Berater oder Projektleiter? Es kommt drauf an! – Warum Projektleiter und Berater in unterschiedlichen Spannungsfeldern sind

Organisationen ziehen zur Bewältigung bestimmter Herausforderungen vorübergehend  Berater oder Projektleiter hinzu. Die beiden externen Ressourcen unterscheiden sich aber voneinander. Was müssen Stakeholder und Auftraggeberorganisationen berücksichtigen?

Externe, die nur temporär hinzukommen, sind in der beauftragenden Organisation, wie alle Neulinge, zunächst Fremdkörper. . Diese stören das bestehende Personalgefüge, womit der Teambildungsprozess in Gang kommt (Tuckmann 1965). In dieser Situation müssen sich ein externer Projektleiter und ein externer Berater ganz unterschiedlich verhalten, um letztlich ihr Mandat erfolgreich erfüllen zu können. Ein Projektleiter wird sich schlecht als Berater einfügen, und der Berater kann nicht als Projektleiter funktionieren. Oft sind sich die betroffenen Anspruchsgruppen (Stakeholder) dieser Unterschiede nicht bewusst.

Die Unterschiede
Externe Berater werden in der Regel engagiert, weil sie über Know-how und Fähigkeiten verfügen, welche der auftraggebenden Organisation fehlen. Sie zeigen alternative Lösungen auf, weisen auf Risiken und günstige Gelegenheiten hin, erarbeiten Entscheidungsgrundlagen und geben Empfehlungen ab. Aber: die Entscheide und deren Umsetzung obliegen dem Auftraggeber.
Der Tuckman-Teambildungsprozess auf der Ebene Auftragsgeberorganisation-Externer Berater läuft üblicherweise rasch und mit wenig Reibung ab.

Demgegenüber wird der externe Projektleiter meist herbeigeholt, um die Verantwortung für die Ergebnisse eines Vorhabens zu übernehmen. Anders als der Berater muss er Entscheide fällen, eigene Vorstellungen und Erfahrungen durchsetzen und das Team führen. Diese Situation ist für alle Beteiligten ungleich anspruchsvoller, entsprechend holprig und aufwändig verläuft deshalb in der Regel der Teambildungsprozess.

Und nun?
Um ein Projekt erfolgreich umzusetzen, muss sich der Projektleiter auf die Zielerreichung konzentrieren, Leaderqualitäten zeigen und praktisch umsetzen können. Zielerreichung bedeutet, die Parameter des eisernen Dreiecks (Leistung vs. Kosten vs. Termine (Barnes 1969 zitiert in Weaver 2007)) festzulegen und das Vorhaben entlang dieser Parameter umzusetzen.

Die Leadership-Theorie von French und Raven (2001) sieht fünf Machtbereiche, welche für Erfolg oder Misserfolg der Führung massgebend sind:

  • Belohnungsmacht (Leader kann belohnen)
  • Zwangsmacht (Leader kann strafen)
  • Legitimationsmacht (kann Verhaltensvorschriften durchsetzen)
  • Referentenmacht (kann soziale Wirkung auf die Teammitglieder ausüben)
  • Expertenmacht (der Sachverstand des Leaders wird respektiert)

Übernimmt der Projektleiter ein Team, so wirkt zunächst die Legitimationsmacht, zumindest so lange er die Vorgaben und Vorarbeiten der Auftraggeberorganisation nicht in Frage stellt. Der Projektleiter geniesst also in den meisten Fällen a priori die Autorität der Legitimation (Cragan et al 2009). Hat er ausserdem seine Fachkompetenzen in beauftragten Sachgegenstand, also dem Projekt, überzeugend dargestellt, wird ihm auch Expertenmacht zuerkannt. Diese wird aber schnelll in Frage gestellt, wenn er von der Auftraggeberorganisation abweichende Meinungen vertritt. Die Referenten-, Belohnungs- und Zwangsmacht, welche sich auf die Projektteammitglieder beziehen, spielen in der Situation mit einem externen Projektleiter eine eher untergeordnete Rolle.

Daraus geht auch hervor, dass sich der Teambildungsprozess, in welchem ein externer Projektleiter im Zentrum steht, markant von einem rein internen Teambildungsprozess unterscheidet.

Im Gegensatz zu einem Projektleiter, dessen Legitimation über die Aufgabe gegeben ist, steht der Berater in einem ständigen Legitimationszwang. Das implizite Wertversprechen eines Beraters, der Organisation mehr Nutzen zu bringen, als er kostet, ist oft nicht leicht nachzuweisen. Beeinflusst er Entscheidungen, lässt sich der erzielte Nutzen gegenüber einer anders getroffenen Entscheidung erst recht nicht beziffern. Der Wert eines Beraters lässt sich kaum objektiv ermitteln, wohingegen sich der Wert eines Projektleiters in weiten Teilen an objektiven Kriterien (Projektfortschritt, Budgeteinhaltung) messen lässt.

Ein Teambildungsprozess, wenn auch meist in kleinerem Umfang, als im Falle eines Projektleiters und Projektteams findet ebenfalls mit Vertretern der Auftraggeberorganisation statt. Dieser wird seinerseits erschwert, weil die Beteiligten hier unter Umständen nicht wissen, wie die erarbeiteten Ergebnisse die zukünftige Entscheidung des Auftraggebers beeinflussen und wie sich die Arbeitssituation der Beteiligten verändern wird. Der Referentenmacht kommt hier eine grössere Bedeutung zu. Sie muss Unsicherheiten, Ängste und Misstrauen kompensieren. Mit ihr muss der Berater das Team in die Performing-Phase führen.

Damit treten die Unterschiede zwischen einem erfolgreichen Projektleiter und einem erfolgreichen Berater in ihren Leadership-Anforderungen zutage.

Ein externer Berater bewertet den durch seinen Einsatz erwarteten Nutzen und evaluiert die Ziele, die der Auftraggeber erreichen möchte; anschliessend ordnet er sich diesen Zielen unter. Es ist allerdings nicht zwingend, sich mit den Zielen des Auftraggebers zu identifizieren, um gute Arbeit zu leisten. Aufgrund seiner Expertise hat der Berater die Ziele kritisch zu hinterfragen und diese mit dem Auftraggeber zu diskutieren. Aber, wie erwähnt, die Entscheidungsbefugnis ist und bleibt beim Auftraggeber. Dieser kann und muss davon ausgehen, dass der Berater ihn in die operative Problembehandlung bei der Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen einbezieht und Entscheide an ihn delegiert.

Der Projektleiter ist primär der Zielerreichung verpflichtet und setzt diese über den Konsens mit dem Auftraggeber. Findet das in den ersten zwei Teambildungsprozessphasen statt, ist das Konfliktpotential sehr hoch. Wenn die Orientierungs- (Forming), Konfrontations- (Storming) und Kooperations- (Norming)-phasen durchlaufen sind, wird seine Expertenmacht die Legitimationsmacht positiv beeinflussen. In der Folge wird der Auftraggeber den Entscheiden des Projektleiters beipflichten. Das wiederum beeinflusst seine Machtausübungsräume in den Bereichen Referenten-, Belohnungs- und Zwangsmacht gegenüber dem Team positiv.

Damit wird klar, dass sich auch die Auftraggeberorganisation bei einem Einsatz eines Beraters oder eines Projektleiters unterschiedlich verhalten und für einen erfolgreichen Einsatz unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügung stellen muss.

Fazit
Wenn sich die Auftraggeberorganisation zum Beizug eines externen Projektleiters entschliesst und damit den Erfolg des Vorhabens anstrebt, sollte sie:

  • keinen Berater zum Projektleiter küren und hoffen, dass dieser bei der Umsetzung eines Projektes ebenso erfolgreich ist, wie bei der Erbringung von Beratungsleistungen
  • einen der Zielerreichung verpflichteten Projektleiter gegenüber dem „Beratertyp“ den Vorrang einräumen
  • zum Abbau von Konfliktpotential zwischen Auftraggeberorganisation und dem externen Projektleiter, insbesondere während eines nicht abgeschlossenen Teambildungsprozess aktiv beitragen
  • die Expertenmacht, und in der Folge die Legitimationsmacht des Projektleiters nicht in Frage stellen, zumindest solange dieser in der Sache selbst keine Fehler macht

Wird von der Auftraggeberorganisation jedoch ein externer Berater hinzugezogen, sollte sie für dessen erfolgreichen Einsatz:

  • von einem profilierten Projektleiter, der in dieser Rolle engagiert wird, keine neutrale und unabhängige Beratung erwarten wie von einem Berater
  • den Business Case für den Einsatz eines Beraters vorher genau definieren und mit diesem verifizieren
  • betroffene Personen in der Organisation so weit wie möglich transparent und offen über die angestrebten Entscheidungen informieren und vertrauensbildende Massnahmen während der Erarbeitung ergreifen
  • wenn immer möglich, der Referentenmacht Vorrang vor der Legitimationsmacht geben

Danksagung

Die Autoren bedanken sich für die sehr produktive Zusammenarbeit mit dem  Schwerpunktverantwortlichen „Design for Future System Fitness“ Ernst Menet und seine sehr wertvollen und profunden Anregungen.


Literatur

  • Cragan JF, Wright DW, Kasch CR (2009) Communication in small groups: theory, process, skills, 7th edn. Wadsworth Cengage Learning, Boston
  • French JRP, Raven B (2001) The base of social power. In: Asherman IG, Asherman SV (eds) The negotiation source book, 2nd edn. HRD Press, Amherst
  • Tuckman BW (1965) Developmental sequence in small groups. Psychol Bull 63:384–399, APA, Washington
  • Weaver P (2007) The origins of modern project management. In: Fourth annual PMI college of scheduling conference, 15–18 April 2007, Proceedings mosaic project services, Melbourne
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AUTHOR: Bogdan Lent

Transformation Consultant bei Dr. Pascal Sieber und Partners AG in Bern und Projektleiter vorwiegend in der Bundesverwaltung. Er unterrichtet Projektmanagement an den Hochschulen in der Schweiz und im Ausland.

AUTHOR: Marc André Hahn

Partner bei sieber&partner und seit über 10 Jahren in der Beratung von Privatunternehmen und der öffentlichen Verwaltung tätig.

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