Learning-to-be-Green: Nachhaltigkeit und digitale Transformation im Fokus

E Learning Concept With Person Working With Laptop

Lässt sich grünes Unternehmertum mit Hilfe von Chatbots effektiver erlernen? Wie sehen innovative, digitale Lehr- und Lern-Szenarien und moderne Lernmaterialien heute aus, und wie schafft man eine nachhaltige Lernumgebung?

Das von der Europäischen Kommission geförderte Forschungsprojekt «Learning-to-be-Green» (kurz: L2BGreen) hat das Ziel zu diesen und weiteren Fragestellungen der digitalen Transformation die richtigen Antworten zu finden. Als Teil eines Konsortiums mit zehn beteiligten Organisationen, geleitet von der Universität Twente (Niederlande), entwickelt das Institut Digital Technology Management IDTM der BFH-Wirtschaft eine innovative digitale Lehr- und Lern-Plattform, welche unter Einbindung von Künstlicher Intelligenz (z.B., eines dialog-basierten Chatbots) das Bewusstsein und die Kompetenzen für nachhaltiges und grünes Unternehmertum an ein breites Publikum vermitteln soll.

Das L2BGreen Konsortium (siehe Abbildung 1) bildet eine Zusammenarbeit aus Hochschulen, Unternehmen, sowie weitere Bildungsanbietern aus dem Berufsbildungsbereich ab, und fördert damit die interdisziplinäre Zusammenarbeit über verschiedene Bereiche hinweg.

Abbildung 1: Übersicht L2BGreen Konsortium

Die Twin Transition zunutze machen

Die meisten europäischen Volkswirtschaften stehen aktuell inmitten einer sogenannten «Twin Transition», die das wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Leben der Bürger*innen stark beeinflusst (Joint Research Center, 2022). Die Twin Transition bezeichnet die parallele Entwicklung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung, wobei beide Transformationen sich gegenseitig verstärken und fördern können. Dieses Konzept spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft. Ein typisches Beispiel für die Twin Transition ist die Einbettung von digitalen Technologien in analoge Produkte, womit vielfältige datenbasierte Services ermöglicht werden, um z.B. nachhaltiges Energiemanagement oder optimierten Ressourcenverbrauch zu fördern (Raff et.al, 2020). Das Projekt L2BGreen sieht diese Transition als Chance, um beide Stränge (also Nachhaltigkeit und Digitalisierung) besser im gesellschaftlichen Leben zu verankern und so zu den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen beizutragen. Die Aktivitäten im Zusammenhang mit L2BGreen unterstützen direkt SDG 4 (hochwertige Bildung) und tragen darüber hinaus zu SDG 12 (verantwortungsvolle/r Konsum und Produktion), SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur) sowie weiteren Zielen bei.

Förderung der Nachhaltigkeitstransformation

Um eine bessere Verzahnung von grünem Unternehmertum besonders im wirtschaftlichen Rahmen der EU zu fördern, entwickelt das Konsortium aus sieben verschiedenen Ländern eine digitale, mehrsprachige Lernplattform, um Berufstätigen und Studierenden in Europa zu ermöglichen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten im Bereich ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und digitaler Affinität zu trainieren. Dadurch wird der breite Zugang zu aktuellem Wissen und praktischen Fähigkeiten im Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Unternehmertum, insbesondere für erstmalige Gründer*innen signifikant erleichtert. Das Projekt fördert damit die Nachhaltigkeitstransformation nicht nur durch die Ausbildung zu grünem Unternehmertum, Teilnehmende erlernen auch bestehende Geschäftsmodelle hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen zu analysieren und nachhaltigere Lösungen zu entwickeln.

KI-unterstütztes Lernen

Das Projekt zielt darauf ab innovative und skalierbare Ansätze zu entwickeln, um den Lernprozess effizient und interaktiv zu gestalten. Als Kernelement soll ein Online-Kurs entwickelt werden, bei dem ein dialog-basierter Agent (aka Chatbot) Lernende interaktiv durch die Bearbeitung eines Lernmoduls führt und gleichzeitig hilfreiches Feedback im individuellen Lernprozess geben soll (mehr Informationen zu dialog-basierten pädagogischen Agenten in Weber et al. 2021). Dieser (digitale) Lernprozess ist wiederum massgebend für die erfolgreiche Förderung der Nachhaltigkeitstransformation.

Um den Chatbot adaptiv zu gestalten, wird ein Large Language Model (LLM) wie OpenAI’s GPT4 mit passenden Informationen und Lerninhalten trainiert und mit sogenanntem «Prompt Engineering» präzise ausgerichtet, um den verschiedenen Lernenden präzise Antworten und ein lernförderndes Umfeld zu bieten.

Das didaktische Design des KI-gestützten Chatbots ist entscheidend für den Erfolg der Lernplattform (Wambsganss et al. 2024). Dabei kann der Chatbot im Lernprozess verschiedene Rollen einnehmen, wie z.B. (i) als Tutor (hier bietet der Bot direkte Unterstützung und beantwortet Fragen der Lernenden, wie z.B. in Wambsganss et al. 2021), (ii) als Diskussionspartner (hier regt er durch kontroverse Themen zur kritischen Reflexion an) oder (iii) als Feedbackgeber (ein Bot, der den Lernenden Rückmeldungen zu ihrem Lernfortschritt gibt). Ein beispielhafter Ablauf des Dialogs ist in Abbildung 2 ersichtlich.

Abbildung 2: Skizzierte Dialogstruktur des L2BGreen Chatbots

Green Entrepreneurship

Die Entwicklung der Lerninhalte, mit denen der Online-Kurs und Chatbot arbeitet, ist die entscheidende Aufgabe des Teams der Berner Fachhochschule. Festgelegt ist das Erlernen von Kompetenzen zu nachhaltigem Wirtschaften. Dazu werden unter anderem die bestehenden und weit verbreiteten EU-Frameworks wie GreenComp und EntreComp integriert. GreenComp bietet einen umfassenden Rahmen für Kompetenzen im Bereich der Nachhaltigkeit, während EntreComp sich auf unternehmerische Fähigkeiten konzentriert. Beispiele für Überschneidungen der beiden Ansätze umfassen nachhaltige Geschäftsstrategien und unternehmerisches sowie systemisches Denken.

Im Projekt werden die Ergebnisse aus bereits abgeschlossenen EU-Projekten zum Thema Green Entrepreneurship eingebunden, wie z.B.: aus dem Projekt Green Entrepreneurship Training – Get Up. Get Up verfolgte das Ziel, ein umfassendes Verständnis für die grüne Wirtschaft als System zu vermitteln und die Teilnehmenden in die Grundlagen grüner Unternehmertätigkeit einzuführen. Die entwickelten Lernziele (siehe Liste) fliessen direkt in die Entwicklung unserer Lernmaterialien ein.

  1. Verständnis der Grünen Wirtschaft: Vermittlung eines systematischen Verständnisses der grünen Wirtschaft.
  2. Einführung in Grünes Unternehmertum: Grundlagen und Prinzipien grüner Geschäftspraktiken.
  3. Kreativität und Innovation: Förderung von kreativen und innovativen Lösungen im ökologischen Kontext.
  4. Persönliche Unternehmerische Fähigkeiten: Entwicklung von Fähigkeiten und Verhaltensweisen, einschließlich SWOT-Analysen und Chancenidentifikation.
  5. Identifikation von Geschäftsmöglichkeiten: Erkennen und überzeugendes Präsentieren neuer Geschäftsmöglichkeiten im grünen Sektor.
  6. Marketingbewusstsein: Schärfung des Bewusstseins für die Bedeutung von angemessenem Marketing für mehr Bekanntheit grüner Unternehmen.
  7. Finanzmanagement: Verständnis für Finanzierungsquellen, Zuschüsse und Investitionsmöglichkeiten.
  8. Leadership und Management: Nachhaltige Unternehmensführung und effektives Management von Mitarbeitenden in grünen Unternehmen.

Um auch praxisnahen Teilnehmenden eine sinnvolle Lernerfahrung zu bieten, wird der Inhalt des Onlinekurses fallbasiert organisiert sein, d.h. man orientiert die Lernmaterialen an realen oder simulierten Geschäftsmodellen, die mit Nachhaltigkeitskonzepten verknüpft werden. Dabei ist eine der Leitfragen an die Lernenden: Wie kannst du die Tätigkeiten im Unternehmen XY nachhaltiger gestalten? Nebst angewendetem Faktenwissen sollen auch Einstellungen und Verhaltensweisen bearbeitet werden. Einstellungen werden durch kontroverse Diskussionen mit dem Chatbot besprochen, während Verhaltensänderungen angesprochen werden durch Selbstreflexion. Auch hier trägt das didaktische Design des Chatbots unmittelbar zum Lernerfolg bei.

Projektstand: Lernmaterial und Interaktionsdesign entstehen an der BFH

L2BGreen wird durch die Europäische Kommission gefördert und hat eine Projektlaufzeit von April 2024 bis März 2027. Das Forschungskonsortium wird von der Universität Twente (Niederlande) geleitet und reicht über verschiedene europäische Länder wie Estland, Deutschland, Österreich, und Griechenland.

Derzeit arbeiten die BFH und die Universität des Saarlandes intensiv am Design der Interaktion von Chatbots mit den Lernenden. Parallel dazu sammelt die BFH Lernmaterialien zum Thema grünes Unternehmertum.

Die innovativen Methoden werden durch die Expertise des Instituts für Digital Technology Management an der BFH unterstützt, das über umfangreiche Fähigkeiten in den Bereichen digitale Verantwortung und KI-gestütztes Lernen verfügt, spezifisch vertreten durch die Fachgruppen Digital Responsibility und Human-Centered AI-Based Learning Lab.

Wir stehen jederzeit offen für Anfragen, Anregungen und Inputs, sei es allgemein zum Projekt oder spezifisch zu Green Entrepreneurship und KI in der Bildung. Eine Zusammenarbeit zur Förderung zusätzlicher Praxisnähe wäre von besonderem Interesse. Weitere Details zum Projekt finden Sie auf den Webseiten der BFH oder von L2BGreen.


Referenzen

  1. Joint Research Center (2022). The twin green & digital transition: How sustainable digital technologies could enable a carbon-neutral EU by 2050. Available at: https://joint-research-centre.ec.europa.eu/jrc-news-and-updates/twin-green-digital-transition-how-sustainable-digital-technologies-could-enable-carbon-neutral-eu-2022-06-29_en
  2. Raff, S., Wentzel, D., & Obwegeser, N. (2020). Smart products: conceptual review, synthesis, and research directions. Journal of Product Innovation Management, 37(5), 379-404.
  3. Wambsganss, T., Kueng, T., Soellner, M., & Leimeister, J. M. (2021). ArgueTutor: An adaptive dialog-based learning system for argumentation skills. In Proceedings of the 2021 CHI conference on human factors in computing systems (pp. 1-13).
  4. Wambsganss, T., Janson, A., Söllner, M., Koedinger, K., & Leimeister, J. M. (2024). Improving Students’ Argumentation Skills Using Dynamic Machine-Learning–Based Modeling. Information Systems Research.
  5. Weber, F., Wambsganss, T., Rüttimann, D., & Söllner, M. (2021). Pedagogical Agents for Interactive Learning: A Taxonomy of Conversational Agents in Education. In Proceedings of International Conference on Information Systems, Austin, Texas.
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AUTHOR: Mila Jegerlehner

Mila Jegerlehner ist wissenschaftliche Assistentin am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft.

AUTHOR: Nikolaus Obwegeser

Dr. Nikolaus Obwegeser leitet das Institut für Digitales Technologiemanagement an der BFH Wirtschaft. Zuvor war er Associate Director des Global Center for Digital Business Transformation an der IMD Business School in Lausanne und Associate Professor an der Universität Aarhus. Seine Forschungsschwerpunkte sind Digitale Transformation & Innovation, Agile Methoden und Tools sowie die Entwicklung von Informationssystemen.

AUTHOR: Thiemo Wambsganss

Thiemo Wambsganss ist Assistenzprofessor für Digitales Technologiemanagement und leitet das Human-Centered AI-based Systems (HAIS) Lab an der BFH Wirtschaft. Seine Forschungsthemen fokussieren auf den allgemeinen Bereich der Mensch-Computer-Interaktion mit Einflüssen aus der natürlichen Sprachverarbeitung und dem maschinellen Lernen.

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