Digitale Konferenz über die transformative Kraft der Daten – das war die Transform 2020
„Vertrauen ist der Schlüssel zwischen Behörden unter einander vertikal und horizontal, aber auch bei den Bürger*innen und der Wirtschaft gegenüber den Behörden“, sagte Dr. Alessia Neuroni, Co-Gastgeberin der Transform2020. Es ist auch die Quintessenz aus einem Tag intensiven fachlichen Austauschs über die Datennutzung im öffentlichen Sektor mit über 80 Teilnehmer*innen aus Politik, Forschung und Behörden. Lesen Sie hier einen Rückblick mit kurzen Zusammenfassung der Referate.
Open Data: Lehren aus der Krise
Die Covid19-Pandemie hat die Digitalisierung der Zürcher Verwaltung voran getrieben, sagte Andreas Amsler, Leiter Fach- und Koordinationsstelle OGD, Kanton Zürich. Dies betreffe nicht nur die Daten der Krise sondern auch deren Auswirkungen auf öffentlichen Verkehr und Wirtschaft. Besonders zu Beginn der Pandemie war das Bedürfnis gross nach kohärenten, aktuellen Daten aus offizieller Quelle. Diese öffentlichen Daten waren in anderen Ländern grösstenteils schon vorhanden, in der Schweiz jedoch noch nicht. „Wir standen da anfangs sehr unter Druck“, erinnert sich Amsler. Schnell seien im Frühjahr Daten über Neuinfektionen veröffentlicht worden, doch fehlte eine Historie. Daher baute der Kanton Zürich eine offene Datenstruktur auf der Grundlage internationaler Standards auf und verbesserte diese laufend. „Wir fungieren als Vermittlerin zwischen Gemeinden und Kantonen und intensivieren die Kontakte und den Austausch zwischen Behörden, öffentlichen Organisationen, Wissenschaft und Medien“, erläutert Amsler. Das offene Prinzip verbessere die Daten auf lange Sicht. Denn: „Viele Augen sehen mehr“, so auch Fehler, die dann behoben werden können. Dafür nutzen Amsler und sein Team das Tool github. So könne man „zusammen weniger machen“, sagt er. Die Präsentation von Andreas Amsler finden Sie hier.
Data Governance in einem Swiss Data Space
Über die Data-Governance-Prinzipien im Schweizer Datenraum sprach André Golliez, Präsident der Swiss Data Alliance. „Der Begriff Datenraum etabliert sich langsam auch in der europäischen Datenstrategie“, sagte Golliez erfreut. In der Schweiz sei der Begriff auch endlich angekommen, sagte Golliez und verwies auf die im September verabschiedete Digitale Strategie des Bundes und die in der vergangenen Woche beschlossenen Strategie Digitalaussenpolitik des Bundes.
Ausgangspunkt für die Daten sind die Datenberechtigten, also Lieferant*innen, Nutzer*innen sowie betroffene Personen und Unternehmen. Als grosse Herausforderung schätzt Golliez die Datenplattformen ein, die im Prinzip Monopolisten seien. Als Gegenpol dazu firmiert laut Golliez ein vertrauenswürdiger Datenraum, der den Datenaustausch ins Zentrum stellt und allen Beteiligten Rechte und Pflichten auferlegt. Datenräume können unterschiedliche rechtliche bzw. technische Formen haben.
Eine Sammlung von verschiedenen Datenaustauschstrukturen, die unter einander vernetzt sind und sich zu einem gemeinsamen Raum verbinden – das ist Golliez› Vision eines Schweizer Datenraums. Es entstünden bereits sektorielle Strukturen, andere seien geplant. Für die Zukunft brauche es jedoch eine nationale Datenstrategie – „das haben wir noch nicht“, so Golliez. Nötig sei natürlich auch die Interoperabilität über die nationalen Grenzen hinaus sowie seien datenbasierte Innovationen gefragt.
„Die Pandemie hat uns die Augen geöffnet über die Bedeutung der Daten, um eine solche Krise zu bewältigen“, betonte Golliez. Aus dieser Erfahrung könnte man lernen, dass wenn alle Bereiche ihre Daten zugänglich machen, auch die Bevölkerung helfen kann, die Krise besser zu lösen. Die Präsentation von André Golliez finden Sie hier.
Data Governance im Bildungssektor
Über den digitalen Bildungsraum in der Schweiz sprach Andreas Klausing, Mitglied der Geschäftsleitung von educa.ch. Neben dem Datenschutz seien auch die Bedürfnisse der Stakeholder die wichtigsten Themen beim Aufbau eines Schweizer digitalen Bildungsökosystem. Aktuell bereite educa eine Studie zur Datennutzungspolitik vor, die im Frühling lanciert wird. Ziel sei «ein sicherer und ethisch angemessener Umgang mit Daten im Bildungswesen und deren gezielte Nutzung, so Klausner. Der Zeithorizont ist das Jahr 2025. Dabei sei nicht die technische Umsetzung eine Herausforderung. Vielmehr stecke die wichtigste und grösste Arbeit laut Klausing in der Kommunikation mit den Stakeholdern und im Wissenstransfer. Dies liege vor allem an der föderalistischen Struktur der Schweiz. Deswegen hinke die Schweiz bei nationalen grossen Projekten oftmals hinterher. Die Präsentation von Andreas Klausing finden Sie hier.
Nationale Datenbewirtschaftung
Wie Daten auf Bundesebene bewirtschaftet werden, insbesondere die Stammdaten, erläuterte Manuela Lenk, Abteilungsleiterin Interoperabilität und Register beim Bundesamt für Statistik (BfS). Sie schlug vor, bei der Datenerhebung in einer Wertschöpfungskette zu denken. Die digitale Datenbeschaffung habe das Bundesamt gewandelt. Deshalb sei das Bundesamt sehr daran interessiert, dass in den Verwaltungen gute Daten gesammelt und bewirtschaftet werden. Sehr hilfreich dabei sei unter anderem das Once-Only-Prinzip. Damit Daten mehrfach genutzt werden können, braucht es auch die Interoperabilität. Dafür hat der Bund eine Interoperabilitätsplattform entwickelt, die die Daten harmonisiert und nur standardisierte Metadaten versammelt, die ursprünglichen Daten bleiben bei den Verwaltungen. Mit der gemeinsamen Stammdatenverwaltung will der Bund unter anderem auch den administrativen Aufwand der Bürger*innen aber auch von Unternehmen verringern (Once-Only-Prinzip). Die Präsentation von Manuela Lenk finden Sie hier.
Vertrauen in Technik: Eine philosophische Betrachtung
Die Technologiephilosophin Dr. Janina Loh von der Universität Wien schliesst mit ihrer philosophischen Würdigung des Themas Vertrauen die Tagung ab. Aus philosophischer Sicht sei Vertrauen ein Zwischenkonzept, bei dem man nicht alles über eine Situation wisse und gleichzeitig aber eine positive Haltung behält, dass etwas funktionieren könne. Das beruhe auf der menschlichen Urteilskraft in einer unsicheren Situation. Loh geht zudem auf das philosophische Werk der Handlungstheorie von Hannah Arendt ein. Die Präsentation von Dr. Janina Loh finden Sie hier.
Werkzeug versus Arbeitstechnik
«Bisher nutzen wir noch nicht alle technischen Möglichkeiten der Digitalisierung», sagte Dr. Jörg Mäder Nationalrat der Grünliberalen im Kanton Zürich in seinem Eröffnungsreferat. „Im Moment sind wir noch im Modus der Aktenberge und wir brauchen sehr viel spezialisiertes Fachwissen, um die Datenmengen zu verstehen“, erläuterte er. Mäder illustriert am Beispiel von Legosteinen, dass es eine gemeinsame Sprache braucht. Es sei wichtig das gesamte Datenwissen nicht als Einheit zu verstehen, sondern als einzelne Bausteine. Dann wäre es möglich, die einzelnen Datenbestandteile wie bei Lego für verschiedene Anwendungen zu nutzen. Mäder plädierte dafür mehr aus diesen Bausteinen zu spielen.
Bei allem spannenden Anwendungsmöglichkeiten, die aus dem Daten programmiert werden können, müssen dabei wichtige Regeln beachtet werden, wie etwa der Datenschutz und die Privatsphäre, appellierte Mäder. Zudem schlägt er vor, bereits entwickelte Bausteine zu nutzen, denn Standards seien gewachsene und erprobte Konstrukte. Die Präsentation von Jörg Mäder finden Sie hier.
The Good, the Bad and the Ugly»
Unter dem Titel „The Good, the Bad and the Ugly“ referierte Prof. Dr. Reinhard Riedl, Leiter des BFH-Zentrums Digital Society über die Datennutzung. „Wir brauchen Leuchtturmprojekte mit grosser Ausstrahlung und andere kreative Projekte auslösen“, sagte er. Big Data sei ein Werkzeug, das Hinweise liefert, wo man nach neuen Erkenntnissen suchen müsste. Es finde in der Praxis zunächst Anwendung, um die nutzbaren Daten herauszufiltern. Sprich: Mit Algorithmen kristallisieren sich die guten Daten heraus. Damit lassen sich Fakten stützen, Modelle bauen und Interpretationen erstellen. Ziel ist eine datengestützte Organisationsführung. Damit es wirklich funktioniert gelten 4 Prinzipien:
- Informationsprinzip
- Flussprinzip
- Qualitätsprinzip
- Rechtmässigkeitsprinzip
Daten liefern viel mehr als klassische Statistiken, wenn wir mit seriösen Werkzeugen arbeiten. Riedl macht 4 Möglichkeiten der neuen Datennutzung aus:
- 1. Digitale Zwillinge
- 2. Augmented Intelligence
- 3. Artificial Creativity
- 4. Kausalitätsprüfung.
Viele Menschen haben Angst vor künstlicher Intelligenz. Doch machte Riedl Mut: „Künstliche Intelligenz kann uns automatisierte Arbeit abnehmen und letztlich den Arbeitsprozess positiv verändern.“
Unter „the Good“ bei der Datennutzung sieht er das Nutzenpotenzial, unter „the Bad“ den möglichen Missbrauch und unter „the Ugly“ das falsche Spiel mit Ängsten und Hoffnungen. „Es braucht mehr Aufklärung“, schloss Riedl seinen spannenden Vortrag. Die Präsentation von Dr. Reinhard Riedl finden Sie hier.
La donnée au centre de l’innovation
Auch Lausanne nutzt Daten für die Innovation. Über die praktischen Anwendungen berichtete Jean-Daniel Schlaeppy, Abteilungsleiter und Assistent für digitale Verarbeitung der Stadt Lausanne. Seine Präsentation finden Sie hier.
Ubaldi
In ihrem Referat konzentrierte sich Barbara Ubaldi von der OECD, Digital Government Lead auf den Entwicklungsstand der Regierungen. Bisher seien die Regierungen sehr oft in einer reaktiven Position, die abwarte und auf Anfragen reagiere. Die Covid19-Pandemie habe die Transformation der öffentlichen Verwaltung vorangetrieben und langsam wandelten sich Regierungen zu aktiven Playern. Aus der Gesundheitskrise entstünden viele Daten, die die Transformation vorwärts bringen und die öffentlichen Verwaltungen erkennen das Schlüsselpotenzial der Daten. Ausserhalb der Pandemie nannte Ubaldi Japan, Finnland, Korea und Frankreich als Vorreiter in dieser Entwicklung: Daten generieren einen öffentlichen Wert.
Sie stellt edas OECD-Framework für die Entwicklung der Verwaltung vor. Zunächst brauche es eine Führung mit einer Vision und die Möglichkeit, die Datennutzung zu implementieren. Weiter braucht es eine Datenarchitektur und Infrastruktur und letztlich auch Regulation, um die Nutzung zu schützen. Um das Vertrauen der Bevölkerung zu bekommen, müssten Fragen von Sicherheit, Ethik, Transparenz und Datenschutz erfolgreich zusammenspielen, betonte Ubaldi. Die grössten Herausforderungen für Regierungen sieht sie bei der Klarheit, der nötigen Kapazität, der Vorgeschichte und der Führung. Die Präsentation von Barbara Ubaldi finden Sie hier.
Data for good? Experiment!
Wie erfolgreiche Datennutzung in den Niederlanden aussieht, schilderte Dr. Anne Fleur van Veenstra, Leiterin des Policy Lab der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung. Sie stellte angewandte Experimente vor. Die Präsentation von Anne Fleur van Veenstra finden Sie hier.
Über die Transform 2020
Die Transform 2020 fand statt am 13. November 2020. Die Fachtagung wurde vom Institut Public Sector Transformation (IPST), dem Institut Digital Enabling und dem BFH-Zentrum Digital Society co-organisiert und durch die Institutspartner des IPST und den Verein Swiss Data Alliance unterstützt.
Alle weiteren Informationen zur Fachtagung finden Sie hier.
Dank an die Partner der Transform 2020
Titelbild: Andreas Amsler
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