SmartSDM: Die Verwendung digitaler Tools und Wearables bei psychisch schwerkranken Menschen
Ein Forschungsprojekt der BFH hat untersucht, wie digitale Tools und Wearables-Geräte bei psychisch schwerkranken Menschen genutzt werden.
Digitale Transformation und schwere psychische Probleme
Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen wie Psychosen oder schweren Depressionen profitieren bislang kaum von den Fortschritten der digitalen Gesundheitsversorgung. Während zahlreiche Apps und Online-Angebote für Menschen mit leichten bis moderaten psychischen Belastungen entwickelt wurden, etwa zur Selbsthilfe oder zur Ergänzung klassischer Therapien, bleibt eine besonders vulnerable Gruppe weitgehend aussen vor. Dabei betrifft diese Problematik schätzungsweise bis zu zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung [1].
Ein Forschungsteam der Berner Fachhochschule (BFH) will diese Lücke schliessen und untersucht gezielt, wie digitale Technologien auch für Menschen mit komplexen psychischen Erkrankungen sinnvoll und alltagstauglich nutzbar gemacht werden können. Im Zentrum steht dabei nicht nur die Frage nach der technischen Machbarkeit, sondern auch nach Akzeptanz, Zugänglichkeit und dem konkreten Nutzen für die Betroffenen.
Das Ziel des Projekts ist es, besser zu verstehen, welche digitalen Geräte und Anwendungen diese Menschen bereits nutzen, welche Hürden bestehen, etwa im Umgang mit Technik oder im Vertrauen in Datenschutz, und wie digitale Angebote gestaltet sein müssten, um tatsächlich zu helfen. Damit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag, um digitale Gesundheitsversorgung inklusiver zu gestalten und auch Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen in die digitale Zukunft des Gesundheitssystems einzubeziehen.
Schritt 1: Umfrage
In einem ersten Schritt wurde eine Umfrage durchgeführt [2]. Die Studie basiert auf einer Umfrage unter 68 Teilnehmenden (27% Rücklauf) einer psychiatrischen Reha-Einrichtung in der Schweiz, die gefragt wurden, wie sie digitale Geräte und Anwendungen nutzen. Die Befragten gaben an, überwiegend Smartphone-Besitz, aber nur eingeschränkten Zugang zu Wearables wie Smartwatches oder Fitbits zu haben – diese wurden deutlich seltener verwendet.
In Bezug auf Software-Anwendungen auf diesen Geräten lag der Fokus vor allem auf Kommunikation, Alltagsorganisation und Gesundheit: Viele nutzten digitale Tools zur Terminverwaltung oder zur Informationssuche zu Gesundheitsthemen. Ängste bezüglich Datenschutz oder technischer Überforderung wurden geäussert, was ein Hindernis bei der Verwendung solcher Geräte und Dienste sein kann.
Insgesamt zeigt die Umfrage: Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen in der Schweiz nutzen digitale Geräte, insbesondere Smartphones, durchaus im Alltag und begrüssen Angebote zur Unterstützung ihrer Gesundheit – jedoch sind Barrieren wie fehlender Zugang zu Wearables, Unsicherheiten bei Datenschutz und eingeschränkte digitale Fähigkeiten wichtige Faktoren, die berücksichtigt werden müssen.
Schritt 2: Pilotstudie
In einem zweiten Schritt wurde eine Pilotstudie durchgeführt [3]. Die Forschenden haben 10 Personen aus einer Schweizer psychiatrischen Rehabilitationseinrichtung mit Wearables ausgestattet und in einer Umfrage untersucht, ob und wie oft die Geräte getragen wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Tragezeit der Wearables insgesamt erfreulich hoch war: Im Schnitt nutzten die Teilnehmenden die Geräte rund 20 Stunden täglich. Dieses Resultat ist ermutigend, denn eine regelmässige und verlässliche Nutzung bildet die Grundlage dafür, dass die gesammelten Daten tatsächlich zur Unterstützung gesundheitsbezogener Entscheidungen herangezogen werden können.
Die Studie zeigte eine grosse Spannbreite in der Nutzung der Wearables: nicht alle Teilnehmenden nutzten die Geräte gleich intensiv. Diese Variabilität unterstreicht, dass digitale Technologien im Gesundheitsbereich hohen Ansprüchen gerecht werden müssen, um sich im Alltag tatsächlich durchzusetzen. Damit Wearables von den Betroffenen akzeptiert und dauerhaft genutzt werden, müssen sie einen klar erkennbaren, unmittelbaren Mehrwert bieten, etwa durch individuell relevante Informationen oder konkrete Unterstützung im Alltag. Genau diese Anforderung macht die Entwicklung und Erforschung solcher Technologien für spezielle Zielgruppen besonders anspruchsvoll.
Wie weiter?
Es braucht eine grösser angelegte Studie, um zu untersuchen, wie Wearables bei Menschen mit psychischen Problemen eingesetzt werden können und welche Barrieren möglicherweise vorhanden sind. Entscheidend ist dabei der Einbezug von Betroffenen, die selbst am besten definieren können, wie und auf welcher technologischen Plattform eine Unterstützung zielführend ist.
Links
Forschungsprojekt: https://www.bfh.ch/de/forschung/forschungsprojekte/2022-873-154-790/
Referenzen:
[1] Gühne, U., Becker, T., Salize, H. J., & Riedel-Heller, S. G. (2015). Wie viele Menschen in Deutschland sind schwer psychisch krank?. Psychiatrische Praxis, 42(08), 415-423.
https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0035-1552715
[2] Richter, D., Schwarze, T., & Kurpicz-Briki, M. (2024, May 6). Use of digital devices and applications by people with severe mental illness in Switzerland. https://doi.org/10.31234/osf.io/n8t6h
[3] Richter, D., Hasler, M., & Kurpicz-Briki, M. (2024, May 11). Adherence to wearables by people with severe mental illness in Switzerland: Time-use study. https://doi.org/10.31234/osf.io/bjzrh

Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!