Die Digitalkonferenz Connecta der Schweizerischen Post ist am Dienstag mit über 300 Teilnehmenden und über 90 Referierenden aus 12 Ländern erfolgreich über die Bühne gegangen. Die Connecta versammelt jährlich Expertinnen und Experten rund um die Digitalisierung zum Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer. Auch die Berner Fachhochschule war mit vier ExpertInnen der Departemente Wirtschaft sowie Technik und Informatik prominent vertreten.
Eines machte die diesjährige Connecta deutlich: Trotz Digitalisierung ist der persönliche Austausch offenbar immer noch sehr gefragt. Über 90 Referentinnen und Referenten präsentierten in gut besuchten Plenarveranstaltungen und Workshops Trends, Entwicklungen und Erfahrungen aus dem weiten Feld der Digitalisierung. Dabei ging es längst nicht mehr nur um den Onlinehandel – den die Schweizerische Post bei der Lancierung der Connecta vor drei Jahren ins Zentrum gerückt hatte. Fake Science, Cybersecurity oder Mensch-Maschine-Interaktionen sind nur einige der Themen, die an der Tagung in Bern aufgegriffen wurden.
Es muss nicht immer «big data» sein
Kim Tokarski, Leiter Weiterbildung an der BFH Wirtschaft, wandte sich zu Beginn seiner Session zum Thema «Datenbasierte Dienstleistungswirtschaft» mit einer Frage ans Publikum: «Wie entscheiden Sie? Nach welchen Vorgaben und Mustern?» Schnell wurde klar, dass viele Entscheidungen intuitiv fallen – nicht zuletzt aufgrund von Zeitmangel. Eine Grundlage für Entscheidungsfindung ist aber immer auch die Datenanalyse. «Hier herrscht oft die Meinung, dass diese Analyse teuer und zeitaufwändig ist», sagte Tokarski. «Das stimmt aber heute nicht mehr so absolut.» Anhand verschiedener Beispiele zeigte er auf, wie mit einfachen, zielgruppenspezifischen Applikationen Mehrwert geschaffen werden kann. So hat ein Mitarbeiter von Tokarski ein Dashboard für einen Studiengang gebaut, mittels dem Studierende sich ihren Wunschstudienplan zusammenstellen können und sofort sehen, ob es Zeitüberschneidungen zwischen einzelnen Veranstaltungen gibt. «Das zu bauen, hat eine Stunde gedauert», erklärte er. «Aber das Departement Wirtschaft hat drei Jahre darauf gewartet.» Sein Fazit: small is beautiful. «Manchmal reichen ganz simple Sachen, um was zu verbessern. Damit schafft man Kundenzufriedenheit.» Und er ermutigte sein Publikum auch, eine allfällige Scheu vor Datenlösungen abzulegen. «Wir hatten bei uns schon Leute, die noch nie was mit IT zu tun hatten. Nach zwei Tagen konnten sie ein einfaches Dashboard bauen.»
Schützenswerte Privatsphäre
Wenn es um Daten geht, ist die Frage nach der Sicherheit nicht weit weg. Dieser Frage widmete sich Eric Dubuis, Leiter der Abteilung Informatik und des Research Institute for Security in the Information Society (RISIS) an der BFH Technik und Informatik. «Die Privatsphäre ist Teil der IT-Sicherheit», betonte er. «Und wir dürfen diesbezüglich nicht kapitulieren.» Seine Botschaft: «Datensicherheit und Privatsphäre unter einen Hut zu bringen, ist zwar manchmal schwierig, aber machbar», sagte er. Wie das funktionieren könnte, zeigte er anhand des öffentlichen Verkehrs. Heute können alle noch selber entscheiden, ob sie ihr Ticket an einem Automaten anonym beziehen oder Applikationen wie fairtiq oder lezzgo nutzen und den jeweiligen Anbietern damit automatisch personalisierte Informationen zu ihrem jeweiligen Aufenthaltsort preisgeben. Künftig – so Dubuis Prognose – ist die Nutzung des öffentlichen Verkehrs vielleicht nur noch mit dem Smartphone möglich. «Wir haben deshalb nach Lösungen gesucht, die den Anbietern das personalisierte Tracking der Nutzerinnen und Nutzern nicht erlaubt.» Die BFH-Forschenden sind fündig geworden, und zwar mit der Kombination zweier Informatik-Bausteine, nämlich der Gruppensignatur und der homomorphen Verschlüsselung. Damit kann zwar ermittelt werden, welche Dienstleistungen ein Pendler bezogen hat, nicht aber zu welchem Zeitpunkt er sich wo aufgehalten hat. Das Tracking würde also entpersonalisiert. Sein Fazit: «Um die positiven Seiten der Digitalisierung ausnützen zu können, braucht es oft neue Lösungsansätze.»
Vernetzte Städte
Neue Lösungsansätze sind auch gefragt, wenn es um die Stadt der Zukunft geht. Wohin uns die digitale Transformation führt, zeigte Stephan Haller vom Institut Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft in seinem Workshop «Auf dem Weg zur digitalen Stadt» auf. Haller hat unter anderem an einem europäisch-japanischen Forschungsprojekt zu «smart cities» mitgearbeitet. «Wenn von ,smart cities› die Rede ist, gibt es zwei Visionen», sagte er zu Beginn seiner Präsentation. «In der einen ist alles grün und friedlich, alle sind happy. Auf der anderen Seite steht die Totalüberwachung des Bürgers, ein Strafsystem für Fehlverhalten – da will ja niemand wirklich hin.» Es gehe vielmehr darum, die Lebensqualität zu erhöhen. «Deshalb ist es nicht nur ein Technologie-Thema», so Haller. «Die Technologie dient lediglich der Unterstützung.» Die digtale Transformation betreffe zwar die ganze Gesellschaft, aber gerade in den Städten mit ihrer zunehmenden Bevölkerung manifestierten sich viele Herausforderungen zuerst, so etwa die Umweltbelastung und der Ressourcenverbrauch. Deshalb richtet sich das Interesse der Forschung auch auf die Städte. In der Schweiz seien heute zwar viele Städte auf dem Weg zu einer «smart city», blieben aber oft in einzelnen Pilotprojekten hängen. «Wir müssen dahin kommen, dass wir voneinander lernen», sagte er. «Und zwar auch bezüglich technischer Lösungen. Damit werden die Kommunen weniger abhängig von Technologiegiganten.» Diesen Vernetzungsgedanken bilden verschiedene internationale und nationale Plattformen ab – in der Schweiz etwa der «smart city hub». Zu Hallers Bedauern sind in der letzteren bis jetzt nur Deutschschweizer Städte vertreten. Dafür laufen Bestrebungen, das Monitoring zu verbessern, also abzubilden, was in Bezug auf die «smart city» schon erreicht wurde. «Werkzeuge dafür sind in der Entwicklung», so Haller.
Wie Digital Natives arbeiten
Eine Bevölkerungsgruppe dürfte besonders involviert im Aufbau der «Stadt der Zukunft» sein: Die «Digital Natives». Sie standen im Zentrum von Katinka Weissenfelds Präsentation. Die BFH-Dozentin für Projektmanagement stellte die Frage ob die nach 1980 geborenen das Ende des Projektmanagements eingeläutet haben. Um das zu illustrieren, stellte sie in einem fiktiven Beispiel zwei Mitarbeitende eines Unternehmens nebeneinander, eine junge Frau und einen älteren Mann. In diesem Beispiel zeigte sich rasch, welche Probleme auftreten können, wenn die zwei Generationen aufeinandertreffen. «Digital Natives erwarten von der Arbeit, dass sie Spass macht und sinnstiftend ist. Sie arbeiten schnell, ortsunabhängig und kommunizieren direkt», so Weissenfeld. Multi-Tasking sei wichtig, ebenso ständige Erreichbarkeit feste Arbeitszeiten gibt es nicht. Viele Projekte hingegen seien durch starre Strukturen, klare Hierarchien, vorgegebene Prozesse und Budgetpläne sowie Methodenfetischismus geprägt. «Hier finden sich die Digital Natives nicht wieder», betonte Weissenfeld.
Digital Natives orientierten sich vielmehr an den Leitsätzen des «agilen Manifests» (das aus der Informatik stammt). Sie lauten:
- Das Individuum steht über Prozessen.
- Das System ist zentral.
- Das Kundenwohl steht über dem Vertragsabschluss, das heisst, die Arbeit kann auch schon anfangen, wenn ein Vertrag noch nicht abgeschlossen ist.
- Und schliesslich: Veränderung ist erwünscht.
Ist also das klassische Projektmanagement ein Relikt vergangener Zeiten? Weissenfeld beantwortete diese Frage diplomatisch: «Nein, Digital Natives stehen nicht für das Ende des Projektmanagements sondern für den Aufbruch in ein agiles Projektmanagement.»