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Spitäler profitieren von E-Health-Gemeinschaften und dem Internet der Dinge

Spitäler und Kliniken setzen bereits auf klinische Informationssysteme – es ist die Grundlage für das digitale Datenmanagement. Über den aktuellen Stand und die Trends schreibt unser Autor, der BFH-Medizininformatiker Jürgen Holm.

KIS 4.0 – Wohin geht die Entwicklung?

Die klinischen Informationssysteme (KIS) haben sich als die wichtigste Drehscheibe in den Spitälern etabliert. Sie stehen aber vor grossen Herausforderungen: ein Mehr an Prozesssicht, Einbindung wissensbasierender Systeme, integrierte Krankengeschichte, mobile Funktionsweise, Öffnung nach aussen und die Einbindung von Patienten in ihre Behandlung durch Datenerhebung.

Was bisher war

Der Umbruch der klinischen Informationssysteme ist in vollem Gang. In den vergangenen zwanzig Jahren stand vor allem die Frage der Integration vieler heterogener Abteilungssysteme zu einem konsistenten Gesamtsystem und der darauf basierenden Optimierung der Kommunikationsbeziehungen zwischen den verschiedenen Spitalbereichen im Vordergrund.

Intersektorale Anbindung nach aussen

Heute sehen sich MedizininformatikerInnen weltweit mit den Herausforderungen konfrontiert, die Informationssysteme (IS) eines Spitals nach aussen zu öffnen. Ziel ist es die IS in «eHealth-Landschaften» einzubetten. Dabei geht es z.B. in der Schweiz um die Anbindung der Spitäler an das elektronische Patientendossier [1] und dem Ausbau von B2B Beziehungen. In absehbarer Zukunft wird das Spital immer klarer als nur «ein» Akteur im Behandlungspfad der Patienten – von «Frau Brönnimann» [2] – sein. Managed Care und integrierte Versorgung werden immer grössere Versorgungsregionen oder eben eHealth-Gemeinschaften entstehen lassen, die mit B2B und B2C stark vernetzt sind. Die etablierten klinischen Systeme sind hier stark gefordert, den Anschluss nicht zu verlieren. Moderne Systeme drängen auf den Markt, die in diesem Punkt viel versprechen [3].

Prozessunterstützung

Weitere aktuelle Schwerpunkte sind die Funktionalitäten eines KISs über die reine Auftragskommunikation und medizinische Dokumentation hinweg, auf eine intelligente Prozessunterstützung (integrierte Krankengeschichte (KG)) mit wissensverarbeitenden Funktionen hin auszuweiten. Darüber hinaus ist bis heute auch die vertikale Integration von KIS in den einzelnen Spitälern nur mangelhaft umgesetzt [4]. Dies ist um so unverständlicher, als dass KIS eine grosse Anzahl an Informationen hat, die ein Managementinformationssystem für die wirtschaftliche und qualitative Steuerung eines Spitals dringend benötigen würden.

Helvetisierung

Medizinische Besonderheiten in der Dokumentation, Rollenverständnis zwischen Ärzteschaft und Pflegenden, Abrechnungen, Qualitätsanforderungen, neue Regularien und Gesetzesvorlagen und anderes mehr sind eine immer wiederkehrende (nationale) Herausforderung. Dies tritt besonders zutage, wenn neue Hersteller aus dem Ausland auf den Schweizer Markt drängen. Ohne geht es nicht – vor allem dann, wenn eine Prozesssicht umgesetzt werden soll, die auch im Zusammenspiel von ambulant und stationär funktionieren solle sowie in der Beziehung zu den gesetzlichen Qualitätsanforderungen und Krankenkassen.

Mobile KIS

Dass ein zunehmendes Bedürfnis der Gesundheitsfachpersonen besteht, die, die Arbeit auch – wo sinnvoll – mit mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablet zu verrichten, steht ausser Frage. Nur das «Wie» ist schwer zu beantworten. Eine völlig neue Sichtweise auf die Datenrepräsentation ist hier zu nennen. Kontextbasierte Informationspräsentation aus dem KIS heraus erfordert nicht nur ein neues Denken zur Oberflächengestaltung, sondern auch den Einbezug von Sensoren, die Mitarbeiter, Patienten, Räume, Geräte usw. eindeutig identifizieren und dies den mobilen Applikationen mitteilt. Noch komplexer wird das Thema, wenn zusätzlich auch noch Daten erfasst werden sollen. Dies kann ebenfalls sensorbasiert teilautomatisiert umgesetzt werden, erfordert aber zusätzlich einfache Eingabemöglichkeiten durch das Personal. Die Erfassung und Visualisierung von pflegerischen sowie medizinischen Daten auf mobilen Geräten erfordert also eine entsprechend Systemarchitektur und ein neues Prozessdenken von den Herstellerfirmen und den AnwenderInnen!

Einbezug von «Frau Brönnimann»

Und Frau Brönnimann? Der Einbezug von PatientInnen in ihre Behandlung öffnet ganz neue Perspektiven – und Sicherheitsfragen. So gehen die Kliniken vermehrt dem Wunsch nach, die PatientInnen besser in ihre Behandlung einzubinden und sie damit auch besser an ihr Spital zu binden. Apps sind dabei die bevorzugte Herangehensweise. Insbesondere die Nachbetreuung spielt hier eine grosse Rolle. Z.B. ein postoperatives Monitoring, Nachsorge von onkologischen PatientInnen (beides Beispiele, die am Institute for Medical Informatics [5] an der BFH umgesetzt worden sind) oder die Einschätzung der Suizidalität von entsprechend diagnostizierten psychiatrischen Patienten.

Erkenntnisse

Besonders zwei aktuelle Medizininformatik-Entwicklungen im Gesundheitswesen – der Aufbau von eHealth-Communities [1] und der Einzug der digitalen Transformation (Health 4.0, Internet of Things) [6] – bieten viele Chancen für die prozessorientierte Weiterentwicklung der heutigen KIS.

Die Zusammenführung dieser Technologien dürfte einen grossen Synergieeffekt ausüben. Zu den Herausforderungen zählen u. a.:

  • die Umsetzung regulatorischer Vorgaben im Kontext von eHealth Suisse
  • die Erhöhung der Patientensicherheit durch eine verbesserte Sicht auf die Behandlungsabläufe
  • der sachgerechte Einsatz internationaler Standards, insbesondere bei den Stamm- und Metadaten für einen interoperablen Informationsfluss
  • die Konvergenz bestehender Technologien wie eHealth (Vernetzung), pHealth (personalisierte Gesundheitsdaten), mHealth (mobile Health), sowie aHealth (Automatisation) rund um eine digitalisierte Gesellschaft.

Um den Herausforderungen gerecht zu werden, braucht es neben grossen Anstrengungen seitens der Hersteller auch eine bessere strategische Wahrnehmung im Management. Es muss zwingend eine ICT-Strategie ausgearbeitet werden, die im Einklang mit der Unternehmensstrategie steht. Diese Strategie sollte die Ziele und Visionen für den Einsatz von ICT nicht nur im Hause, sondern auch bezüglich der Bedeutung als (wesentlicher) Teil innerhalb einer Versorgungregion beinhalten. So muss ICT als Garant für die Effizienz- und Effektivitätssteigerung in der Unternehmensstrategie verankert sein, die Prioritäten in Richtung Digitale Transformation gesetzt werden, die vor allem ja eine Transformation der Organisation ist. Zudem muss das Know-How aufgebaut werden, die Basisinfrastruktur und grundlegend das Datenmanagement angegangen werden als Basis für alle weiteren Prozessoptimierungen. Das KIS hat sich zu Recht als die wichtigste Drehscheibe in den Spitälern etabliert – nun muss diese Drehscheibe weitere Akteure einbinden und die Silos durch neues Prozessdenken aufbrechen. Nur dann verdient das neue KIS den Namen 4.0.

 


Referenzen

  1. https://www.e-health-suisse.ch/gemeinschaften-umsetzung/epd-gemeinschaften.html
  2. Holm J., Lehmann M. von Kaenel F., Brönnimanns in die Stube geschaut – Hochschuldidaktische Schriftenreihe 11, 2013
  3. https://www.epic.com/software
  4. Holm J., Lehmann M., Gasenzer R. Das Spitalinformationssystem als Erfolgsfaktor im Wettbewerb. Competence 5- 12-13, 2013
  5. https://www.ti.bfh.ch/de/forschung/institute_for_medical_informatics/institute_for_medical_informatics.html
  6. Widmer W., Schaffhuser K., Gesundheitswesen gestalten, careum Verlag, S. 110-134, 1. Auflage 2018
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Digitalisierte Pflegedokumentation: Denkt künftig der Computer für mich?

Klinische Pflegedokumentation ist Teil des pflegerischen Alltages, sei es zur Versorgungsplanung, zur Evaluation erreichter Erfolge oder für Qualitäts- und Abrechnungszwecke. Was dabei zu beachten ist, schreibt unser Autor Dirk Hunstein.

Man sollte meinen, dass mit zunehmender Digitalisierung die bisherige klinische Pflege(prozess)dokumentation ihren rein „Informationen verwahrenden“ Charakter verlöre und zu einer Verbesserung der pflegerischen Versorgung beitrage. Doch solange bestehende Papierformulare 1:1 in eine Software kopiert werden, ist nichts gewonnen. Die elektronische Umsetzung des Pflegeprozesses funktioniert eben nicht über Formulare, sondern über Datenmodelle.

Solche Datenmodelle, wie sie z. B. den pflegerischen Basisassessments der Methode epa (ergebnisorientiertes Pflege-Assessment) zu Grunde liegen, strukturieren Informationen und setzen diese in Prozesse um. Bei epa steht zu Beginn die klinische Entscheidungsfindung, also die Feststellung von Art und Schwere von gesundheitsrelevanten Fähigkeiten und Beeinträchtigungen von PatientInnen (Pflegediagnostik), danach folgen die daraus abgeleitete Ziel- und Massnahmenplanung sowie die abschliessende Evaluation der Wirksamkeit pflegerischen Handelns. Diese aus der pflegerischen Routinedokumentation gewonnenen Primärdaten können anschliessend als Kennzahlen für die fachliche, organisatorische und finanzielle Steuerung sowie für Zwecke der Versorgungsforschung eingesetzt werden und – dabei wird es richtig spannend – für Prognosemodelle genutzt werden.
Bevor hierfür einige Beispiele aufgeführt werden, zum Verständnis zunächst einige Erläuterungen zur Funktionsweise der Instrumente der Methode epa.

Wie epa funktioniert

Die Basisassessmentinstrumente epaAC (Acute Care), epaKIDS (Pediatric Care), epaPSYC (Psychiatric Care) und epaLTC (Long Term Care) der Methode epa sind das Ergebnis eines pflegewissenschaftlichen Praxisforschungsprojekts, das 2002 in den HSK Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden gestartet wurde. Seit 2007 wird die Methode von der ePA-CC GmbH kontinuierlich weiterentwickelt. Kern der Methode ist die Messung (funktionaler) Patientenfähigkeiten, wie z. B. die Fähigkeit, sich selbst zu kleiden, sich fortbewegen zu können, Informationen aufzunehmen und interpretieren zu können usw., aber auch psychosozialer Konzepte (z. B. Angst, Schmerz, Traurigkeit) sowie verschiedener Kontextinformationen (z. B. ob Ableitungssystemen für Urin oder Stuhl vorliegen usw.). Alle Informationen werden skaliert erhoben. Je nach Ausprägung seiner Fähigkeiten erhält der Patient pro Item 4, 3, 2 oder 1 Punkte, wobei 4 Punkte für den Normzustand „volle Fähigkeit“ und 1 Punkt für das Fehlen der entsprechenden Fähigkeit stehen.

Weil diese Daten im Rahmen der pflegerischen Routinedokumentation kontinuierlich anfallen, können – in Verbindung mit einer geeigneten Massnahmenklassifikation (95% aller Anwenderbetriebe arbeiten hier mit der Methode LEP) – auch Veränderungen sowie die Wirksamkeit des pflegerischen Handelns nachgewiesen werden.

Mit über 400 epa-Vertragsbetrieben im D-A-CH-Raum steht ein immenses Datenpotenzial zur Verfügung, um innovative Lösungen für die pflegerische Gesundheitsversorgung über alle Settings hinweg zu entwickeln bzw. bereitzustellen.

Nachfolgend werden einige Lösungsansätze skizziert, wie elektronische (Pflege-) Dokumentation in Verbindung mit künstlicher Intelligenz KI den klinischen Alltag erleichtern und die Patientenversorgung verbessern kann. Alle nachfolgend aufgeführten Beispiele sind schon heute umsetzbar.

Lösungsbeispiel geringer Komplexität

Automatisierte Massnahmenvorschläge: In allen elektronischen Dokumentationssystemen, in denen die Instrumente der Methode epa sowie LEP-Interventionen integriert sind (derzeit bieten 21 Softwarefirmen entsprechende Lösungen an), werden nach der Einschätzung der Patientenfähigkeiten automatisch nur noch jene Interventionen vorgeschlagen, die zum individuellen Patientenzustand passen; die Pflegefachperson muss nicht mehr aus dem gesamten Katalog auswählen. Dies erfolgt durch einfache fach- und sachlogische Verknüpfungen von Zustand (z. B. gering vorhandene Fähigkeit sich zu waschen) und dazu passenden Massnahmen, wie z. B. Unterstützung bei der Körperpflege. Bei diesem Beispiel steht das Thema effiziente Dokumentation im Vordergrund.

Lösungsbeispiel mittlerer Komplexität

Verbesserung der individuellen (pflegerischen) Versorgungsplanung durch automatische frühzeitige Risikoerkennung bei gleichzeitiger Vereinfachung der Dokumentation („selbstausfüllende“ Dokumentation): Durch die Verbindung von „Devices“ wie Lagesensoren, wie sie in jedem Smartphone oder jeder Smartwatch enthalten sind, kann erkannt werden, ob sich ein Patient im Bett ausreichend bewegt oder ob er ein erhöhtes Dekubitusrisiko aufweist. Ist dies nicht der Fall, erkennt die drucksensitive Matratze, dass der Patient soeben von der linken auf die rechte Seite gelagert wurde. Um welchen Patienten es sich dabei handelt, erkennt das System am Chip, der im Patienten-Identifikationsarmband enthalten ist. Die handelnde Person wiederum identifiziert sich über den Chip, der in ihr Namenschild eingebaut ist, so dass in der elektronischen Falldokumentation automatisch die richtige Handlung einschliesslich ihrer Dauer durch die richtige Person dem richtigen Patienten zugeordnet wird. Bei diesem Beispiel steht das Thema „Patientensicherheit“ im Vordergrund.

Lösungsbeispiele hoher Komplexität

Hierzu gehören Prognosemodelle, wie z. B. die Vorhersage der voraussichtlichen Entlassung in Verbindung mit dem voraussichtlichen Fähigkeitsprofil eines Patienten, um so früh wie möglich die passende erforderliche poststationäre Versorgung planen zu können. Aus dem Wissen über normale Genesungsverläufe können Hinweise auf mögliche Komplikationen gegeben werden, bevor sich eindeutige klinische Symptome zeigen, v. a. in Verbindung von Pflegedaten mit Biomarken oder Laborwerten (auf diesem Prinzip beruhen auch z. B. einige Krebsfrüherkennungsuntersuchungen oder HIV-Tests).

Weiter unterstützen Vorhersagen typischer Interventionen, die üblicherweise bei Patienten mit vergleichbaren Merkmalen erbracht werden. So lassen sich nicht nur noch genauere Vorschläge für individuelle Pflegeplanung geben, sondern es kann auch der Aufwand abgeschätzt werden und wie viel Personal gebraucht wird.

Aus Sicht der Versorgungsforschung ist interessant, dass mit den einheitlichen Datenmodellen von epa auch Setting-übergreifend Daten ausgewertet werden können. Wenn z. B. Herr Müller aus dem Langzeitbereich in die akutstationäre Versorgung, anschliessend in die Rehabilitation und danach wieder in den Langzeitbereich wechselt. Damit kann eine Einrichtung und Setting übergreifende massgeschneiderte Versorgung geplant und hinsichtlich ihres Erfolgs evaluiert werden. Bei diesen Beispielen steht die qualitativ hochwertige und effektive Gesundheitsversorgung im Vordergrund.

Herausforderungen und Ausblick

Alle Beispiele haben ein gewaltiges Missbrauchspotenzial gemeinsam: Wird künftig Fachexpertise durch künstliche Intelligenz ersetzt? Oder werden Patienten künftig nur noch dann behandelt, wenn eine ausreichende Rendite vorhergesagt werden kann?
Fest steht: Die Gesundheitsversorgung der Zukunft wird sich ändern. Wenn immer mehr Menschen von immer weniger Fachpersonen versorgt werden, müssen Lösungen gefunden werden. Digitalisierung kann hierbei helfen. Daher ist ein breiter und öffentlicher gesellschaftlicher Diskurs zu führen, der sich mit den Risiken und Konsequenzen aus der Nutzung von Gesundheitsdaten beschäftigt. Da dies aber kein abgegrenzter Prozess ist, der fortwährenden Änderungen unterliegt, hilft Abwarten nicht, bis ein Konsens erzielt ist. Vielmehr gilt es, digitale Lösungen nicht von vornherein zu blockieren, sondern ihre Einsatzmöglichkeiten konsequent weiterzuentwickeln, gleichzeitig aber kritisch zu hinterfragen und mögliche Konsequenzen abzuwägen.

Die Zukunft von Digitalisierung in der Pflege resp. der Gesundheitsversorgung sehe ich nicht in Robotik, sondern in Assistenzsystemen, die die klinische Entscheidungsfindung unterstützen, passgenauere Therapien vorschlagen und somit letztlich die Gesundheitsversorgung verbessern.

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Wenn humanoide Roboter auch pflegen

Die digitale Transformation wird auffallend einseitig diskutiert. Ausführlich thematisiert werden zwar Effizienz, Kostenreduktion und Sicherheit. Völlig unterbelichtet bleibt jedoch, was das Algorithmisieren mit uns Menschen macht, ausser uns zu ersetzen. Die Berufsbilder passen spätestens dann nicht mehr, wenn menschenförmige Roboter als (verlässlichere) ArbeitskollegInnen das Feld aufmischen – eine kritische Betrachtung unseres Autors.

Erfreulicherweise entscheiden sich viele junge Menschen für Ausbildungen im Gesundheitssektor. Allerdings wird der Bedarf trotz grossen Anstrengungen weit über dem Fachkräftepotenzial liegen: zum einen steigen viel zu viele aus (32% der Ärzte und 46% der Pflegenden; 1) , zum anderen sinkt die Zahl der SchulabgängerInnen. Fehlende Professionals und steigende Kosten zwingen zu Effizienzsteigerungen, ja zur Industrialisierung der Versorgung. Konsequenz: Wer heute in einen Gesundheitsbereich einsteigt, wird humanoide und humanoforme Roboter als Arbeitskollegen haben.

Entsprechend sind disruptive Verschiebungen zu erwarten: Wenn in der industrialisierten Routineversorgung das Lean Management umgesetzt und die gestrafften Prozesse nur noch hochspezialisiertes Knowhow für bestimmte Funktionen benötigen, braucht es dann noch mehrjährige Berufsausbildungen und Professionen mit abgegrenzten Berufsbildern?

Diese weitreichende Grundsatzfrage wird in der Bildung der Gesundheitsberufe nicht gestellt. Eigentlich eine geradezu unethische Unterlassung – hängt davon doch die Perspektive und die Lebensgestaltung von Zehntausenden junger Menschen ab, die eindringlich motiviert werden, möglichst 30 oder 40 Jahre dem Gesundheitswesen zu dienen. Wird die lebenslange Weiterbildung deren Neuausrichtung und Einpassung in die industrialisierten Prozesse richten können? Oder bleiben dann nur noch die Fittesten im völlig umgekrempelten Arbeitsmarkt? Diejenigen, die sich in die verbleibenden Nischen einfügen können, wenn alles automatisiert sein wird, was automatisiert werden kann?

Mehr Zuwendung oder futuristische Sozialromantik?

Im Quervergleich fällt auf, dass im Gesundheitssektor eine konservierende Lernwelt dominiert. Tief verankert ist die Vorstellung, dass die Versorgung von (kranken) Menschen nicht substituierbar ist, weil dies Empathie, Beziehungsarbeit, Dialog und Reflexion erfordert. Ausbildungen investieren viel in die Identitätsbildung. Diese umfasst die sukzessive Anpassung an Normen, berufsrelevante Vorstellungen und Wertorientierungen, aber auch die Formung der Persönlichkeit sowie den Kern und Umfang des Handelns. Durch den Bezug auf Rollenmodelle und Traditionen werden oft idealtypische Bilder transportiert, die – überspitzt gesagt – rückwärtsgerichtete Identitäten beschwören, professionsbezogene Territorien verfestigen, einen aufgeklärten Paternalismus stützen, der Selbstüberschätzung Vorschub leisten und den Glauben bestärken, dass PatientInnen immer abhängig sein werden.

Wenn die Prozesse effizienter geworden sind und uns Algorithmen und Roboter unterstützen, ja 80% der Ärzte ersetzbar geworden sind, werden die Prozessführer genau hinschauen, wofür die Zeit und die Menschen dann noch eingesetzt werden.

Auffallend an der Debatte über die digitale Transformation im Gesundheitswesen ist, dass die Risiken (2) deutlich seltener thematisiert werden als die Opportunitäten. KI (KI) und damit arbeitende Instrumente werden meist als ökonomische Notwendigkeit oder als technologische Chance dargestellt. Einerseits wird ins Feld geführt, dass neue Anwendungen, neue Geräte, neue IT-Applikationen, neue Algorithmen etc. die Produktions- und Personalkosten senken, Daten wirkungsvoller verknüpfen sowie Sicherheit und Nutzen verbessern. Anderseits wird als Chance verkündet, dass Health-Professionals dann wieder mehr Zeit haben werden für die Kranken. (3)

Während bei der Effizienzsteigerung die Erwartungen erfüllt werden, ist es wohl naiv zu glauben, dass sich in den gestrafften Prozessen wieder Komfortzonen und eine neue Gemütlichkeit etablieren können. Structure follows strategy gilt auch hier. Wenn die Prozesse effizienter geworden sind und uns Algorithmen und Roboter unterstützen, ja 80% der Ärzte ersetzbar geworden sind, werden die Prozessführer genau hinschauen, wofür die Zeit und die Menschen dann noch eingesetzt werden. Maschinen übernehmen alles Repetitive; Zeit für Zuwendung kann hinzugekauft werden.

Formatiert für die Welt von gestern, oder ready for tomorrow?

Das mag erschreckend kulturpessimistisch klingen. Erschreckend ist allerdings auch, dass wir uns nicht fragen, wie es denn uns selber dabei gehen könnte. In freudiger Erwartung der Zukunft wird nicht erkannt, vergessen oder verdrängt, dass die Algorithmen und Automatismen auch unser Verhältnis untereinander als Menschen und Professionals grundlegend verändern werden.

Der Autor mit dem humanoiden Roboter Sophia.

Meine Begegnung mit der fast-menschlichen SOPHIA (5, 6) war irritierend – auch wenn sie in Talkshows brilliert (7), gibt es bei diesem Wesen noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Etwa beim Wahrnehmen des Gegenübers, beim Verstehen, bei der Interaktion. Es fehlt ihr schlicht an Soft Skills, um eine halbwegs ansprechende Konversation zu führen (siehe Video). Sie mag gesprächig sein, aber aktuell ist es ein Sozialexperiment. Es ist noch kein Gegenüber, das in der Lage ist, dank KI das aktuellste Wissen zu mobilisieren, zu vernetzen, zu vermitteln und zum Wohle von Patienten einzusetzen. Mit ihr kann man noch nicht kooperieren, um argumentativ Lösungswege zu erörtern, um Fehler zu vermeiden, um den Nutzen und die Qualität zu verbessern oder um zu guten Entscheidungen zu gelangen. Die EntwicklerInnen sagen denn auch, das sei erst KI im Kindheitsstadium.

https://www.youtube.com/watch?v=THU-Mg6H994

Trotzdem: wenn dereinst Algorithmen die Entscheide fällen und uns humanoide Roboter und menschenförmige Maschinenwesen umgeben (oder sich um uns kümmern), werden dies Nachfahren von Sophia oder anderen ähnlichen Geschöpfen (9, 10) sein. Dass es dann nicht immer der Mensch ist, der die Maschine steuert, liegt auf der Hand. Wahrscheinlicher ist ein Zusammenwirken von Menschen, Maschinen und KI, welches neue Regeln für unser Handeln und auch unsere Handlungsspielräume einführt.

Bis dahin bleibt noch Zeit, weil die digitale Transformation nicht schlagartig eintritt, sondern ein schleichender Prozess ist. Im Interesse einer nachhaltigen Personalsicherung und Vermeidung eines Praxisschocks muss die Bildung vom Silodenken und einer Formatierung wegkommen, welche auf unmittelbare Einsatzfähigkeit abzielt. Es gilt, den Blick zu erweitern, um zukunftsfähig zu werden: Statt nur technisches Knowhow und instrumentelle Skills zu vermitteln, müssen die Effekte der Digitalisierung und der KI auf unsere Identität, die zwischenmenschliche Interaktion und das professionelle Handeln in der Ausbildung thematisiert werden. Interprofessionalität, die aktuell forciert wird, umfasst auch den Einbezug dieser Wesen und Supportsysteme.

Auf der strategischen Ebene müssen Zweck und Ziele mehrjähriger professionsbezogener Formung, exklusiven Wissens und ausgrenzender Identitätsbildung radikal hinterfragt werden. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Menschen, die grundlegend andere Vorstellungen von der Praxis haben, in Intensivseminaren mit der Virtual-Reality-Brille in die digitalisierte Arbeitswelt hineingeführt werden können und diese bedenkenlos akzeptieren.

 


Referenzen

  1. https://www.obsan.admin.ch//sites/default/files/publications/2016/obsan_71_bericht.pdf
  2. NZZ Zukunftsdebatte vom 17. Oktober 2018, bei der eine der Leitfragen die Möglichkeiten adressierte, wie und ob wir in der Lage sein werden, fortgeschrittene System der künstlichen Intelligenz im Zaum zu halten
  3. Beitrag in Ausgabe 4/2018 des Fachmagazins Arzt-Spital-Pflege, S. 22ff
  4. https://medicalfuturist.com
  5. https://www.cnbc.com/2018/06/05/hanson-robotics-sophia-the-robot-pr-stunt-artificial-intelligence.html 
  6. https://www.youtube.com/watch?v=AEpiOrFoNtI
  7. Sequenz: Schauspieler Will Smith hat ein Date mit einem Humanoiden
  8. https://futurism.com/images/top-10-humanoid-robots/
  9. https://www.youtube.com/watch?v=clg_9fpEI8c
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Blockchain sichert den Datenaustausch im Gesundheitswesen

Mit der digitalen Sicherheitstechnologie können nicht nur elektronische Patientendossiers geführt werden sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den medizinischen AkteurInnen vertraulich realisiert werden. Ein Fachbeitrag über die möglichen Anwendungen im Gesundheitswesen von zwei Medizininformatikern der BFH.

Blockchain ist eine IT-Technik, mit der Daten in einem Netzwerk von Rechnern aufgrund ihrer fortlaufenden Verkettung in einer zentralen Datenstruktur, die selbst in jedem Knoten des Netzwerkes komplett also redundant vorliegt, mit hoher Sicherheit ohne Verfälschungen und Informationsverlust nachverfolgt werden können. Vertrauensschaffende Dritte (Intermediäre) zur Validierung der Daten können damit überflüssig gemacht werden. Bekannt geworden ist die Technik unter anderem aus dem Bereich der Digitalen Währungen (Bitcoin).

Man kann zwei Bedingungen für den Einsatz von Blockchain-Technologie im Gesundheitswesen formulieren:

  1. Es gibt eine relevante Anzahl von Stakeholdern, die Informationen sicher austauschen und für alle Beteiligten zugänglich speichern wollen.
  2. Intermediäre sind entweder nicht effizient oder vertrauenswürdig genug und können durch die Blockchain-Idee eliminiert werden [1].

Dabei sollten jedoch Anpassungen an die Erfordernisse des Gesundheitswesens vorgenommen werden, die sich vom Finanzsektor wesentlich unterscheiden, vor allem im Hinblick auf die Blockbildung und deren Validierung. So sind zum einen private Blockchains für Kontexte wie Studien denkbar, die nur einem ausgewählten Kreis an Stakeholdern den Zugriff auf Patientendaten ermöglichen. Wichtig ist auch eine angepasste Validierung, da der finanzielle Anreiz nicht per se im Fokus stehen muss und der Validierungsaufwand auch durch aktuelleren bzw. erweiterten Zugriff auf Daten belohnt werden kann.

Wozu Blockchain im Gesundheitswesen?

Für den Einsatz von Blockchain im Gesundheitswesen gibt es eine Vielzahl von Szenarien. Beispielsweise die fälschungssichere Archivierung medizinischer Daten und jederzeitige Vorlage dieser Daten, ohne eigene Systeme dafür aufbauen zu müssen [2]. Vor allem aber für die Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Kontexten, die je verschiedene Qualitätsansprüche besitzen, wie bei der Zusammenführung von Daten aus Forschung, privatem Kontext (Quantified Self) und der Versorgung, kann die Blockchain einen passenden Mechanismus zur Speicherung von Daten bieten [3].

Wir beschreiben im Folgenden drei Anwendungsszenarien etwas näher: (i) Klinische Studien, (ii) Patientendossier und (iii) Identity Management in Affinity Domains.

(i) Klinische Studien

Im Kontext klinischer Studien sind Konsequenzen von Verzerrungen in der Ergebnisdarstellung, Manipulationen und fehlende Transparenz Treiber für die Suche nach alternativen Datenvorhaltemechanismen. Eine Blockchain verbindet unter anderem Forschungsinstitutionen (CROs), Pharmaunternehmen, PatientInnen und Spitäler und ermöglicht eine zeitnahe und konsistente Bereitstellung von Daten im Forschungsverlauf [4]. In der Blockchain werden die Patientendaten pseudonymisiert und/oder verschlüsselt vorgehalten und können aufgrund der verketteten Hashwert-Bildung nur unter unverhältnismässig hohem Aufwand verändert werden. Dies gilt auch für die Studienfragen und den statistischen Analyseplan, so dass keine intransparenten und manipulativen Veränderungen möglich sind. Eine semi-automatische Abwicklung des Studienorganisationsprozesses kann durch Smart Contracts gesteuert werden: Programmcode, dessen Ausführung im Netzwerk gesteuert und validiert wird. Ein Smart Contract lässt sich dabei unter anderem für die Aufnahme einer Person in die Studie (Enrolment) als auch den finalen Studienabschluss (Database freeze) nutzen.

(ii) Patientendossier

Zum Einsatz von Blockchain für ein Patientendossier schreiben Peterson et al. [5]: „The challenges of a patient record are not unlike those of a distributed ledger. For example, a patient may receive care at multiple institutions. From the patient’s point of view, their record is a single series of sequential care events, regardless of where these events were performed”. Im Gegensatz zur klassischen Theorie des Patientendossiers können mit dem Blockchain-Ansatz Informationen schneller distribuiert und validiert werden, was erhebliche Verbesserungen in der Patientenversorgung bringen kann.

Für die Schnelligkeit förderlich sind:

  • eine Public-Key-Infrastruktur für den Zugriff auf die Daten in der Blockchain,
  • Angabe von Referenzen statt der Rohdaten in der Blockchain und
  • Zeitstempel von Zugriffen auf die Blockchain, um jederzeit zu wissen, wer auf welche Daten wie und wann zugegriffen hat.

Die gleichen Daten können zudem für Forschungsaktivitäten bereitgestellt werden, um grössere und diversere Studienkollektive zu ermöglichen (Stichwort: Citizen Science). Zudem sinken damit die Hemmnisse für vielfältige Formen des Datenaustausches, da die zentralen Daten der Versorgung für alle zur Verfügung stehen.

Durch das über die Blockchain gestiftete Vertrauen in die Daten resultieren neue Optionen zur Zusammenarbeit. In Brasilien wurde die Implementierung einer Gesundheitsakte OmniPHR auf Blockchain-Technik pilotiert [6]. Es handelt sich aber eher um einen technischen Umsetzungsnachweis für ein theoretisch entworfenes Modell, das noch nicht praktisch eingesetzt wurde.

(iii) Identity and Access Management in Affinity Domains

An der Schnittstelle von Gesundheitspraktikern wie ÄrztInnen, PflegerInnen, Apotheken, Laboren, etc. spielen Identitätsdaten eine zentrale Rolle, um z.B. auch verteilte Daten in unterschiedlichen Systemen des Gesundheitswesens zu schützen. Hier hat sich der Begriff des Identity and Access Managements (IAM) etabliert. Das Verwalten, Bereitstellen und Beweisen von Identitäten und Zugriffsberechtigungen wird vereinfacht durch die Bildung von Vertrauensräumen oder auch Affinity Domains. In einem solchen Raum, etwa in einem Spital mit zuweisenden und stationären ÄrztInnen kann das IAM durch Blockchain unterstützt werden. Identitätsdaten sowie Identifizierungs- und Authentisierungsmittel lassen sich effizient integrieren, schützen, unwiderruflich speichern und mit Zeitstempel versehen werden (z.B. zur Abgrenzung von Tätigkeitsdauern etwa von ÄrztInnen). Zudem könnte das, was heute über sogenannte Proxies zur Integration des IAM über Affinity Domains und nationale Grenzen hinaus realisiert wird, über vernetzte Blockchains gelöst werden, so dass ein integriertes IAM über unterschiedliche Domänen und Metadomänen hinaus ermöglicht wird.

Wer profitiert von Blockchain im Gesundheitswesen?

Die Beispiele deuten an, dass die Beschleunigung des Datenaustausches (wo heute noch zum Teil schriftliche Verträge und Bestätigungen von Trusted Third Parties notwendig sind), die verbesserte Validierung und die reduzierte Manipulationsgefahr vor allem für Gesundheitsdienstleistende, PatientInnen, Krankenversicherungen und den staatlichen Institutionen von grossem Nutzen sein kann. So verspricht sich Estland mit dem e-Health Record auf Basis von Blockchain einen erheblichen Nutzen durch beschleunigten Zugriff auf Gesundheitsdaten [7]. Dadurch wird eine Möglichkeit geschaffen, zu mündigeren PatientInnen zu kommen, die über ihre Daten selbst bestimmen.

Blockchain erscheint derzeit als Lösung für viele Probleme des Datenaustausches im Gesundheitswesen, dennoch existieren auch Zweifel, da für viele Überlegungen noch kein Nachweis eines tatsächlichen Mehrwertes erbracht wurde. Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der stetigen Vergrösserung eines redundant vorliegenden Blockchains (Netzwerkblockierung und Speicherineffizienz), bezüglich der Probleme von Validierungsproblemen bei kleineren Netzwerken (ein Angreifer braucht viel weniger unter Rechner seine Kontrolle zu bringen, um die Validierung auszuhebeln) und wegen der steigenden Datenschutzproblematik, wenn Daten nicht mehr «vergessen» werden können. Ob sich der technologische Aufwand gegenüber klassischen Lösungen rentiert, muss sich erst noch zeigen. Zusammenfassend kann gesagt werden: Blockchain ist eine relativ neue Technologie, und es ist noch unklar, ob sie im Kontext der Gartner-Zyklus-Darstellung [Abb., 8] noch im Gipfel der übersteigerten Erwartungen liegt oder gerade ins Tal der Desillusionierung fällt.

 


Referenzen

  1. Mettler M. Blockchain technology in healthcare: The revolution starts here, IEEE; 2016, p. 1–3. doi:10.1109/HealthCom.2016.7749510.
  2. Azaria A, Ekblaw A, Vieira T, Lippman A. MedRec: Using Blockchain for Medical Data Access and Permission Management. 2016 2nd Int. Conf. Open Big Data OBD, 2016, p. 25–30. doi:10.1109/OBD.2016.11.
  3. Health IT Security. Exploring the Use of Blockchain for EHRs, Healthcare Big Data. HealthITAnalytics 2016.  (accessed October 23, 2018).
  4. Nugent T, Upton D, Cimpoesu M. Improving data transparency in clinical trials using blockchain smart contracts. F1000Research 2016;5:2541. doi:10.12688/f1000research.9756.1.
  5. Peterson K, Deeduvanu R, Kanjamala P, Mayo KB. A Blockchain-Based Approach to Health Information Exchange Networks, 2016.
  6. Roehrs A, da Costa CA, da Rosa Righi R. OmniPHR: A distributed architecture model to integrate personal health records. J Biomed Inform 2017;71:70–81. doi:10.1016/j.jbi.2017.05.012.
  7. e-Health Records — e-Estonia n.d. / (accessed October 23, 2018).
  8. 5 Trends Emerge in the Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies (accessed October 23, 2018).
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Augmented Reality in der Krebschirurgie: Kopf-Hals-Karzinome besser lokalisieren

Bietet Augmented Reality (AR) in der Krebschirurgie einen bedeutenden Mehrwert oder ist das Neue auch in dieser Domäne bloss einem Hype geschuldet? Die Universität Basel stellt ihr Forschungsprojekt MOONSTAR vor: Neuartige Detektoren für das CERN in Genf ermöglichen die präzisere Biopsie bei der Krebsfrüherkennung.

Der hochspezialisierte und teure Werkplatz Schweiz profitiert stark von der Kooperation zwischen Hochschulen und der Industrie. Insbesondere in der Medizintechnik ermöglicht diese eine fortlaufende und nachhaltige Transformation vieler klassischer Behandlungsmethoden zum Nutzen der PatientInnen. Unser aktuelles Forschungsprojekt MOONSTAR (Mobile Optical Navigated SPECT Camera with Augmented Reality) widmet sich dieser Aufgabe. Wir entwickeln ein portables Gammastrahlen Sensor- und Anzeigegerät, welches den ChirurgInnen in Zukunft ermöglicht, mit Hilfe einer AR Brille bei der Früherkennung spezifischer Krebserkrankungen genauer zu arbeiten. Dank der Zusammenarbeit zwischen dem Department of Biomedical Engineering der Universität Basel unter der Leitung von Prof. Dr. Philippe Cattin, Prof. Dr. med. Stephan Haerle von der Hirslanden Klinik Luzern und der auf Detektorelementen für das CERN spezialisierten Firma DECTRIS aus Baden konnten bereits erste Erfolge dieser Forschung erzielt werden [1]. Finanziell wird das Projekt durch die Gebert-Rüf-Stiftung unterstützt.

Verhinderung unnötiger Eingriffe

Bei Kopf-Hals-Karzinomen, z. B. dem Tumorbefall der Zunge oder des Rachens, besteht die Standard Behandlung der PatientenInnen darin, den entdeckten Tumor zusammen mit den umliegenden Lymphgefässen zu entfernen, um eine Streuung (Metastasierung) zu verhindern. Dieser Eingriff wird Dissektion genannt und ist sehr invasiv. Dabei wird eine potentielle Überbehandlung der PatientInnen allerdings in Kauf genommen. Studien haben gezeigt, dass bei rund 70% aller Fälle eine solche radikale Intervention gar nicht nötig ist [2]. Die Wächterlymphknoten-Biopsie (SNB) ist eine Methode, die die Stadienbestimmung (Staging) des Krebs minimalinvasiv ermöglicht und eine Überbehandlung verhindern kann. Durch das Staging kann der adäquate Einsatz der Behandlungsmöglichkeiten – Chemotherapie, Bestrahlung, Immuntherapie – der Erkrankung geplant werden.

Feststellen der Streuung eines Tumors

Diese Form der Biopsie wird vor allem für die Diagnose von Brustkrebs- und Hautkrebsmetastasen erfolgreich eingesetzt und aktuell auch für die Früherkennung von Kopf-Hals-Karzinomen evaluiert. Dabei wird eine radioaktiv markierte Flüssigkeit (Tracer) in der Nähe des Tumors des Patienten injiziert. Der Tracer wird langsam über die Lymphbahnen des Körpers hin zu den umliegenden Wächterlymphknoten (SLN) transportiert und dort deponiert (siehe Abbildung 1). Auf dem gleichen Weg erfolgt die Metastasierung der Krebszellen vom Primärtumor aus. Da die so radioaktiv angereicherten Lymphknoten mit einer Gammastrahlen-Messsonde gefunden werden können, erfolgt an diesen Stellen ein Hauteinschnitt und danach die Entnahme der Wächterlymphknoten (SLN) für die anschliessende Analyse im Labor. Falls im Gewebe der SLN keine Krebszellen zu finden sind, hat mit grosser Wahrscheinlichkeit keine Streuung des Tumors stattgefunden. Somit wird eine potentielle Überbehandlung durch eine unnötige prophylaktische Dissektion verhindert.

Abbildung 1: TU – Tumor, SLN – Wächterlymphknoten, LN – Lymphknoten

 

Limitierungen der aktuellen Diagnostik

Die Gammastrahlen-Messsonde ist allerdings in ihrer Anwendung eingeschränkt, da diese den ChirurgInnen die Aktivitätsanzeige der Strahlung häufig nur als einfaches Audiosignal zur Verfügung stellt. Mit einem Filzstift muss dann die Stelle auf der Haut markiert werden, wo die Aktivität am höchsten ist, um anschliessend die darunterliegenden SLN lokalisieren und entnehmen zu können. Das Vorstellungsvermögen des Chirurgen wird daher stark gefordert und resultiert in einer erheblichen Arbeitsbelastung.

Verbesserung der Diagnostik dank AR

Unsere Methode wird es ermöglichen, anstatt der Audiosignale eine visuelle Repräsentation der Aktivität zu generieren. Dabei wird eine von uns entwickelte spezielle Lochblende (Multi-Pinhole Kollimator) zusammen mit einem mobilen DECTRIS 2D Detektor (basierend auf der im CERN verwendeten Sensortechnologie) eingesetzt und die Strahlung von den Lymphknoten für wenige Sekunden gemessen. Unter Zuhilfenahme der Geometrie des Kollimators und dem Aktivitätsbild aus dem Detektor kann die Lage der Lymphknoten mit einem mathematischen Verfahren berechnet werden. Diese Information wird anschliessend grafisch aufbereitet und an die halbtransparente AR-Brille des Chirurgen gesendet. Dadurch sieht er, dank der Überblendung dieser Information, wo sich die Lymphknoten in den PatientInnen befinden (augmented reality). Dies führt unmittelbar zu einer Arbeitsentlastung und zu einer präziseren Biopsie. Es muss einzig sichergestellt sein, dass der Detektor und die AR-Brille über ein gemeinsames Koordinatensystem verfügen, damit die Darstellung der Aktivität am richtigen Ort innerhalb des aktuellen Blickfeldes des Chirurgen erscheint.

Ausblick

Erste Tests unseres Verfahrens mit einfachen Phantomen (künstliche Testkörper) zeigen vielversprechende Ergebnisse und bestätigen, dass wir in der Lage sind, die Strahlungsverteilung zu rekonstruieren und die so generierten Aktivitäts-Punktewolken darzustellen. Allerdings ist es noch ein weiter Weg, bis sich die bis jetzt getätigte Forschungsarbeit in einem konkreten Medizinprodukt manifestiert. Zuerst müssen die Ergebnisse durch weitere ausführliche Tests validiert werden. Die Firma DECTRIS als Industriepartner investiert bereits viel in die weitere Optimierung und Miniaturisierung ihrer Detektortechnologie für den Einsatz in der Medizin. Mit unserer gemeinsamen Forschung leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der SN-Biopsie, damit unnötige und teure Eingriffe in der Krebsbehandlung in Zukunft verhindert werden können.

Wir sind überzeugt, dass AR, wie in anderen Bereichen der Medizin, einen Mehrwert in der Krebschirurgie bietet. Ziel eines jeden angewandten Forschungsprojekts muss es deshalb sein, Alternativen zur state-of-the-art zu bieten, um neue Wege aufzuzeigen. Dafür benötigt es allerdings unkonventionelle Lösungen und die nötigen finanziellen Mittel, gepaart mit einer guten Zusammenarbeit mit kompetenten Industriepartnern.


Referenzen

  1. Peter von Niederhäusern et al. Augmenting Scintigraphy Images with Pinhole Aligned Endoscopic Cameras: A Feasibility Study. LNCS (Springer) 2016
  2. Hakan Coskun et al. Current philosophy in the surgical management of neck metastases for head and neck squamous cell carcinoma. Head and Neck 2015
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Implementing digital health for real: what factors affect participation

Thanks to healthier lifestyles, nutrition and education, we are getting older and older. Digital aids such as apps and wearables also help. Siobhan O’Connor of  Edinburgh University examines what helps or hinders their everyday use.

In Switzerland and across Europe, populations are living longer thanks to good public health and education systems. However, older adults can have complex care needs as their physical health declines. Lifestyles changes in the latter half of the 20th century such as diets high in sugar and fat, a lack of exercise and unhealthy habits such as smoking, binge drinking and recreational drug use are increasing the numbers of people with long-term chronic conditions such as asthma, diabetes and heart disease. These problems are placing huge burdens on patients, families, professionals and health systems worldwide.

A wide range of mobile, online and sensor technologies are available to the public to support healthy lifestyles and for patients to manage their disease. Lots of research has looked at how well different types of hardware and software work with patients, carers and people who want to stay healthy. However, many people do not use these electronic tools outside of taking part in research as they can experience barriers that prevent them from engaging in technology for their health. A review of the literature on this subject was published in 2016 and can be read for free here.

The review identified many aspects, which we summarised into three themes, that help or hinder patients and the public when engaging and enrolling in all types of digital health interventions. It included technologies such as telehealth, mobile apps, online health services, social media, wearable devices like pedometers and patient accessible electronic health records.

  • The first theme from the literature review is around personal agency (choice and control) and motivation as people have difference preferences towards technology for their health. For example, some people are more motivated to look after their health and like the flexibility that technology offers to access health information and services.
  • The second area is personal life and values which includes how busy someone’s life is and what competing priorities they have. It also covers the skills and equipment needed to use digital health products and services and how much people value the privacy and security of their health data.
  • The third reason why patients and the public participate in digital health or not is the engagement and recruitment approach that is used. This can include direct support from family and friends, advice from a trusted source such as a peer or colleague, endorsement by a health professional (e.g. doctor or nurse), and strategies used to promote awareness and understanding of the technology. The strategies could be a mixture of advertising in print media (newspapers or magazines), electronic media (TV or radio) or online media (email, social media, websites).
  • The fourth and final theme highlighted in the literature review is the quality of the digital health intervention. Whether patients and the public had a positive or negative perception of the quality of the digital information or virtual interaction that could occur when using the technology influenced their decision to participate or not in it. For example, some people had experienced abusive language on social media or did not think interacting virtually with a healthcare professional would be as good as meeting them in person. How easy it was to sign up to and register for a technology was another aspect of quality that people considered before they began using it.

From these themes the literature review created a Digital Health Engagement Model (DIEGO) to summarise the complexity of participating in digital health (see Figure 1). Using this model could help researchers, clinicians, companies and policy makers understand the dynamics of implementing digital health products and services in the real-world and what barriers and facilitators patients and the public experience in the process. Further research is underway to extend and refine the initial DIEGO model and use it to develop a valid and reliable eHealth readiness assessment tool. This could help improve how digital health is implemented in the future.

Figure 1: Digital Health Engagement Model (DIEGO) (O’Connor et al, 2016)

 


Reference

  • O’Connor, S., Hanlon, P., O’Donnell, C.A., Garcia, S., Glanville, J. & Mair, F. S. (2016). Understanding factors affecting patient and public engagement and recruitment to digital health: a systematic review of qualitative studies. BMC Medical Informatics and Decision Making 16:120.
  • https://bmcmedinformdecismak.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12911-016-0359-3
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