«Wir müssen den Service public digital denken»

Vom Brief zur digitalen Kommunikation – das Kerngeschäft der Schweizerischen Post wandelt sich. Welche Kommunikationsplattformen sie künftig anbieten möchte und was die ePost-App von ihrem dänischen Vorbild übernommen hat, darüber spricht CEO der Kommunikations-Services und Mitglied der Konzernleitung Nicole Burth im Interview.

Societybyte: In Ihrem Referat an der TRANSFORM 2024 haben Sie die Notwendigkeit hervorgehoben, den digitalen Service public zu definieren. Warum halten Sie dies für unverzichtbar und welche Definition schwebt Ihnen vor?

Nicole Burth: Unser Alltag wird immer digitaler und die Bedürfnisse der Menschen ändern sich. Daher müssen wir für die Zukunft auch den Service public digital denken. Die Definition, wie der digitale Service public der Zukunft konkret aussehen könnte, ist bislang fragmentarisch geblieben.

Eines ist sicher: Kommunikation ist ein zentrales Element. Und wir kommunizieren heute anders – wo der Brief früher viele verschiedene Kommunikationsbedürfnisse abdecken konnte, sind es heute die unterschiedlichsten Kanäle und Formen von digitaler Kommunikation. Wir sind der Ansicht, dass die postalische Grundversorgung 2030+ sich konsequent an dieser Entwicklung ausrichten soll. Die Post baut daher ihre Rolle als relevante Anbieterin von digitalen Kommunikationsplattformen für einen intuitiven, vertrauensvollen Austausch und sicheren Umgang mit Daten für alle Menschen, Unternehmen und Behörden aus und leistet damit einen Beitrag zu einer digital vernetzten Schweiz.

Warum soll Ihrer Meinung nach der Bund bei seinen Digitalisierungsbestrebungen die Schweizerische Post mit ins Boot holen?

Nicole Burth war eine Referentin an der Transform-Konferenz der BFH Wirtschaft.

Die Post kann eine massgebende Rolle beim Aufbau nationaler digitaler Infrastrukturen einnehmen. Ich sehe sie als ideale Partnerin des Bundes. Nähe zu den Menschen und Vertrauen sowie Kompetenz und Erfahrung sind Erfolgsfaktoren der Digitalisierung. Die Post kann bereits etablierte digitale Kommunikationsplattformen und -lösungen wie SwissID, E-Voting, ePost Kommunikationsplattform oder das elektronische Patientendossier bieten. Diesen Mehrwert kann die Post dem Bund liefern:

Die Post erbringt mit ihrem Grundversorgungsauftrag seit je her Service Public. Mit unserer 175-jährigen Geschichte verstehen wir uns heute nicht nur als Postdienstleisterin, sondern engagieren uns aktiv für eine digital vernetzte Schweiz. Mit schrittweiser Modernisierung hat die Post immer wieder positive Impulse für Fortschritt und Neuerungen in die Gesellschaft, die Wirtschaft und das Leben der Menschen gegeben. Durch unser Filialnetz und die Zustellung von Sendungen an der Haustüre haben wir täglich Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Entsprechend kennen wir die Bedürfnisse der Menschen ganz genau, können uns danach ausrichten und weiterentwickeln.

Wie begegnen Sie den Vorwürfen, die Post konkurrenziere mit Privatanbietern und fördere die Zentralisierung?

Die Post hat sich an den gesetzten Regeln und Leitplanken zu orientieren – und das wird sie auch weiterhin tun. Es ist Teil der mit dem Bundesrat abgestimmten Ziele, das physische Kerngeschäft weiterzuentwickeln, zukunftsfähig zu machen und in die digitale Zukunft zu führen. Dies bringt mit sich, dass wir neue Produkte und Dienstleistungen antizipieren und entwickeln. Damit wir unseren Grundversorgungsauftrag auch künftig und ohne staatliche Mittel erbringen können, setzen wir gezielt auf Wachstum in unseren Kernmärkten Logistik und Kommunikation. Dort, wo es sinnvoll ist, ergänzen wir das Wachstum mit externen Firmen entlang unseres Kerngeschäfts.

Inwiefern kann die «Post von morgen» mit ihrem Kommunikationsservice einen Beitrag leisten zu einer vertrauensvollen digitalen Kommunikation? Wo sehen Sie dabei die Risiken? Und welche Vorteile ergeben sich dadurch im Bereich der Barrierefreiheit?

Die Post hat sich mit ihrer Unternehmensstrategie «Post von morgen» an den neuen Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet und auch organisatorisch bereits die Grundlagen für mögliche Angebote des digitalen Service Publics gelegt. Der Unternehmensbereich Kommunikations-Services spielt dabei eine zentrale Rolle.

Nehmen wir nochmals E-Voting: Weil unsere Lösung barrierefrei entwickelt ist, haben auch Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung die Möglichkeit, eigenständig und ohne Hilfe Dritter ihre Stimme abzugeben. Barrierefreiheit ist bei allen digitalen Lösungen ein zentrales Thema. Die Post orientiert sich an den Richtlinien des Bundes und an internationalen Informatikstandards (World Wide Web Consortium W3C).

Uns ist bewusst, je mehr digitale Lösungen wir anbieten, desto mehr Angriffsfläche haben Cyberkriminelle. Das bringt Risiken mit sich. Datensicherheit ist unser oberstes Gebot, heute und morgen. Entsprechend investiert die Post massgeblich in ihre Informationssicherheit und der Abwehr von Cyberangriffen.

Mit der ePost-App will die Post den Kund*innen einen digitalen Briefkasten zur Verfügung stellen, der es nicht nur ermöglicht, Rechnungen zu bezahlen und Verträge zu unterschreiben, sondern auch sich mit dem elektronischen Patientendossier zu verlinken oder gar mit Absendern zu chatten. Inwiefern hat sich die Schweizerische Post dabei am dänischen Vorbild orientiert? Welche Funktionen hingegen basieren bewusst auf den spezifischen Bedürfnissen der hiesigen Kundschaft?

Die ePost-App, der digitale Briefkasten der Post, ermöglicht Kundinnen und Kunden ihr privates Büro mit wenigen Klicks digital zu erledigen. Briefe empfangen und geordnet ablegen, Rechnungen bezahlen und Verträge signieren – all das ist heute möglich über die ePost-App und entspricht dem Kundenbedürfnis hierzulande. Unsere App ist vergleichbar mit der dänischen Lösung. In ihrer ursprünglichen Version implementierte die dänische Lösung ebenfalls den elektronischen Briefkasten, Zahlungsfunktionen und Signaturen. Nach dem Übergang von eBoks zu mit.dk ermöglichte die dänische Version auch den Zugriff auf Gesundheitsdaten.


Zur Person

Nicole Burth ist seit 2021 Leiterin der Kommunikations-Services und Mitglied der Konzerleitung bei der Schweizerischen Post. Zuvor hat sie verschiedene Positionen bei der Adecco Gruppe innegehabt – unter anderem als globale Finanzchefin der Outsourcing Einheit und als CEO der Adecco Gruppe Schweiz. Ihren Anfang hat Nicole Burths berufliche Karriere als Analystin im Bankwesen genommen. Die studierte Volkswirtschafterin ist Verwaltungsratsmitglied und Vorsitzende des Vergütungsausschusses bei der Ascom Holding AG.

An der vergangenen TRANSFORM-Konferenz 2024 am 8. Mai hat sie eine Keynote gehalten.

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AUTHOR: Silvia Krauer

Silvia Krauer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Public Sector Transformation.

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