Wie digitale Werkzeuge die Zusammenarbeit im Exportgeschäft verbessern

In einem Innosuisse-Projekt haben die Berner Fachhochschule und die Fachhochschule Graubünden untersucht, wie digitale Werkzeuge und Plattformen die Zusammenarbeit zwischen Exporteur*innen und internationalen Vertriebspartner*innen verbessern können. Ziel war es, die Selektions-, Qualifizierungs-, Motivations- und Evaluierungsprozesse des Vertriebspartnermanagements zu optimieren. Das Projektteam entwickelte ein innovatives Beratungsinstrument, mit dem die Exportförderungsorganisation Switzerland Global Enterprise exportierende Unternehmen unterstützt.

In der heutigen globalisierten und digitalisierten Welt ist der Export für viele Unternehmen unerlässlich. Tatsächlich wickeln viele Unternehmen in der Schweiz einen grossen Teil ihrer internationalen Geschäfte über internationale Vertriebspartner ab, insbesondere wenn sie zu klein sind, um eigene Verkaufsniederlassungen im Ausland aufzubauen. Allerdings bereitet das Management dieser Partnerschaften vielen Unternehmen Schwierigkeiten. Häufig fehlt eine systematische Herangehensweise bei der Auswahl von Partnern, die Ausbildung der Vertriebspartner wird vernachlässigt und es entstehen Zielkonflikte. Diese Faktoren können zu Unzufriedenheit und Frustration bei den Vertriebspartnern führen, was sich negativ auf das Geschäft auswirken kann. In einer Umfrage bei 155 Schweizer KMU haben über 70% der befragten Unternehmen das Management von ausländischen Vertriebspartnern als grosse Herausforderung eingestuft. Die Zusammenarbeit mit internationalen Vertriebspartnern birgt einige Aspekte, die berücksichtigt werden müssen. Schwierig ist es, Partner mit passender Fachkompetenz zu finden. Zudem zeigen sie oft wenig Engagement für die Produkte der Exporteure. Kundeninformationen werden nicht geteilt, und der Wechsel von Mitarbeitenden erschwert die Kooperation. Kulturelle Unterschiede stellen weitere Hürden dar. Diese Herausforderungen erfordern einen klar strukturierten Prozess für die Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern, um sie erfolgreich zu bewältigen.

Fokus des Innosuisse-Projekts

Ein Innosuisse Projekt der Berner Fachhochschule und der Fachhochschule Graubünden konzentrierte sich darauf, wie der Prozess des Vertriebspartnermanagements verbessert werden kann und wie digitale Anwendungen zur Optimierung der vier kritischen Teilprozesse – Selektion, Qualifizierung, Motivation und Evaluation von internationalen Partnern (Abbildung 1) – beitragen können. Das Projekt schlägt eine strukturierte Herangehensweise vor, bei der die Internationalisierungsstrategie des Unternehmens analysiert wird und damit die konkreten Anforderungen an die Vertriebspartner erarbeitet werden. Zentrale Teilprozesse wurden durch Best Practice Beispiele verdeutlicht und es wurden Instrumente erarbeitet, die die Unternehmen bei der Umsetzung des Prozesses unterstützen.

 

Abbildung 1. MIPd – Managing International Partnerships – Die vier Teilprozesse des Vertriebspartnermanagements

Optimierung der Teilprozesse des Vertriebspartnermanagements

Der erste Teilprozess, die Selektion von Vertriebspartnern umfasst die Erstellung und Verfeinerung von Kandidatenlisten, die Entwicklung eines Geschäftsplans mit dem potenziellen Vertriebspartner sowie den Abschluss eines Kooperationsvertrags. Die Suche nach einem Partner kann sowohl aktiv als auch passiv erfolgen und beinhaltet die Analyse der Internationalisierungsstrategie und die Festlegung der Aufgabenteilung zwischen Exporteur und Vertriebspartnern. Unter der passiven Suche wird verstanden, dass sich potenzielle Vertriebspartner beim Unternehmen melden und dieses die Interessenten auf ihre Eignung als Vertriebspartner prüft. Die Selektion von Vertriebspartnern stellt oft eine Herausforderung dar, da Unternehmen auf eine unstrukturierte Auswahl zurückgreifen, die Zusammenarbeit mit Berater*innen schwierig ist und die unzureichende Definition von Suchkriterien zu unerwünschten Ergebnissen führt. IT-Anwendungen wie beispielsweise Content Marketing und Marketing Automation können eine entscheidende Rolle spielen, indem sie die Sichtbarkeit des Unternehmens im Ausland erhöhen und damit die passive Suche nach geeigneten Vertriebspartnern unterstützen.

Im Anschluss wird die Qualifizierung und Schulung der Partner wichtig. Hier zeigen sich ‘Pain Points’ in Form von mangelndem Wissen und fehlenden Fähigkeiten bei den Vertriebspartnern sowie einem unsystematischen Transfer von Know-how. Zur Optimierung dieses Prozesses ist eine sorgfältige Analyse der Aufgabenteilung zwischen Exporteur und Vertriebspartner und eine Bestimmung des Ausbildungsbedarfs notwendig. E-Learning-Plattformen, Augmented Reality und Virtual Reality sind Beispiele für IT-Anwendungen, die den Wissenstransfer systematisieren und somit die Qualifizierung der Partner erleichtern können. Durch diese Anwendungen können die Partner gezielt ihr Wissen über die Produkte des Exporteurs, dessen Verkaufsstrategien und über Markttrends vertiefen. Zusätzlich können Augmented Reality und Virtual Reality genutzt werden, um realitätsnahe Simulationen von Verkaufsszenarien zu erstellen. Die Partner könnten somit praktische Erfahrungen sammeln und ihre Vertriebsfähigkeiten verbessern, ohne dass es zu direkten Auswirkungen auf das tatsächliche Geschäft kommt. Solche Technologien ermöglichen eine effiziente und wiederholbare Schulung, die die Mitarbeitenden des Vertriebspartners auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit vorbereitet und den Wissenstransfer systematisiert.

Der nächste Schritt ist die Motivation der Vertriebspartner. Ein häufiger Stolperstein diesem Bereich ist der unzureichende proaktive Verkauf der Partner, weil diese meistens die Produkte mehrerer Lieferanten vertreten. Zur Optimierung empfiehlt es sich, klare Zielsetzungen zu definieren und gezielte Motivationsmassnahmen zu planen. Hier können IT-Anwendungen wie E-Commerce-Plattformen und Portale die Motivation durch geeignete Anreize fördern und die Einbindung der Partner in den Vertriebsprozess des Lieferanten unterstützen. Ein Beispiele für einen solchen Anreiz ist der Zugang zu einem breiteren Kundenstamm: Durch die Nutzung von E-Commerce-Plattformen und Portalen können die Vertriebspartner Zugang zu einem grösseren Kundenstamm erhalten. Dies kann ihre Umsatzchancen erhöhen und ihre Motivation steigern, da sie das Potenzial haben, ihre Reichweite zu erweitern und neue Märkte zu erschliessen. E-Commerce ermöglicht im weiteren eine bessere Transparenz im Vertriebsprozess. Die Vertriebspartner erhalten Zugriff auf Echtzeitdaten zu ihren Verkaufszahlen, Lagerbeständen und Kundenverhalten. Diese Transparenz ermöglicht es ihnen, ihre Leistung zu überwachen und gezielt zu optimieren. Ein weiterer Anreiz ist die effiziente Bestellabwicklung: Die Nutzung von E-Commerce-Plattformen vereinfacht die Bestellabwicklung und Logistikprozesse. Dies bedeutet, dass die Vertriebspartner effizienter arbeiten können und weniger Zeit für administrative Aufgaben aufwenden müssen. Dadurch können sie sich stärker auf den Vertrieb und die Kundenbetreuung konzentrieren.

Schliesslich ist die Evaluation der Partner ein wesentlicher Teil des Managements von internationalen Vertriebspartnerschaften. Unternehmen stehen hier vor der Herausforderung, geeignete Evaluationskriterien festzulegen und den Erfolg der Partnerschaft zu messen. Durch die Strukturierung und Vereinfachung von Evaluationsprozessen und -kriterien können IT-Anwendungen wie ein Online-NPS (Net Promoter Score) dazu beitragen, dass Unternehmen ihre Partnerschaften effektiv bewerten und gegebenenfalls anpassen können. Wichtig ist in diesem letzten Schritt, dass es eine gegenseitige Bewertung ist und nicht allein der Hersteller in der Schweiz seine Vertriebspartner im Ausland bewertet.

Fazit

Durch die sorgfältige Optimierung dieser vier Teilprozesse mit Unterstützung von digitalen Anwendungen können Unternehmen die Effizienz und Effektivität beim Management ihrer internationalen Vertriebspartner erheblich steigern. Das Innosuisse-Projekt zeigt auf, wie durch den Einsatz moderner Technologien und einem strategischen Vorgehen die Zusammenarbeit zwischen Exporteuren und ihren internationalen Vertriebspartnern signifikant verbessert werden kann, was zu einer höheren Kundenzufriedenheit und letztendlich zu einem erfolgreichen internationalen Geschäft führt.


Mehr Informationen

Forschungsgruppe International Management

Institut Marketing und Globales Management an der BFH Wirtschaft

Schweizerisches Institut für Entrepreneurship an der FH Graubünden

Creative Commons Licence

AUTHOR: Paul Ammann

Paul Ammann leitet die Forschungsgruppe «International Management» der BFH-TI. Er forscht und publiziert im Bereich des Exports industrieller Unternehmen.

AUTHOR: Ralph Lehmann

Ralph Lehmann ist Professor für International Business an der Fachhochschule Graubünden. In seiner Forschung und Lehre beschäftigt er sich mit der Internationalisierung von kleinen und mittleren Unternehmen.

AUTHOR: Anna Knutti

Anna Knutti ist Dozentin am Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule. Sie leitet verschiedene Studiengänge in der Weiterbildung und unterrichtet die Fächer Marketing und Consumer Behavior.

AUTHOR: Shauna Künzi

Shauna Künzi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Graubünden. In ihrer Forschung und Lehre beschäftigt sie sich mit Fragen der Innovation und Internationalisierung.

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