Inklusive Gestaltung digitaler Gesundheitslösungen für ältere Erwachsene
Digitale Gesundheitslösungen nutzen evidenzbasierte Ansätze zur Prävention, Behandlung und Gesundheitsförderung. Um Ungleichheiten zu minimieren, müssen sie zugänglich und verständlich für diverse Nutzergruppen sein. Das Projekt von Kerstin Denecke und Beatrice Kaufmann entwickelt Design-Heuristiken für digitale Lösungen speziell für ältere Erwachsene.
Gesundheitskompetenz und digitale Gesundheitsinterventionen
Gesundheitskompetenz ist die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu verstehen und zu nutzen, um fundierte Entscheidungen zu treffen und das eigene Wohlbefinden zu steuern. Mit der zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitswesen wird auch eine digitale Gesundheitskompetenz immer wichtiger. Diese umfasst die Fähigkeit, digitale Werkzeuge und Daten zu nutzen, um Gesundheitsinformationen zu erhalten und zu verstehen.
Besonders ältere Menschen stehen vor Herausforderungen wie kognitiven Beeinträchtigungen, körperlichen Einschränkungen und begrenzten digitalen Kompetenzen. Diese Faktoren können die Fähigkeit, digitale Gesundheitsdienste effektiv zu nutzen, erheblich beeinträchtigen. Derzeit fehlen spezifische Leitlinien für die Gestaltung digitaler Gesundheitsinterventionen, die auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind. Digitale Gesundheitsinterventionen können Apps oder Webplattformen sein, die evidenzbasierte Interventionen realisieren, wie z.B. Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie. Während die medizinische Forschung immer mehr in Richtung personalisierter Medizin navigiert, bieten digitale Gesundheitsinterventionen nur generische «One-size-fits-all» Lösungen an.
Ein neues Themenfeldprojekt von Forschenden des Instituts Patient-centered Digital Health und des Institute of Design Research zielt darauf ab, Designstandards zu entwickeln, die diese Einschränkungen berücksichtigen. Dadurch sollen Gesundheitsinformationen und -dienste für ältere Nutzende zugänglicher und nutzbarer gemacht werden. Das fördert ihre Gesundheitskompetenz und ihre Fähigkeit zur selbstständigen Gesundheitsverwaltung. Aber welche Designelemente in digitalen Gesundheitsinterventionen machen diese für ältere Erwachsene zugänglich und integrativ? Hier setzt inklusives Design an. Darunter versteht man die Gestaltung von Produkten oder Angeboten mit dem Ziel, sie für eine möglichst breite Nutzergruppe zugänglich zu machen, unabhängig von deren Fähigkeiten, Einschränkungen oder sozialen Hintergründen.
Lernen von Interaktionen zwischen Gesundheitsfachpersonen und Patient:innen
In einer Vorarbeit haben wir mittels Literaturrecherchen zusammengetragen, wie Gesundheitsfachpersonen die Gesundheitskompetenz in ihrer Interaktion mit Patient:innen berücksichtigen (vergleiche Abbildung 1), welche Technologien und Strategien zum inklusiven Design beitragen können und welche Erfahrungen und Leitlinien für inklusives Design solcher Lösungen dokumentiert sind (Denecke et al. 2024). Leitlinien für die ärztliche Kommunikation betonen, dass Gesundheitsinformationen an das Wissen, die Bedürfnisse und das Verständnisniveau der Patient:innen angepasst werden sollten. Eine einfache Sprache und eine klare Strukturierung der Inhalte helfen dabei, das Verständnis zu fördern (Coleman 2020). Die Teach-Back-Methode, bei der Patient:innen die erhaltenen Informationen in eigenen Worten wiedergeben, ist ein bewährtes Werkzeug, um sicherzustellen, dass Inhalte verstanden wurden (Coleman 2020). Ein respektvolles und sicheres Umfeld sowie Gedächtnishilfen wie schriftliche Zusammenfassungen oder visuelle Hilfsmittel unterstützen zusätzlich die Informationsaufnahme und -speicherung. Der Einsatz verschiedener Lehrmethoden wie Videos, Grafiken oder Audioformate trägt dazu bei, unterschiedliche Gesundheitskompetenzen und kognitive Fähigkeiten der Patient:innen zu berücksichtigen (Lyles 2022).
Nutzerzentriertes Design und Einbezug von Nutzenden
Best Practices für inklusives Design betonen die Relevanz benutzerzentrierten Designs (Eichner 2024). Benutzerzentriertes Design erfordert die aktive Einbindung der Nutzenden in der Entwicklungsphase, um Lösungen auf deren spezifische Bedürfnisse und Kontexte abzustimmen. Nur so können die Bereitstellung der Informationen, die Interaktion iterativ getestet und angepasst werden, um die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern. Klare und logische Abläufe in der Interaktion mit der Lösung, allenfalls passende Anleitungen unterstützen das Auffinden der entsprechenden Informationen oder Funktionalitäten in einer digitalen Lösung. Die Möglichkeit selbst Präferenzen anzugeben, kann dazu beitragen, die digitalen Dienstleistungsangebote zu personalisieren.
Auf dem Weg zu Design-Heuristiken
Diese ersten Informationen werden in unserem Projekt weiter ausgearbeitet und münden schliesslich in Heuristiken für das inklusive Design digitaler Gesundheitsinterventionen für ältere Menschen. Unser Ziel ist es, Design-Heuristiken, Empfehlungen und Best Practices zu entwickeln, um die Zugänglichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Benutzererfahrung von digitalen Gesundheitsinterventionen speziell für ältere Menschen zu verbessern. Dadurch soll die alternde Bevölkerung in die Lage versetzt werden, sich unabhängig in digitalen Gesundheitslösungen zurechtzufinden.
Es sind bereits viele Technologien verfügbar, die eine Realisierung von inklusivem Design unterstützen. Methoden der künstlichen Intelligenz können Inhalte personalisiert aufbereiten und in einer digitalen Gesundheitslösung zum rechten Zeitpunkt bereitstellen. Der «rechte Zeitpunkt» leitet sich aus dem Verhalten oder Bedürfnissen der nutzenden Person ab. Das Projekt wird zusätzlich solche technologischen Möglichkeiten zur Umsetzung der verschiedenen Design-Heuristiken zusammentragen. Letztlich sind diese Bestrebungen die Grundlage, um zusätzliche Zugänge zu Gesundheitsdiensten zu schaffen, was die Gesundheitsergebnisse und Lebensqualität der älteren Bevölkerung verbessern kann.
Referenzen
Coleman, C. Health Literacy and Clear Communication Best Practices for Telemedicine. HLRP: Health Literacy Research and Practice 2020, 4, doi:10.3928/24748307-20200924-01.
Denecke, K., Kaufmann, B., Reichenpfader, D., Petersen, C. (2024). How to Consider Health Literacy in Digital Health Interventions?. In: Stephanidis, C., Antona, M., Ntoa, S., Salvendy, G. (eds) HCI International 2024 Posters. HCII 2024. Communications in Computer and Information Science, vol 2119. Springer, Cham.
Eichner, J.; Dullabh, P. Accessible Health Information Technology (Health IT) for Populations With Limited Literacy: A Guide
for Developers and Purchasers of Health IT.; 2007; Vol. AHRQ Publication No. 08-0010-EF, MD Agency for Healthcare Research and Quality.
Lyles, Courtney R.; Aguilera Adrian; Nguyen O; Sarkar, Urmimala: Bridging the Digital Health Divide Series. California Health Care Foundation, 2022. https://www.chcf.org/publication/bridging-digital-health-divide-series/ (letzter Zugriff: 8.12.2024.
Mallon, C. Inclusive Design’s next wave breaks for mental health, Microsoft, 7.Mai 2024; https://microsoft.design/articles/inclusive-designs-next-wave-breaks-for-mental-health/ (letzter Zugriff: 09.12.2024);
Murugesu, L.; Heijmans, M.; Rademakers, J.; Fransen, M.P. Challenges and Solutions in Communication with Patients with Low Health Literacy: Perspectives of Healthcare Providers. PLoS One 2022, 17, e0267782, doi:10.1371/journal.pone.0267782.
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