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Christian «Chrigel» Maurer fliegt und läuft das Xalps-Abenteuer zum fünften Mal in Folge nach Hause!

Unglaublich! Den Prolog musste er wegen Krankheit auslassen und kassierte dafür zusätzlich eine 2-Stunden-Strafe. Und nach 12 Tagen siegt er trotzdem mit respektablem Vorsprung. In den 12 Tagen hat er drei Mal die Alpen überquert, 2’271.5 km zurückgelegt, 76% davon mit seinem Gleitschirm fliegend und die übrigen 535.3 km zu Fuss (andere Fortbewegungsmittel sind nicht erlaubt). Man muss sich diese 535.3 km auf der Zunge zergehen lassen: das ist etwas mehr als je eine Marathonstrecke pro Tag! Und zwar meist aufwärts!

Anlässlich unseres HERMES-Anlasses im Februar 2017 hat Chrigel den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorgestellt, wie er sich auf diesen alle zwei Jahre stattfindenden Grossanlass vorbereitet, wie er mit Unsicherheiten und Risiken umgeht, um schliesslich bei diesem härtesten Gleitschirm-Event der Welt gegen viele der weltweit besten Gleitschirm-Piloten zum Erfolg zu kommen.
Was also sind die Erfolgsfaktoren von Chrigel Maurer? Hier ist Chrigels ‘Winning Manifesto’ (das stammt zwar nur teilweise direkt von ihm selbst):

  • «Du musst nicht besser sein als alle anderen, aber als Erster über die Ziellinie fliegen»
    Träumen ist die wichtigste Motivation. Denken hilft zwar, nützt aber nichts (Dan Ariely).
  • Erfahrung und Intuition sind wichtiger als Berechnungen.
  • Das Team ist wichtiger als die Einzelleistung.
  • Automatismen sind wichtiger als tiefschürfende Überlegungen.
  • Üben schafft Sicherheit, was nicht geübt ist, wird nicht gemacht.
    Being confused is the best possible state for an expert to be in (Insoo Kim Berg).
  • Plane keine Entscheidungen, fälle sie, wenn sie fällig sind.
  • Das Wetter, die Konkurrenz steuern Dein Projekt mehr als Du denkst.
  • Effizient ist’s nicht immer.
  • «Ich übe, übe, übe.»

Schaden tut auch ein gesundes Mass an Berner Oberländer Ruhe und Gelassenheit nicht.

Die Professionalität, das harte Training, das unablässige Üben haben sich einmal mehr bezahlt gemacht. Chrigel und sein Team haben demonstriert, wozu ein agiles Team mit einer breiten Fähigkeits- und Know-how-Basis in der Lage ist, wie wichtig es ist, die richtigen Entscheide zum richtigen Zeitpunkt zu fällen und wie fundamental ein gutes Risikomanagement im Umgang mit externen Einflüssen ist.

Last but not least, dass eine hervorragende Vorbereitung und Planung den feinen, aber wichtigen Unterschied ausmachen.

Zwei, drei Dinge bleiben anzumerken: kein Projekt ohne Gegenwind, gerade im Gegenwind unterscheidet sich der Profi vom Amateur (Chrigel, 05.07.2017 bei starkem Westwind von Aschau-Chiemsee nach Leermoos Zugspitz Arena). Stakeholderpflege hilft oft weiter (Tip der Einheimischen für den Start, 05.07.2017), manchmal geht’s – trotz grossen Anstrengungen – nicht, dann kommt Plan B zum Tragen (06.07.2017, hinauf zum Monte Baldo, Plan B: zu Fuss): siehe links…

… und manchmal geht’s (10.07.2017,
westlich von Turin):

Vielleicht muss man die Reserve (Night Pass, Beschreibung im Kasten unten) zu Hilfe nehmen (10.07.2017 für die letzte Nacht, hat ihn dann doch nicht gebraucht…):

Bilanz des Projekts

Mehr als ein halbes Jahr intensive Vorbereitung, Initialisierung, Planung, Abwicklung in 2 Wochen. Schlechte Bedingungen, Knieverletzung. Jede Menge Abenteuer, Hunderte von Entscheidungen, viele Stunden Ausdauerleistung, viele Stunden höchste Konzentration. 1 Platz. Ganze € 10’000 Preisgeld. Und wie sagt der Profi ganz zum Schluss: «An erster Stelle steht das Abenteuer, nicht der Wettkampf.»

All das soll auch für unsere Projekte gelten, es ist die Essenz für den Erfolg.

Chapeau! Aber auch Chapeau all seinen Konkurrenten und deren Teams, die ebenso eine herausragende Leistung in diesem paneuropäischen Orientierungslauf durch sieben Länder vollbracht haben.


Über das X-Alps
Das X-Alps ist ein Gleitschirm-Biwakrennen über den gesamten Alpenkamm mit Start in Salzburg und Ziel in Monaco. Das 8. X-Alps wurde am 2. Juli auf dem Mozartplatz in Salzburg gestartet. Folgende Kontrollpunkte mussten in diesem Jahr passiert werden: Gaisberg (Salzburg), Triglav (Slowenien), Aschau (Chiemsee, Deutschland), Zugspitze/Lermoos, Monte Baldo und das Matterhorn. Die Athleten durften sich nur zu Fuss oder mit dem Gleitschirm fliegend fortbewegen. Bei ihren Fussmärschen mussten sie die gesamte Flugausrüstung jederzeit auf sich tragen. Wegen Sichtflugregeln durften die Teilnehmenden jeweils ab 21 Uhr nicht mehr fliegen; nachts galt zwischen 22.30 Uhr und 5 Uhr morgens Ruhezwang.

Jeder Athlet durfte einmal einen so genannten, frei wählbaren Nightpass beziehen, also während einer Nacht durchlaufen, jedoch nicht fliegen.


 

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Der Unterschied zwischen Schweizer E-Government und Spitzenfussball – Ausgabe September 2017

Nein, es ist keine Scherzfrage: Was unterscheidet das Schweizer E-Government von Spitzenfussball? Zugelassen sind mehrere Antworten. Und geben tut es viele, die Sinn machen.

Offensichtlich liegt ein grosser Unterschied in der Einstellung zum Personal. Im Spitzenfussball ist Qualität der Spieler ein Dauerthema, während im Schweizer E-Government sich kaum eine/r ernsthaft die Frage stellt, was einen Topspezialisten auszeichnet. Bewertungen der Leistung der letzten Woche scheinen geradezu unvorstellbar – obwohl in immer mehr Bereichen agil gearbeitet wird, an manchen Orten sogar mit Wochenzyklen.

Ausserdem: Während im Spitzenfussball allen klar ist, dass unterschiedliche Coaches sehr unterschiedliche Herangehensweisen an ihre Arbeit pflegen, ist das im E-Government kaum jemals ein Thema – ganz zu schweigen von der unausrottbaren Überzeugung, dass man ohne Erfahrung kein guter Projektleiter sein kann, weshalb es sozusagen einfacher ist, Trainer eines Weltklasseteams zu werden (und die Champions League zu gewinnen), als die Leitung eines kleinen E-Government Projekts übertragen zu bekommen.

Die Liste der Unterschiede ist natürlich viel länger. Die oben gestellte Frage ist aber insofern nicht ganz fair als es für IT-Projekte de facto ein ähnliches Klassensystem gibt wie für den Fussball. Im Fussball wissen wir, dass die Wertvorstellungen bei Champions League Vereinen, bei normalen Erstligavereinen, bei Zweiligisten, sowie bei Vereinen unterer regionaler Ligen sehr unterschiedliche sind. Champions League Vereine müssen Superstars integrieren, die in der zweiten Liga wegen unmoralischem Verhalten nicht akzeptiert würden. Erstligavereine müssen Talente entwickeln, wofür in unteren Klassen keine Ressourcen existieren. Et cetera. Zuerst sollten wir uns deshalb fragen, in welcher Klasse wir den mit nationalen E-Government Projekten spielen wollen. Vielleicht stellen wir dann fest, dass alles doch sehr gut passt.

Doch einen Unterschied sollte man trotzdem nicht unterschlagen: die Erfolgsbeurteilung. Während im Spitzenfussball nicht nur die Endergebnisse zählen, sondern akribisch zahllose Messdaten über den Spielverlauf erhoben und ausgewertet werden, ist die Erfolgsmessung im Schweizer E-Government so anspruchslos, dass es praktisch nur erfolgreiche Projekte gibt. Darüber hinaus bleibt das Projektmonitoring meist im unverbindlich Abstrakten und verwendet allenfalls ein Ampelsystem. Detaillierte Erhebungen fehlen weitgehend. Deshalb gibt es auch kaum empirische Erkenntnisse, was in welcher Situation zu tun ist.

Diese Ausgabe versucht hier einen ersten Schritt zu tun und sich der Erfolgsbeurteilung anzunähern. Weil dies ein langer Weg ist, haben wir nicht den Anspruch, das Ziel zu erreichen. Wir wollen uns nur auf den richtigen Weg machen. Ich wünsche Ihnen ein bereicherndes Studium dieser Ausgabe und freue mich auf Ihr Feedback, Ihr Reinhard Riedl.

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Projekte brauchen richtige Projektleiter – 10 Argumente für die Zukunft des Projektmanagements

Es gibt 1000 Gründe, warum es Projektmanagement auch in Zukunft geben wird. Zuerst einmal, weil bereits heute mehr als ein Drittel der Wertschöpfung in Projekten realisiert wird – Tendenz steigend. Weil der Wandel das einzig Beständige ist, und dieser Wandel organisiert und geführt werden muss. Ebenso müssen die Ergebnisse integriert und die Komplexität der Vorhaben gesteuert werden. Weil Leadership gefragt ist und weil CEOs klare Strukturen fordern. Weil immer mehr international, interdisziplinär und interkulturell gearbeitet wird, um die besten Ergebnisse zu erzielen sind auch immer mehr agile Umsetzer gefragt. Denn die Generation Y verlässt die Unis, und mit ihnen rückt nicht mehr nur das Tun, sondern dessen Sinnhaftigkeit in den Vordergrund – etwas, das Projekte bieten können.

Eigentlich simpel und logisch: Solange es Projekte gibt, braucht es Menschen, die sich um die Projekte kümmern und die Projekte umsetzen, gegen allen Widerstand und allen Unbill. Oder sind Sie schon mal auf einem Schiff gefahren oder in einem Flugzeug geflogen ohne eine koordinierende, leitende und verantwortliche Person (meist Kapitän genannt)? Welche, richtig ausgebildet und mit der notwendigen Erfahrung, das Schiff oder das Flugzeug auch bei schlechtem Wetter und bei dichtem Verkehr professionell ans Ziel gelenkt hat?

Ob wir diese Kernfunktion – den Kapitän des Projekts – allerdings künftig immer noch Projektleiter und sein Handwerkszeug Projektmanagement nennen werden, steht dagegen in den Sternen.

Bevor mit der Diskussion, ob es Projektmanagement auch in Zukunft braucht, begonnen werden kann, wird das Verständnis geschaffen, was ein moderner Projektleiter ist und was aus heutiger Sicht seine Aufgabe ist.

Was ist ein Projektleiter moderner Bauart überhaupt?
Die IPMA definiert in der neuen ICB4 (IPMA, 2016) ein Projekt als «ein einmaliges, zeitlich befristetes, multidisziplinäres und organisiertes Unterfangen, um festgelegte Arbeitsergebnisse im Rahmen vorab definierter Anforderungen und Randbedingungen zu erzielen. Das Projekt fokussiert mit einer eigenen Organisation auf das Liefern eines vordefinierten Ergebnisses.»

Die IPMA grenzt das Projekt vom Programm ab, welches eingerichtet wird, um strategische Veränderungen und konkreten Nutzen zu realisieren. In diesem Artikel wird auf eine Abgrenzung von Projekten und Programmen verzichtet: der Begriff Projektleiter wird hier für die leitende Person eines Vorhabens jeder Art verwendet. Tatsache ist aber, dass auch Projektmanagement hin zum Programmmanagement entwickelt, denn vielfach ist nicht mehr «nur» ein vordefiniertes Ergebnis zu liefern, sondern oft sind direkter, monetärer Nutzen und grosse strategische Veränderungen mittels Vorhaben umzusetzen.

Veränderung versus Konstanz
Die verschiedenen Grunddefinitionen eines Projekts oder Programms, unabhängig aller gängigen Definitionen wie IPMA (IPMA, 2016), PMI (Project Management Institute, 2013), PRINCE2 (Ebel, 2007), Hermes (ISB, 2014) oder agiles Programmmanagement (DSDM Consortium, 2014), enthalten folgende sieben Komponenten:

  • Gewisse Einmaligkeit
  • Zeitliche Befristung
  • Multidisziplinär
  • Eigene Governance
  • Liefern von Ergebnissen (von einfach und vordefiniert bis zu hochkomplexen, strategischen Transformationen)
  • Umsetzen von Veränderung
  • Realisierung von Nutzen

Damit grenzen sich Projekte deutlich von den auf maximale Effizienz ausgerichteten Linienfunktionen ab. Während ein Projekt einmalig und zeitlich befristet ist, besteht die Linienorganisation über einen längeren Zeitraum fort und produziert repetitiv. Deshalb werden auch für jedes Projekt eigene Organisationen mit individueller, auf das Vorhaben angepasster Governance geschaffen (Projektleitung, Support, Teams, Steuerungsorgan etc.). Linienorganisationen sind mehrheitlich monodisziplinär (Finanzen, Marketing, Vertrieb etc.), Projekte sind dagegen multidisziplinär, quer zu den Linienorganisationen mit Einbezug aller involvierten Parteien organisiert. Projekte liefern Ergebnisse, die relativ neu und wesentlich vielfältiger sind als die Ergebnisse der Linienfunktionen, dafür werden sie meist in «Einzelfertigung» erstellt. Während Projekte auf Effektivität und die Realisierung von Nutzen fokussieren, konzentriert sich die Linienorganisation auf Effizienz und Kostenminimierung.

Der Projektleiter arbeitet somit im Segment Veränderung (in Neudeutsch «Change»), in dem so effektiv wie möglich Vorhaben aller Art mit gewisser Einmaligkeit unter Beachtung vorgegebener Rahmenbedingungen umgesetzt werden.

Da jedes Vorhaben, ebenso wie eine Linienorganisation, ordentlich organisiert werden muss, braucht es auch eine Person, welche diese Organisation übernimmt. Traditionell bezeichnen wir diese Menschen als Projektleiterinnen oder Projektleiter.

Manager versus Leader
In der Betriebswirtschaft wird zwischen Manager und Leader unterschieden.

  • Leader führen andere Menschen, durch Visionen, Werte, Inspiration, Charisma. Leader haben Followers.
  • Manager «managen», d.h. sie regeln und bewältigen die Arbeit durch Vorgaben, Pläne, Kontrolle, Macht. Manager haben Untergebene.
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Abbildung 1: Management versus Leadership (Karoleff, 2014)

Keine der beiden extremen Positionen alleine wird erfolgreich sein, oder zu einer optimalen Zielerreichung führen. In gesundem Miteinander braucht es von beiden das jeweils Passende, in einem Gleichgewicht, das durch viele interne und externe Einflüsse bestimmt wird. Je reifer eine Organisation wird, umso mehr braucht sie aber Leadership, umso mehr kann Management reduziert werden.

Aus diesen Gründen gliedert der internationale Kompetenzstandard der IPMA auch die Kompetenzen in Praktiken (Handwerk), Menschen und Kontext, die für jedes Vorhaben relevant sind (IPMA, 2016).

Der in diesem Artikel verwendete Begriff Projektleiter umfasst im Gegensatz zu Projektmanager oder Programmleader die beiden sich sinnvoll ergänzenden Dimensionen Leadership und Management (Instrumente, Methoden, Prozesse, Tools etc.), ausgewogen und abgestimmt auf Aufgabenstellung und Kontext.

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Abbildung 2: Das Profil eines modernen Projektleiters

Das Berufsbild des Projektleiters moderner «Bauart» deckt also, je nach persönlicher Maturität, alle Schattierungen von klassischen Management-Tätigkeiten (Planen, steuern, kontrollieren etc.) bis hin zum Programm-Leader (Vision, Motivation, Kreativität, Ergebnisorientierung etc.) ab. Der Projektleiter setzt Vorhaben präzise um, welche Veränderungen mit sich bringen, zum Nutzen des Auftraggebers, dessen Organisation(en) respektive der Gesellschaft.

Nachdem nun klar ist, was eigentlich ein Projektleiter ist oder sein sollte, zurück zur Kernfrage: Warum wird es auch in Zukunft Projektleiter geben?

Argument #1: Es gibt immer mehr Projekte
34.7% des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland wurden 2013 durch Projekte erwirtschaften. Unter der Annahme, dass der Anteil der Arbeitszeit in Projekten mit dem Anteil an der Bruttowertschöpfung übereinstimmt, entspricht dies einem Umfang von 877 Mrd. Euro. (Wald, et al., 2015). Entsprechende Zahlen für die Schweiz fehlen, dürften sich aber in ähnlichen Grössenverhältnissen bewegen. Wendet man den gleichen Prozentsatz auf das schweizerische Bruttoinlandprodukt (BFS 2013) von CHF 634.7 Mia an, so ergibt sich eine Wertschöpfung aus Projekten von rund CHF 220 Mia.

Die Projekttätigkeit und damit das Projektmanagement sind im Wachstum. So zeigt sich mit Blick auf die branchenspezifische Ausprägung der Projekttätigkeit, dass in traditionell projektbasierten Wirtschaftszweigen wie der Bauwirtschaft, IT oder Telekommunikation bereits ein Maximum an Projekttätigkeit erreicht wurde. Gleichzeitig verzeichnen vermeintlich projektfremde Branchen wie Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit und Handel in der Projektarbeit markante Steigerungsraten (Wald, et al., 2015).

Projektmanagement wird für viele Unternehmen und zunehmend auch für Verwaltungen, Bildung, Handel, Not-for-Profit Organisationen etc. noch wichtiger, und teilweise sogar schlicht überlebenswichtig. Das korrekte, planmässige Umsetzen eines Vorhabens sowie die Realisierung (Inkasso) des erwarteten Nutzens werden zur Frage des Seins oder Nicht-Seins.

Argument #2: Wandel ist das einzig Beständige
Heraklit soll vor rund 2500 Jahren gesagt haben, dass Wandel das einzig Beständige ist (Roussos, 1971). Wenn eine solche Aussage heute immer noch so oft zitiert wird, dürfte etwas Wahres daran sein.

Der Wandel muss aber genauso wie Konstanz organisiert werden, ansonsten ufert er in reines Chaos aus. Und dazu braucht es jemanden, der die notwendigen Arbeiten organisiert und jemanden (nicht zwingend die gleiche Person), der diesen Wandel in geordnete, gewünschte Bahnen lenkt. Heute bezeichnen wir diese Person als Projektleiter.

Natürlich kann man argumentieren, selbstorganisierende Teams könnten dies auch (Laloux, 2015). Das mag in gut eingespielten Teams durchaus zutreffen, aber versuchen Sie einmal im internationalen und interkulturellen Kontext sich selbst organisierende Teams zu implementieren, womöglich nur über technische Hilfsmittel, ohne persönlichen Kontakt!

Argument #3: Neuigkeiten müssen gemanagt werden
Organisationen in einem rohstoffarmen Hochlohnland wie der Schweiz sind gefordert, kontinuierlich innovative Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen zu generieren, um in Zeiten der Globalisierung wettbewerbsfähig zu bleiben.

Projekte als temporäre Organisationsform fördern die Innovationsfähigkeit von Unternehmen, indem sie flexibel auf interne und externe Veränderungen reagieren sowie neuartiges Wissen durch interdisziplinäre Zusammenarbeit hervorbringen können. Da sich der Innovationserfolg signifikant positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt, leistet die Projekttätigkeit hierzu einen erheblichen Beitrag (Wald, et al., 2015).

Eine neue Untersuchung (Schoper, Gemünden, & Nguyen, 2016) zeigt auf, dass wir uns eindeutig hin zu einer Projektgesellschaft entwickeln. Das ist sicherlich keine neue Entwicklung, denn bereits 1697 beschrieb Defoe diese grundsätzliche Entwicklung zur Projektgesellschaft (Defoe, 1697). Der Trend ist eindeutig, und stärker denn je.

Argument #4: Nachhaltige Integration der Ergebnisse ist wichtig
Parallel zu den immer kürzeren Entwicklungszeiten von Innovationen sind wegen steigender Komplexität höhere Kosten in Kauf zu nehmen. Das zwingt, die Ergebnisse wesentlich breiter zu nutzen, um genügend Return-on-Investment zu erwirtschaften. Dies erfolgt entweder durch grössere Märkte (Beispiel: Mobiltelefone werden typgleich weltweit gleichzeitig verkauft) oder durch repetitiver, multifunktionale Nutzung (ein Auto enthält Bauteile anderer Fahrzeugtypen und/oder Fahrzeugserien).

Letzteres ist eine grosse Herausforderung für die Unternehmungen, weil damit die Integrationsfähigkeit / Multifunktionsfähigkeit der Ergebnisse sicherzustellen ist. Dies geschieht am besten durch integrative, multifunktionale Teams: Projektteams.

Argument #5: Komplexität muss gesteuert werden
Management bedeutet, ein System unter Kontrolle zu bringen und es unter Kontrolle zu halten (Malik, 2002). Komplexität – nicht Kompliziertheit – entsteht immer dann, wenn Menschen und nicht nur Maschinen im Spiel sind. Je nach Kontext, Laune, Teamzusammensetzung, Tagesform etc. funktioniert der Mensch anders, erbringt der Mensch eine andere Leistung (Pfläging & Hermann, 2016). Komplexität kann deshalb per Definitionem nicht kontrolliert (gemanagt) werden, sondern lediglich sinnvoll gesteuert, der Entwicklungsprozess bestmöglich in die gewünschte Bahn gelenkt werden.

Komplexität ist ein systeminhärenter Aspekt in Projekten, denn in Projekten arbeiten immer Menschen miteinander, um etwas Neues zu schaffen. Deshalb muss dieser «Entstehungsprozess» sinnvoll gelenkt werden. Nicht mit einfachen Schaltern, sondern mit Menschen, welche umfassend ausgebildet wurden und welche die entsprechenden Talente mitbringen: Projektleiter.

Argument #6: Echte Leadership ist gefragt
Leader führen andere Menschen durch Visionen, Werte, Inspiration, Charisma. Leader haben Followers. Das ist genau das, was junge Menschen heute wollen. Sie wollen selber führen (2014 wollten 60% der Berufsanfänger bereits führen (Schütz, 2015)) und sie wollen so geführt werden.

Die jungen Menschen wollen sich innerhalb eines gegebenen Werteschemas (oder Vision) frei bewegen können, lernen, inspiriert werden und etwas gestalten. Junge Menschen wollen motiviert an die Arbeit, und nicht einer streng hierarchischen Befehlskette folgen. Das können sie am besten in Projekten, weit weniger gut in traditionellen, hierarchisch organisierten Linienorganisationen.
Projekte stiften Sinn. Schon in den Projekten selber steckt deshalb eine hohe Motivation – sofern sich das Projektziel mit den persönlichen Zielen des Projektleiters (und der Teammitglieder) deckt. Dann braucht es weit weniger Management. Die Menschen werden sich stark engagieren, denn dann bereitet Projektarbeit echte Befriedigung.

Argument #7: CEOs fordern klare Strukturen
Höhere Führungsebenen führen normativ. Sie wollen Ergebnisse und klare Verantwortlichkeiten mit voller Transparenz. Dazu brauchen sie die richtigen Ressourcen und entsprechende Werkzeuge und Prozesse. In Linienorganisationen sind das in Organigrammen abgebildete Befehlsketten und Prozesse.

Für Projekte erwarten die CEOs das Gleiche: eine klare Organisationsform, welche dem Projekt angepasst ist, eine verantwortliche Führungsperson, sowie Methoden, Werkzeuge und Prozesse, um die Projekte respektive deren Leistungserstellung steuern und überwachen zu können: Eben Projektleiter und Projektmanagement.

Argument #8: Es wird immer mehr interdisziplinär gearbeitet
Ob sportliche Grossereignisse wie die Europameisterschaft im Fussball oder die Olympischen Spiele, der Bau von Eisenbahntunnels, die Energiewende oder die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung: Projekte sind überall dort zuhause, wo Neues entsteht – und Projekte sind als Organisationsform für deren effektive Umsetzung zum Schlagwort des 21. Jahrhunderts geworden. Projektarbeit hat nicht nur in der Industrie, sondern längst auch in der Kreativwirtschaft, in Politik, Sport, Schulen, Not-for-Profit Organisationen, im Gesundheitswesen und Ehrenamt Einzug gehalten. (Wald, et al., 2015).

Denn die Herausforderungen der Zukunft können nicht alleine mit linearen Strukturen der Linienorganisation der Unternehmen gelöst werden. Solche Themen benötigen interdisziplinäre Teams, firmenübergreifende Lösungsansätze, internationale Zusammenarbeit, interkulturelles Zusammenrücken. Und das will organisiert sein. Mit Projektleitern.

Argument #9: Agile Umsetzer sind gefragt
In der grossen Dynamik unseres heutigen Lebens sind immer kürzere Entwicklungszyklen notwendig für den Erfolg.

Agilität als moderner Ansatz zur Lösung von Problemen ist zu begrüssen. Denn es ergibt keinen Sinn, von Menschen etwas zu verlangen, das sie gar nicht wissen können. Allzu oft können nämlich Anforderungen in einer frühen Phase eines Projekts gar nicht exakt bestimmt werden. Wer hätte schon bei der Spezifikation des ersten Mobiltelefons 1973 geahnt, was wir 40 Jahre später mit diesem Gadget alles anstellen!

Aber auch agile Prozesse sind sinnvoll zu gestalten und zu managen. Nicht durch Schonschwätzer, sondern durch fähige Projektleiter, echte Umsetzer.

Argument #10: Die Millennials sind da
Die Generation Y (Jahrgänge ca. 1980 – 1999, deshalb oft auch als Millennials bezeichnet) ist gut ausgebildet mit technologieaffinem Lebensstil (Sheahan, 2005). Es ist die erste Generation, die grösstenteils in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist. Diese Menschen strömen derzeit in unsere Wirtschaft.

Die Generation Y arbeitet lieber in virtuellen Teams als in fixen Hierarchien. Anstelle von Status und Prestige rücken Freude an der Arbeit und Sinnsuche ins Zentrum. Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen: Sie will nicht mehr dem Beruf alles unterordnen, sondern fordert eine Balance zwischen Beruf und Freizeit. Der Spass beginnt für die Generation Y nicht erst am Feierabend, die Generation Y will während der Arbeit glücklich sein – durch einen Job, der ihr einen Sinn bietet.

Projekte können diesen Sinn stiften, sie können eine bessere Work-Life-Balance und mehr Freiräume bieten. Oft können Inhalte der Projekte sowohl die Technologieaffinität als auch Interkulturalität der Projekte die Multioptionsansprüche der Ypsiloner befriedigen.

Ausserdem hat die Generation Y in der formativen Zeit ihres Jugendalters den Terroranschlag in New York, weltweite Kriege und Krisen und zuletzt die Finanz- und Eurokrise mit teilweise verheerender Jugendarbeitslosigkeit erlebt. Sie ist den Umgang mit Unsicherheiten und Ungewissheiten gewohnt. Sie hat gelernt, das Beste aus jeder Situation zu machen, zu sondieren und zu taktieren, um sich stets möglichst viele Optionen offen zu halten, auch unter Nutzung von virtuellen Netzwerken. Genau solche Fähigkeiten sind in Projekten gefragt, insbesondere im Umgang mit komplexen Change-Vorhaben.

Projekte bieten die optimale Herausforderung, um die Bedürfnisse der Generation Y zu befriedigen, sowie deren neu erworbene Fähigkeiten optimal einzusetzen. Schlussendlich können damit die besten Ypsiloner auch besser in den Unternehmungen gehalten werden (Kaye & Jordan-Evan, 2007).

Zugegeben, es könnte dereinst sein, dass Projekte durch Maschinen gemacht und von Robotern mit künstlicher Intelligenz gesteuert werden. Aber solange das noch nicht der Fall ist, wird es Persönlichkeiten brauchen, die interdisziplinäre Teams von Menschen zu aussergewöhnlichen Leistungen motivieren, die Arbeit organisieren und die gewünschten Ergebnisse zum Nutzen der Stakeholder realisieren. Bislang bezeichnen wir solche Menschen als Projektleiter. Und deren Aufgabengebiet Projektmanagement. Ob diese Bezeichnungen auch in Zukunft ihre Gültigkeit behalten, steht in den Sternen. Aber solche Menschen mit einem adäquaten Werkzeugkasten, welche fähig sind, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern wird es immer brauchen, mehr denn je.


Literatur

  • Defoe, D. (1697). Essay upon projects. London.
  • DSDM Consortium. (2014). Agile Programme Management Handbook. London: Buckland Media Group Ltd.
  • Ebel, N. (2007). PRINCE2 – Projektmanagement mit Methode. München: Addison-Wesley.
  • IPMA. (2016). ICB4 Individual Competence Baseline Version 4.0. Nijkerk: IPMA.
  • ISB, I. d. (2013). Hermes 5 – Projektmanagementmethode für alle Projekte. Bern: BBL.
  • Karoleff, A. (2014, 08 07). Managing VS Leading. LinkedIn Blog.
  • Kaye, B., & Jordan-Evan, S. (2007). Love ’Em or Lose ’Em: Getting Good People to Stay. San Francisco: Berrett-Koehler Publishers.
  • Laloux, F. (2015). Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Vahlen.
  • Malik, F. (2002). Komplexität – was ist das? Cwarel Isaf Institute.
  • Pfläging, N., & Hermann, S. (2016). Komplexithoden. München: RedLine.
  • Project Management Institute. (2013). PMBOK: A Guide to the Project Management Body of Knowledge. Newton Square: Project Management Institute.
  • Roussos, E. N. (1971). Heraklit-Bibliographie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
  • Schoper, Y.-G., Gemünden, H.-G., & Nguyen, N. (2016). Fifteen future trends for Project Management in 2025. In IPMA, IPMA Expert Seminar 2016.
  • Schütz, M. (2015, Oct 15). Generation Y und Z sind nur Hypes. Netzwoche.
  • Sheahan, P. (2005). Generation Y: Thriving and Surviving With Generation Y at Work. Melbourne: Hardie Grant Publishing.
  • Wald, A., Spanuth, T., Schneider, C., Futterer, F., Schnellbächer, B., & Schoper, Y. (2015). Makroökonomische Vermessung der Projekttätigkeit in Deutschland. Nürnberg: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Weitere Artikel, die der Frage auf den Grund gehen, was wichtiger ist: Die Projektmanagement-Methode oder die Persönlichkeit des Projektleiters finden Sie in der Blogparade des ProjektMagazins.

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Berater oder Projektleiter? Es kommt drauf an! – Warum Projektleiter und Berater in unterschiedlichen Spannungsfeldern sind

Organisationen ziehen zur Bewältigung bestimmter Herausforderungen vorübergehend  Berater oder Projektleiter hinzu. Die beiden externen Ressourcen unterscheiden sich aber voneinander. Was müssen Stakeholder und Auftraggeberorganisationen berücksichtigen?

Externe, die nur temporär hinzukommen, sind in der beauftragenden Organisation, wie alle Neulinge, zunächst Fremdkörper. . Diese stören das bestehende Personalgefüge, womit der Teambildungsprozess in Gang kommt (Tuckmann 1965). In dieser Situation müssen sich ein externer Projektleiter und ein externer Berater ganz unterschiedlich verhalten, um letztlich ihr Mandat erfolgreich erfüllen zu können. Ein Projektleiter wird sich schlecht als Berater einfügen, und der Berater kann nicht als Projektleiter funktionieren. Oft sind sich die betroffenen Anspruchsgruppen (Stakeholder) dieser Unterschiede nicht bewusst.

Die Unterschiede
Externe Berater werden in der Regel engagiert, weil sie über Know-how und Fähigkeiten verfügen, welche der auftraggebenden Organisation fehlen. Sie zeigen alternative Lösungen auf, weisen auf Risiken und günstige Gelegenheiten hin, erarbeiten Entscheidungsgrundlagen und geben Empfehlungen ab. Aber: die Entscheide und deren Umsetzung obliegen dem Auftraggeber.
Der Tuckman-Teambildungsprozess auf der Ebene Auftragsgeberorganisation-Externer Berater läuft üblicherweise rasch und mit wenig Reibung ab.

Demgegenüber wird der externe Projektleiter meist herbeigeholt, um die Verantwortung für die Ergebnisse eines Vorhabens zu übernehmen. Anders als der Berater muss er Entscheide fällen, eigene Vorstellungen und Erfahrungen durchsetzen und das Team führen. Diese Situation ist für alle Beteiligten ungleich anspruchsvoller, entsprechend holprig und aufwändig verläuft deshalb in der Regel der Teambildungsprozess.

Und nun?
Um ein Projekt erfolgreich umzusetzen, muss sich der Projektleiter auf die Zielerreichung konzentrieren, Leaderqualitäten zeigen und praktisch umsetzen können. Zielerreichung bedeutet, die Parameter des eisernen Dreiecks (Leistung vs. Kosten vs. Termine (Barnes 1969 zitiert in Weaver 2007)) festzulegen und das Vorhaben entlang dieser Parameter umzusetzen.

Die Leadership-Theorie von French und Raven (2001) sieht fünf Machtbereiche, welche für Erfolg oder Misserfolg der Führung massgebend sind:

  • Belohnungsmacht (Leader kann belohnen)
  • Zwangsmacht (Leader kann strafen)
  • Legitimationsmacht (kann Verhaltensvorschriften durchsetzen)
  • Referentenmacht (kann soziale Wirkung auf die Teammitglieder ausüben)
  • Expertenmacht (der Sachverstand des Leaders wird respektiert)

Übernimmt der Projektleiter ein Team, so wirkt zunächst die Legitimationsmacht, zumindest so lange er die Vorgaben und Vorarbeiten der Auftraggeberorganisation nicht in Frage stellt. Der Projektleiter geniesst also in den meisten Fällen a priori die Autorität der Legitimation (Cragan et al 2009). Hat er ausserdem seine Fachkompetenzen in beauftragten Sachgegenstand, also dem Projekt, überzeugend dargestellt, wird ihm auch Expertenmacht zuerkannt. Diese wird aber schnelll in Frage gestellt, wenn er von der Auftraggeberorganisation abweichende Meinungen vertritt. Die Referenten-, Belohnungs- und Zwangsmacht, welche sich auf die Projektteammitglieder beziehen, spielen in der Situation mit einem externen Projektleiter eine eher untergeordnete Rolle.

Daraus geht auch hervor, dass sich der Teambildungsprozess, in welchem ein externer Projektleiter im Zentrum steht, markant von einem rein internen Teambildungsprozess unterscheidet.

Im Gegensatz zu einem Projektleiter, dessen Legitimation über die Aufgabe gegeben ist, steht der Berater in einem ständigen Legitimationszwang. Das implizite Wertversprechen eines Beraters, der Organisation mehr Nutzen zu bringen, als er kostet, ist oft nicht leicht nachzuweisen. Beeinflusst er Entscheidungen, lässt sich der erzielte Nutzen gegenüber einer anders getroffenen Entscheidung erst recht nicht beziffern. Der Wert eines Beraters lässt sich kaum objektiv ermitteln, wohingegen sich der Wert eines Projektleiters in weiten Teilen an objektiven Kriterien (Projektfortschritt, Budgeteinhaltung) messen lässt.

Ein Teambildungsprozess, wenn auch meist in kleinerem Umfang, als im Falle eines Projektleiters und Projektteams findet ebenfalls mit Vertretern der Auftraggeberorganisation statt. Dieser wird seinerseits erschwert, weil die Beteiligten hier unter Umständen nicht wissen, wie die erarbeiteten Ergebnisse die zukünftige Entscheidung des Auftraggebers beeinflussen und wie sich die Arbeitssituation der Beteiligten verändern wird. Der Referentenmacht kommt hier eine grössere Bedeutung zu. Sie muss Unsicherheiten, Ängste und Misstrauen kompensieren. Mit ihr muss der Berater das Team in die Performing-Phase führen.

Damit treten die Unterschiede zwischen einem erfolgreichen Projektleiter und einem erfolgreichen Berater in ihren Leadership-Anforderungen zutage.

Ein externer Berater bewertet den durch seinen Einsatz erwarteten Nutzen und evaluiert die Ziele, die der Auftraggeber erreichen möchte; anschliessend ordnet er sich diesen Zielen unter. Es ist allerdings nicht zwingend, sich mit den Zielen des Auftraggebers zu identifizieren, um gute Arbeit zu leisten. Aufgrund seiner Expertise hat der Berater die Ziele kritisch zu hinterfragen und diese mit dem Auftraggeber zu diskutieren. Aber, wie erwähnt, die Entscheidungsbefugnis ist und bleibt beim Auftraggeber. Dieser kann und muss davon ausgehen, dass der Berater ihn in die operative Problembehandlung bei der Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen einbezieht und Entscheide an ihn delegiert.

Der Projektleiter ist primär der Zielerreichung verpflichtet und setzt diese über den Konsens mit dem Auftraggeber. Findet das in den ersten zwei Teambildungsprozessphasen statt, ist das Konfliktpotential sehr hoch. Wenn die Orientierungs- (Forming), Konfrontations- (Storming) und Kooperations- (Norming)-phasen durchlaufen sind, wird seine Expertenmacht die Legitimationsmacht positiv beeinflussen. In der Folge wird der Auftraggeber den Entscheiden des Projektleiters beipflichten. Das wiederum beeinflusst seine Machtausübungsräume in den Bereichen Referenten-, Belohnungs- und Zwangsmacht gegenüber dem Team positiv.

Damit wird klar, dass sich auch die Auftraggeberorganisation bei einem Einsatz eines Beraters oder eines Projektleiters unterschiedlich verhalten und für einen erfolgreichen Einsatz unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügung stellen muss.

Fazit
Wenn sich die Auftraggeberorganisation zum Beizug eines externen Projektleiters entschliesst und damit den Erfolg des Vorhabens anstrebt, sollte sie:

  • keinen Berater zum Projektleiter küren und hoffen, dass dieser bei der Umsetzung eines Projektes ebenso erfolgreich ist, wie bei der Erbringung von Beratungsleistungen
  • einen der Zielerreichung verpflichteten Projektleiter gegenüber dem „Beratertyp“ den Vorrang einräumen
  • zum Abbau von Konfliktpotential zwischen Auftraggeberorganisation und dem externen Projektleiter, insbesondere während eines nicht abgeschlossenen Teambildungsprozess aktiv beitragen
  • die Expertenmacht, und in der Folge die Legitimationsmacht des Projektleiters nicht in Frage stellen, zumindest solange dieser in der Sache selbst keine Fehler macht

Wird von der Auftraggeberorganisation jedoch ein externer Berater hinzugezogen, sollte sie für dessen erfolgreichen Einsatz:

  • von einem profilierten Projektleiter, der in dieser Rolle engagiert wird, keine neutrale und unabhängige Beratung erwarten wie von einem Berater
  • den Business Case für den Einsatz eines Beraters vorher genau definieren und mit diesem verifizieren
  • betroffene Personen in der Organisation so weit wie möglich transparent und offen über die angestrebten Entscheidungen informieren und vertrauensbildende Massnahmen während der Erarbeitung ergreifen
  • wenn immer möglich, der Referentenmacht Vorrang vor der Legitimationsmacht geben

Danksagung

Die Autoren bedanken sich für die sehr produktive Zusammenarbeit mit dem  Schwerpunktverantwortlichen „Design for Future System Fitness“ Ernst Menet und seine sehr wertvollen und profunden Anregungen.


Literatur

  • Cragan JF, Wright DW, Kasch CR (2009) Communication in small groups: theory, process, skills, 7th edn. Wadsworth Cengage Learning, Boston
  • French JRP, Raven B (2001) The base of social power. In: Asherman IG, Asherman SV (eds) The negotiation source book, 2nd edn. HRD Press, Amherst
  • Tuckman BW (1965) Developmental sequence in small groups. Psychol Bull 63:384–399, APA, Washington
  • Weaver P (2007) The origins of modern project management. In: Fourth annual PMI college of scheduling conference, 15–18 April 2007, Proceedings mosaic project services, Melbourne
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Das Ende des Projektmanagements

10 Argumente, wie es in Zukunft (vielleicht) doch weiter geht

Projekte erreichen selten ihr Ziel. Sie dauern zu lange, sprengen das Budget, bieten nicht die versprochene Qualität. Die neuen Führungskräfte haben sich vom Projektmanagement der alten Schule verabschiedet. Sie arbeiten schneller, vernetzter, mobiler, erfolgreicher. Und diese neue Generation an Führungskräften übernimmt das Steuer in den Unternehmen: Die Digital Natives.

Eines zeigt sich bereits ganz klar: Mit dem „bewährten“ Managementmodell von heute werden Unternehmen morgen verschwinden. Und: Digital Natives wollen produktiv sein anstatt beschäftigt. Dazu nutzen sie die technischen Möglichkeiten von heute und kommunizieren über unterschiedliche Wege. Um die richtigen und guten Mitarbeitenden der neuen Generation für Ihr Unternehmen zu begeistern, muss Ihr Unternehmen für diese attraktiv sein.

Wie wird heute erfolgreich Projektmanagement betrieben?

1. Flexible Arbeitszeiten ermöglichen
Unternehmen müssen die Voraussetzungen für Flexibilität schaffen. Flexibilität für Zeit und Raum.

Der mobile Zugriff auf Informationen einerseits und die mobile Erreichbarkeit über moderne Kommunikationsgeräte andererseits hebt die räumlichen und zeitlichen Grenzen zwischen der Privatwohnung („first place“), dem Büro („second place“) und den informellen, öffentlichen Räumen wie Cafés, Flughafenlobbys und Parks („third places“) auf. Es ist nicht mehr notwendig, für ein Telefongespräch mit dem Kunden morgens früh im Büro zu sitzen – die eigene Küche oder das Café um die Ecke sind genauso geeignet.

Das nimmt dem Arbeitsalltag die Hektik. Umgekehrt heißt das: Projektmitglieder kommunizieren zunehmend und wie selbstverständlich auch sehr früh am Morgen, spät am Abend oder am Wochenende. Prozesse werden so beschleunigt, weil niemand mehr auf irgendwelche Öffnungszeiten warten muss. Andererseits kann die neue Pausenlosigkeit auch Stress auslösen.

2. Vielfältiges Arbeitsumfeld schaffen
Um die Kommunikation unter den Teams zu verbessern, müssen entsprechende Räume geschaffen werden. Besprechungsräume, Büros usw. sollten alles andere als graue Bunker sein

Statt immer gleiche Prozesse in einem immer gleichen Büro routiniert abzuwickeln, kommt es heute darauf an, in komplexen und sich immer wieder verändernden Rahmenbedingungen und in wechselnden Teams Wissen weiterzuentwickeln und neue Ideen zu kreieren.

Einer Studie der Universität St.Gallen zufolge entstehen zum Beispiel nur zehn Prozent der Ideen in Meetings. Die meisten kommen in der Natur, zu Hause, auf Reisen, beim Sport. Und laut einer Untersuchung des Zukunftsinstituts sagen 94 Prozent der deutschen Arbeitnehmenden, sie bekämen die besten Ideen außerhalb des Büros. Kein Wunder also, dass Unternehmen versuchen, das „Außerhalb“ zu einem neuen „Innerhalb“ zu machen.

3. Transparenz – „sharing is caring“
Geheimniskrämerei ist sowas von retro.

Der Zugang zu Wissen als Machtbasis verliert seine Bedeutung. Wir erinnern uns: Noch vor rund zehn Jahren gab es in vielen Unternehmen die Politik, dass immer zuerst der Abteilungsleiter informiert wird, dann die Ressortleiter und im dritten Schritt, vielleicht, die Mitarbeitenden an der Basis. Die übliche Praxis bestand (und besteht vielerorts sicherlich auch noch) darin, wichtige Informationen möglichst gut zu horten, um sich damit strategische Vorteile zu verschaffen.

Unternehmen, die angesichts dieser Entwicklung immer noch mit selektiver Verteilung wichtiger Informationen arbeiten, sind heute schlicht und ergreifend zu langsam. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Open-Source-Kultur der Digital Natives auch in den internen Strukturen zu etablieren. Viele Unternehmen tun dies mit eigenen Wikis, Microblogs oder anderen Social Software Plattformen.

4. Verständnis und Akzeptanz für die neue Generation
Still und leise werden sie die Arbeitsweisen verändern – das hat bisher jede Generation gemacht.

Die Loyalität gegenüber Unternehmen sinkt. Da unterscheidet sich das mindset der Digital Natives ganz erheblich von dem der älteren Generation. Die neue Generation ist loyal zu ihrem Netzwerk und Freunden.

Schauen wir durch die optimistische Brille, zeichnet sich mit diesem Wandel eine insgesamt größere Werteorientierung ab – was, so zeigen wiederum andere Studien, einerseits zu einer größeren Zufriedenheit des Einzelnen führt, andererseits für das Unternehmen sogar auch zu besseren Ergebnissen. Unter Freunden, die gemeinsam an einem Thema arbeiten, zählt eben der Sinngehalt oder ethische Wert dieses Themas mehr als der monetäre Profit.

5. Führung – Erwählt statt Vor-gesetzt
Die neuen Führungskräfte werden anhand neuer Qualitäten erwählt.

Bestechung, Prügel, Sheriffstern und Geheimwissen gelten heute natürlich als keine korrekten Mittel der Führung mehr – dennoch sehe ich den Einsatz dieser Unterwerfungsmethoden auch heute noch in der Praxis. Kein Wunder: Die Methoden funktionieren weiterhin sehr gut.

Als erstrebenswert gelten heute das Charisma- und das Fachkompetenz-Modell. Führung heißt heute: „Ich bin Teil des Teams und das Team folgt mir freiwillig Kraft meiner fachlichen und persönlichen Autorität.“

Erzwungene Unterwerfung wird abgelöst durch freiwillige Kollaboration.

6. Führen mit Charisma und Selbstführung
Projekt-Teammitglieder folgen im Idealfall nicht mehr unfreiwillig durch den ausgeübten Druck, sondern freiwillig durch einen wirkungsvollen Sog.

Mit den aktuellen Herausforderungen direkt verbunden, sind die neuen Zivilisationskrankheiten wie Burnout, stressbedingte Ausfälle usw. zu verstehen. Wir können die chaotischen Rahmenbedingungen der Wirtschaft, in denen wir heute angekommen sind, eben nicht in die Knie zwingen, indem wir unsere eigene Performance mit immer mehr Apps messen und zu optimieren versuchen.

Ziele: Projektmanagement ist heute nicht mehr möglich, wenn eine Führungskraft versucht, den Weg zu einem Ziel detailliert vorzugeben. Deshalb gilt das Management by Objectives heute als besonders zielführend.

Selbstführung: Da sich die komplexen Rahmenbedingungen eines Projektes oft nicht mehr steuern lassen und Projektmitglieder ebenfalls weitgehend in die Selbstorganisation entlassen worden sind, bleibt Führungskräften kaum mehr übrig, als sich selbst zu führen. Einerseits ist dies eine sinnvolle Überlegung, weil die Fähigkeit zur Selbstführung ein wichtiges Merkmal einer reifen und damit führungsfähigen Persönlichkeit darstellt. Andererseits kann die Überbetonung der Selbstführung im Sinne einer Selbstoptimierung aber auch zur Überforderung führen.

Heute gelingt Führung, durch Führen via Charisma und überzeugender Kompetenz.

7. Klare Ziele haben und flexibel bleiben
Warum machen wir das Projekt wirklich? Was genau ist das Ziel?

Halten Sie fest, was Sie von einem Vorhaben erwarten und welche Änderungen Einfluss auf die Ziele nehmen. Sie sollten auch nach Monaten nachvollziehen können, wie es zum aktuellen Status gekommen ist. Und wer notiert, hat eindeutig die besseren Argumente – zB. bei Nachverhandlungen.

Auf der einen Seite muss klar sein, was vom Team erwartet wird und andererseits welche Ziele mit dem Projekt verfolgt werden. Was so klar und nachvollziehbar klingt, ist in der Praxis leider oft ganz schwierig. Projektauftraggeber wissen oft nicht, was sie wirklich wirklich wollen…

Und dennoch habe ich noch kein Projekt erlebt, welches ohne Änderungen beendet wurde. Diese Flexibilität ist die große Herausforderung in Zeiten, in der sich alles schneller ändert als früher.

8. Attraktiv werden – für Mitarbeitende und Kunden
Wir müssen den Tätigkeiten einen Sinn geben.

Im Gegensatz zu früher, als sich Arbeit-Suchende um viele Stellen bemühten, müssen heute Unternehmen attraktiv werden für die neue Generation. Nicht nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für Kunden.

Und die junge Generation von heute, möchte in allem einen Sinn finden. Klären Sie also, „WARUM Sie tun was Sie tun!“

Die Frage nach dem Zweck der Existenz ist nicht nur für die junge Generation von Bedeutung – diese Frage hat allgemeine Gültigkeit.

Die Antworten auf die „Warum“-Frage können überraschend sein. Vielleicht auch emotional. Und mit Sicherheit werden Sie mit den Antworten viel einfacher Ihre Ziele erreichen. Zusätzlich wird es einfacher sein, Entscheidungen zu treffen.

9. Die neuen technischen Möglichkeiten nutzen
Die Veränderungskompetenz im Unternehmen entscheidet über Marktverlierer und Marktgewinner.

Der neue Lebensstil unterscheidet nicht mehr zwischen Arbeit und Freizeit / Work und Life. Was uns im privaten Bereich beschäftigt, hat Einfluss auf unsere Arbeit und umgekehrt.

Um das Leben einfacher zu gestalten, hat sich in den USA ein Begriff etabliert: Lifehacking. Mit einer Vielzahl an Hilfsmitteln und Apps soll die Arbeit erleichtert und die Performance erhöht werden. In den Projekten von heute wird zusehends auf solche Hilfsmittel zurückgegriffen. Informationen in Echtzeit teilen, Aufgaben verteilen und den Status der Projekte live abrufen können. Immer und überall. Auch die Dokumentation erfolgt über diese Art der Hilfsmittel.

10. Projekte wird es immer geben
Punkt.


 

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Mehr Informationen: www.ronaldhanisch.com

 

 

 

 

 

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Vom wundersamen Umgang der Politiker mit ihren Stakeholdern

Kosten- und Terminüberschreitungen, Täuschung, Irreführung, Ausreden und Lügen begleiten beinahe jedes Projekt. Der vorliegende Beitrag erläutert, dass dies unter anderem so ist, weil mit ungleich langen Spiessen gekämpft wird. Der Artikel zeigt auch, dass man die Zustände durchaus verbessern könnte, sofern die Spiesse gewisser Stakeholder, also deren Stakes, angemessen gekürzt würden. Aber ob die das wollen?

Die Sieger sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

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Sieger bei welchem Wettbewerb?
In der Annahme, dass die Lesenden auch Steuern bezahlen, sei dringend empfohlen, sich vor der Fortsetzung der Lektüre hinzusetzen. Es handelt sich nämlich bei den genannten Zahlen um die tatsächlichen oder – im Fall der NEAT – prognostizierten Kostenüberschreitungen der oben erwähnten Projekte.

An dieser Stelle sind vier Bemerkungen angebracht: Erstens ist bekannt, dass es auch Projekte gibt, die im Budgetrahmen realisiert werden. Zweitens sind die aufgeführten Projekte immerhin in Betrieb gegangen und mussten nicht abgebrochen werden, drittens gibt es im benachbarten und ferneren Ausland Vorhaben mit teilweise noch «eindrücklicheren» Ergebnissen, zum Beispiel das Opernhaus in Sydney (AUS), der Eurotunnel (GB, F) oder Toll Collect (D), und viertens hat beim Bärenpark in Bern und beim KKL nicht der Steuerzahler die ganze Zeche übernehmen müssen.

Gute Gründe, genauer hinzuschauen
Die erwähnten Fälle sind deshalb interessant, weil sie alle auf derselben Stakeholderkonstellation beruhen: Der eine Stakeholder sind die Steuerzahlerinnen und -zahler, der andere die Politikerinnen und Politiker, die öffentliche Verwaltung, die Behörde, der Staat.
Die Frage, wie es denn wiederholt zu diesen wenig erbaulichen Ergebnissen kommen kann, liegt auf der Hand. Oder wie Bent Flyvbjerg einen seiner Buchbeiträge (vgl. 1) so treffend betitelt hat: «Over Budget, Over Time, Over and Over Again».
Bevor wir uns ausführlicher mit der Antwort befassen, wird der Begriff des Stakeholders umschrieben. Im PMBoK (vgl. 2) des PMI steht dazu:

«Project stakeholders [are] persons and organizations such as customers, sponsors, the performing organization, and the public that are actively involved in the project, or whose interests may be positively or negatively affected by the execution or completion of the project. They may also exert influence over the project and its deliverables. Stakeholders may be at different levels within the organization and may possess different authority levels, or may be external to the performing organization for the project.»

Stakeholdermanagement umfasst üblicherweise

  • die Identifikation von Stakeholdern
  • deren Darstellung mittels einer Stakeholder-Map
  • die Analyse und die Klassifizierung der erfassten Personen und Organisationen anhand verschiedener Modelle, die auf Eigenschaftspaaren, zum Beispiel Macht (im Unternehmen) versus Unterstützung des Projekts, basieren
  • die entsprechenden Einträge in eine Stakeholdermatrix.
stakeholdermap

Beispiel einer Stakeholder-Map

Anschliessend legt das Projektteam fest, wie mit den Stakeholdern umzugehen ist. Primär wird dafür in einem Kommunikationsplan festgehalten, wie detailliert und mit welcher Frequenz diese Stakeholderklassen über das Projekt informiert werden sollen. Derartiges Stakeholdermanagement führt oft  zu  unbefriedigenden  Situationen,  da gewisse Stakeholder meist nur selektiv informiert statt aktiv in das Projektumfeld involviert und an wichtigen Projektentscheidungen  beteiligt  werden.  Je weiter die Stakeholder vom Vorhaben «entfernt» sind, umso knapper werden sie informiert, und den mächtigen Gegnern («Terroristen») berichtet man vorzugsweise gar nichts. Es ist unschwer zu erkennen, dass es sich als Stakeholder in Passivität und Unwissenheit sorg- und gefahrloser leben lässt.

stakeholdermatric

Beispiel einer Stakeholdermatrix (vgl. 3)

So hat kürzlich ein Berner Amtsdirektor, nachdem ein Prestigeprojekt in seinem Amt wegen Korruptionsvorwürfen mit Sunk Costs von über sechs Millionen Franken abgebrochen werden musste, einer Tageszeitung zu Protokoll gegeben:

«Im Nachhinein betrachtet, kann man zum Schluss kommen, dass ich das Projekt zu wenig eng begleitet habe.»(vgl. 4).

Und dies, nachdem seit über zwei Jahren diesbezügliche interne Hinweise systematisch ignoriert worden waren und obwohl die Bundesanwaltschaft ebenfalls seit zwei Jahren ermittelt hatte.

Umfassendes Stakeholder-Management, namentlich im öffentlichen Umfeld, wird zunehmend schwierig und aufwendig. Projektaufträge beruhen heutzutage nur mehr selten auf einer direkten Auftraggeber-Auftragnehmer-Situation, sondern auf komplizierteren Strukturen mit Generalbeauftragten, Subunternehmen, Partnerschaften und dergleichen. Oft noch komplizierter sind die Finanzierungskonstrukte für sogenannte Megaprojekte. Für zusätzlichen Zuwachs an Stakeholdern und damit für eine Vergrösserung der Interessens- und Erwartungsvielfalt sorgen Umwelt- und andere Organisationen im weiteren Umfeld eines Vorhabens. Ausserdem stehen viele Projekte unter dem ebenfalls zunehmenden Einfluss der Regulatoren.

Diese Sachverhalte führen zur anspruchsvollen Situation, dass es die Projektverantwortlichen nicht nur mit immer zahlreicheren Stakeholdern und deren unterschiedlichen, teilweise diametralen Ansprüchen zu tun bekommen, sondern auch all diese vom Projekt Betroffenen zu Beteiligten machen sollten. Bisweilen sind weniger die Projekte und Vorhaben komplex geworden, sondern vielmehr das Umfeld, in das sie sich einfügen müssen.

Wie angedeutet, ist das Stakeholdermanagement im öffentlichen Umfeld von besonderem Interesse. Einerseits geht es oft um sehr grosse und kostenintensive Vorhaben, und andererseits handelt es sich bei den wichtigsten Stakeholdern solcher Projekte um Politiker, Steuerzahler, Wähler und weitere Gruppierungen öffentlich-rechtlicher und privater Natur.

Mit breit angelegten und internationalen Studien hat Bent Flyvbjerg (vgl. 5) gezeigt, dass neun von zehn Megaprojekten über Budget abschliessen, dabei betragen die durchschnittlichen Mehrkosten bei Eisenbahnvorhaben 44,7%, bei Tunnel- und Brückenprojekten 33,8% und bei Strassenbauten etwa 22%. Bei IT-Projekten in der Verwaltung betragen die durchschnittlichen Kostenüberschreitungen 27%, zudem sind etwa 16% der untersuchten Projekte extreme Ausreisser mit Mehrkosten von über 200%. Noch gravierender sind bei solchen Projekten die notorisch überschätzten Nutzenpotenziale. Der Nutzen von Eisenbahnprojekten wird um 105% überschätzt, bei Strassenbauprojekten sind es 10%.

Man darf gespannt sein, mit welchen Zahlen die NEAT (siehe Kasten) aufwarten wird. Bekannt ist, dass sich trotz entsprechenden Staatsverträgen weder Deutschland noch Italien ausreichend um die Anschlussinfrastruktur an die NEAT kümmern. Fehlende Zu- und Abfuhrkapazitäten werden ohne Zweifel zum Pièce de Résistance für die NEAT bzw. für deren volkswirtschaftlichen Nutzen.

Die Konsequenzen der oben bezifferten Erkenntnisse sind zweifach: Zum einen können die Stakeholder, die letztlich zu entscheiden haben, den Informationen und Prognosen zu Megaprojekten nicht trauen, und zum anderen bedarf es eines Anreizsystems, das zuverlässige, korrekte Informationen belohnt und Falschinformanten bestraft.

Flyvbjerg sieht drei Kategorien, anhand derer sich die systematisch schlechten Schätzungen und Prognosen erklären lassen:

  • Täuschung (auch im Sinne von Selbsttäuschung) oder einfache Fehler
  • Irreführung und strategische Manipulation von Informationen und Prozessen
  • Pech ist die nicht unübliche Universalausrede der projektführenden Organisation im Falle eines Misserfolgs.

Von grösserem Interesse sind Täuschung und Irreführung, die zu falschen Informationen und Entscheidungsgrundlagen führen.
In diesen Kategorien lässt sich ebenfalls differenzieren:

  • technische Gründe: unsichere Daten und unangemessene  Modelle
  • psychologische Gründe: Optimism Bias und Planning Fallacy
  • politische und ökonomische Gründe: Prinzipal-Agent-Problem und Strategic Misrepresentation

Die Systematik der Fehlschätzungen lässt vermuten, dass gesicherte Daten sowie bessere und praxisbezogene Modelle notwendig sind. Die psychologischen Begründungen sind allgegenwärtig: Es liegt in der Natur des Menschen, die Risiken auszublenden und an Schönwetterszenarien zu glauben. Dieser allzu optimistischen Innensicht müsste eine unabhängige Aussensicht zur Seite gestellt werden, die weniger die Partikularitäten des Projekts beachtet, als vielmehr die Erfahrungen aus vergleichbaren und abgeschlossenen Projekten einbringt. Anders gesagt, die den Wald eben trotz all den Bäumen noch sieht.


Kleine Wirtschaftsgeschichte der NEAT
Das Schweizer Volk hat 1992 anlässlich der Alptransit-Abstimmung einem Budget von CHF 7,6 Mia. für die NEAT (Neue Eisenbahn-Alpentransversale) zugestimmt. Bereits sechs Jahre später wurden die Kosten im Rahmen der FinÖV-Vorlage auf CHF 14,5 Mia. veranschlagt. Noch nicht beziffert waren damals die teuerungsbedingten Kosten, die Mehrwertsteuer und die Bauzinsen. Unvollständige Angaben bezeichnet man übrigens auch als Strategic Misrepresentation. Die FinÖV-Vorlage wurde angenommen. 2011 werden neue Totalkosten von CHF 18,7 Mia. ausgewiesen (nun inklusive Teuerung, Zinsen etc., es «droht» ja keine Volksabstimmung mehr), und neuerdings ist von geschätzten Totalkosten von CHF 24 Mia. die Rede.


Prinzipal-Agent-Problem
Noch bedeutsamer in ihrer Wirkung auf die Stakeholder und die Vorhaben sind die politischen und ökonomischen Faktoren, allen voran das Prinzipal-Agent-Problem, das, vereinfachend gesagt, die Schwierigkeiten der beauftragten Partei (Agent) beschreibt, im Sinne der auftraggebenden Partei (Prinzipal) und nicht im eigenen Interesse zu entscheiden und zu handeln. Das Problem entsteht primär bei asymmetrischer Informationslage, das heisst, wenn der Agent über mehr Information verfügt als der Prinzipal und diesen Informationsvorsprung zu seinen Gunsten und zum Nachteil des Prinzipals ausnutzt.

Sind Sie (Prinzipal) sicher, dass Ihre letzte teure Zahnbehandlung notwendig war, oder hätte der Zahnarzt (Agent) nicht wesentlich günstiger dasselbe Resultat erzielen können? Eben. Und das, was Sie zu viel bezahlt haben, nennt man Agenturkosten. In öffentlichen Projekten kaskadiert die Auftraggeber-Auftragnehmer-Konstellation oft über mehrere Stufen und zum Schluss ist der oberste Prinzipal (Steuerzahler) nicht einmal mehr über die Entscheidungen der Agenten (Lieferanten) informiert, und schon gar nicht an diesen beteiligt.

Strategische Falschdarstellung
Um in solchen Kaskaden zu den gewünschten Entscheiden zu kommen und für sich einen Zusatznutzen (Rente) zu generieren, bedienen sich die Agenten oft und gerne der strategischen Falschdarstellung (Strategic Misrepresentation). Vereinfachend könnte man sagen, eine Strategic Misrepresentation sei die euphemistische Version des Begriffs «Lüge». Etwas weniger drastisch ausgedrückt, handelt es sich um beschönigende oder falsche Darstellungen von Sachverhalten, um ein strategisches Ziel zu erreichen, zum Beispiel um die Gunst einflussreicher Stakeholder oder eine Volksabstimmung zu gewinnen. Wegen der direkten Demokratie sind Schweizer Politikerinnen und Politiker und die eidgenössische Verwaltung besonders sensibilisiert für strategische Falschdarstellungen. Allzu gewagte Falschdarstellungen werden entdeckt und können teilweise mit politischen Instrumenten korrigiert werden.


Legendäre und wenigerlegendäre strategische Falschdarstellungen
1961 hielt Walter Ulbricht, zwei Monate bevor er die Berliner Mauer bauen liess, fest: «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.» Die amerikanische Regierung löste 2003, gestützt auf die strategische Lüge, der Irak verfüge über Massenvernichtungsmittel, den Krieg im Irak aus. Im Vorfeld der knapp angenommenen Volksabstimmung vom 24. Februar 2008 zur Unternehmenssteuerreform II verkündete der Bundesrat Steuerausfälle (die er «Entlastungen» [sic!] nennt) für den Bund in Höhe von CHF 84 Mio. und für die Kantone von CHF 850 Mio. Kurz danach wurden die «Entlastungen» mit CHF 47 Mia. beziffert. Am 20. Dezember 2011 stellte das Bundesgericht fest, der Bundesrat habe die Abstimmungsfreiheit «krass» verletzt. Eine Wiederholung der Abstimmung liess das Gericht nicht zu. Korrekturen der negativen Folgen der «Entlastungen» hat der Nationalrat in der Frühjahrssession 2013 unter anderem mit dem Argument abgelehnt, das Volk habe entschieden, «hören wir auf, am Kapitaleinlageprinzip herumzunörgeln», die Rechtssicherheit der Schweiz stehe auf dem Spiel. Berner Zeitung, 22. Juni 2012: «Das grosse Tramprojekt entzweit in Köniz schon lange die Gemüter. Lange hiess es, dass der Bund sich nur dann am Projekt finanziell mitbeteiligt, wenn 2014 mit dem Bau begonnen werde. Ende Mai machten die Könizer Freisinnigen publik, dass dies so nicht mehr korrekt ist. Der Bund würde auch bei einem späteren Baubeginn zahlen. Offenbar sei es den Projektbefürwortern und Behörden dienlich gewesen, diese Information zu verschweigen oder zumindest nicht an die grosse Glocke zu hängen, um das Projekt vorantreiben zu können, mutmassten die Gegner.»


Bent Flyvbjerg (vgl. 6) hat in vielen Studien nachgewiesen, dass öffentlich finanzierte Projekte systematisch mit zu tief geschätzten Kosten, mit zu hoch veranschlagtem Nutzen sowie mit zu optimistischen Terminen geplant werden. Rolf Dobelli (vgl. 7) hat die Misere so zusammengefasst:

«Nicht das beste Projekt wird finanziert, sondern jenes, das auf dem Papier am besten aussieht», oder wie es Flyvbjerg auf den Punkt bringt: «Survival of the unfittest».

Wie also wird man der notorischen Kosten- und Terminüberschreitungen Herr?
Flyvbjerg und weitere Quellen nennen eine ganze Reihe von Massnahmen, die den erwähnten negativen Effekten und Verhaltensweisen entgegenwirken. Sie gründen auf den Prinzipien der Transparenz, der Kontrolle und der Finanzverantwortung (Accountability).

Anreizsysteme: Bonus für genaue Budgets, Malus für ungenaue. Dies sowohl für die Ersteller der Budgets wie auch für die Genehmiger. Beide sind nämlich Agenten der Steuerzahler und damit der Geldgeber. Diese Massnahme führt zu besseren Budgets und wird bei öffentlichen Ausschreibungen das Auftreten von Dumpingpreisen dämpfen.

Wahrnehmung gemeinsamer und angemessener finanzieller Verantwortung (Risk Sharing) für   Kosten- und Terminüberschreitungen durch Auftraggenehmiger, Auftraggeber und Auftragnehmer. Die Folgen wären eine weitere Vermeidung von Dumpingpreisen und eine Minderung der Zwangslagen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Vorhaben, die man ab einem bestimmten Punkt der Realisierung kaum mehr abbrechen kann.

Die kontrollierende Aussensicht (Outside View) wird einerseits durch Beistellung einer dauernden Supervision durch unabhängige Organe und andererseits durch Skalierung der Originalbudgets mit Faktoren, die aus vergleichbaren Vorhaben abgeleitet worden sind, gestärkt. Letzteres nennt Flyvbjerg Reference Class Forecasting (RCF).

So hat der Bundesrat im Nachgang zu mehreren  und  teuren  Projektabbrüchen (u. a. Insieme im EFD, DaZu im BAFU) am
27. März 2013 «Weisungen des Bundesrates für IKT-Schlüsselprojekte» erlassen und darin der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) eine proaktive Kontroll- und Meldefunktion zugewiesen. Die Weisungen sind ein Schritt in die richtige Richtung, nachdem die hervorragende Arbeit leistende EFK in der Vergangenheit nur eine eher passive Rolle wahrnehmen konnte und in der Regel noch die Überreste gescheiterter Projekte untersuchen konnte, als längst Hopfen, Malz und Geld verloren waren. Die Verantwortung für die IKT-Schlüsselprojekte bleibt aber unverändert und damit auch die bisherige Stakeholderhierarchie, die EFK kann also beispielsweise keine Projekte stoppen.

Reference Class Forecasting beruht, vereinfachend umschrieben, auf der Annahme, dass ein neues Vorhaben wahrscheinlich ähnliche Performancewerte aufweisen wird wie die in jüngerer Vergangenheit realisierten Projekte der gleichen Art. Wenn aber die Stichprobe der Referenzprojekte sorgfältig gewählt wird und besondere Umstände des aktuellen Vorhabens so genau wie möglich eingerechnet werden, dann besteht  realistische  Hoffnung,  dass  die Bürgerinnen und Bürger von den Politikern künftig weniger angeschwindelt werden. In Bern steht der Casus Belli vor der Haustür, und wir sind gespannt, welchen Eintrag wir in ein paar Jahren in unserer Tabelle machen können und was die Stakeholder dazu sagen werden:

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Quellen:

  1. Morris, Peter W.G./Pinto, Jeffrey K./Söderlund, Jonas (Hrsg.): The Oxford Handbook of Project Management. Oxford University Press, 2011. S. 321–344; 2011.
  2. PMI: Project Management Body of Knowledge, 4th Ed. Project Management Institute, 2008.
  3. Roberts, Paul: Guide to Project Management. The Economist, 2013.
  4. Tagesanzeiger Zürich: Gescheitertes Millionenprojekt, 15.2.2013.
  5. Flyvbjerg, Bent: Survival of the Unfittest: Why the Worst Infrastructure Gets Built – And What We Can Do about It. Oxford Review of Economic Policy, Vol. 25, Number 3, S. 344–367.
  6. Flyvbjerg, Bent: Truth and Lies about Megaprojects. Delft University of Technology, 2007.
  7. Dobelli, Rolf: Die Kunst des klugen Handelns. Hanser, 2012.
  8. http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Eisenbahn-Alpentransversale (Stand 7.4.2013).
  9. http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4907/402563/d_n_4907_402563_402736.htm (Stand 12.4.2013).

 

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