Eine nationale Dateninfrastruktur für die Schweiz: Aus den internationalen Erfahrungen lernen

Um die Früchte der digitalen Ökonomie auch in der Schweiz ernten zu können, muss u.a. die Vision einer nationalen Dateninfrastruktur (NDI) entwickelt und realisiert werden. Zentraler Bestandteil einer NDI ist ein Fundament bestehend aus den wichtigsten Informationen über eine Gesellschaft, welche in Basisregistern abgelegt sind. Eine Untersuchung ausgewählter internationaler Best Practices im Rahmen einer Master-Arbeit kam zum Schluss, dass der Fall Dänemark insbesondere für die Schweiz ein wertvolles Beispiel darstellt.

Daten als Infrastruktur betrachten 
Daten sind in Analogie zu traditionellen materiellen Infrastrukturen wie Strassen- oder Schienennetze für die einwandfreie Funktion einer Volkswirtschaft von hoher Bedeutung. So können Daten von einer beliebigen Zahl von Nutzern für eine breite Palette von Zwecken als Infrastruktur-Ressource für die nachgelagerte Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen verwendet werden. Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft nimmt die Menge an Daten ständig zu, wobei dieser Trend vor dem öffentlichen Sektor keineswegs haltmacht. Die Herausforderungen des digitalen Zeitalters werden durch die neue Schweizer Datenpolitik im Rahmen der Dachstrategie «Digitale Schweiz» aktiv angegangen. Die Kernziele sind die Schaffung von Wachstum, Wohlstand und Chancengleichheit sowie die Förderung von Partizipation, Transparenz und Sicherheit. In die Teilstrategie «Daten und digitale Inhalte» betten sich Daten mit Infrastruktur-Charakter ein. In diesem Kontext steht die nationale Dateninfrastruktur (NDI), welche u.a. Elemente aus den Bereichen E-Government und Open Government Data miteinander vereint. Die Bereitstellung von Behördendaten zur freien Wiederverwendung ist eine erste Etappe. Von grossem Interesse sind dabei die grundlegendsten Informationen über eine Gesellschaft, welche in Basisregistern gespeichert sind.

Einbettung und Eckdaten zur Untersuchung 
Im Rahmen einer Master-Arbeit, welche das Ziel hatte, Konzepte, Anforderungen und Herausforderungen mit Blick auf eine nationale Dateninfrastruktur in der Schweiz zusammenzutragen und zu reflektieren, wurde der Fokus auf den Aspekt der Basisregister gelegt und der Fall Dänemarks als besonders exemplarischer Fall in dieser Hinsicht beschrieben.
Als Vorbereitung eines grösseren Forschungsprojektes im Bereich «Big Data» wurde parallel dazu am E-Government-Institut eine von der Hasler Stiftung finanzierte Studie durchgeführt, welche erste Erkenntnisse hinsichtlich Ausgestaltung und Governance einer solchen Infrastruktur produzierte. Aktuell beschäftigt sich das Forschungsteam mit den Fragen, wie eine NDI für die Schweiz ausschauen soll und wie die organisationsübergreifende Zusammenarbeit und die Beteiligung der verschiedenen Akteure im Hinblick auf den Aufbau und die Pflege einer solchen Infrastruktur konkret gestaltet werden sollen (vgl. Kasten).


Nationale Dateninfrastruktur: weiterführende Informationen


Was ist eine nationale Dateninfrastruktur?
Eine NDI ist eine landesweite technische Infrastruktur (Portale, Plattformen, Services, etc.), die den Zugang zu und den Austausch von Daten auf Basis von definierten Regeln ermöglicht. Zweck einer solchen Infrastruktur ist die Unterstützung datenbasierter Wertschöpfung bzw. die Freisetzung potentiellen Mehrwertes bestehender Daten. Die angedachte Infrastruktur versteht sich nicht als monolithischer Block und Insellösung. Behördendaten bilden dabei den Grundstock; es besteht noch Klärungsbedarf, welche weiteren Daten genau dazu gehören sollen. Komponenten und Governance-Anforderungen an eine NDI können aus vier Perspektiven betrachtet werden: Open Data, Basisregister, Mydata und Big Data (vgl. Abb. 1).

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Abb. 1: Vier Perspektiven einer nationalen Dateninfrastruktur

Das dänische «Good Basic Data for everyone Program»
Dänemark stellt ein sehr gutes internationales Beispiel dar, wie der Aufbau einer NDI angegangen werden kann. Das Land legte die Grundbausteine für eine NDI, inklusive der kritischsten Fragen der Finanzierung und der Governance, in weniger als einem Jahr: Im Rahmen des «Good Basic Data for everyone Program» (BDP) wurden die Konzeption und die Errichtung eines vernetzten Systems von Basisregistern, welches sowohl die öffentliche Verwaltung wie auch die Allgemeinheit mit qualitativ hochstehenden Daten versorgt, in die Wege geleitet (de Vries und Pijpker 2013).
Die dänische Agentur für Digitalisierung stufte Informationen, welche öffentliche Behörden über die grundlegenden Bereiche der dänischen Gesellschaft sammelten, als Basisregister ein. In einem ersten Schritt wurden folgende Register als Bestandteil des BDP identifiziert: Adressdaten und mit Informationen angereicherte Ortsbezeichnungen, Karten und geografische Daten, Personen-, Unternehmens-, Gebäude- und Wohnungsregister sowie Grundbuch- und Grundstückbesitzregister (The Danish Agency for Digitization 2012, S. 19). All diesen Daten war gemeinsam, dass praktisch alle anderen domänen-spezifischen Bereiche innerhalb der Verwaltung einen Bezug zu einem Teil dieser Daten haben. Daher war das Hauptziel, dass die Basisregister quasi als Daten-Fundament in sich kohärent sind und somit zu einer höheren Konsistenz der Daten über Organisationsgrenzen hinweg führen (Jetzek 2016, S. 95). Abbildung 2 stellt die dänischen Basisregister und die Rolle des «Data Distributor» dar.

Basisregister

Abb. 2 – BDP Dänemark – Basisregister und Datenverteilungssystem (KMD 2016: 6)

Den Startschuss legte in Dänemark die nationale Strategie für Digitalisierung 2011-2015 (The Danish Agency for Digitization 2011). Diese erreichte die Schaffung einer Vision, welche sich auf einen echten öffentlichen Bedarf abstützte und die Themen Vernetzung von Schlüsselregistern und Open Government Data auf die höchste Regierungsebene portierte. In der Folge stellte sich ausgehend von den wichtigsten staatlichen Datenhaltern die Notwendigkeit der Vernetzung der Basisregister ein. Die Bottom-up-geprägte Vision hat das Vorgehen in Dänemark wesentlich beschleunigt. Dänemark startete das BDP-Programm im Jahr 2012 ursprünglich mit der Vision einer Vernetzung von zentralen Basisregistern mit dem Ziel, ein effizienteres und effektiveres Datenmanagement innerhalb der Verwaltung zu etablieren. Im Speziellen stand die Vision des «Only-once-Principle» im Fokus – d.h. Bürger und Unternehmen liefern der öffentlichen Verwaltung dieselbe Information genau einmal. Das Hauptziel des BDP war die Schaffung einer Infrastruktur, welche eine effizientere Verwendung von Basisdaten durch verschiedene Behörden und den privaten Sektor ermöglichte (Jetzek 2016, S. 95).

Besonderes Augenmerk bei der Realisierung einer NDI galt in Dänemark der Governance. Ziel war es, von Beginn weg alle wichtigen Stakeholder an Bord zu haben. Ein Kernelement des dänischen Vorgehens bestand in der Beschreibung eines übergeordneten Business Cases für die Verwendung der Basisregister, welcher mit Zahlen hinterlegt wurde. Damit konnten alle wichtigen Stakeholder innerhalb und ausserhalb der Verwaltung für das Vorhaben gewonnen werden, und der legitime Selbsttreiber der Verwaltung war gegeben, was dem Vorhaben entsprechend Vorschub leistete. Die übergeordnete Steuerung durch das Finanzministerium war ein wichtiger Erfolgsfaktor, weil spezifische finanzielle Probleme ohne politische Debatten überbrückt werden konnten. So liessen sich alle Verwaltungsstellen darauf verpflichten, sich wo immer sinnvoll der zentralen Register zu bedienen und Änderungen direkt dort nachzuführen. Gemäss de Vries und Pijpker (2013, S. 8ff.) erfolgte die Bearbeitung des Themas in adäquater Weise auf drei Stufen: In einem ersten Schritt wurden die System- und Qualitätsanforderungen durch IT-Spezialisten auf operativer Ebene beschrieben. In einem zweiten Schritt nahmen Top-Entscheidungsträger der Regierungsebene den finanzielle Ausgleich unter Berücksichtigung der Kosten und Nutzen auf Basis von detaillierten Business Cases für sieben Schlüsselregister vor. Dabei wurden Teilabkommen mit den Schlüsselregisterhaltern geschlossen, im Rahmen derer die nächsten Schritte beschlossen und ein Commitment zur Ausarbeitung von detaillierten Business Cases gegeben wurde. Das Finanzministerium koordinierte die innerhalb von acht Wochen zu erstellenden Business Cases durch die sieben schlüsselregisterführenden Departemente eng. Ziel war eine ausdifferenzierte Abschätzung der Kosten und des Nutzens. Durch dieses Vorgehen gelang dem Finanzministerium das «Schliessen des Hintertürchens». Die wichtigsten Stakeholder in der Regierung waren damit an Bord. Im Rahmen des dritten Schrittes wurde die Vorbereitung der politischen Entscheidungsfindung auf Ebene des Parlaments in Angriff genommen. Durch die Aggregation der verschiedenen Business Cases und durch das Einnehmen der Makroperspektive konnte das Finanzministerium aufzeigen, dass für die Verwaltung verlustreiche Business Cases durch gewinnbringende ausgeglichen werden konnten. Die Unterstützung der Politik konnte durch unterschiedliche Argumente gewonnen werden: Während die lokalen staatlichen Einrichtungen und die Ministerien vor allem von den internen Einsparungen angetan waren, liess sich das Parlament von der externen Wertschöpfung überzeugen. Im Ergebnis nahm das dänische Parlament das komplette Programm inklusive der langfristigen Finanzierung ohne grosse Debatte an.

Relevanz für die Schweiz
Auf der Grundlage der Open-Government-Strategie-Schweiz, der Schwerpunkte im E-Government und der Strategie «Digitale Schweiz» muss die Schweiz in naher Zukunft die Konzeption und ggf. Implementierung einer NDI diskutieren. Dazu gehört neben einer klaren Definition des Zwecks und der Eigenschaften einer NDI eine detaillierte Skizzierung der Roadmap, welche zum erwünschten Ziel führen wird. Die konkrete Ausgestaltung einer NDI ist stark vom gewählten Verwendungszweck und dem anvisierten Nutzen abhängig. Herausforderungen auf diesem Weg dürften für die Schweiz nicht nur technischer (z.B. Interoperabilität der beteiligten Systeme, Zugangsregelung), sondern auch organisatorischer und politischer Natur sein, wobei dem Föderalismus einen besondere Rolle zukommt. Der Case «Good Basic Data for everyone» in Dänemark, kann Ansätze aufzeigen, wie Basisregister sowohl für die beteiligten Akteure der öffentlichen Verwaltung als auch für die Allgemeinheit offen zugänglich gemacht und wie die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung vom Nutzen einer NDI überzeugt werden können.


Literaturverzeichnis

Creative Commons Licence

AUTHOR: Alessia Neuroni

Alessia Neuroni leitet das Institut Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft. Sie ist Schwerpunktverantwortliche Big und Open Data am BFH-Zentrum Digital Society. Ihre thematischen Schwerpunkte sind Data Governance und Führung behördenübergreifender Innovationsvorhaben.

AUTHOR: Beat Estermann

Beat Estermann ist stellvertretender Leiter des Instituts Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft, wo er die Fachgruppe “Daten & Infrastruktur” koordiniert. Mit Fragen rund um Linked Open Data beschäftigt er sich seit mehreren Jahren im Rahmen von Forschungsprojekten und Beratungsmandaten im Auftrag von Behörden, Gedächtnis- und Kulturinstitutionen.

AUTHOR: Daniel Kurmann

Absolvent Masterstudiengang Wirtschaftsinformatik, Berner Fachhochschule

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