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Konsumverhalten im digitalen Zeitalter – eine BFH-W-Studie mit 100 Citizen Scientists

Auch für einen Onlinekauf brauchen Konsument*innen den persönlichen Austausch mit Familie und Freunden, um sich für ein Produkt zu entscheiden. Das haben Forschende der BFH Wirtschaft unter anderem in einer vom SNF geförderten Studie herausgefunden. Dafür haben sie über 100 digitale Tagebücher ausgewertet. Ein Gespräch mit BFH-W-Forscherin Lilian Laub.

Sie haben sich in der Studie auf das veränderte Kaufverhalten der Konsument*innen im Zeitalter der Digitalisierung fokussiert. Wie haben Sie das untersucht?

Lilian Laub: Wir haben das Verhalten von insgesamt rund 100 Proband*innen untersucht. Diese haben während einem Monat ein digitales Tagebuch geführt. Die Probanden haben von uns den Auftrag bekommen, innerhalb von vier Wochen zwei Produkte zu kaufen und mussten diesen Kaufprozess in einem digitalen Tagebuch festhalten. Dabei durften sie sich bei einem Produkt überall informieren und bei dem anderen nur offline. Unter den Produkten waren Kaffeemaschinen, Velos, Zelte, Klimageräte, Motorroller oder Crosstrainer, wovon wir jeweils zwei einer Person zugeordnet haben. Die Proband*innen haben ihre Kaufentscheidungen am Ende auch selber reflektiert. Insgesamt haben wir in diesen über 100 Tagebüchern 7.500 Einzelcodes ausgewertet und dabei nach spannenden Auffälligkeiten in den Daten gesucht. Wir haben zusätzlich mit Hilfe eines Fragebogens quantitative Daten erhoben, um einen tieferen Einblick in die Persönlichkeiten der Proband*innen zu bekommen.

Was haben Sie dabei festgestellt?

Beispielsweise nehmen die Proband*innen den Rechercheaufwand vor einem Kauf im nicht-digitalen Kontext als grösser wahr, obwohl dies nicht zwangsläufig tatsächlich so ist. Die gefühlt effizientere Informationsbeschaffung mit digitalen Methoden scheint zu einer höheren Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess zu führen. Zwar ändert sich der Entscheidungsprozess durch die Digitalisierung, aber das grundsätzliche persönliche Vorgehen bleibt gleich. Das heisst, wer sich gern intensiv vor einem Kaufentscheid informiert, tut dies mit und ohne digitale Hilfsmittel und wer grundsätzlich eher dazu neigt, weniger Informationen einzuholen, verändert sein Verhalten auch nicht komplett, wenn mehr Informationsquellen zur Verfügung stehen. Wir haben noch weitere spannende Aspekte entdeckt, die wir nun gründlich analysieren.

Welche zum Beispiel?

Wir haben uns angesehen, ob es Unterschiede im On- und Offline-Setting gibt und welche das sind. Uns interessieren nicht nur Differenzen im Prozess sondern auch die Gefühle der Proband*innen. Es scheint beispielsweise so zu sein, dass nicht-digitale Kaufentscheide als emotionaler wahrgenommen werden. Auf den Kaufprozess bezogen, haben wir untersucht, wie die Proband*innen mit Überforderung umgegangen sind und welche Quellen ihnen bei der Informationssuche über ein Produkt on- und offline wichtig sind. Dabei spielt wieder ein Gefühl eine wichtige Rolle: Welchen Informationsquellen und Anbietern vertrauen die Proband*innen?

Und was haben Ihnen die Daten aus den Tagebüchern noch gezeigt?

Wir haben festgestellt, dass der Einfluss von Familie und Freunden im gesamten Kaufprozess recht gross ist. Und zwar haben sich die Proband*innen in beiden Fällen – also sowohl im On- als auch im Offline-Setting – oft in Gesprächen mit Verwandten und Freunden informiert und rückversichert, ob sie bei dem Kauf auf dem richtigen Weg sind. Natürlich haben wir noch mehrere weitere interessante Aspekte herausgefunden. Wir sind derzeit noch am Auswerten der Daten. Diese und weitere Ergebnisse stellen wir am Symposium «Rethinking Decision Making in the Digital Society» am 1. April 2020 vor, an dem auch unsere Proband*innen mitwirken werden.

Sie bezeichnen Ihre Proband*innen auch als Citizen Scientists – warum?

Die Proband*innen haben ihren eigenen Kaufprozess nach Ablauf der vier Wochen in einer Emotionskurve dargestellt und gleichzeitig darüber reflektiert welche Unterschiede zwischen dem digitalen und nicht-digitalen Kaufentscheid besteht. Von totaler Überforderung bis Vorfreude war alles dabei. Die Proband*innen sind bei dieser Aufgabe selbst zu Forschenden, zu Citizen Scientists geworden. Sie haben ihr Verhalten hinterfragt und uns so weiterführende Gedanken geliefert.


Über das Projekt

Das Projekt «Digital Lives» wird vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert. Es läuft seit Ende 2018 und noch bis Mai 2020.


Resultate an der Fachveranstaltung

Das Institut Innovation & Strategic Entrepreneurship präsentiert die Ergebnisse der vom SNF geförderten Studie an einer virtuellen Fachveranstaltung am 8. September. Diese bietet ausserdem attraktive, internationale Key Notes zum Thema Consumer Decision Making. Nicht zuletzt haben Sie die Gelegenheit, in Kleingruppen mitzudiskutieren. Hier gehts zur Anmeldung

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