Wie beeinflussen Nachhaltigkeits- und finanzielle Anreize das Teilen von Standortdaten

Overcoming Resistance

Das Projekt OUR Location Data untersucht, ob und wie Nachhaltigkeits- und finanzielle Anreize die ethische Freigabe von Standortdaten fördern. Während unsere Ergebnisse zeigen, dass Nutzer:Innen ihre Standortdaten nicht aus Nachhaltigkeitsgründen teilen, erhöhen finanzielle Anreize die Datenfreigaberaten moderat. Generell nehmen jedoch die Datenschutzbedenken zu und die tatsächliche Freigaberaten ab, wenn die Anforderung zur Datenfreigabe auf transparente und ethische Weise erfolgt.

Datenschutzbedenken sind für viele Menschen zu einem bedeutenden Thema geworden, insbesondere wenn es um die Freigabe persönlicher Daten wie Standortinformationen geht. Individuen sorgen sich darüber, wie ihre Daten verwendet, gespeichert und möglicherweise auch missbraucht werden. Gleichzeitig haben die rasanten Fortschritte in der Datenwissenschaft den immensen Nutzen aufgezeigt, der durch verantwortungsvolles Data-Sharing erzielt werden kann. Dieser Nutzen erstreckt sich auf Einzelpersonen, Organisationen und die Gesellschaft als Ganzes. In Anerkennung dieser Spannung haben wir uns zum Ziel gesetzt zu untersuchen, wie Nutzer:Innen ermutigt werden können, ihre Standortdaten auf ethisch vertretbare Weise zu teilen und Vertrauen zu fördern – ein Projekt, das im Rahmen des Strategischen Themenfelds Human Digital Transformation der Berner Fachhochschule finanziert wird.

Wir begannen mit einer systematischen Literature Review zu Faktoren, die die Bereitschaft von Nutzer:Innen zur Freigabe von Standortdaten beeinflussen. Dies offenbarte zwei vielversprechende Faktoren: Nachhaltigkeits- und finanzielle Anreize. Diese Faktoren erwiesen sich als potenziell effektive Möglichkeiten, um die Datenfreigabe zu motivieren. Allerdings bemerkten wir eine bedeutende Lücke in der bestehenden Literatur: Die meisten Studien konzentrierten sich auf die Absichten der Nutzer:Innen zur Datenfreigabe statt auf tatsächliches Data Sharing. Diese Unterscheidung ist wichtig, da Absichten sich nicht immer in Handlungen widerspigeln.

Um diese Forschungslücke zu schliessen, entwickelten wir ein Experiment, um zu testen, ob Nachhaltigkeits- und/oder finanzielle Anreize Nutzer:Innen effektiv zur Freigabe ihrer Standortdaten motivieren können. Für diese Studie arbeiteten wir mit der POSMO-Plattform zusammen, einer innovativen Genossenschaft, die Standort- und Mobilitätsdaten unter Einhaltung strenger ethischer Richtlinien sammelt. Der transparente und nutzerzentrierte Ansatz der Plattform machte sie zu einem idealen Partner für unsere Forschung.

Wir rekrutierten Teilnehmende unter den Studierenden der BFH, darunter 300 Studierende am Department Wirtschaft und 120 Studierende am Department Technik und Informatik. Diese Teilnehmenden wurden zufällig in vier Gruppen eingeteilt:

  1. Kontrollgruppe: Teilnehmende dieser Gruppe erhielten keine Anreize für die Datenfreigabe.
  2. Nachhaltigkeitsgruppe: Teilnehmende dieser Gruppe wurden informiert, dass ihre geteilten Standortdaten zur Förderung grüner Mobilitätsinitiativen und zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei Studentenfahrten zur Universität verwendet würden.
  3. Finanzielle Anreizgruppe: Teilnehmende dieser Gruppe wurde ein 25 CHF TWINT-Gutschein als Belohnung für die Freigabe ihrer Standortdaten versprochen.
  4. Kombinierte Anreizgruppe: Teilnehmende dieser Gruppe wurden über die Verwendung ihrer Standortdaten für grüne Mobilitätsinitiativen informiert und erhielten zusätzlich das Versprechen eines 25 CHF TWINT-Gutscheins.

Insgesamt füllten 135 Teilnehmende die erste Umfrage aus. Allerdings gelangten nur 72 von ihnen weit genug, um den Link zur Standortdaten-Sharing-Plattform zu sehen, wo die verschiedenen Anreize präsentiert wurden. Von diesen gelangten nur 52 zur  Frage zur Manipulationskontrolle korrekt, die bestätigte, dass sie die angebotenen Anreize verstanden hatten. 45 Teilnehmende beantworteten diese Frage korrekt. Die tatsächlichen Datenfreigaberaten waren noch niedriger: Nur 13 Teilnehmende registrierten sich, um ihre Standortdaten auf der POSMO-Plattform zu teilen (siehe Abbildung 1).

 

Gesamte Datenfreigaberate

Abb. 1: Gesamte Datenfreigaberate

 

Die Ergebnisse unserer Studie sind bemerkenswert. In der Kontrollgruppe, die keine Anreize erhielt, meldete sich kein(e) einzige(r) Teilnehmer:In an, um Daten zu teilen. Des Weiteren registrierte sich nur ein(e) Teilnehmer:In aus der Nachhaltigkeits-Anreizgruppe. Im Gegensatz dazu teilten in der finanziellen Anreizgruppe und der kombinierten Anreizgruppe jeweils sechs Teilnehmende ihre Standortdaten. Abbildung 2 stellt diese Ergebnisse grafisch dar.

 

Abbildung 2: Anzahl der Befragten, die ihre Daten geteilt haben, aufgeteilt nach Behandlungsgruppen

Abb.2: Anzahl der Befragten, die ihre Daten geteilt haben, aufgeteilt nach Behandlungsgruppen

 

Unsere Ergebnisse führen daher zu folgenden wichtigen Erkenntnissen:

  1. Ethische Motivation für Data Sharing ist herausfordernd: Trotz unserer Bemühungen, überzeugende Anreize zu gestalten, waren die Data-Sharing-Raten insgesamt sehr niedrig. Dies unterstreicht die Schwierigkeit, Nutzer:Innen von der Freigabe persönlicher Daten zu überzeugen, wenn ein transparentes und ethisch korrektes Vorgehen angewendet wird.
  2. Nachhaltigkeitsanreize funktionieren nicht: Obwohl Nachhaltigkeit oft als Priorität für jüngere Generationen gesehen wird, übertrug sich dieses Interesse nicht in eine Bereitschaft zur Freigabe von Standortdaten. Unsere Erkenntnisse aus einer Stichprobe von Studierenden, die hauptsächlich die Generation Z repräsentieren, zeigen, dass Datenschutzbedenken die Umweltmotivationen überwiegen, wenn es um die Freigabe sensibler Informationen wie Standortdaten geht.
  3. Selbst finanzielle Anreize haben begrenzte Wirkung: Während finanzielle Belohnungen die Standortdatenfreigabe leicht erhöhten, war der Effekt marginal. Dies deutet darauf hin, dass monetäre Anreize allein nicht ausreichen, um die Datenschutzbedenken der Nutzer:Innen zu überwinden.

Unsere Erkenntnisse besitzen wichtige Implikationen für Organisationen und politische Entscheidungsträger:Innen, die Vertrauen aufbauen und die Teilnahme an der Data-Economy fördern möchten. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass sich aktuelle Geschäftsmodelle weiterentwickeln müssen, um die Datenschutzbedenken der Nutzer:Innen besser zu adressieren. Politische Entscheidungsträger:Innen sollten stattdessen die Implementierung ethischer und transparenter Datenfreigabe-Richtlinien sicherstellen, damit Unternehmen nicht länger davon profitieren können, Nutzer:Innen bei der Freigabe ihrer Standortdaten zu täuschen. Darüber hinaus müssen Organisationen, die finanziell von den geteilten Standortdaten profitieren, dazu verpflichtet werden, Nutzer:Innen auch finanziell für die Freigabe ihrer Standortdaten entschädigen. Umgekehrt sollten Organisationen und politische Entscheidungsträger:Innen nicht zu sehr auf altruistische Motivationen wie Nachhaltigkeitsanreize setzen, da diese Data-Sharing nicht fördern.

Zusammenfassend unterstreicht unsere Studie das komplexe Zusammenspiel zwischen der Motivation von Individuen, ihren Datenschutzbedenken und ethischen Überlegungen im Bereich der Standortdatenfreigabe. Während Nachhaltigkeitsanreize die Datenfreigaberaten nicht erhöhen, zeigen finanzielle Anreize moderate Erfolgsaussichten. Organisationen und politische Entscheidungsträger:Innen müssen neue, innovative Ansätze erkunden, die Vertrauen, Transparenz und Nutzer:Innen-Empowerment priorisieren, um verantwortungsvolle Datenfreigabepraktiken zu fördern. Nur durch die Bewältigung dieser vielschichtigen Herausforderungen können wir das volle Potenzial von Standortdaten zum Nutzen von Individuen und Gesellschaft erschliessen.

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AUTHOR: Dominic Baumann

Dominic Baumann arbeitet als Assistent im Institute for Data Applications and Security IDAS an der Berner Fachhochschule. Er hat Informatik mit Vertiefung in IT-Sicherheit studiert.

AUTHOR: Nadine Gurtner

Prof. Dr. Nadine Gurtner ist Dozentin am Institute Innovation & Strategic Entrepreneurship am Department Wirtschaft der Berner Fachhochschule.

AUTHOR: Annett Laube

Annett Laube ist Dozentin der Informatik an der BFH Technik & Informatik und leitet das Institute for Data Applications and Security (IDAS). Sie hat die fachliche Verantwortung für das Wissenschaftsmagazine SocietyByte, insbesondere für den Schwerpunkt Digital Identity, Privacy & Cybersecurity.

AUTHOR: Gernot Pruschak

Prof. Dr. Gernot Pruschak ist Dozent am Institute for Applied Data Science & Finance des Departements Wirtschaft der Berner Fachhochschule.

AUTHOR: Olena Yatsenko

Olena Yatsenko ist Gastwissenschaftlerin am Labor für Virtuelle Realität und Robotik an der Berner Fachhochschule sowie Dozentin für Universitätsphilosophie an der Nationalen Pädagogischen Drahomanov Universität (Kiyv, Ukraine).

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