Digitaler Wandel in der Golfregion: Schweizer Exporteure müssen sich anpassen

Panoramic View Of Manama City In Bahrain

Die arabische Golfregion ist mit beeindruckender Geschwindigkeit im digitalen Zeitalter angekommen. Schnelles Internet bis in die entlegensten Wüsten, der spielerische Umgang mit dem Handy und die Begeisterung und Akzeptanz für digitale Technologien machen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Katar zu einer Wachstumsregion, die in Sachen Digitalisierung in einigen Bereichen die Schweiz überholt. Hiesige Exporteure müssen ihre Strategien anpassen, um in diesem hochdigitalisierten Umfeld erfolgreich zu sein. 

Eine sehr junge Bevölkerung treibt die Digitalisierung in den Golfstaaten (Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate) voran: In Saudi-Arabien ist ein Drittel der Bevölkerung unter zwanzig Jahre alt – in der Schweiz nur ein Fünftel. Als „Digital Natives“ sind sie mit digitalen Diensten in allen Lebensbereichen vertraut und haben hohe Erwartungen an deren Verfügbarkeit, Qualität und Komfort. In der Golfregion bevorzugen Privatpersonen aus politischen (Überwachung; Zensur) und kulturellen Gründen andere Social-Media-Plattformen als in der Schweiz. Snapchat beispielsweise erfreut sich in den Golfstaaten einer aussergewöhnlichen Beliebtheit, was im starken Gegensatz zur Schweiz steht (Abb. 1). Exporteure müssen bei der Kommunikation mit Kunden in den Golfstaaten die unterschiedliche Nutzung der Social-Media-Plattformen und deren Werbereichweite berücksichtigen und ihre digitalen Werbemassnahmen entsprechend anpassen.

Abb. 1: Über Snapchat können in Saudi-Arabien fast drei Viertel der werberelevanten Zielgruppe erreicht werden – in der Schweiz hingegen ist Snapchat recht unbedeutend.

Importprozesse sind Teil des E-Governments

Behörden in der Golfregion nutzen zunehmend digitale Technologien, um die Effizienz und Transparenz von Beschaffungsprozessen zu steigern (Abb. 2) und liegen im E-Government Development Index teilweise vor europäischen Ländern. Der E-Government-Index der Vereinten Nationen misst den Entwicklungsstand der Staaten bei der Nutzung und Bereitstellung digitaler Technologien und Online-Dienste. Insbesondere Saudi-Arabien unternimmt derzeit grosse Schritte, um die Papierbürokratie durch digitale Lösungen zu ersetzen. Ein Beispiel dafür ist «Fasah»[1], ein System, das die Zollabfertigung automatisiert. Exporteure müssen sich mit der neuen, digitalen Verwaltung auseinandersetzen und ihre Prozesse darauf ausrichten.

 

Abb. 2: Digitale Verwaltung: Die Vereinigten Arabischen Emirate haben die Schweiz schon überholt, Saudi-Arabischen holt schnell auf.

Digitale Ausschreibungen erhöhen den Preisdruck

Seit 2021 werden alle öffentlichen Aufträge in Saudi-Arabien auf der digitalen Plattform Etimad[2] ausgeschrieben. Doch werden dort nicht nur Angebote eingereicht. Diese Plattform erleichtert auch die Einreichung und Verfolgung finanzieller Forderungen und die Überprüfung digitaler Verträge. Saudi-Arabien will die Transparenz bei der Vergabe lukrativer Aufträge erhöhen und damit die Beschaffungspreise drücken und die Korruption im Land eindämmen. Die Exporteure haben keine Wahl: Sie müssen sich mit dieser Online-Plattform und den neuen Vergaberegeln vertraut machen, wenn sie an die grossen staatlichen Aufträge kommen wollen.

Fazit

Eine sehr junge Bevölkerung und digital-affine Regierungen beschleunigen die Digitalisierung in den arabischen Golfstaaten. Schweizer Unternehmen können ihre Marktposition in dieser dynamischen Wirtschaftsregion effektiv stärken, in dem sie sich den digitalen Gegebenheiten stellen und ihre Geschäftsstrategien proaktiv daraufhin anpassen. Das Verständnis der lokalen digitalen Präferenzen und der überlegte Einsatz neuer Technologien sind entscheidend, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschliessen.


Publikation zum Thema

In ihrem kürzlich erschienenen Buch zeigen BFH-Forscher Paul Ammann und BFH-Dozent Georg Drissner, wie Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in den arabischen Golfstaaten erfolgreich Geschäfte machen können. Die Region, insbesondere Saudi-Arabien, erfindet sich derzeit jenseits von Öl und Gas neu – und bietet lukrative Möglichkeiten für viele Branchen. Die Analysen des Buchs basieren auf über 30 Interviews mit vorwiegend arabischen Managern und es bietet unverzichtbare Handlungsempfehlungen sowie Insidertipps.

Ethische Fragen, die sich in dieser schwierigen Region stellen, werden nicht ausgeklammert, sondern aus verschiedenen Gesichtspunkten thematisiert. Oft unsichtbare Hürden für europäische Manager werden sichtbar gemacht. Eine Anleitung für alle, die in der Golfregion Händler suchen, Kunden finden oder Niederlassungen gründen wollen – und die Dinge nicht nur wissen, sondern auch verstehen wollen.

 


Referenzen

[1] https://www.fasah.sa/trade/sau/html/en_US/ImporterServices.html

[2] https://portal.etimad.sa/en-us/aboutetimad/indexabout

Creative Commons Licence

AUTHOR: Paul Ammann

Paul Ammann leitet die Forschungsgruppe «International Management» der BFH-TI. Er forscht und publiziert im Bereich des Exports industrieller Unternehmen.

AUTHOR: Gerald Drissner

Gerald Drissner ist Dozent an der BFH, freier Journalist und Buchautor. Der Diplom-Volkswirt und Absolvent der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg (2004/2005) war zunächst Reporter beim Magazin Stern. Später hat Drissner mehr als zehn Jahre in arabischen und islamischen Ländern gelebt und gearbeitet. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Axel-Springer-Preis.

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