Schlagwortarchiv für: Basisregister

Basisregister und Normdaten als Wegbereiter für Linked Data

Basisregister sind zentrale Bestandteile eines Linked-Data-Ökosystems. Zusammen mit gemeinsam verwendeten Datenmodellen bzw. Ontologien sorgen sie dafür, dass Datenbestände auch über Organisationsgrenzen hinweg miteinander verknüpft werden können. Ohne sie wäre “Linked Data” nicht möglich. Ausgehend von einem laufenden Projekt, welches zum Ziel hat, die Publikation von Linked Open Data durch Schweizer Behörden voranzubringen, beschreiben wir den Status Quo und die geplanten Massnahmen, um die Publikation von relevanten Basisregistern und Vokabularen systematisch zu fördern.

Wie in einem früheren Artikel beschrieben (Estermann 2019), sollen im Rahmen eines Projekts im Auftrag von E-Government Schweiz jene Datenbestände identifiziert werden, die im Zusammenhang mit der Publikation von Linked Open Data (LOD) durch Schweizer Behörden als Basisregister oder als zentrale Vokabulare dienen können. Ihre zeitnahe Publikation als Linked Open Data würde der Verlinkung von Behördendaten Vorschub leisten. Dass die Publikation von Basisregistern oder zentralen Vokabularen in der Schweiz ein sehr wichtiges Thema ist, hat sich auch an der anfangs Juli durchgeführten  Unconference Opendata.ch/2019 gezeigt: Die Frage, welche Basisregister und Vokabulare Schweizer Behörden als LOD publizieren sollten, wurde von den Teilnehmenden als eine der wichtigsten Fragen eingestuft und in einem Workshop behandelt.

Um jene Basisregister und Vokabulare zu identifizieren, denen im Kontext von Schweizer Behördendaten das grösste Nutzungspotenzial zukommt, führte die Berner Fachhochschule im Rahmen eines Projekts von E-Government-Schweiz ein erstes Screening von Datenbeständen durch. Dabei wurden parallel zwei Ansätze verfolgt:

  • Screening von existierenden Datenbeständen von Schweizer Behörden im Hinblick auf ihre Eignung als Basisregister oder Vokabulare.
  • Screening von Wikidata bezüglich Eignung als Basisregister oder Vokabular im Zusammenhang mit der Datenpublikation durch Schweizer Behörden.

Ergänzt wurde das Screening durch die Befragung von Schweizer Behörden, welche bereits heute Daten als Linked Data publizieren oder dies in naher Zukunft vorhaben. Dabei wurden speziell im Bereich der Archive und Bibliotheken noch weitere Daten aus dem Bereich der Gedächtnisinstitutionen und der Digital Humanities identifiziert.

Nachstehend werden die Vor- und Nachteile dieser verschiedenen Arten von Datenquellen kurz erörtert und erste Shortlists präsentiert, welche anschliessend von der Schweizer LOD-Community in einem offenen Prozess kommentiert und ergänzt werden sollen.

Datenbestände von Schweizer Behörden

Die meisten Datenbestände der Schweizer Behörden werden aufgrund eines gesetzlichen Auftrages erstellt und gepflegt. Deshalb kann nicht nur davon ausgegangen werden, dass die Daten von hoher Qualität sind, sondern dass auch die Kontinuität der Datenpublikation gewährleistet ist, dass also die Daten auch in Zukunft gepflegt und verfügbar gemacht werden. Dabei gilt es allerdings zu bedenken, dass die Tatsache allein, dass die Daten von Behörden bereitgestellt werden, noch kein Garant für die Datenqualität ist. Datenqualität ist als Prozess zu denken und wird erst im Zusammenhang mit konkreten Anwendungen fassbar. Eine vielfältige und häufige Verwendung der Daten erhöht im Allgemeinen die Datenqualität, da Fehler und Unzulänglichkeiten der Daten oft erst bei deren Nutzung entdeckt werden. Bei etlichen Behördendaten (z.B. Handelsregister, Gemeindeverzeichnis) kann davon ausgegangen werden, dass sie regelmässig und in unterschiedlichen Kontexten verwendet werden; bei anderen bleiben der bisherige Verwendungskontext und die Verwendungshäufigkeit weitgehend im Dunkeln (z.B. kantonale Denkmallisten).

Leider werden heute erst wenige Datensätze der öffentlichen Verwaltung als Linked Open Data publiziert, und die Machbarkeit und Bereitschaft der verschiedenen Datenhalter im Hinblick auf eine solche Publikation muss in der Regel erst noch geklärt werden.

Basierend auf dem Screening und dem Ergebnis des oben erwähnten Workshops haben wir eine erste Shortlist von Datenbeständen von Schweizer Behörden erstellt, welche im Zusammenhang mit der Publikation von Schweizer Behördendaten als Linked Open Data als Basisregister oder als kontrollierte Vokabulare dienen könnten:

BezeichnungVerantwortliche BehördeKurzbeschrieb
UID-RegisterBFSIm UID-Register werden alle in der Schweiz tätigen Unternehmen geführt. Die Informationen zu den Unternehmen sind der Verwaltung (UID-Stellen), dem Unternehmen selbst und teilweise der Öffentlichkeit zugänglich.
HandelsregisterKantonale HandelsregisterämterIn der Schweiz sind die Handelsregister dezentral organisiert und werden von den Kantonen geführt. Die Handelsregister sind öffentlich und dienen der Konstituierung und der Identifikation von Unternehmen. Sie bezwecken die Erfassung und Offenlegung handels- und gesellschaftsrechtlich relevanter Tatsachen und tragen dadurch zur Gewährleistung der Rechtssicherheit sowie zum Schutz von Dritten bei.
TERMDATBundeskanzlei (BK)TERMDAT ist die mehrsprachige Terminologie-Datenbank der schweizerischen Bundesverwaltung und enthält u.a. auch die offiziellen Namen aller Bundesämter. Prototypisch wurde eine Teilumsetzung als Linked Data bereits realisiert.
NomenklaturenBFSDie Nomenklaturen des BFS umfassen insbesondere:

  • Gemeindeverzeichnis,
  • Historisiertes Gemeindeverzeichnis,
  • PLZ-Verzeichnis.

Ausserdem wäre ein versionierter Abgleich zwischen PLZ und BFS Gemeindenummern wünschenswert.

Amtliches Ortschaften- verzeichnis swisstopoAmtliches Ortschaftenverzeichnis mit Postleitzahl und Perimeter.
Eidg. Gebäude- und Wohnungs- register (GWR)BFSErfasst die wichtigsten Grunddaten zu den Gebäuden und Wohnungen der Schweiz für statistische und administrative Zwecke.
NOGABFSDie “allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige” (Nomenclature générale des activités économiques) dient zur konsistenten Verwendung von Branchennamen bei statistischen Auswertungen.
ISCOBFSInternationale Berufsnomenklatur (International Standard Classification of Occupations) zur konsistenten Verwendung von Berufsnamen bei statistischen Auswertungen.

Diese Liste ist als Vorschlag zu verstehen, welche bestehenden Datensätze aus Nutzungsperspektive mit höchster Priorität als Linked Open Data publiziert werden sollten.

Wikidata

Datenbestände in Wikidata haben den Vorteil, dass sie aufgrund des Crowdsourcing-Ansatzes einen teilweise sehr guten Abdeckungsgrad haben, und fehlende Daten unkompliziert erstellt bzw. ergänzt werden können. Ausserdem ist bei Daten aus Wikidata eine sofortige Integration mit einer weltweiten Linked-Data-Cloud gegeben, da die Rekonzilierung mit anderen Datenbeständen gleich beim Dateningest erfolgt, und nicht erst nach der Datenpublikation, wie es bei anderen Datensätzen oft der Fall ist.

Der Crowdsourcing-Ansatz führt aber auch zu gewissen Problemen, insbesondere hinsichtlich der Datenqualität. Diese lässt sich nur mit zusätzlichem Aufwand sicherstellen, z.B. durch die Identifikation von und Einschränkung auf verlässliche Quellen. Ausserdem besteht in diversen Bereichen ein beträchtlicher Bedarf hinsichtlich Datenbereinigung sowie Harmonisierung der Modellierungspraxis.

Auch hier haben wir basierend auf dem Screening eine erste Shortlist von Datenbeständen in Wikidata erstellt, welche im Zusammenhang mit der LOD-Publikation von Schweizer Behördendaten als Basisregister oder als kontrollierte Vokabulare dienen könnten:

BezeichnungWikidata-QueryAnz. Einträge 

(Juni 2019)

Verwaltungseinheiten der Schweizhttps://w.wiki/53U5139
Schweizer Organisationenhttps://w.wiki/53x12596
Schweizer Gedächtnisinstitutionenhttps://w.wiki/5Gm2169
Menschen, die in der Schweiz geboren sindhttps://w.wiki/53V24537
Menschen, die in der Schweiz gestorben sindhttps://w.wiki/53X13396
Menschen mit Schweizer Nationalitäthttps://w.wiki/53Z31006
Menschen mit Schweizbezug (Bürgerrecht, Geburts- oder Sterbeort, Arbeitsort oder Wohnsitz)https://w.wiki/53c40549
Bauwerke in der Schweizhttps://w.wiki/53f20147
Schweizer Kulturgüter von nationaler oder regionaler Bedeutung (KGS-Inventar)https://w.wiki/53j13121
Sprachenhttps://w.wiki/53m12987
Taxonshttps://w.wiki/53o2549556
Gewässer in der Schweizhttps://w.wiki/53q2942
Berge in der Schweizhttps://w.wiki/53r7965
Chemische Verbindungenhttps://w.wiki/53$162545
Menschliches Geschlecht oder Gender (Vokabular)https://w.wiki/54610+
Stoffe, aus denen Objekte gefertigt werden (Vokabular)https://w.wiki/5483318
Farben, die dazu verwendet werden, um Objekte zu identifizieren (Vokabular)https://w.wiki/54D61
Farbenhttps://w.wiki/54C191

Interessant könnte es auch sein, offizielle Behördendaten direkt in Wikidata zu publizieren. Das hätte den Vorteil, dass damit direkt ein hohes Nutzungspotential im internationalen Kontext erschlossen werden kann, da die Daten einfacher mit Daten aus anderen Ländern kombiniert werden können. Besonders sinnvoll ist ein solches Vorgehen bei Themen, die auch im Rahmen von Wikipedia-Artikeln abgehandelt werden sollen. Um die semantische Interoperabilität der Daten über die Ländergrenzen hinweg zu gewährleisten, bedarf es einer entsprechenden Koordination zwischen den datenpublizierenden Stellen. Falls diese nicht schon anderweitig erfolgt, kann diese Koordination direkt im Rahmen der Wikidata-Community stattfinden.

Daten aus dem Bereich der Gedächtnisinstitutionen und der Digital Humanities

Seitens der Nationalbibliothek und der beiden befragten Archive wurde zudem auf die Bedeutung von internationalen Normdaten und Vokabularen hingewiesen. Dazu gehören beispielsweise die Gemeinsamen Normdatei (GND), welche von der Deutschen Nationalbibliothek und den deutschsprachigen Bibliotheksverbünden kooperativ geführt wird, sowie das Virtual Internet Authority File (VIAF) und die Dewey Decimal Classification, welche beide vom US-amerikanischen Online Computer Library Center (OCLC) betrieben werden.

Im Hinblick auf die Vernetzung von Schweizer Beständen spielen zudem weitere Normdaten und Verzeichnisse eine Rolle, die sich speziell auf die Schweiz beziehen:

BezeichnungBetreiberKurzbeschrieb
Gemeinsame Normdatei (GND)Deutsche NationalbibliothekNormdatei für Personen, Körperschaften, Kongresse, Geografika, Sachschlagwörter und Werktitel, die vor allem zur Katalogisierung von Literatur in Bibliotheken dient, zunehmend aber auch von Archiven, Museen, Projekten und in Web-Anwendungen genutzt wird.
Virtual International Authority File (VIAF)OCLCVirtuelle internationale Normdatei, welche 25 nationale Normdateien über eine Konkordanzdatei verlinkt.
Dewey Decimal ClassificationOCLC Online Computer Library CenterDie international am weitesten verbreitete Klassifikation für die inhaltliche Erschliessung von Bibliotheksbeständen. Sie wird hauptsächlich im anglo-amerikanischen Sprachraum eingesetzt..
Fotografie-MetadatenFoto CHMetadaten zu Schweizer Fotografen und Fotografiebeständen (Fotografen, Arbeitsorte, Institutionen, Bestände, Ausstellungen).
Inventar der Forschungsbibliotheken der SchweizSwissbib/UB BaselDaten zu den rund 900 Schweizer Forschungsbibliotheken, die an den Bibliotheks-Metakatalog von Swissbib angeschlossen sind.
Authority files on Swiss historyhistHubNamed Entities (Personen, Orte), Typologien (Berufe, Ortstypen) und Vokabulare (Vornamen, Konzepte), die im Zusammenhang mit historischen Beständen zur Schweiz von Relevanz sind. Einige davon befinden sich noch im Aufbau.
Metadaten des Historischen Lexikons der SchweizHLSMetadaten zu den Einträgen im Historischen Lexikon der Schweiz (Koordinaten, Personen, Organisationen, Verlinkung auf GND und VIAF).
MetagridSAGW / DodisKonkordanz-Datei für historische Normdaten mit Schweiz-Bezug.

Historisierte Datenbestände als grosse Herausforderung

Eine besondere Herausforderung stellt die Verfügbarkeit und Nutzung von historisierten Datenbeständen dar. Dieses Thema wird in Gesprächen über die Publikation von Open Government Data als Linked Data immer wieder hervorgehoben, so auch am oben erwähnten Workshop. Dabei geht es nicht nur um die Verfügbarkeit an sich, die heute noch unvollständig ist (zum Beispiel Gemeindeperimeter). Sondern es geht auch darum, wie verschiedene historisierte Datenbestände verknüpft werden können: Dies ist heute oft nicht einfach, da bei der Historisierung der verschiedenen Datenbestände unterschiedliche Historisierungsansätze verfolgt wurden.

Nutzungsszenarien

Wie aus der Befragung von Schweizer Behörden hervorgeht, welche bereits heute Daten als Linked Data publizieren oder dies in naher Zukunft vorhaben, wird der zusätzliche Aufwand, der in die Aufbereitung und die Verknüpfung der Daten mit anderen Beständen gesteckt wird, damit motiviert, dass damit:

  1. künftig eine verbesserte Suche in den Beständen angeboten werden kann (z.B. mehrsprachige Suche in historischen Beständen des Bundesarchivs; geolokalisierte Suche in Beständen des Staatsarchivs Basel-Stadt);
  2. neue Erkenntnisse generiert werden können (z.B. Verknüpfung von Datenbeständen des BAFU oder der Angaben aus dem Handelsregister mit statistischen Kennzahlen des BFS; Integration von semantisch angereicherten Archivkatalogen in Forschungsumgebungen); und
  3. die Transparenz erhöht wird (z.B. Tarif der Schweizer Stromversorger; Daten aus der Strommarkt-Überwachung).

Nächste Schritte

Die oben aufgeführten Tabellen reflektieren den aktuellen Stand bezüglich der Basisregister und Vokabulare, die aus Nutzerperspektive mit höchster Priorität als Linked Data verfügbar gemacht werden sollten. In den nächsten Wochen werden wir weitere Inputs seitens der Schweizer LOD-Community einholen, um die Tabellen und die Auflistung möglicher Nutzungsszenarien zu ergänzen, so dass wir am Ende über eine breit abgestützte und priorisierte Liste von Basisregistern und Vokabularen verfügen.

In einem nächsten Schritt werden wir diese Liste im Dialog mit den Datenhaltern abarbeiten, um neben der Dimension des Nutzungspotenzials auch den Bewertungskriterien der “Machbarkeit” und der “Bereitschaft des Datenhalters” (siehe Estermann 2019) Rechnung zu tragen. Ergebnis dieses nächsten Schrittes werden mehrere zu LOD aufbereitete Datensätze sein, wie auch eine Analyse zu den Herausforderungen und Hürden im Hinblick auf die Konversion weiterer Datenbestände zu Linked Data. Basierend auf dieser Analyse sollen anschliessend Empfehlungen zum weiteren Vorgehen formuliert werden.

Der erste Teil des Artikel ist bereits erschienen.


Bibliographie

Creative Commons LicenceCreate PDF

Ähnliche Beiträge

Eine nationale Dateninfrastruktur für die Schweiz: Aus den internationalen Erfahrungen lernen

Um die Früchte der digitalen Ökonomie auch in der Schweiz ernten zu können, muss u.a. die Vision einer nationalen Dateninfrastruktur (NDI) entwickelt und realisiert werden. Zentraler Bestandteil einer NDI ist ein Fundament bestehend aus den wichtigsten Informationen über eine Gesellschaft, welche in Basisregistern abgelegt sind. Eine Untersuchung ausgewählter internationaler Best Practices im Rahmen einer Master-Arbeit kam zum Schluss, dass der Fall Dänemark insbesondere für die Schweiz ein wertvolles Beispiel darstellt.

Daten als Infrastruktur betrachten 
Daten sind in Analogie zu traditionellen materiellen Infrastrukturen wie Strassen- oder Schienennetze für die einwandfreie Funktion einer Volkswirtschaft von hoher Bedeutung. So können Daten von einer beliebigen Zahl von Nutzern für eine breite Palette von Zwecken als Infrastruktur-Ressource für die nachgelagerte Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen verwendet werden. Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft nimmt die Menge an Daten ständig zu, wobei dieser Trend vor dem öffentlichen Sektor keineswegs haltmacht. Die Herausforderungen des digitalen Zeitalters werden durch die neue Schweizer Datenpolitik im Rahmen der Dachstrategie «Digitale Schweiz» aktiv angegangen. Die Kernziele sind die Schaffung von Wachstum, Wohlstand und Chancengleichheit sowie die Förderung von Partizipation, Transparenz und Sicherheit. In die Teilstrategie «Daten und digitale Inhalte» betten sich Daten mit Infrastruktur-Charakter ein. In diesem Kontext steht die nationale Dateninfrastruktur (NDI), welche u.a. Elemente aus den Bereichen E-Government und Open Government Data miteinander vereint. Die Bereitstellung von Behördendaten zur freien Wiederverwendung ist eine erste Etappe. Von grossem Interesse sind dabei die grundlegendsten Informationen über eine Gesellschaft, welche in Basisregistern gespeichert sind.

Einbettung und Eckdaten zur Untersuchung 
Im Rahmen einer Master-Arbeit, welche das Ziel hatte, Konzepte, Anforderungen und Herausforderungen mit Blick auf eine nationale Dateninfrastruktur in der Schweiz zusammenzutragen und zu reflektieren, wurde der Fokus auf den Aspekt der Basisregister gelegt und der Fall Dänemarks als besonders exemplarischer Fall in dieser Hinsicht beschrieben.
Als Vorbereitung eines grösseren Forschungsprojektes im Bereich «Big Data» wurde parallel dazu am E-Government-Institut eine von der Hasler Stiftung finanzierte Studie durchgeführt, welche erste Erkenntnisse hinsichtlich Ausgestaltung und Governance einer solchen Infrastruktur produzierte. Aktuell beschäftigt sich das Forschungsteam mit den Fragen, wie eine NDI für die Schweiz ausschauen soll und wie die organisationsübergreifende Zusammenarbeit und die Beteiligung der verschiedenen Akteure im Hinblick auf den Aufbau und die Pflege einer solchen Infrastruktur konkret gestaltet werden sollen (vgl. Kasten).


Nationale Dateninfrastruktur: weiterführende Informationen


Was ist eine nationale Dateninfrastruktur?
Eine NDI ist eine landesweite technische Infrastruktur (Portale, Plattformen, Services, etc.), die den Zugang zu und den Austausch von Daten auf Basis von definierten Regeln ermöglicht. Zweck einer solchen Infrastruktur ist die Unterstützung datenbasierter Wertschöpfung bzw. die Freisetzung potentiellen Mehrwertes bestehender Daten. Die angedachte Infrastruktur versteht sich nicht als monolithischer Block und Insellösung. Behördendaten bilden dabei den Grundstock; es besteht noch Klärungsbedarf, welche weiteren Daten genau dazu gehören sollen. Komponenten und Governance-Anforderungen an eine NDI können aus vier Perspektiven betrachtet werden: Open Data, Basisregister, Mydata und Big Data (vgl. Abb. 1).

national-datenbankinfrastrukur

Abb. 1: Vier Perspektiven einer nationalen Dateninfrastruktur

Das dänische «Good Basic Data for everyone Program»
Dänemark stellt ein sehr gutes internationales Beispiel dar, wie der Aufbau einer NDI angegangen werden kann. Das Land legte die Grundbausteine für eine NDI, inklusive der kritischsten Fragen der Finanzierung und der Governance, in weniger als einem Jahr: Im Rahmen des «Good Basic Data for everyone Program» (BDP) wurden die Konzeption und die Errichtung eines vernetzten Systems von Basisregistern, welches sowohl die öffentliche Verwaltung wie auch die Allgemeinheit mit qualitativ hochstehenden Daten versorgt, in die Wege geleitet (de Vries und Pijpker 2013).
Die dänische Agentur für Digitalisierung stufte Informationen, welche öffentliche Behörden über die grundlegenden Bereiche der dänischen Gesellschaft sammelten, als Basisregister ein. In einem ersten Schritt wurden folgende Register als Bestandteil des BDP identifiziert: Adressdaten und mit Informationen angereicherte Ortsbezeichnungen, Karten und geografische Daten, Personen-, Unternehmens-, Gebäude- und Wohnungsregister sowie Grundbuch- und Grundstückbesitzregister (The Danish Agency for Digitization 2012, S. 19). All diesen Daten war gemeinsam, dass praktisch alle anderen domänen-spezifischen Bereiche innerhalb der Verwaltung einen Bezug zu einem Teil dieser Daten haben. Daher war das Hauptziel, dass die Basisregister quasi als Daten-Fundament in sich kohärent sind und somit zu einer höheren Konsistenz der Daten über Organisationsgrenzen hinweg führen (Jetzek 2016, S. 95). Abbildung 2 stellt die dänischen Basisregister und die Rolle des «Data Distributor» dar.

Basisregister

Abb. 2 – BDP Dänemark – Basisregister und Datenverteilungssystem (KMD 2016: 6)

Den Startschuss legte in Dänemark die nationale Strategie für Digitalisierung 2011-2015 (The Danish Agency for Digitization 2011). Diese erreichte die Schaffung einer Vision, welche sich auf einen echten öffentlichen Bedarf abstützte und die Themen Vernetzung von Schlüsselregistern und Open Government Data auf die höchste Regierungsebene portierte. In der Folge stellte sich ausgehend von den wichtigsten staatlichen Datenhaltern die Notwendigkeit der Vernetzung der Basisregister ein. Die Bottom-up-geprägte Vision hat das Vorgehen in Dänemark wesentlich beschleunigt. Dänemark startete das BDP-Programm im Jahr 2012 ursprünglich mit der Vision einer Vernetzung von zentralen Basisregistern mit dem Ziel, ein effizienteres und effektiveres Datenmanagement innerhalb der Verwaltung zu etablieren. Im Speziellen stand die Vision des «Only-once-Principle» im Fokus – d.h. Bürger und Unternehmen liefern der öffentlichen Verwaltung dieselbe Information genau einmal. Das Hauptziel des BDP war die Schaffung einer Infrastruktur, welche eine effizientere Verwendung von Basisdaten durch verschiedene Behörden und den privaten Sektor ermöglichte (Jetzek 2016, S. 95).

Besonderes Augenmerk bei der Realisierung einer NDI galt in Dänemark der Governance. Ziel war es, von Beginn weg alle wichtigen Stakeholder an Bord zu haben. Ein Kernelement des dänischen Vorgehens bestand in der Beschreibung eines übergeordneten Business Cases für die Verwendung der Basisregister, welcher mit Zahlen hinterlegt wurde. Damit konnten alle wichtigen Stakeholder innerhalb und ausserhalb der Verwaltung für das Vorhaben gewonnen werden, und der legitime Selbsttreiber der Verwaltung war gegeben, was dem Vorhaben entsprechend Vorschub leistete. Die übergeordnete Steuerung durch das Finanzministerium war ein wichtiger Erfolgsfaktor, weil spezifische finanzielle Probleme ohne politische Debatten überbrückt werden konnten. So liessen sich alle Verwaltungsstellen darauf verpflichten, sich wo immer sinnvoll der zentralen Register zu bedienen und Änderungen direkt dort nachzuführen. Gemäss de Vries und Pijpker (2013, S. 8ff.) erfolgte die Bearbeitung des Themas in adäquater Weise auf drei Stufen: In einem ersten Schritt wurden die System- und Qualitätsanforderungen durch IT-Spezialisten auf operativer Ebene beschrieben. In einem zweiten Schritt nahmen Top-Entscheidungsträger der Regierungsebene den finanzielle Ausgleich unter Berücksichtigung der Kosten und Nutzen auf Basis von detaillierten Business Cases für sieben Schlüsselregister vor. Dabei wurden Teilabkommen mit den Schlüsselregisterhaltern geschlossen, im Rahmen derer die nächsten Schritte beschlossen und ein Commitment zur Ausarbeitung von detaillierten Business Cases gegeben wurde. Das Finanzministerium koordinierte die innerhalb von acht Wochen zu erstellenden Business Cases durch die sieben schlüsselregisterführenden Departemente eng. Ziel war eine ausdifferenzierte Abschätzung der Kosten und des Nutzens. Durch dieses Vorgehen gelang dem Finanzministerium das «Schliessen des Hintertürchens». Die wichtigsten Stakeholder in der Regierung waren damit an Bord. Im Rahmen des dritten Schrittes wurde die Vorbereitung der politischen Entscheidungsfindung auf Ebene des Parlaments in Angriff genommen. Durch die Aggregation der verschiedenen Business Cases und durch das Einnehmen der Makroperspektive konnte das Finanzministerium aufzeigen, dass für die Verwaltung verlustreiche Business Cases durch gewinnbringende ausgeglichen werden konnten. Die Unterstützung der Politik konnte durch unterschiedliche Argumente gewonnen werden: Während die lokalen staatlichen Einrichtungen und die Ministerien vor allem von den internen Einsparungen angetan waren, liess sich das Parlament von der externen Wertschöpfung überzeugen. Im Ergebnis nahm das dänische Parlament das komplette Programm inklusive der langfristigen Finanzierung ohne grosse Debatte an.

Relevanz für die Schweiz
Auf der Grundlage der Open-Government-Strategie-Schweiz, der Schwerpunkte im E-Government und der Strategie «Digitale Schweiz» muss die Schweiz in naher Zukunft die Konzeption und ggf. Implementierung einer NDI diskutieren. Dazu gehört neben einer klaren Definition des Zwecks und der Eigenschaften einer NDI eine detaillierte Skizzierung der Roadmap, welche zum erwünschten Ziel führen wird. Die konkrete Ausgestaltung einer NDI ist stark vom gewählten Verwendungszweck und dem anvisierten Nutzen abhängig. Herausforderungen auf diesem Weg dürften für die Schweiz nicht nur technischer (z.B. Interoperabilität der beteiligten Systeme, Zugangsregelung), sondern auch organisatorischer und politischer Natur sein, wobei dem Föderalismus einen besondere Rolle zukommt. Der Case «Good Basic Data for everyone» in Dänemark, kann Ansätze aufzeigen, wie Basisregister sowohl für die beteiligten Akteure der öffentlichen Verwaltung als auch für die Allgemeinheit offen zugänglich gemacht und wie die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung vom Nutzen einer NDI überzeugt werden können.


Literaturverzeichnis

Creative Commons LicenceCreate PDF

Ähnliche Beiträge

Es wurden leider keine ähnlichen Beiträge gefunden.