Schweizer Digitalgipfel – neuer Schwung gibt Hoffnung

Digital Gipfel Schweiz 2025

Bürgenstock, weiter Ausblick, angenehmes Ambiente, Distanz zum Alltag: Der 7. Digitalgipfel der Schweiz am 19. Und 20. Mai führte die Promotoren der digitalen Transformation in Wirtschaft, Hochschulen und Staat zusammen. Mit elektronischer Identität (eID), Künstliche Intelligenz (KI) und digitale Souveränität standen drei Schlüsselthemen für die digitale Zukunft der Schweiz im Zentrum.

eID

25 Jahren nach den ersten Ideen und 15 Jahre nach dem ersten halbherzigen Versuch mit der SuisseID, soll die Schweiz nächstes Jahr endlich eine eID bekommen. Am 28. September wird das Volk über das vorliegende eID-Gesetz (BGEID) abstimmen. Und es ist alles andere als klar, wie die Abstimmung ausgehen wird. Denn das Vorgängergesetz wurde 2021mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Diesmal ist die Lage anders, aber den substanziellen Verbesserungen im Vorgehen und im Inhalt des Gesetzes stehen neue gesellschaftliche Verwerfungen gegenüber, die auch Ängste schüren. Was dabei in der Diskussion oft zu kurz kommt, ist das Big Picture, welches das Digital Wallet statt nur die eID betrachtet, und dessen Rolle als digitale Infrastruktur für Verwaltung und Wirtschaft. Umso wichtiger ist es, dieses Thema umfassend zu besprechen.

KI

Künstliche Intelligenz dominiert den Digitalisierungsdiskurs immer stärker – in der Schweiz wie überall. Sie ist seit langem selbstverständlicher Teil der Wirtschaft – mit Anwendungen in Bereichen, in denen man es nicht erwarten würde, beispielsweise in der Landwirtschaft. Aber vor allem in den letzten Jahren hat sie dank spektakulärer Fortschritte bei der generativen KI viele berufliche Aufgaben substanziell verändert, was zunehmend auch mit dem Abbau von Mitarbeitenden einhergeht. Aber im Rahmen des Hypes gab und gibt es auch viele gescheiterte Projekte. So ist es nur natürlich, dass Wunderglauben, praktische Frustrationen und dystopische Ängste sich zu einer seltsamen Gemengelage mischen. Selbst vermeintliche Insider*innen erzählen groben Unfug. Und einige der derzeitigen Ideen für den praktischen Einsatz sind bedrohlich – beispielsweise das Aufziehen eines Governance-Apparats, der viel Bürokratie, aber voraussichtlich wenig Schutz vor Schaden bringen wird. Da ist eine Bestandsaufnahme wichtig: Wo steht die Welt? Wo steht die Schweiz?

Digitale Souveränität

Die Weltordnung löst sich auf. Die USA wollen die Globalisierung nach ihren Interessen neu gestalten und die Herrschaft des Stärkeren durchsetzen. Ihr Mittel zur Durchsetzung ist chaotische Willkür. Der Schweiz drohen, dass sie tatsächlich sehr kurzfristig von Chiptechnologie abgeschnitten werden könnte oder von asiatischen Studierenden und Forschenden, welche für die aktuelle Forschung in der Schweiz eine wichtige Ressource sind. Mittlerweile ist vieles vorstellbar, was bis vor kurzem absurd erschien. Deshalb ist die digitale Souveränität zu einem Schlüsselthema geworden. Irgendwie war sie immer schon «eigentlich wichtig». Aber in der Praxis war sie ein Orchideenfach an den Hochschulen (und primär das verwandte Thema digitale Selbstbestimmung in der Bundesverwaltung populär). Neu ist die digitale Selbstbestimmung auf dem Weg zur politische Causa Prima. Umso wichtiger ist es, die Wirtschaft am Diskurs zu beteiligen.

Werte und Vertrauen

Viele der Vorträge und Diskussionsbeiträge beschäftigten sich auch mit Werten und Vertrauen. Alle drei Themen sind eng verknüpft mit Werten und Vertrauen. Wie wir die Qualität der eID beurteilen, hängt stark davon ab, was uns wichtig ist und wofür wir uns fürchten. Wie wir zu KI-Nutzung stehen, hängt einerseits stark davon ab, ob wir intransparenten technischen Lösungen vertrauen. Anderseits sind die Vorstellungen, was man mit KI tun sollte und wohin die Forschung dazu gehen sollte, sehr unterschiedlich. Verschiedene digitale Vorreiter*innen wollen KI fürs Automatisieren, Überwachen und emotionales Manipulieren nutzen, einige Ökonom*innen argumentieren dagegen, dass KI zur Befähigung der Menschen grösseren volkswirtschaftlichen Nutzen brächte (und eher vereinbare wäre mit gesellschaftlicher Freiheit und Gerechtigkeit). Und auch digitale Selbstbestimmung und digitale Souveränität sind selbstverständlich Wertefragen. Am Digitalgipfel drehten sich vieles darum, wie man in der digitalen Welt Schweizer Werte pflegen und valorisieren kann und wie man mehr Vertrauen der Bevölkerung in digitale Technologien gewinnen kann.

Gipfelerfahrungen

Der Digitalgipfel war in mehrfacher Hinsicht erfolgreich. Er ermöglichte das Sich-Vernetzen und den Austausch von Perspektiven (was allerdings auch jede/r erwartet). Er verteilte wichtiges Wissen über alles, was aktuell läuft (wobei auch für die Insider*innen waren viele Informationen neu waren). Er stellt die grosse Vielfalt an Sichtweisen aus (oft geht es bei Digitalisierung zu 80% nur um banale Effizienzgewinne; für manche Vorhaben wie das schnelle Skalieren müssen Schweizer Moralprinzipien über Bord geworfen werden; wo die Ethiker*innen Armut sehen, sehen die Praktiker*innen Diktaturen; etcpp.). Er schaffte Bewusstsein für die Dringlichkeit eines Engagements für mehr digitale Transformation (gerade auch in der Infrastrukturpolitik). Und er vermittelte Zuversicht: Die Schweiz hat viele Verhaltensweisen grundlegend geändert, ebenso wie Digitalswitzerland, und es wird wieder vorwärts gemacht.

Konkret zu den drei Themenfeldern

Im Bereich der eID wurden das Herangehen und wesentliche Aspekte der Lösung vorgestellt. Neu setzt man auf breite verwaltungsinterne Expertise und offene Partizipation. Der Kern der Lösung ist, dass verifizierbare digitale Zertifikate ausgestellt werden, die sich danach vollständig unter der Kontrolle der Benutzerin / des Benutzers befinden. Sie / er entscheidet, wem sie gezeigt werden, die ausstellenden Institutionen erfahren es nicht, wenn sie hergezeigt werden. Eine ausführliche Analyse dazu wird im Sommer auf Societybyte erscheinen.

International gibt es den Versuch, globale Standards zur sicheren Nutzung von verifizierbaren digitalen Zertifikaten zu schaffen, Die Schweiz agiert dabei als Geburtshelfer. Dazu wird am 30. Juni ein Beitrag auf Societybyte erscheinen.

Im Bereich der KI werden unter anderem nationale LLMs (Large Language Models) entwickelt, welche Schweizer Werte (u.a. kein Datenklau!) berücksichtigen, mehrsprachig sind, und auf Schweizer Begrifflichkeiten und Konzepte abgestimmt werden. Dazu wird am 23. Juni ein Beitrag auf Societybyte erscheinen.

Und für die digitale Souveränität engagiert sich neben dem BAKOM auch die Bundeskanzlei. Ein wesentliches Teilthema dabei sind die Schweizer Datenräume. Sie dienen nicht nur dazu die Digitalisierung der Wirtschaft zu erleichtern (weil sie die Datenverfügbarkeit erhöhen), sondern stärken auch die Unabhängigkeit gegenüber dem Ausland. Dazu gibt es Ende Sommer zwei Veranstaltungen der Zivilgesellschaft: Am 26. August findet im Berner Rathaus die Tagung Informatik und Recht des Vereins eJustice.ch statt, die dieses Jahr sich ganz dem Thema Datenräume widmet. Und am 2. September findet in Rotkreuz das Swiss Data Space Forum der Swiss Data Alliance statt.

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AUTHOR: Reinhard Riedl

Prof. Dr. Reinhard Riedl ist Dozent am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft. Er engagiert sich in vielen Organisationen und ist Mitglied des Steuerungsausschuss von TA-Swiss. Zudem ist er u.a. Vorstandsmitglied von eJustice.ch, Praevenire - Verein zur Optimierung der solidarischen Gesundheitsversorgung (Österreich) und All-acad.com.

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