Schlagwortarchiv für: E-Government

Hacken erwünscht

In Archiven, Bibliotheken und Museen schlummern grosse Datenschätze, die im digitalen Zeitalter aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden. Wie aus den alten Daten neue Anwendungen entstehen, zeigten Programmiererinnen und Programmierer am „#ZACK – Zürcher Archiv Hackday“. Dafür stellten die beteiligten Archive umfangreiches Text- und Bildmaterial zur Verfügung.

Seit Jahrhunderten sammeln Menschen Akten, Unterlagen, Bilder und andere Artefakte, welche ihr Leben und die Welt um sie herum dokumentieren. Diese Daten und Artefakte werden in Gedächtnisinstitutionen für die kommenden Generationen aufbewahrt und dem interessierten Publikum zugänglich gemacht. Die OpenGLAM-Bewegung engagiert sich im Sinne der Open-Data-Philosophie dafür, dass die Daten und digitalisierten Artefakte aus Gedächtnisinstitutionen („GLAM“ ist Englisch und steht für „Galleries, Libraries, Archives and Museums“) soweit wie möglich im Internet frei verfügbar gemacht werden, damit sie von interessierten Nutzern für diverse Zwecke weiter­verwendet werden können. Am Schweizer Archivtag am 9. Juni  öffneten die Zürcher Archive daher nicht nur ihre Türen, sondern auch gleich einen Teil ihrer Daten und luden Software Programmierer, Digital Humanists, Wikipedianer und andere Geschichts- und Kulturinteressierte dazu ein, diese in unterschiedlichsten Formen weiterzuverwenden. Daneben stellten die Archive im Rahmen einer Vortragsserie verschiedene Pilotprojekte vor.

Dass diese Öffnung der Bestände leider noch nicht überall Common Sense ist, zeigte Beat Estermann, stellvertretender Leiter des Forschungsschwerpunkts Open & Linked Data am E-Government-Institut der Berner Fachhochschule und Gründer der OpenGLAM-Arbeitsgruppe Schweiz. Auf der Basis einer Umfrage bei Gedächtnisinstitutionen in neun Ländern untersuchte er, inwieweit die Gedächtnisinstitutionen ihre Daten und Digitalisate heute bereits zur freien Weiterverwendung bereitstellen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sind zum Teil beträchtlich, wobei die Niederlande generell die Nase vorn hat, während sich die Schweiz im hinteren Mittelfeld tummelt. Allerdings ist der Anteil an Inhalten, die durch Dritte frei genutzt werden dürfen, im Vergleich zu den Gesamtbeständen heute in allen Ländern noch gering. Binnen der nächsten fünf Jahre werde sich diese Situation jedoch grundlegend ändern, ist sich Estermann sicher, denn viele Archive gäben an, künftig einen substantiellen Teil ihrer Bestände für die Weiterverwendung freigeben zu wollen.

Er formuliert fünf Prinzipien, die Institutionen erfüllen müssten, damit OpenGLAM funktioniert:

  1. Metadaten sollen ohne Nutzungsbeschränkungen online veröffentlicht werden.
  2. Auch bei gemeinfreien Werke, welche online publiziert werden, sollen keine Nutzungsbeschränkungen geltend gemacht werden.
  3. Bei der Publikation von urheberrechtlich geschützten Inhalten soll mittels standardisierter Lizenzen deutlich gemacht werden, wie die Inhalte weiterverwendet werden dürfen.
  4. Um die Weiterverwendung zu erleichtern, sind Daten und Inhalte in maschinenlesbarer Form und in Open-Source-Dateiformaten zu veröffentlichen.
  5. Die neuen Partizipationsmöglichkeiten, die sich durch das Internet ergeben, sollen gefördert werden.

Als Hauptgründe, weshalb sich viele Institutionen bei der Freigabe von digitalisierten Inhalten im Netz noch etwas zurückhalten, nennt Estermann das Urheberrecht, den Extraaufwand und die technischen Voraussetzungen, die es erfordert, analoge Dokumente zu digitalisieren, sowie die Angst vor dem Kontrollverlust seitens der Institutionen.

Eine Vorreiterrolle, wenn es um die Verbreitung der Open-Data-Philosophie in der öffentlichen Verwaltung geht, nimmt Open Data Zürich ein. Die Dienststelle ist bei der Stadt Zürich für die Umsetzung von Open Government Data zuständig und macht seit einigen Jahren einen wachsenden Teil von Daten der Zürcher Stadtverwaltung unter offenen Lizenzen zugänglich und unterstützt auch immer wieder Hackathons, um deren Nutzung zu fördern. „Wir verfügen über grosse Datenmengen über die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Zürich, von den Beförderungszahlen der Zürcher Verkehrsbetriebe über Eheschliessungen und Taufen bis hin zu den registrierten Hunden und wie sie heissen“, sagt Marco Sieber, Projektleiter Statistik bei der Stadt Zürich. Er gab in seiner Präsentation einen anschaulichen Einblick über den Datenschatz. Zudem veröffentlichte Open Data Zürich eigens für den Hackday Datensätze, darunter die Ehe- und Taufbücher des Grossmünsters von 1708 bis 1732, das Bildarchiv des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks sowie Fahrpläne der Tösstalbahn.

Auch andere Archive und Initiativen wie Histhub oder TOPOterm stellten ihre Projekte und Daten vor. Dodis verfügt etwa über die Diplomatischen Dokumente der Schweiz und stellt diese in gedruckter und digitalisierter Form zur Verfügung. Eine Teilnehmerin des letztjährigen Schweizer Kulturhackathons stellte zudem eine Online-Applikation mit Daten des Verbandes Schweizerischer jüdischer Fürsorgen VSJF aus dem Archiv für Zeitgeschichte vor, welche die Bewegungen jüdischer Flüchtlinge in der Schweiz im Laufe des 20. Jahrhunderts visualisiert.

Die meisten Institutionen besitzen Originaldokumente und suchen nach einer technischen Lösung, wie sie diese in geeignete Dateiformate umwandeln können. Ein besonders kniffeliges Beispiel, die Handschriftenerkennung beim Projekt READ (Recognition and Enrichment of Archival Documents), stellte Tobial Hodel vom Staatsarchiv Zürich vor. Mittels Software werden historische Aufzeichnungen wie gedruckte Texte eingelesen und in Dateien umgewandelt. Dabei setzen die Forscher auf neuronale Netzwerke. „Allerdings müssen die Maschinen noch viel lernen; neu gibt es eine Software, die Frakturschrift erkennen kann“, erläuterte Hodel. Derzeit sei die Fehlerquote noch relativ hoch, sinke aber, je länger die Texte seien: Bei 150 Seiten liege die Quote bei 10 Prozent, bei 1000 Seiten um 3 Prozent. Das Problem sei, dass handschriftliche Texte meist keinen gleichbleibenden Schemen folgten. Randnotizen und Fussnoten erschweren die Erkennung weiter. Als Beispiel zeigte Hodel einen Brief des Dichters Rainer Maria Rilke, den der Algorithmus in eine Datei umwandelte – der Text war aufgrund der vielen Erkennungsfehler jedoch unlesbar.

Das Staatsarchiv stellte denn auch einen Datensatz von Rilkes Aufzeichnungen zur Verfügung, an dem ein Hackerteam arbeitete und die dazugehörigen Metadaten anreicherte und visualisierte. Andere Teams programmierten unter anderem ein Tool, das die Eheschliessungen in Zürich visualisiert, welche grafisch einer Spinne ähnlich sehen. Thomas Weibel, Multimediaproduzent an der BFH  und an der HTW Chur, verwandelte Fotos des Usterner Unternehmers und Fotografen Julius Guyer (1893-1909) in den Prototypen eines Memorys.

Hintergrund:

Der Zürcher Hackday ist ein Gemeinschaftsprojekt von Deutschschweizer Archiven, der Arbeitsgruppe OpenGLAM des Vereins opendata.ch und Wikimedia CH. Organisiert wurde der Anlass von Tobias Hodel vom Staatsarchiv Zürich  und Karin Beck vom Stadtarchiv Zürich in Zusammenarbeit mit Vertretern von vier weiteren Archiven (Sozialarchiv, Stadtarchiv Uster, Stadtarchiv Winterthur, Schweizerisches Literaturarchiv), welche für den Anlass eigene Daten bereitstellten. Der Hackday ist einer der Pre-Events zum Swiss-Open-Cultural-Data-Hackathon, der am 15.-16. September an der Universität Lausanne stattfindet.

 

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„6ème eGovernment Symposium Romand“

Das eGovernment Symposium Romand, welches dieses Jahr am 5. Mai in den Räumlichkeiten der Universität Freiburg stattfand, hatte als Programm „Digitale Verwaltung aus der Sicht des Nutzers“.

In seinem einführenden Vortrag zeigte der Finanzdirektor des Kantons Freiburg Georges Godel die politische Vision der digitalen Verwaltung in seinem Kanton. Er betonte die zentrale Stelle des Nutzers des virtuellen Schalters und die Notwendigkeit, seine Bedürfnisse vorausschauend zu berücksichtigen. Dies sei aber nur möglich, wenn die Benutzerschnittstelle einfach zu bedienen sei und eine einheitliche Darstellung vorzeige. Er unterstrich auch die bahnbrechenden technologischen Neuerungen und die Rolle der künstlichen Intelligenz.

Der nachfolgende Vortrag, der den gleichen Titel wie das Symposium selbst hatte, zeigte Beispiele digitaler Dienstleistungen in der Verwaltung. Eingeleitet durch einen Trickfilm über „Das Leben von Léa“, der in einfacher Weise die Vision einer Bürgerin im digitalen Staat von der Geburt bis zur Pensionierung zeigte, sprach Cédric Roy, Leiter der operationellen Leitung von E-Government Schweiz über die Digitalisierung der Dienstleistungen Umzug, Mehrwertsteuer und elektronische Identität. Er kündigte an, dass unter der Leitung der Bundeskanzlei bis 2019 zwei Drittel der Kantone die elektronische Abstimmung einführen werden.

Herr Flavien Testevuide, Leiter des französischen Service Public, zeigte die offizielle Web-Seite der französischen Verwaltung und sprach über die Analyse des Nutzerverhaltens als auch über die Bereitstellung von Inhalten aus verschiedenen Behördenstellen. Beim Stichwort „co-construction“ verbirgt sich eine aktive, partnerschaftliche Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Anwender. Mithilfe von Usability Workshops, Story Maps und statistischen Auswertungen wurden im letztem Jahr die digitalen Angebote geprüft und angepasst. Die Zahlen sprechen für sich: 271 Millionen Besuche, davon 25% mittels mobiler Geräte, in 2016. Die meisten Anfragen (84%) stammten aus Einzelpersonen, welche in 80% der Fälle nicht direkt, sondern über eine Suchmaschine die Web-Seite service-public.fr erreicht haben. Nicht überraschend ist der Hauptanteil von Google mit 91%. Fast die Hälfte der 214‘000 Supportfälle, welche per E-Mail bei den 20 Mitarbeitern eintrafen, betrifft technische Probleme. Die Rückmeldungen zur Web-Seite waren äusserst positiv: ungefähr 90% der Besucher gaben an, zufrieden bis sehr zufrieden zu sein. Als wichtige Herausforderungen unterstrich der Redner die Beteiligung jünger Bürger und der zukünftige Einsatz der künstlichen Intelligenz, um Antworten auf den Web-Seiten von service-public.fr zu finden, ohne die Unterstützung des Supports in Anspruch zu nehmen.

Der Vortrag der Beraterin Aline Isoz nach der Pause war eine spannende und kritische Gegenüberstellung der kulturellen Unterschiede zwischen USA und der Schweiz zum Thema Digitalisierung. Sie antwortete die Frage „Kann man Schweizer und digital sein?“, in dem sie bei verschiedenen Schlüsselwörtern (Exzellenz, Innovation, Qualität, Forschung u.a.) die Stärken und Schwächen beider Länder verglich und pointiert analysierte.

Vor dem Mittagessen fand ein einstündiges Podiumsgespräch zum Thema „Welche Nutzer und welche Verwendung der digitalen Verwaltung?“ statt. Betont wurde die Erwartung des digitalen Bürgers in Hinblick auf Vertrauenswürdigkeit, Transparenz und Einfachheit des Online-Angebots. In diesem Zusammenhang waren die Vortragenden darüber einig, dass Ergonomie und Design eine sehr wichtige Rolle spielen. Es wurde aber bemerkt, dass man dabei die Bevölkerungsverteilung berücksichtigen muss. Der unterschiedliche Wissensstand wird für längere Zeit dazu führen, dass es zwei parallele Welten von Benutzern geben wird.
Nach dem Mittagessen fanden zwei parallele Workshops statt. Im Atelier mit dem sprechenden Titel „In der Haut des Benutzers“ zeigte Marie-Christine Müller vom Informationsbüro des Kantons Freiburg wie man daran ist, das bestehende Portal www.fr.ch neu zu gestalten. Auch in diesem Vortrag wurde betont, dass der Nutzer im Zentrum stehen muss. Besonders interessant waren die Überlegungen zur Organisation der angebotenen Inhalte. Statt einer hierarchischen Struktur mit einem komplexen, fachlichen Wortschatz versucht man, die Information thematisch zu organisieren. Als Beispiel für diesen Ansatz liess die Vortragende die Workshopteilnehmer Karteikarten mit Kategorien nach eigenen Vorstellungen ordnen. Es handelte sich dabei um die Themen der Hauptnavigation auf der Web-Seite www.fr.ch . Anschliessend zeigte sie die Resultate der Auswertung desselben Materials mit Testgruppen in Freiburg.

Die Probleme der Verständlichkeit der digitalen Angebote wurden im nachfolgenden Vortrag weiter besprochen. France Santi vom „Verein Einfache Sprache“ referierte über die leichte Sprache. Das Akronym FALC auf Französisch („facile à lire et à comprendre“) verbindet beide Aspekte, die Wahrnehmung und die Verarbeitung geschriebener Sprache. Anhand vieler Beispiele, vorwiegend aus Deutschland, zeigte sie, dass die meisten Nutzer ein Sprachniveau B1-B2 haben. Dem gegenüber stehen die Informationen von Verwaltungen und Unternehmen, deren Sprachniveau im Bereich C1-C2 liegt.

Nach dem Workshop fand ein interessanter Vortrag zum Thema „Design aus Benutzersicht: Branding“ statt. Der Vortragende, Alexander Rossier, ist Lead Designer bei einer führenden Designagentur, KISKA in Österreich. Er zeigte, wie Designer, Ergonomie-Experte und Ingenieure mithilfe von „Inside-Out-Design“ neue Benutzerschnittstellen entwerfen, welche Mehrwert für den Anwender schaffen und natürlich zu bedienen sind.

Das Symposium wurde von Sophie Pichaureaux, Verantwortliche für digitale Verwaltung im Kanton Waadt, abgeschlossen. Von wenigen, prägenden Bildern ausgehend, sprach sie von der Notwendigkeit, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Das Bild einer Passstrasse auf einem Berg war für sie das Sinnbild der heutigen Verwaltung, auf der man sich stützt, um der zukünftige Weg der digitalen Administration zu entwerfen. Mit dieser schönen Metapher wurde das Symposium abgeschlossen.

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Open-Government-Data erleichtert politische Teilhabe

Der Populismus ist nicht nur in Europa auf dem Vormarsch und lässt bei vielen Sorgen um die Demokratie aufkommen. Doch gerade die Erfolge der Populisten bringen auch eine Gegenbewegung hervor, die sich stark macht für Grundrechte und die Werte der Demokratie. Was genau braucht eine moderne Demokratie? Dieser Frage geht Dr. Günther Schefbeck, Leiter der Stabsstelle „Parlamentarismusforschung“ der Parlamentsdirektion Wien in seinem Beitrag nach.

Was sind demokratische Werte? Es stehen sich zwei grosse Vorstellungen gegenüber. Auf der einen Seite gibt es das Konzept der „Grundrechtsdemokratie“. Dieses sucht einen ethischen Grundkonsens, bei dem sich das Konzept der Menschenwürde mit Verfahrensweisen verbindet, die den staatlichen Willen im Einzelnen bilden, ohne dabei die ethischen Grenzen zu überschreiten.
Anderseits verortet das Konzept der „Verfahrensdemokratie“ die Demokratie allein in den Verfahrensregeln. Ausgehend von der auf der Erkenntnistheorie begründeten Skepsis, dass das absolut Gute oder Richtige nicht immer zweifelsfrei erkennbar ist, werden die Entscheidungen des massgeblichen staatlichen Willens in demokratischen Verfahren gebildet. „Demokratie schätzt den politischen Willen Jedermanns gleich ein“, sagt der Staatsrechtler Hans Kelsen, und: „Darum ist der Relativismus die Weltanschauung, die der demokratische Gedanke voraussetzt.“

Der in dieser Gegenüberstellung grundgelegte Diskurs kann an dieser Stelle nicht geführt werden. Es muss genügen, den weiteren Überlegungen den engeren Begriff der Verfahrensdemokratie zugrunde zu legen und daraus abzuleiten, dass als demokratischer Wert zu werten ist, was funktional der demokratischen Bildung des staatlichen Willens dient. Dazu zählen evident alle Regeln, die sicherstellen, dass der politische Wille jedes und jeder Einzelnen, soweit er politisch berechtigt ist, mit gleichem Gewicht in die staatliche Willensbildung eingeht. Daher die zentrale Funktion des Wahlrechts und des Verfahrensrechts insbesondere in der Gesetzgebung für die Demokratie. Sind Fragen des Wahlrechts auch weiterhin im Fokus öffentlicher Debatten über Demokratie und Demokratiereform, so ist doch in den vergangenen Jahren ein weiteres Konzept in den Vordergrund solcher Debatten getreten: das Konzept der „Transparenz“.

Transparenz in der Demokratie
Was ist Transparenz? Nach dem Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter dient sie „funktional der demokratienotwendigen Interdependenz der (relativ) autonomen Bereiche politischer Kommunikation“. Zu solchen Bereichen zählen das parlamentarische Plenum ebenso wie der viel berufene Stammtisch, die Parteiversammlung ebenso wie die Social-Media-Plattformen. Hier wie dort wird über Fragen der staatlichen Willensbildung diskutiert. Sollen diese Diskurse nicht substantiell divergieren, bedürfen sie einer zumindest minimalen gemeinsamen Informationsgrundlage, einer elementaren Schnittmenge an Wissen über politisch aufgegebene Probleme, zu diskutierende Lösungsansätze und nicht zuletzt den jeweils aktuellen Stand des Verfahrens, in welchem diese Ansätze ausgemittelt werden.

Fehlt diese gemeinsame Wissensgrundlage, droht Desintegration des politischen Systems, zumindest mittel- und langfristig: Fehlendes Wissen über die Realisierung politischer Lösungen verursacht, als das noch geringste Übel, Redundanz im politischen Diskurs. Fehlendes Wissen über Entscheidungsgrundlagen und Argumente verursacht Entfremdung, vermindert Akzeptanz politischer Entscheide. Solche Akzeptanz ist aber ihrerseits die Voraussetzung für die Effektivität dieser Entscheide und damit für die Leistungsfähigkeit des politischen Systems selbst.

Wissen über Argumente muss, schon angesichts des in der Demokratie nicht minder geforderten Wissens über die jeweils eigene Interessenlage, nicht zur Akzeptanz dieser Argumente führen. Aus diesem Grund ist ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger als das Wissen über die ausgetauschten materiellen Argumente, das Wissen über das eingehaltene formale Verfahren. Demokratie als Verfahrensmodell basiert primär auf der Akzeptanz von Verfahren, also im Sinne des Systemtheoretikers Niklas Luhmann auf „Legitimation durch Verfahren“: Das materielle Ergebnis eines den demokratischen Verfahrensregeln entsprechend zustande gekommenen staatlichen Willensbildungsprozesses gilt dem Demokraten auch dann als legitim, wenn er diesem Ergebnis argumentativ nicht folgen kann.

Wichtigstes Transparenzgebot in der politischen Demokratie ist daher die Verfahrenstransparenz. Die Forderung, sie zu gewährleisten, gilt natürlich im Besonderen für das Verfahren der generell-abstrakten staatlichen Willensbildung, also der Gesetzgebung. Sie dringt aber immer weiter auch in andere Verfahrensebenen, in Ebenen der individuell-konkreten staatlichen Willensbildung ein: Während das gerichtliche Verfahren schon traditionell zumindest hinsichtlich der Hauptverhandlung öffentlich gewesen ist, sieht sich heute auch das Verwaltungsverfahren mit der Forderung nach vermehrter Transparenz konfrontiert.

Schweden als Transparenz-Pioniere
Nur wenige Staaten verfügen über eine weit zurückreichende Tradition der Transparenz im Verwaltungsverfahren: Das klassische Beispiel ist Schweden mit seinem auf das Jahr 1766 zurückgehenden „Öffentlichkeitsprinzip“, das – mit wenigen überwiegend sicherheitspolitisch motivierten Ausnahmen – alle Verwaltungsdokumente öffentlich zugänglich gemacht hat. Erst in jüngerer Vergangenheit ist der Widerstreit zwischen diesem administrativen Prinzip einerseits und dem individuellen Recht auf Datenschutz andererseits sichtbar geworden oder gemacht worden.

Während also das am konsequentesten verwirklichte Konzept der administrativen Transparenz in der Güterabwägung mit dem Datenschutzkonzept seine Einschränkungen erfahren hat, sind in den vergangenen Jahren in einer rasch zunehmenden Zahl von Staaten gesetzliche Grundlagen für den freien Zugang zu administrativen Informationen geschaffen worden, die als Typus üblicherweise als „Informationsfreiheitsgesetze“, in der Begrifflichkeit anknüpfend am 1966 erlassenen „Freedom of Information Act“ der USA, bezeichnet werden. In Deutschland und in der Schweiz beispielsweise ist jeweils 2006 ein Bundesgesetz in Kraft getreten, während in Österreich seit mittlerweile mehr als drei Jahren über ein solches Gesetz – bisher ergebnislos – diskutiert wird. Insgesamt haben mittlerweile über 110 Staaten Informationsfreiheitsgesetze erlassen.

Maschinenlesbarer Staat als Standard
Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben den politischen Diskurs über freien Zugang zu staatlichen Informationen natürlich allein schon durch praktische Vereinfachung der Zugangswege befeuert. Die „Open Government Data“-Bewegung, durch die Obama-Administration in den USA mit weltweiter Wirkung gefördert, hat den „maschinenlesbaren Staat“ zum Standard erklärt, den es zu erreichen gilt. Gerade um der potentiellen Gefahr, durch Bereitstellung einer Überfülle an Daten ihre Konsolidierung zu Wissen erst recht zu erschweren, begegnen zu können, ist die Mediatisierung der Datenflut durch Maschinen und damit die Forderung nach Bereitstellung staatlicher Daten in maschinenlesbarer Form essentiell geworden.

Offene staatliche Daten sind zu einem unentbehrlichen Rohstoff nicht nur für die Wirtschaft, die sie in der Entwicklung von Diensten weiterverarbeiten kann, sondern auch für die politische Demokratie geworden: Gleich ob sie als Bausteine zur Errichtung von Schutzwällen gegen „alternative Fakten“, die ohne Evidenzbasis im politischen Diskurs ausgeschieden werden können, oder zur Konstruktion eines Legitimationsrahmens für die staatliche Willensbildung verwendet werden, die durch sie vermittelte Transparenz muss als unverzichtbarer demokratischer Wert aufgefasst werden.

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Wir sind jetzt bei Facebook… und nun?

In den letzten Jahren haben öffentliche Verwaltungen Social Media wie Facebook oder Twitter verstärkt als neue Kommunikationskanäle für sich entdeckt. Während die anfängliche Euphorie häufig groß ist, stellt sich bei vielen Verantwortlichen schnell Ernüchterung ein. Fehlende strategische Überlegungen und Evaluationskennzahlen machen eine Bewertung des Social-Media-Erfolges für öffentliche Verwaltungen in den meisten Fällen unmöglich.

Nach der Privatwirtschaft, die Social Media schon länger für Marketingzwecke einsetzt, nutzen mittlerweile auch immer mehr öffentliche Verwaltungen Facebook, Twitter und Co, um mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu treten. Die Hoffnungen, die mit diesen neuen Kommunikationskanälen verknüpft sind, sind vielfältig. So bieten Social Media als Echtzeitmedien beispielsweise die Gelegenheit, die potenziellen Nutzerinnen und Nutzer direkt und ohne Verzögerung zu erreichen. Außerdem ermöglichen sie, neue Zielgruppen anzusprechen, wie junge Internet-affine Bürgerinnen und Bürger, die über traditionelle Offline-Medien nur schwer erreicht werden können. Und schließlich können Social Media nicht nur als Einweg-Informationskanäle eingesetzt werden, sondern sie versprechen auch einen direkten Dialog zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit, der bislang in der Art nicht möglich war.

Öffentliche Verwaltungen gestalten ihre Social-Media-Auftritte höchst unterschiedlich. Während einige Facebook-Seiten fast verwaist sind und nur sporadisch gepflegt werden, bemühen sich andere Verwaltungen um einen abwechslungsreichen Mix aus Text, Bildern und Videos. Hinter den Kulissen eint ein Aspekt sie jedoch fast alle: die fehlende Strategie. Da Social-Media-Entscheidungen häufig auf die Initiative einzelner Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zurückgehen, fehlt es oft an einer expliziten Strategie oder an Überlegungen, wie Social Media in eine mögliche Gesamtkommunikationsstrategie einer Verwaltung einzubetten sind. Dementsprechend existieren auch keine definierten Ziele, die mit dem Einsatz von Social Media erreicht werden sollen. Mit diesen fehlenden Zielen gehen wiederum auch fehlende Messgrößen zur Bewertung des Erfolgs von Social Media einher. Die Beurteilung der Social-Media-Aktivitäten beruht daher zumeist auf der individuellen Einschätzung der Social-Media-Verantwortlichen. Objektive Bewertungsgrößen beschränken sich vor allem auf das Zählen von Kommentaren und ‚Likes‘ oder ‚Retweets‘.

Um den tatsächlichen Nutzen von Social Media bewerten zu können, bedarf es allerdings weit mehr als der Quantifizierung von Klicks. Je nach zu erreichendem Ziel bieten sich beispielsweise qualitative Analysen von Nutzerkommentaren an oder, wenn die Reichweite über die Social-Media-Seite hinaus bewertet werden soll, Zufriedenheitsmessungen durch Marktforschungsinstitute. Die Erfolgsmessung ist jedoch nicht einfach, und so bleibt der Bedarf nach einer Entwicklung von hilfreichen Bewertungsinstrumenten für Social-Media-Aktivitäten bestehen – und das übrigens nicht nur für den öffentlichen Sektor.

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Auf dem Weg zum datengetriebenen Ökosystem

Ein florierender Datenmarkt ist ein entscheidender Faktor für Beschäftigung, Wachstum und langfristiges gesellschaftliches Wohlergehen. Österreich hat dafür den Weg geebnet und fördert den Aufbau eines landesweiten Datenökosystems, das zunächst die nationalen Stakeholder wie Hochschulen, KMU und Industrie verbindet und später über die Grenzen hinweg ausstrahlen soll.

Wenn die Eidgenössischen Technischen Hochschulen Zürich und Lausanne ein nationales Zentrum für Datenwissenschaft gründen, dann muss es dafür gute Gründe geben. Tatsächlich wurde 2015 das Volumen der Datenwirtschaft in der EU auf 272 Mrd. EUR geschätzt und könnte bis 2020 7,4 Mio. Menschen in der EU Beschäftigung bieten, bei einem jährlichen Wachstumspotential von 5,6%. Vergleicht man diese Werte mit der schweizerischen oder europäischen Wachstumsrate wird klar, dass es sich um einen Markt mit hohem Potential handelt.

Durch Daten unterstützte Produkte und Dienstleistungen können unseren Alltag in vielen Bereichen verbessern, beispielsweise bei der Geschäftsanalyse, Wettervorhersage, Gesundheitsvorsorge oder im Verkehr. Eine Mitteilung der EU-Kommission vom Januar 2017, welche zahlreiche Hindernisse auf dem Weg hin zum europäischen Datenraum darlegt, betont die enorme Bedeutung von Daten für das Wachstum hin zu langfristigem gesellschaftlichen Wohlergehen. Die Studie des europäischen Zentrums für internationale politische Ökonomie (2017) deutet zudem auf zahlreiche rechtliche bzw. verwaltungstechnische Beschränkungen hin, vor allem in der Form der Verpflichtung zur Datenverarbeitung im Inland, die den gesamten europäischen Datenmarkt behindert. Würden diese Hemmnisse behoben, könnte dies das EU-weite BIP um bis zu 8 Mrd. EUR erhöhen.

Die Entfaltung eines nachhaltigen und tragfähigen Datenmarkts ist von einer Reihe von Faktoren abhängig. Aus rechtlicher Perspektive ist das Schutzniveau bei der Datenübermittlung in Drittstaaten von besonderer Bedeutung. Auch die Wirtschaftsstruktur eines Landes spielt eine entscheidende Rolle. Sind große Firmen vorherrschend, ist der notwendige Abstimmungsbedarf zum Datenaustausch geringer als bei einem sehr kleinteilig organisierten Wirtschaftsraum, welcher von KMUs geprägt ist.

Neben den genannten Rahmenbedingungen gibt es auch eine Reihe sozio-ökonomischer Faktoren, welche nicht unmittelbar beeinflussbar sind, wie beispielsweise das allgemein ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis oder die vorhandene Startup-Kultur.

In Österreich wurde 2016 das von der nationalen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt Data Market Austria gestartet. Als Leitprojekt verfolgt es das Ziel, durch eine breite Einbindung von Stakeholdern aus Wissenschaft, KMU, Industrie und Markt-Unterstützern jene organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Österreich ermöglichen, einen nachhaltigen nationalen Datenmarkt aufzubauen. Die Projektpartner analysieren innerhalb der nächsten drei Jahre bestehende Hürden durch Forschung und Entwicklung. Zu Beginn findet eine rigorose Anforderungserhebung statt, welche unter anderem die aktuelle Situation der Datenverwendung sowie die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftstreibenden erfasst. Zentral sind folgende Fragen:

  • Wie werden Datenservices aktuell angeboten?
  • Welche Daten sind vorhanden?
  • Welche Charakteristika weisen diese Daten auf (personenbezogen, ortsbezogen, …)
  • Nach welchen Geschäftsmodellen erfolgen die Verrechnung oder die Weiterverwendung der Daten?

Die Anforderungserhebung wird dabei wesentlich von den Anwendungsfällen Erdbeobachtung (große und heterogene Daten) sowie Mobilität (ortsbezogene Daten und Daten welche mit hoher Frequenz generiert werden) getrieben.

Während die Zielarchitektur noch in der Detailplanung ist, wird das Projekt jedenfalls neuartige Möglichkeiten zu einem automatisierten und rechtsgültigen Zugriff auf Datenbestände evaluieren. Das von den Partnern in das Projekt eingebrachte Datenmaterial wird analysiert und Zusammenhänge automatisiert ermittelt. Den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Datenmarkts können dadurch kontextbezogen Vorschläge zu interessanten Datensätzen angeboten werden. Der nachvollziehbar gestaltete und automatisch durchgeführte, rechtsgültige Abschluss von Rechtsgeschäften soll durch blockchain-basierte Ansätze unterstützt werden, wobei die Komplexität des Umsetzungskonzepts von den Marktteilnehmern abstrahiert wird. Unterstützende Basisdienste sind Kernelemente der Plattform und umfassen beispielsweise Module zur Messung und automatisierten Verbesserung der Datenqualität.

Abhängig von der Rolle des Datenmarkt-Teilnehmers als Lieferant von Daten, Services oder Infrastruktur, ist es die entscheidende Aufgabe des Brokers, diese Angebote zusammenzuführen und zukünftigen Marktkunden anzubieten. Das wirtschaftliche Potential muss gegeben und die Schwelle zur Konzeption neuer kommerzieller Dienstleistungen möglichst gering gestaltet sein. Broker-Services werden durch eine Recommender-Engine unterstützt und rechtsgültige Datengeschäfte weitgehend selbstständig auf Basis technologisch implementierter Musterverträge abgewickelt.

Das Projekt Data Market Austria ist konsequent offen konzipiert. Für interessierte Personen wird es die Möglichkeit geben, sich bereits während der Projektlaufzeit in verschiedenen Abstufungen/Intensitäten mit dem Projekt zu assoziieren. Der Wert eines Ökosystems steigt mit der Anzahl der Marktteilnehmer und nicht ausschließlich durch die Exklusivität der Teilnahme. So ist zur Mitte der Projektlaufzeit eine Zwischenfinanzierung für Startups geplant, die frühzeitig die Service- und Infrastrukturkomponenten des Datenmarkts verwenden können. Resultate aus der Nutzung des Ökosystems Data Market Austria werden zur laufenden Verbesserung herangezogen.

Als national gefördertes Projekt sind die teilnehmenden Partner österreichische Universitäten und Unternehmen. Dennoch steht außer Frage, dass ein digitaler Datenmarkt an nationalen Grenzen nicht Halt machen kann. Deshalb ist die Gründung eines Vereins in Planung, dessen Aufgabe die Vernetzung international vergleichbarer Initiativen zum frühzeitigen Erfahrungsaustausch ist. Eine konkrete Zusammenarbeit wurde mit dem Projekt Industrial Data Space (Deutschland) initiiert. Im Zentrum dieser Zusammenarbeit steht ein Austausch hinsichtlich der virtuellen Datenplattformarchitektur.

Die Schaffung des Datenökosystems wird nur unter Wahrung der rechtlichen Erfordernisse und unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Herausforderungen möglich sein. Die fortschreitende Automatisierung bewirkt bereits veränderte Arbeitsrealitäten, deren soziale Auswirkung nicht ausreichend von der politischen Diskussion erfasst wird. Die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse von Wirtschaftswachstum durch Automation und Effizienzsteigerung sind ein Themenkomplex, welcher vom Projekt durch Analyse der sozialen und gesellschaftlichen Implikationen berücksichtigt wird. In diesem Bereich können nachhaltige Lösungen aber nur durch internationale Zusammenarbeit auf politischer Ebene erarbeitet werden.

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Wert und Werte im Schweizer E-Government

In der öffentlichen Diskussion wird gerne die Verwaltung mit Unternehmen verglichen. Dabei geht schnell vergessen, dass die Zielsetzungen der Organisationen sehr unterschiedlich sind. Auch wenn zum Teil das Handeln ähnlich erscheint, sind dessen Gründe selten identisch.

Im Leitbild von E-Government Schweiz heisst es: «E-Government ist selbstverständlich: transparente, wirtschaftliche und medienbruchfreie elektronische Behördenleistungen für Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung.» [1] Fokussiert wird in der Umsetzung auf drei Adjektive: transparent, wirtschaftlich, medienbruchfrei.

transparent
Das politische System in der Schweiz ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern sehr vielseitige Einblicke in das politische Handeln. Mit Hilfe von E-Government mehr Transparenz in den Behördenalltag zu bringen, ist ein sehr wesentliches Element der Gestaltung der zukünftigen Schweiz, mangelnde Transparenz führt zu Misstrauen. Dabei ist es absolut egal, ob dieses Misstrauen nun begründet ist oder nicht.

Die Herausforderungen bleiben auch nach über einem Jahrzehnt E-Government sehr gross: Bezüglich Transparenz im E-Government belegt die Schweiz in Europa einen der hintersten Plätze [2]. Während die Schweizer Behörden bezüglich der Darstellung der Informationen über sich selber noch etwa im EU-Durchschnitt liegen, fehlt weitgehend Transparenz bezüglich der Leistungserbringung (Fig. 3-12 in [2]). Zudem besteht wenig Möglichkeit, über den elektronischen Kanal Einsicht in die eigenen Daten zu erhalten. Bezüglich Transparenz besteht in der Schweiz noch sehr viel Potential, das mit E-Government erschlossen werden kann.

So landet im Hintergrundbericht der EU zum Stand von E-Government [3] die Schweiz für die Prozesse ums Verlieren und Finden einer Anstellung auf den Rängen weit hinten. Dabei erhält die Schweiz bezüglich der Transparenz hinsichtlich dem Prozessstand nur sechs von hundert Punkten. Gemeinsam erhalten die Schweiz, die Slowakei und Tschechien zur Transparenz bezüglich den persönlichen Daten Null Punkte und belegen so im Vergleich zu den anderen Ländern Europas die letzten Ränge.

Neben der Darstellung der Zuständigkeiten und der prozessbezogenen Transparenz gilt es aber, auch das Gesamtsystem verständlich zu machen. Behörden verfügen über sehr viele Informationen, die geeignet sind, die Schweiz in sehr vielen Facetten zu erklären. Hier ist jede Behörde gefordert, durch Publikation von Ausschnitten aus den Behördendaten nach und nach einen Beitrag zu leisten. Dabei werden alle, auch die Datenempfänger im Dialog mit den Datenlieferanten, gefordert sein: es geht letztendlich darum, ob die aus den Daten interpretierte Systemsicht stimmt, nicht ob korrekte Daten publiziert wurden.

wirtschaftlich
Wir erleben die Schweiz als prosperierende Volkswirtschaft. Wir wissen auch um das Positive der tiefen Staatsquote. Und trotzdem erleben wir immer wieder, dass Behördenprozesse wesentlich effizienter gestaltet werden könnten – zumindest aus der Sicht einzelner am Prozess involvierter Stellen. Bevor die Klagen über die Ineffizienz von gewissen Behördenprozessen noch lauter werden: es ist sinnvoll allen Beteiligten bewusst zu machen, was der Prozess alles leisten muss. In diesem Bewusstsein gibt es schliesslich verschiedene Optimierungsmöglichkeiten:

  • zu hinterfragen, ob all diese Ziele tatsächlich (noch) notwendig sind bzw. welche Ziele auf der Basis der verfügbaren Informationen zeitgerecht und zukunftsweisend wären
  • Prozesse auf der Basis der Digitalisierung neu gestalten (Informationsbereitstellung statt Prozessbeteiligung, Parallelität statt Sequenz, …)
  • Verlässlichkeit – insbesondere auch beim Termin, hat sehr hohe wirtschaftliche Bedeutung: maximale Verfahrensfristen, Genehmigungsfiktion als Optionen prüfen
  • Fokussierung auf relevante Fälle, statt auf alle?

Nicht zuletzt liessen sich mit mehr Transparenz auch wesentlich wirtschaftlichere Lösungen realisieren.

medienbruchfrei, elektronisch
Der elektronische Kanal im Behördenverkehr setzt sich eher schleppend durch. Statt ‘elektronisch zuerst’ leben wir immer noch in einer Zeit, in welcher es zwingend geblieben ist, Papier-basierte Prozesse zu ermöglichen. Dass dies, bei entsprechendem politischen Willen, auch anders sein kann, zeigt z.B. Dänemark. 2016 wurde in Dänemark 88% des Behördenverkehrs elektronisch abgewickelt [4]. Estland erreicht gemäss dieser durch Eurostat erhobenen Zahlen auch bereits 77%.

Medienbruchfreiheit ist aber kein Wert an sich, sondern deklariert eher, wie ‘transparent’ und ‘wirtschaftlich’ erreicht werden soll. Bei neuen Realisierungen gilt es folgendes zu beachten: Medienbruchfreiheit dank Behördenportal oder digitales Formular kann für den Anwender eben genau ein Medienbruch bedeuten. Er wird gezwungen, dieses (oft online) auszufüllen. Wenn Medienbruchfreiheit erreicht werden soll, muss auch der Prozess seitens des Anwenders beachtet werden. Medienbruchfreiheit ist eine Eigenschaft des Gesamtsystems und darf nicht auf Teilsysteme reduziert betrachtet werden.

Macht es Sinn, die Ziele von E-Government Schweiz einzig auf diese drei Adjektive zu reduzieren?

Neben den im E-Government-Leitbild verankerten Adjektiven sollte E-Government mindestens auch bezogen auf die nachstehenden Qualitäten einen positiven Einfluss haben. Dank E-Government ist es möglich,

  • Behördenleistungen vertrauenswürdig und verlässlicher zu erbringen.
  • Entscheidungen ganzheitlich zu betrachten und breit abzustützen.
  • das Gesamtsystem wartbar und veränderbar zu gestalten.

Dies geschieht nicht von selbst, sondern erfordert in der Planung, dem Betrieb und der Erneuerung von E-Government auch in Zukunft viel Umsicht. Es handelt sich dabei nicht um vernachlässigbaren Aufwand; aber es ist ein Aufwand, der Public Value schafft. Damit kommt die Verwaltung ihrer vordringlichen Aufgabe nach: sie schafft Nutzen für das Gemeinwohl.

Auch wenn Behörden keine Unternehmen sind, dürfen sie sich doch an den Werten von Unternehmen auch messen lassen. Gemäss [5] sollten nachstehende Punkte Teil jeder Unternehmenskultur sein: Vertrauen, Transparenz, sich an Ethik orientierende Strategie und optimale Wertschöpfung. Dies sind durchaus Werte, die sich, wenn sich die Wertschöpfung auf Public Value bezieht, auch für Behörden gut machen.


  1. www.egovernment.ch
  2. EU Commission. eGovernment Benchmark 2016 – A turning point for eGovernment development in Europe? Final background report – Volume 2. 2016. ISBN 978-92-79-61649-5.
  3. EU Commission. Future-proofing eGovernment for the Digital Single Market – ‘An assessment of digital public service delivery in Europe’. Background report, June 2015. ISBN: 978-92-79-48427-8. (page 51-59)
  4. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/73560/umfrage/ineraktion-mit-staatlichen-behoerden-ueber-das-internet-im-laendervergleich/
  5. Ulrich Hemel. Wert und Werte, Ethik für Manager – ein Leitfaden für die Praxis. Hanser, 2005.
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