Care@home: Kernkompetenzen für eine Behandlung zu Hause
Care@home ist ein Versorgungsmodell, wo Patient:innen mit akuten Erkrankungen im häuslichen Umfeld betreut werden. Dieser Ansatz stellt Gesundheitsfachpersonen vor neue Herausforderungen und erfordert besondere Kompetenzen.
Die Gesundheitsversorgung steht vor einem Paradigmenwechsel: Care@home, die Betreuung von Patient:innen mit akuten Erkrankungen im eigenen zu Hause, gewinnt zunehmend an Bedeutung [1] . Im psychiatrischen Bereich werden in der Schweiz schon seit einigen Jahren verschiedene Behandlungskonzepte erprobt [2] . Die Versorgungsmodelle Care@Home (Hospital at home, Home treatment, und andere) zielen darauf ab, Spitalaufenthalte zu vermeiden, zu verkürzen oder einen unmittelbaren Zugang zum Gesundheitswesen zu gewährleisten (timely access), Ressourcen effizient einzusetzen und die Effizienz des Gesundheitssystems zu steigern.
Im Rahmen eines vom Themenfeld Caring Society geförderten Forschungsprojekts haben Forschende der Departemente Technik und Informatik sowie Gesundheit untersucht, welche Kompetenzen für die Umsetzung dieses Modells erforderlich sind. Das Ziel: Weiterbildungsangebote zu entwickeln, die Fachpersonen darin unterstützen, Care@home erfolgreich in der Praxis umzusetzen.
Lernen aus Erfahrungen
Im Rahmen des Projekts wurden fünf Fachpersonen interviewt, die an der Einführung von Care@home-Projekten in der Psychiatrie und Allgemeinmedizin beteiligt waren. Ziel der Interviews war es, zentrale Fähigkeiten und Kompetenzen für die Versorgung im häuslichen Umfeld zu identifizieren. Drei der Befragten leiteten entsprechende Programme, zwei waren an deren Entwicklung beteiligt – alle verfügten über direkte Erfahrung in der Umsetzung oder Durchführung von Care@home-Diensten. Die untersuchten Projekte umfassen:
- Intensivpsychiatrische häusliche Behandlung für Kinder und Jugendliche,
- Psychiatrische Care@home-Versorgung für Erwachsene,
- Übergangsbehandlungen nach Klinikaufenthalten (bis zu drei Monate zur Stabilisierung),
- Akutversorgung im häuslichen Umfeld, vergleichbar mit einem Spitalaufenthalt.
Die Interviewten berichteten über die Inhalte, Stolpersteine ihrer Projekte, ihre jeweiligen Rollen sowie über technische, organisatorische und personelle Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung. Zudem formulierten sie zentrale Kompetenzen, die für den Aufbau und Betrieb von Care@home-Strukturen erforderlich sind. Die Auswertung der Gesprächsnotizen erfolgte mittels thematischer Analyse. Ergänzend wurde eine Literaturecherche zu bestehenden Aus- und Weiterbildungsangeboten im Bereich Care@home bzw. Hospital at Home durchgeführt [3] .
Veränderte Anforderungen an Gesundheitsfachpersonen
Care@home-Modelle bringen tiefgreifende Veränderungen für Gesundheitsfachpersonen mit sich. Die Betreuung im häuslichen Umfeld erfordert ein hohes Mass an Flexibilität, Verfügbarkeit und Anpassungsfähigkeit. Häufig ist eine enge Zusammenarbeit mit Angehörigen notwendig, ebenso wie eine koordinierte interprofessionelle Kooperation. Zunehmend gefragt sind Fähigkeiten, komplexe Situationen im Familiensystem rasch zu erfassen, fundierte therapeutische Entscheidungen zu treffen und diese klar im Team zu kommunizieren. Dafür sind erweiterte klinische und therapeutische Kompetenzen erforderlich, um sicher und eigenverantwortlich handeln zu können. Digitale Technologien – etwa Sensoren zur Überwachung von Vitalparametern, Telekonsultationen oder mobile Labordiagnostik – erweitern das Handlungsspektrum erheblich. Gleichzeitig stellen sie neue Anforderungen an die technischen Fähig- und Fertigkeiten der Fachpersonen, insbesondere im Umgang mit digitalen Tools und deren Integration in den Versorgungsalltag.
Kompetenzen für Care@home- Behandlung
Die psychiatrische Versorgung in häuslichen Umgebungen erfordert ein umfassendes und kontextsensitives Kompetenzprofil. Sieben Kernkompetenzbereiche zeigten sich für Fachkräfte in der psychiatrischen Care@home-Versorgung wesentlich:
- Klinische und diagnostische Kompetenzen: Tiefere Kenntnisse in Psychiatrie, Psychotherapie und somatischen Komorbiditäten sowie Fähigkeiten zur nuancierten Diagnose und zum Management von Krisensituationen.
- Haus- und familienorientierte Pflegefähigkeiten: Fähigkeiten, Interventionen auf die jeweilige häusliche Umgebung und familiäre Dynamik abzustimmen, und Unterstützung von Familien in Veränderungsprozessen.
- Behandlungsplanung und Prozessmanagement: Fähigkeiten bei der Planung und Steuerung individualisierter Behandlungsprozesse, einschliesslich der Koordination interdisziplinärer Teams.
- Kommunikation und interprofessionelle Zusammenarbeit: Aktives Zuhören, empathische Kommunikation und transparente Zusammenarbeit mit multidisziplinären Kollegen und externen Institutionen.
- Teamarbeit und Führung: Fähigkeiten in Konfliktlösung, Förderung der psychologischen Sicherheit und Teamkoordination sowie strategisches Denken und Systemkoordination für Führungskräfte.
- Berufliche Einstellungen und adaptive Fähigkeiten: Hoher Grad an beruflicher Autonomie und Anpassungsfähigkeit, um in dezentralen, patientenzentrierten Umgebungen zu arbeiten.
- Datengetriebene Versorgung und Evaluation: Fähigkeit, klinische und operative Daten zu sammeln, zu analysieren und zu interpretieren, um die Qualität, Sicherheit und Serviceergebnisse zu verbessern.
Diese Kompetenzbereiche bilden die Grundlage für eine wirksame und nachhaltige psychiatrische Versorgung im häuslichen Kontext.
Fazit
Care@home ist ein zukunftsweisender Ansatz in der Gesundheitsversorgung, der neue Versorgungsmöglichkeiten für eine patientenzentrierte Betreuung im eigenen zu Hause eröffnet. Gleichzeitig bringt das Modell auch vielfältige Herausforderungen mit sich – insbesondere in Bezug auf Zusammenarbeit, Verantwortungsstrukturen und technologische Anforderungen. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert die enge Kooperation zwischen Fachpersonen, Patient:innen und Angehörigen sowie den gezielten Einsatz digitaler Technologien. Spezialisierte Weiterbildungsprogramme, wie sie von der Berner Fachhochschule (BFH) und dem Swiss Center for Care at Home entwickelt werden, spielen eine zentrale Rolle dabei, Gesundheitsfachpersonen auf diese neuen Anforderungen vorzubereiten – und so eine qualitativ hochwertige, spitaläquivalente sichere und effiziente Versorgung im häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Ab Herbst ist daher geplant, am Departement TI der BFH einen CAS Enabling und Managing Hospital@Home anzubieten.

Abbildung 1: Kompetenzen für Care@home-Versorgungsmodelle
Referenzen
1 Thilo, F.J.S., Schmid, T. and Seiffert, A. (2023). Hospital@Home – der aktuelle Forschungsstand. Was wir wissen und welche Unklarheiten bestehen. NOVAcura, 54, 5, 13-17.
2 Graf D, Lerch S, Böhnke U, Reichl C, Kindler J, Koenig J, and Kaess M, Treatment outcome of an intensive psychiatric home treatment for children and adolescents: a non-randomized controlled pilot evaluation, Eur. Child Adolesc. Psychiatry. 32 (2023) 685–695. doi:10.1007/s00787-021-01919-y.
3 Denecke K, Reichenpfader D. Preparing for Hospital at Home: A Review of the Current Landscape of Training Practices. Stud Health Technol Inform. 2024 Nov 22;321:48-52. doi: 10.3233/SHTI241060. PMID: 39575778.
Links:
Projektwebseite: https://www.bfh.ch/de/forschung/forschungsprojekte/2023-789-793-005/
Swiss Center for Care At Home: https://www.bfh.ch/de/forschung/forschungsbereiche/swiss-center-for-care-at-home/
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