfung durch Open Data für Berlin. Technologiestiftung Berlin (https://www.technologiestiftung-berlin.de/fileadmin/daten/media/publikationen/140201_Studie_Digitales_Gold_Open_Data.pdf)


Teil II: Eine Schätzung für die Schweiz ist nur scheinbar besser

Teil III: Grundsätzliche Irrtümer und eine Lösung mit Augenmass

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Open by default oder Open by demand ? – Teil II

Eine Schätzung für die Schweiz ist nur scheinbar besser

Im ersten Teil wurde eine von der Technologiestiftung Berlin vorgelegte Schätzung des volkswirtschaftlichen Nutzens von OGD für den Stadtstaat Berlin wegen absurder Annahmen kritisiert. Nun wird eine Studie betrachtet, die die wirtschaftlichen Auswirkungen von OGD für die Schweiz auf Bundesebene schätzt. Dieser Bericht im Auftrag des Schweizer Bundesarchivs soll in erster Linie klären, ob ein Verzicht auf bisher erhobene Gebühren über höhere Steuereinnahmen kompensiert werden kann, gleichzeitig aber auch die Auswirkungen einer generellen offenen Bereitstellung („Open by default“) abschätzen. Die Autorin kommt letztlich zu dem Ergebnis, dass dadurch auf Bundesebene ein jährlicher Nutzen zwischen 44,2 und 61,6 Mio. CHF entstehe und dass bei geschätzten Kosten von 41,3 Mio. CHF ein Nettonutzen zwischen 2,9 und 20,3 Mio. CHF pro Jahr zu erwarten sei (Bürgi-Schmelz 2014, S. 98).

Auf den ersten Blick erscheint diese Studie vertrauenswürdiger als die der Technologiestiftung Berlin. Sie enthält einen umfassenderen und durchaus kritischen Überblick über eine ganze Reihe Studien mit volkswirtschaftlichen Schätzungen des Nutzens einer sektoralen oder umfassenden gebührenfreien Abgabe von Public Sector Information (PSI) oder Open Government Data (OGD). Von diesen unterscheidet sie sich auch dadurch, dass eine Umfrage bei 56 Schweizer Bundesbehörden durchgeführt wurde.

Diese Umfrage erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als eine Falle. Von den 56 angeschriebenen Behörden haben nur 28 geantwortet und nur 15 Ämter haben Angaben zu OGD-Aufwänden und 9 zu OGD-Erträgen gemacht. „Eine ganze Reihe“ hat angegeben, dass sie keine OGD haben – was ja im üblichen Verständnis von OGD nicht der Fall sein kann. Die Falle besteht darin, dass im weiteren Verlauf die Angaben dieser 9 bzw. 15 Ämter auf die gesamte Bundesverwaltung hochgerechnet werden, obwohl diese nicht repräsentativ sein können.

Die antwortenden Behörden geben bereits PSI gegen Gebühren ab. Sie erzielten 2012 mit „Standardangeboten“ einen Ertrag von 41 Mio. CHF (S. 83). Die Aufwände werden von den 15 antwortenden Ämtern für die Bereitstellung von Standardangeboten mit insgesamt 9,7 Mio. CHF angegeben. Falls der Bund „seine Daten in digitalen Standardangeboten grundsätzlich allgemeinen gratis zur Verfügung stellen würde“ (S. 86), werden die einmaligen Umstellungskosten von den antwortenden Behörden mit insgesamt 5,5 Mio. CHF beziffert, und die jährlichen Kosten mit ca. 5,2 Mio. CHF. Dieser Betrag liegt unter den aktuellen Bereitstellungskosten von 9,7 Mio. CHF (S. 86), was durchaus plausibel ist. Der einzige Schwachpunkt besteht darin, dass von diesen 15 antwortenden Ämter nicht valide auf die gesamte Bundesverwaltung geschlossen werden kann.

Die Autorin räumt ein, dass es kaum möglich ist, ein zuverlässiges Modell für den wirtschaftlichen Nutzen von PSI zu entwickeln. Daher bleiben “nur eine relativ rudimentäre Anlehnung an die Resultate anderer Studien oder stark vereinfachte Hochrechnungen“ (S. 90). Dies tut sie mit drei verschiedenen Schätzungen.

Aus drei mal “mangelhaft“ wird auch nicht „gut“

Als ersten Ansatz werden die von drei Studien vorgenommenen Schätzungen des PSI Wertes für die gesamte EU im Verhältnis zur Höhe des Bruttoinlandproduktes auf die Schweiz heruntergerechnet. Die Schätzungen für die EU schwanken zwischen 32 und 168 Milliarden CHF, für die Schweiz wären das analog 1,2 bis 6,5 Milliarden CHF (S. 92). Es wird nicht näher untersucht, wie es bei den Ausgangsstudien zu derart großen Unterschieden gekommen ist.

Als zweite Methode werden die aus der Umfrage gewonnenen Ertragsangaben in Höhe von 41 Mio. CHF auf die Gebühreneinnahmen des Bundes durch OGD hochgerechnet. Dazu wird der Anteil der Gebühreneinnahmen an den Gesamteinnahmen des Staates ermittelt und die OGD Einnahmen aus der Stichprobe werden mit diesem Faktor multipliziert. Dies führt zu fiktiven OGD-Gebühreneinnahmen von 125 Mio. CHF. Die zugrundeliegende Annahme, dass die Ämter, die nicht an der Umfrage teilgenommen haben und bisher keine Daten gegen Gebühren abgeben, dies in derselben Höhe tun könnten wie die Ämter für Geo- und Wetterdaten darf bezweifelt werden.

Um von den geschätzten Erträgen aus Gebühren zu dem volkswirtschaftlichen Nutzen zu gelangen, werden Multiplikatoren eingeführt. Diese werden für Statistikdaten auf 6,9 und für Geodaten auf 13,5 festgelegt und „behelfsmäßig“ als Unter- und Obergrenze der Schätzung der Gesamteinnahmen aus OGD verwendet. Danach liegt der geschätzte OGD-Nutzen zwischen 0,86 und 1,68 Milliarden CHF. Angesichts dieser Größenordnung wird die aus dem ersten Ansatz ermittelte obere Grenze von 168 Milliarden CHF als „zu optimistisch“ bewertet und eine mittlere Schätzung von 1,2 Milliarden CHF getroffen (S. 94). Daraus wird auch eine Schätzung zusätzlicher Beschäftigung abgeleitet. Nach dem bestehenden Verhältnis von Wertschöpfung und Beschäftigung im IKT-Sektor würden die geschätzten Umsätze zu einer zusätzlichen Beschäftigung von 5.200 bis 7.200 Personen führen (S. 94f.).

In einer dritten Berechnung wird untersucht, ob die positiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen beim Bund zumindest budgetneutral ankommen. Den in der Umfrage ermittelten Erträgen von 41 Mio. CHF werden die einmaligen Umstellungskosten und jährlichen Kosten gegenübergestellt. Danach amortisieren sich die Umstellungskosten in den ersten drei Jahren und ab dem vierten Jahr entstünde ein jährlicher „Effizienznutzen“ von 4,5 Mio. CHF (S. 97). Für die ersten drei Jahre ergeben sich zusätzliche Kosten von jeweils 0,3 Mio. CHF und ein Ertragsausfall durch den Gebührenverzicht in Höhe von 41,3 Mio. CHF.

Um festzustellen, ob dieser Verlust durch zusätzliche Steuereinnahmen zumindest kompensiert werden kann, werden für die geschätzte Wertschöpfung von 0,86 bis 1,2 Milliarden CHF die zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer geschätzt. Dazu wird angenommen, dass diese 8% von 55 % der Wertschöpfung betragen. Die 55 % werden angesetzt, weil die Schweizer Haushalte mehr als 50% für Konsum ausgeben. Was das mit der Besteuerung der Wertschöpfung durch OGD zu tun hat, wird nicht erklärt. Zusätzlich werden die Einnahmen aus der direkten Bundessteuer aufgrund der angenommenen zusätzlichen Beschäftigung im Umfang von 5.200 bis 7.200 Personen geschätzt. Bei durchschnittlichen Steuereinahmen von 1.200 CHF pro Person wären das 6,2 bis 8,6 Mio. CHF. Insgesamt ergibt sich daraus ein jährlicher Nutzen für den Bund zwischen 44,2 und 61,6 Mio. CHF. Abzüglich der geschätzten Kosten bleibt ein jährlicher Nettonutzen zwischen 2,9 und 20,3 Mio. CHF (S. 98).

So kommt die Autorin zu dem Fazit, „dass sich OGD für den Bund budgetneutral umsetzen lässt“ (S.100). Allerdings gilt dies nicht automatisch für die einzelnen Behörden, die auf Einnahmen verzichten. Daher müsse deren Budget entsprechend aufgestockt werden. Bei diesem Fazit ist keine Rede mehr von der „rudimentären Anlehnung an andere Studien“ und den „stark vereinfachten Hochrechnungen“. Und dennoch scheinen der Autorin diese Schwächen nicht ganz aus dem Sinn geraten zu sein. Denn sie formuliert: „Die Berechnungen haben gezeigt, dass es aus ökonomischer Sicht empfehlenswert ist, OGD einzuführen. Dennoch bleibt dies letztlich eine politische Entscheidung“ (S. 99). Das ist insofern richtig, als „aus ökonomischer Sicht“ immer heißt, „auf der Basis stark vereinfachender Annahmen“. Und die müsste die Politik prüfen. Dazu mehr im dritten und letzten Teil.


Quellenangabe
Bürgi-Schmelz, Adelheid (2014:) Wirtschaftliche Auswirkungen von Open Government Data. Verfasst im Auftrag des Bundesarchivs (https://www.egovernment.ch/index.php/download_file/force/347/3337/)


Teil I: Über neue Goldmacher und eine komplexe Wertschöpfungskette

Teil III: Grundsätzliche Irrtümer und eine Lösung mit Augenmass

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Open by default oder Open by demand ? – Teil III

Grundsätzliche Irrtümer und eine Lösung mit Augenmass

Eine Vorbemerkung zur Volkswirtschaftlichen Theorie als Wissenschaft
In dem im zweiten Teil erwähnten Schweizer Bericht werden mehr als 10 Studien behandelt, die mit verschiedenen Methoden versuchen, den volkswirtschaftlichen Nutzen zu schätzen, der mit der Öffnung von Verwaltungsdaten by default erzielt werden könnte. Sie alle beziehen sich auf volkswirtschaftliche Theorien. Das klingt wissenschaftlich, fast wie naturwissenschaftliche Nachweise. Man muss jedoch beachten, dass die Volkswirtschaftslehre eine Wissenschaft eigener Prägung ist. In meinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium hat ein Professor diese Besonderheit in einem Witz pointiert dargestellt: Auf einer Insel befinden sich drei schiffsbrüchige Wissenschaftler, die schon mehrere Tage nichts zu essen und zu trinken haben. Da wird eine Konservendose angeschwemmt. Sie überlegen, wie sie sie öffnen könnten. Der Physiker sagt, man brauche ein spitzes Werkzeug. Der Chemiker empfiehlt nach einer Säure zu suchen. Und der Volkswirt sagt: „Nehmen wir an, die Dose sei offen!“.

Für Ökonomen ist es selbstverständlich, Aussagen auf hypothetischen Prämissen aufzubauen, die sie Aussenstehenden nicht immer verständlich machen. Dies gilt auch für die Studien, die sich auf offene Verwaltungsdaten als Wirtschaftsgüter beziehen.

Vier Irrtümer bei der Schätzung des Wertes offener Verwaltungsdaten

  1. Der Inhalt spielt keine Rolle – Daten sind homogene Güter
    In den vorliegenden Studien wird allgemein von Daten gesprochen, die als gleichwertig behandelt werden. Daher wird angenommen, dass auch die Erlöse aus der Nachnutzung gleich sind. Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Jeder kann nachvollziehen, dass die in vielen Studien näher betrachteten nationalen Geo- und Wetterdaten eher in Anwendungen nachgenutzt werden, die Umsätze generieren, als die von vielen Kommunen bereitgestellten Ergebnisse der Kommunalwahlen.
  2. Die Kosten spielen keine Rolle – Die Grenzkosten sind gleich Null
    Das häufig angeführte Argument der vernachlässigbaren Grenzkosten der digitalen Verbreitung ist nur zum Teil richtig, in den Schlussfolgerungen jedoch falsch. Grenzkosten sind die Stückkosten einer weiteren Einheit eines Gutes, hier also einer weiteren Kopie eines Datensatzes. Die Kosten eines weiteren Downloads sind tatsächlich nahe Null. Aber das ist nur ein Bruchteil der gesamten Kosten der Bereitstellung der Daten auf einem Portal, wie sie in dem Modell der Wertschöpfungskette im ersten Teil aufgeführt worden sind, in den meisten Studien aber gar nicht erwähnt werden. Daten werden nicht so heruntergeladen, wie sie für die verwaltungsinternen Zwecke vorliegen. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat für die Prozesse der Veröffentlichung ein dreijähriges Projekt mit einem Volumen von mehr als 5 Mio. Euro investiert (Bürgerschaft 2013, S.6).
  3. Die Wertschöpfung kommt den Bereitstellern zugute
    Eine Kosten-Nutzen-Rechnung motiviert datenhaltende Stellen nur, wenn ihnen die in Aussicht gestellten Erlöse aus der Nachnutzung auch zufließen. Die erwähnte Schweizer Studie stellt schon auf der Bundesebene eine Asymmetrie fest. Während einzelnen Behörden bei einem Gebührenverzicht Einnahmen im Haushalt fehlen, fließen die aus Umsätzen der Nachnutzung resultierenden zusätzlichen Steuereinahmen in den Bundeshaushalt und müssten dort wieder den datenhaltenden Stellen durch eine Erhöhung ihres Budgets zugewiesen werden. Ob dies geschieht ist fraglich. Für die Öffnung von Daten der Kommunen gibt es dieselbe Asymmetrie ohne zu erwartenden Ausgleich. Die Kosten der Öffnung fallen bei ihnen an, gestiegene Einnahmen aus der Umsatz- und Einkommensteuer jedoch auf der Bundesebene, ohne dass diese ursächlich der Öffnung von Daten zugrechnet werden können.
  4. Die Art der Bereitstellung spielt keine Rolle
    Implizit wird unterstellt, dass alle Daten sofort nach ihrer Erstellung auch veröffentlicht werden. Angesichts der großen Unterschiede bei den Schnittstellen-Kosten und der zu erwartenden Nachfrage ist eine Verpflichtung zu einer generellen anlasslosen Bereitstellung wegen der damit verbundenen hohen Kosten betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen. Aber die Verwaltung soll nicht selbst entscheiden, welche Daten sie schnell, welche später und welche sie gar nicht öffnet. Es ist verwunderlich, dass die Ökonomen nicht die sonst stets präferierte Lösung prüfen, dass der Markt die Ressourcenallokation steuert.

Open by demand in Bremen
Die Freie Hansestadt Bremen hat bei der Novellierung ihres Informationsfreiheitsgesetzes 2015 eine Lösung gefunden, die man „Open Data by Demand“ nennen kann. Da es um die Bereitstellung für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft geht, sollen diese entscheiden, welche Daten sie in welcher Form begehren. Nach §11 sind alle Behörden verpflichtet, alle Informationen eines umfangreichen Katalogs, die nicht explizit einer Beschränkung unterliegen (insbes. Datenschutz, Betriebsgeheimnisse, Urheberschutz) digital über ein zentrales Informationsregister bereitzustellen. Dabei handelt es sich überwiegend um PDF-Dokumente, also nicht um offene und weiter verarbeitbare Formate. Nach § 1 hat jedoch jedermann gleichzeitig das Recht, auf Antrag die Informationen in maschinenlesbaren und weiter verarbeitbaren Formaten zu erhalten und frei nutzen zu dürfen. Dies gilt auch für Daten aus Datenbanken.

Damit fällt der im Wertschöpfungsmodell angesprochene rechtliche und technische Aufwand nur noch für Daten an, für die es eine Nachfrage gibt, und nicht für sogenannte Karteileichen. Der Unterschied bei den Kosten ist enorm. Eine Schnittstelle zu einer internen Datenbank kann zwischen 2.000 und 100.000 Euro kosten, ein einmaliger Datenbankabzug hingegen nur einen dreistelligen Betrag. Sollte ein Datensatz häufiger nachgefragt werden, ist dies ein hinreichender Grund für die Schaffung einer permanenten dynamischen Schnittstelle.

Open Government soll bürgerorientiert sein. Diese Lösung ist bürgerorientiert. Wer nachfragt bekommt die Daten ohne Beschränkung der Nachnutzung. Welche Daten man nachfragen kann, ergibt sich aus den im Portal enthaltenen zurzeit rund 56.000 Dokumenten. Darüber hinaus kann man mit einem Formular auf dem Transparenzportal Daten anfragen. Diese Anfragen werden mit einem Ampelsystem veröffentlicht und verfolgt.

Die zitierte Schweizer Studie kommt am Ende zu der Erkenntnis, dass letztlich über die OGD Strategie eine politische Entscheidung getroffen werden muss. „Open by demand“ ist eine politische Entscheidung mit Augenmaß, für die es keiner fragwürdigen Schätzungen bedarf.


Quellenhinweis

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (2013) Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 13. Juni 2012 „Erlass eines Hamburgischen Transparenzgesetzes“. Drucksache 20/4466


Teil I: Über neue Goldmacher und eine komplexe Wertschöpfungskette
Teil IIEine Schätzung für die Schweiz ist nur scheinbar besser

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Wertorientiertes E-Government – Ausgabe März 2017

Ich erinnere mich an einen Vortrag zu E-Government, dessen Punchline lautete: „Jeder ins E-Government investierte Euro muss sich rechnen!“ Ich teile diese Meinung nicht. Der Nutzen für das Gemeinwohl lässt sich nur selten finanziell bewerten. Wenn wir die Bewertung in Form einer Public Value Analyse im multidimensionalen Raum unterschiedlicher Wert-Arten und unterschiedlicher Stakeholder durchführen, liefert dies zwar ein wesentlich brauchbareres Ergebnis als eine alles in einen Topf werfende rein finanzielle Bewertung und trägt zum Verständnis der Wirkung eines Projekts bei, es nimmt den Verantwortlichen aber nicht die Entscheidung für oder gegen ein Projekt ab. Allenfalls hilft es, Widerstände zu antizipieren oder mögliche Unterstützer zu erkennen – und natürlich entlarvt es grob unsinnige Projekte als solche.

Hoffentlich sind Sie von meiner bescheidenen Meinung zu Nutzenrechnungen nicht allzu enttäuscht, geschätzte Leserinnen und Leser. Ich erkenne zwar an, dass Nutzenrechnungen und all ihre Verwandten die höchste Entwicklungsstufe der Bürokratie darstellen, manchmal auch die Magie der Bürokratie, aber sie können eben nur das gut, was eine gute Bürokratie gut kann: Fehler erkennen. Die klassischen Methoden, mit denen hochqualifizierte Entscheider sich davor schützen, dass sie sich selber hereinlegen, das sind genau die Techniken bürokratischen Entscheidens. Und eine Methode davon ist die Nutzenbewertung. Sie hilft uns das Falsche zu vermeiden. Sie hilft uns aber nicht das Richtige zu tun. Und schon gar nicht hilft sie uns, die wichtigen Innovationen zu entwickeln.

Die Entwicklung von wichtigen Neuerungen im E-Government basiert erstens häufig auf Bewertungen von Lösungsdesigns, denen Werthaltungen im hochkomplexen Kosmos des E-Government – mit unterschiedlichen Ideen, Stakeholdern, Wert-Arten, disziplinären Perspektiven und den Dimensionen Skalierung und Zeit – zugrunde liegen. Zweitens basiert sie auf Emergenz – wobei ich hier nicht die designte Emergenz meine (wie sie sich z.B. in Kommunikationsprotokoll-Stacks und Maschinen-Stacks äussert), sondern jene Emergenz, die darin besteht, dass eine Lösung ihr Problem findet oder neue, ungeplante Nutzungsformen entstehen. Die Geschichte des Handwerks lehrt uns dabei, dass Emergenz oft die Folge unsinnig hoher, letztlich verschwenderischer Qualität ist. Drittens schliesslich entstehen wichtige Neuerungen durch das Zerschlagen von Strukturen, die zu Zeiten optimal waren, als die Technologie wesentlich weniger weit war als heute – Strukturen also, die ihren Wert verloren haben.

Wir haben es also erstens mit schwer fassbaren Werthaltungen zu tun, die auf Fachexpertise beruhen; zweitens mit unbeabsichtigter Wertgenerierung, die sich im Nachhinein als nützlich erweist; und drittens mit verlorenen Werten. Das ist alles andere als einfach, aber es kommt der Wahrheit viel näher, als Nutzenbuchhaltung. Deren grosser Auftritt sollte vor allem in der Einführungsphase kommen, in der es darum geht, den Nutzen der Innovationen tatsächlich zu sichern. Dabei sollte man vor allem auf numerisch oder mindestens qualitativ messbare Werte schauen. Diese können dann tatsächlich zur Steuerung verwendet werden, nämlich zur Steuerung der praktischen Realisierung des angestrebten Nutzens.

So weit, so grundsätzlich. In dieser Ausgabe präsentieren wir ihnen gleich zu Beginn einen sehr wertvollen und gleichzeitig ganz und gar nicht netten dreiteiligen Beitrag zum Thema Wertzuweisung von Herbert Kubicek. Danach werden viel nettere, natürlich ebenfalls wertvolle Beiträge folgen. Am meisten würde uns freuen, wenn es zum einen oder anderen kritische Kommentare gäbe.

Herzlichst, Ihr Reinhard Riedl

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Zu einer neuen Fehlerkultur mit Linked Open Data

An der Veranstaltung eGov Fokus im Oktober 2016 wurden im Berner Rathaus Themen aus dem Bereich Linked Data breit diskutiert. Was sind die Konsequenzen der Digitalisierung? Wo steht die Schweiz in der Entwicklung von Linked Open Data und welcher Nutzen kann daraus gezogen werden? Dieser Beitrag versucht, einige dieser Fragen zu beleuchten.

Technische Innovationen, das Aufkommen des World Wide Web in seinen sukzessiven Ausprägungen (Web 1.0, Web 2.0, Web of Data) und die fortlaufende Ent-materialisierung von Informationsgütern treiben den digitalen Wandel an. Jedoch reicht die technische Innovation allein nicht aus, um den neuen Formen kollektiven Handelns zum Durchbruch zu verhelfen und das Nutzenpotential, das sie bergen, zur Entfaltung zu bringen. Gefragt sind neue Ansätze im Ressourcenmanagement und der Koordination kollektiven Handelns, ein neues Rollenverständnis, neue Kompetenzen und Fähigkeiten, die Aufgabe von Kontrolle, sowie neue Konstrukte hinsichtlich Eigentums- und Nutzungsrechten.

Networking am eGov Fokus 2/16

Die Ära der Digitalisierung und das Aufkommen von Linked Open Data bergen ein grosses Transformationspotential. Open Data sind offene, übers Web frei zugängliche Datenbestände, die von jedermann genutzt, bearbeitet und weiterverbreitet werden können. Dabei können die verschiedenen Nutzerinnen und Nutzer zur Datenqualität und zur Datenanreicherung beitragen, wobei im Idealfall – so das Versprechen von Linked Open Data – Datenbestände auf sinnvolle Art und Weise miteinander verknüpft werden, was zu mehr Innovation, erhöhter Transparenz und Kosteneinsparungen führt.

Wo steht die Schweiz in der Entwicklung von Linked Open Data? Und welchen Nutzen können wir aus Linked Open Data
konkret generieren?

Bereits heute werden in der Schweiz im Rahmen des Projekts LINDAS verschiedene Use Cases verfolgt, welche eine Verlinkung verschiedener Datenbestände anstreben. So publiziert Swisstopo beispielsweise georeferenzierte Adressen als Linked Data, während das Bundesamt für Statistik das historisierte Gemeindeverzeichnis und das Bundesamt für Umwelt diverse Umweltdaten über den Linked Data Service des Bundes bereitstellen.

Auch im Kulturbereich bringt die Digitalisierung grundlegende Veränderungen mit sich. Hier handelt die OpenGLAM-Arbeitsgruppe des Vereins opendata.ch als Vorreiterin und Treiberin des Kulturwandels unter den Gedächtnisinstitutionen („GLAM“ steht im Englischen für „Galleries, Librairies, Archives, and Museums“). Dazu gehört auch die schrittweise Einführung von Linked Open Data. Der Berg an Informationen, welcher hinter den Türen der kulturellen Gedächtnisinstitutionen schlummert, soll digitalisiert und zu Linked Open Data aufbereitet werden, damit auch die kulturellen Datenbestände intensiv genutzt, verknüpft und gleichzeitig verbessert werden können. So will man dem Veränderungspotential der Digitalisierung, welches momentan noch weitgehend brach liegt, zum Durchbruch verhelfen und die neuen Möglichkeiten in einen konkreten gesellschaftlichen Nutzen verwandeln. Um die sinnvolle Verknüpfung, die ansprechende Aufbereitung und die Vielfältige Nutzung der Daten zu fördern, führt OpenGLAM CH seit über zwei Jahren einen jährlichen Kulturhackathon durch. Der Anlass bringt Menschen mit verschiedenen Kompetenzen und aus unterschiedlichsten Disziplinen zusammen. Während mehreren Tagen arbeiten jeweils verschiedene Teams an offenen Datenbeständen aus dem Kulturbereich. Dabei kommen regelmässig neue Formen der Visualisierung, Verknüpfung und Erschliessung von Daten zustande.

Nicht nur das Innovationspotential von offenen Behörden- und Kulturdaten ist gross, sondern auch die damit verbundene Unsicherheit: Lohnt sich der finanzielle und zeitliche Aufwand? Welches ist der öffentliche und welches der private Nutzen, der daraus entsteht? Wer ist wofür zuständig? Wer soll für welche Leistungen bezahlen? Wie können Daten online gestellt und verlinkt werden, ohne dass dabei die Privatsphäre allzu sehr gefährdet wird? Die unterschiedliche Datenqualität und die unvollständige Datenerfassung, sowie die sich konstant ändernden Standards stellen im Hinblick auf die Verknüpfung von Daten aus allerlei Quellen eine weitere Herausforderung dar. Hinzu kommt als weitere Hürde der Umgang mit der Mehrsprachigkeit.


Diskussionen in den Themencafés während dem eGov Fokus 2/16

Linked Data in der Praxis
Auf der Suche nach Antworten und neuen Konstrukten zur verbesserten Datennutzung widmete das E-Government-Institut der Berner Fachhochschule die Veranstaltung eGov Fokus im Herbst 2016 ganz dem Thema „Linked Data in der Praxis“ (Impressionen der Veranstaltung). Verschiedene Referenten aus Holland und der Schweiz lieferten konzise Inputs zur Entwicklung von Linked Open Data im Web 2.0. In einer thematisch aufgegliederten Diskussionsrunde suchten Teilnehmende und Experten anschliessend gemeinsam nach Möglichkeiten, die anstehenden Herausforderungen anzupacken. Denn wo Herausforderungen sind, gibt es immer auch Chancen. Mit Blick in die Zukunft soll die Aufbereitung der Daten ausgeweitet und professionalisiert werden. Namentlich wird es darum gehen:

  • Guidelines und eine umfassende Dateninfrastruktur zu entwickeln, welche die Hürden für diejenigen reduzieren, die einen Beitrag zum „Web of Data“ leisten möchten:
  • ein verteiltes Identitäts- und Zugangsmanagement zu etablieren, um den Datenschutz zu gewährleisten und die Qualität besser gewährleisten zu können;
  • Nutzerfeedbacks zu generieren, um die Datenqualität zu steigern;
  • Fachwissen rund um Linked Open Data unter den potentiellen Nutzern und Anbietern von Daten zu fördern, um dadurch die Berührungsängste zu vermindern.

Daneben wird es aber auch darum gehen, eine neue Fehlerkultur zu entwickeln: Datennutzer müssen lernen, den bereitgestellten Daten mit einem gesunden Mass an Skepsis zu vertrauen, während Datenlieferanten die Bereitschaft entwickeln müssen, Daten frei zu geben, auch wenn sie noch nicht perfekt sind, und sie Dritten zur Nutzung und Anreicherung zu überlassen. Denn: Eine qualitative Verbesserung der Daten und eine Steigerung ihres gesellschaftlichen Nutzens wird sich am ehesten im Rahmen einer intensiven Nutzung der Daten ergeben.


Der nächste eGov Fokus findet am 23. Juni 2017 im Berner GenerationenHaus in Bern statt. Thema: Data Privacy in der digitalen Dienstleistungs-Gesellschaft
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