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Die Smart City bringt auch moralische Herausforderungen

Die smarte Stadt assoziieren die meisten mit vernetzten Gebäuden oder selbstfahrenden Bussen – eben mit Technologie. Die in ihr lebenden Menschen tauchen in Studien und Projekten bisher kaum auf. Doch eine Stadt kann nur so smart sein, wie ihre Einwohnerinnen und Einwohner. Ein Plädoyer für eine ganzheitliche Sichtweise. 

«Smart City» ist in aller Munde: Politik und Wirtschaft versprechen sich eine höhere Lebensqualität, Technisch scheint, wie so oft künftig alles möglich und verfügbar zu sein. Zwar bedeutet Smart City für jeden von uns etwas anderes, aber viele assoziieren eine smarte Stadt mit vollem Service in hybriden Häusern und selbstfahrenden Autos, die sich alle teilen. Ein geteiltes Auto ersetzt acht individuelle. Parkplätze brauchen wir dann praktisch keine mehr. 2035 ist alles suffizient und effizient, der Kohlendioxid-Ausstoss reduziert und wir dank des technischen Fortschritts glücklich und zufrieden. Wir stellen uns vor, dass bis dahin das heute Unmögliche möglich geworden ist – dank effizienterer Nutzung der Ressourcen und der Analyse von Unmengen von persönlichen Daten.

Stadt ist nur so smart wie ihre Bevölkerung

Bisher wurden wir, die Menschen, die bei dieser Entwicklung zwangsläufig mitspielen und die wir diese Daten quasi als Abfallprodukt und Krümelspuren im Internet produzieren, nicht in die Debatte um die Zukunft einbezogen. Kritik an «Smart City» oder die Ahnung, dass das Unmögliche zwar möglich, aber voraussichtlich trotzdem ganz anders sein wird, ist noch leise. Fragen, wem die heutigen Nebenprodukte und Daten gehören, die einst den neuen Wirtschaftsmotor und das Kapital bedeuten werden, sind meist noch nicht gestellt worden und schon gar nicht beantwortet.

Eine Stadt ist nicht intelligent, sie ist nur so intelligent wie ihre Bewohnerinnen und Bewohner. Smart City oder die Stadt der Zukunft ist eine Frage der Resilienz. Städte stellen sich neben den technischen Entwicklungen auch noch anderen, globalen Herausforderungen:

  • Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturwandel
  •  Treiber wie Ressourcenverknappung
  • Demographischer Wandel
  • Bevölkerungszunahme
  • Urbanisierung
  • Klimawandel.

Chancen diesen Herausforderungen zu begegnen, bietet eine städtische Daseinsfunktion mit minimiertem Ressourceneinsatz. Dies nicht nur in Bezug auf energiesparende Bauweise. Grund und Boden können auch in Zukunft nicht vermehrt werden. Unter der Prämisse der Verdichtung einerseits und des Wertewandels in der Gesellschaft (Besitz versus Verfügbarkeit) andererseits, ist dies zwingend. Das wirtschaftliche Wachstum hat zur Folge, dass sich der Wettbewerb um Raum sowie Lebens- und Wohnqualität zuspitzt. Verdichtung ist ohne namhafte Eingriffe und Veränderungen nicht zu haben. Damit Lebensqualität und städtebauliche Veränderungen sich nicht gegenseitig ausschliessen sondern aktivieren, müssen diese Eingriffe mit Respekt vor Geschichte und Bestehendem und insbesondere entlang den Bedürfnissen aller Betroffenen vorgenommen werden. Dies kann nur entlang von Beteiligung und Teilhabe gelingen. Smarte Lösungen die uns Synergiepotential zeigen und Effizienz und Suffizienz generieren sind dabei eine Bereicherung. Die Vernetzung von Daten und das Teilen von «Big data», sind von grossem Nutzen. Nicht nur zu Forschungszwecken sondern aufgrund ihres unermesslichen Potentials bilden sie auch die Basis und Chance von und für innovative nachhaltige oder eben smarte Lösungen, die es angesichts der eminenten Herausforderungen zwingend braucht.

Smarte Stadt muss komplexe Probleme lösen

Bevölkerungswachstum und gesellschaftlicher Strukturwandel erfordert jedoch auch eine smarte Gesellschaft, die fähig ist, alternative Denk-, Planungs- und Handlungsweisen zu entwickeln und umzusetzen – mit ganzheitlichen Lösungen, die bedeuten:

  • Gelegenheiten zu erkennen und die Konditionen und Rahmenbedingungen für eine zukunftsweisende dynamische Entwicklung zu schaffen, was heute wichtiger ist, als eine festgeschriebene unveränderliche Lösung bereit zu haben
  • das Quartier als Teil eines konkreten Entwicklungsprogrammes zu betrachten
  • dass der Planungsprozess als solcher den Rahmen bildet, um top down und bottom up in Initiativen zusammenzuführen
  • dass Raum- und Nutzungsstrukturen festgelegt werden, die von bisherigen und künftigen Nutzerinnen und Nutzern bespielt werden und diese zu den Produzentinnen und Produzenten des Raums machen
  • dass Raumplanung als Gesellschaftspolitik wahrgenommen wird, um neue unkonventionelle Planungsprozesse anzustossen und zu moderieren.

Smart City kann nicht dem Ziel dienen, gewachsene Infrastrukturen und Bestehendes über Bord zu werfen um ein paralleles System aufzubauen. Das Postulat liegt in der Gesamtverantwortung. Smart City ist nur bedingt verantwortbar. Die Bedingung ist einerseits Bestehendes einzubinden und andererseits den Menschen und das menschliche Mass, ganz besonders den Einbezug des Menschen nie aus den Augen zu verlieren. Erste Infrastruktur bleibt der Mensch. Durchaus manchmal smart – aber auch ein emotionales und soziales Wesen, das sich nicht einfach berechnen oder digitalisieren lässt.

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Wie smart sind Schweizer Städte?

Städte als Orte des zwischenmenschlichen Austauschs, von Wohlstand und Innovation mit sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Freiräumen unter Berücksichtigung von Ungleichheit und Andersartigkeiten sind auch bei uns ungebrochen attraktiv. Geprägt durch neue Herausforderungen wie zum Beispiel die Digitalisierung und den Klimawandel respektive den Ressourcenverschleiss stehen Städte vor grossen Aufgaben. Zudem wird unser urbaner Alltag immer komplexer.

Neben den Anforderungen steigen auch die Ansprüche der Bevölkerung: effiziente Dienstleistungen, Transparenz und stabile Lebensbedingungen sind gefragt. Die BewohnerInnen der Städte wollen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und gleichzeitig ihre sozialen Freiräume zugesichert haben. Die hohe Lebensqualität soll möglichst durch den Einsatz der neusten Errungenschaften der Digitalisierung gewährleistet werden. Alles soll besser und digitaler laufen. Smart City ist dabei der neue Dachbegriff, der neuartige Lösungsansätze verspricht. Kritiker nennen es eine Verheissung der TechnologiefanatikerInnen, die an den wahren Bedürfnissen der Stadtbewohnenden vorbei agiert. Die Befürwortenden sehen hingegen ein riesiges Potential mittel Nutzung von Technologien und einer vernetzten themenübergreifenden Herangehensweise, um bessere Lösungen für die künftige Stadtentwicklung zu ermöglichen.

Und wo stehen wir mit diesem Thema in der Schweiz? Um es vorweg zu nehmen: Die Ideen dieses Entwicklungskonzepts fassen langsam Fuss. Das Konzept wird immer besser verstanden. Einige Städte sind mit ersten Initiativen gestartet und probieren etwas aus, wenn auch mit Verspätung, aber gutschweizerisch bedächtig und zunehmend mit mehr Dynamik. Fast alle, insbesondere die grossen Städte sind sich bewusst, dass sie sich dabei auf einen hürdenreichen Weg begeben, der Zeit braucht. Andererseits werden aber v.a. von der Politik schnelle Erfolge verlangt.

Grosse Herausforderung für klassische Hierarchien

Die Umsetzung einer Smart City ist insbesondere in organisatorischer Hinsicht eine grosse Herausforderung für unsere meist klassisch hierarchisch aufgestellten Stadtverwaltungen. Es ist klar, dass „silohaft“ organisierte Strukturen für eine vertiefte und vernetzte Zusammenarbeit mit verschiedensten Partnern hinderlich sind. Vernetzte agile und vielfältig zusammengesetzte Projektteams sind in diesem Verwaltungskontext Neuland. Dazu kommt, dass, zumindest in der Startphase, eine vernetzte Lösungssuche personell und finanziell deutlich aufwendiger ist, insbesondere im Bereich der Kommunikation.
Eine intelligente Stadt orientiert sich zwingend an den Bedürfnissen der Stadtbevölkerung. Häufig sind die Befindlichkeiten und Wünsche der BewohnerInnen in den städtischen Verwaltungen nur unzureichend oder gar nicht bekannt. Hier haben die Städte noch einen grossen Nachholbedarf, denn partizipative Elemente stellen für das Gelingen von Smart City-Aktivitäten einen zentralen Erfolgsfaktor dar. Technologie kann ein nützliches Werkzeug bei der Lösungsfindung und Bearbeitung von Herausforderungen sein. Sie ist aber nie mehr als Mittel zum Zweck, kann niemals Selbstzweck sein. Denn wenn es darauf hinausläuft, dass alles mit allem vernetzt wird, sind wir mit Bestimmtheit nicht smarter!

Smart ist individuell

Städte gehen ihre zukünftigen Herausforderungen in der Praxis sehr individuell an. Und das ist auch gut so, denn eine gültige Blaupause gibt es nicht, auch eine klare Definition oder ein Label für Smart Cities fehlen noch. Zürich ist nicht Basel, ist nicht Winterthur oder St. Gallen und schon gar nicht die Agglomerationsgemeinde Pully. Jede Stadt oder Gemeinde hat ihre eigene Geschichte, entwickelt eigene Vorstellungen von ihrer Zukunft und damit auch auf ihre Vorstellungen zugeschnittene Prioritäten. Klar ist aber auch, dass es trotz aller Verschiedenheit einen grossen Teil an gemeinsamen Herausforderungen gibt, bspw. was den demografischen Wandel oder die regionale Zusammenarbeit angeht. Rund 20 Städte sind konkret daran, das Thema Smart City übergeordnet zu bearbeiten, Lösungen auch unter Einbezug von neuen externen Partnern zu entwickeln und „Anfassbares“ oder Pilotprojekte zu realisieren. Auch mittlere und kleine Städte wie Wil SG, Aarau oder Wädenswil starten erste Initiativen. Oft sind es „spontane“ Projekte, die sich nach den Opportunitäten vor Ort richten. Aber auch ganze Kantone wie Genf oder Basel nähern sich dem Thema.

Von Mobilität bis Gartenbau

Dabei sind die Handlungsfelder vielfältig: Energiefragen, Quartierentwicklungen, wie auch der Diskurs um vernetzte Mobilitätsdienstleistungen bis hin zu Nachbarschaftsnetzwerken und vertikalen städtischen Gartenbau- oder Gesundheitsthemen lassen viel Spielraum für Handlungsfelder. Zentral ist, dass sich Städte auf neue Zusammenarbeitsformen einlassen und diese austesten, ohne zu vergessen, dass Sie auch von anderen lernen können und auch mal etwas nicht gelingen kann. Das Programm Smart City Schweiz von Energieschweiz unterstützt Städte neue und oft komplexe Wege zu beschreiten. Dies im Wissen, dass gemeinsame und abgestimmte Lösungen besser getragen und effizienter sind. Es braucht neue Partnerschaften mit einem besseren Verständnis der Komplexität und der Möglichkeiten zur Umsetzung. Wir stehen in der Schweiz nicht mehr am Anfang, tauchen an sehr vielen Stellen ins Thema ein und sind in vielerlei Hinsicht gut aufgestellt. Eine smarte Bevölkerung und eine gute Infrastruktur sind da. Den Vergleich mit dem Ausland haben wir dabei nicht zu scheuen. Unsere Städte bieten viel und rangieren im Vergleich selbst weltweit an den vordersten Stellen. Nun gilt es, die Wege künftig gemeinsam zu gehen, um unsere Städte auch langfristig attraktiv zu gestalten und zu erhalten.

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Juniausgabe: Ist die Digitalisierung der Stadt wirklich so belanglos?

Was ist eine «Smart City»? Fast immer verweist der Begriff auf den Einsatz von technikgetragenen Innovationen, um eine Stadt attraktiver zu machen. Es ist aber nicht möglich den vielfältigen Verwendungen des Begriffs eine gemeinsame Bedeutung zuzuweisen, auch wenn zwei beliebig ausgewählte Verwendungen des Begriffs meist Gemeinsamkeiten aufweisen. So weit, so einfach – und schon bei Wittgenstein nachzulesen. Smart City ist aber mehr: Es steht für das allumfassend Kluge, quasi «Weltversöhnung am Beispiel Stadt». Oder eben für «Das Smart». Das ist gut so – dann und nur dann, wo die Sprachhülle mit konkreten und praktisch nützlichen Online-Diensten gefüllt wird.

Noch unklarer, weil bislang seltener verwendet, ist der Begriff «Digitale Stadt». Ist damit die Summe aller digitalen Zwillinge gemeint von all dem, was es in der Stadt gibt, also das digitale Abbild beziehungsweise die Datafizierung der physischen Stadt? Oder ist darunter die digitale Dienste-Infrastruktur zu verstehen, offene Entscheidungsplattformen inklusive? Wir haben bewusst darauf verzichtet, in unserem Aufruf zu Beiträgen den Begriff «digitale Stadt» zu definieren. Denn in der aktuellen Situation ist die Ausweitung der Perspektive eine wesentlich dringlichere Aufgabe als die Fokussierung. Vielen Projekten mangelt es an Phantasie. Sie produzieren viele Daten und viel Infrastruktur, aber die Nutzung beider ist sehr konventionell und arm an Nutzern. Für Aufregung sorgt lediglich, wenn eine Standard-App, wie man es von grösseren Städten kennt, im Parlament einer kleinen Stadt abgelehnt wird. Motto: «Bei uns braucht es das nicht».

Ich möchte aber in diesem Editorial auf eine Nicht-Verknüpfung hinweisen, die mir immer wieder krass auffällt. Die Diskussionen zur smarten, digitalen Stadt haben wenig gemeinsam mit dem Diskurs rund um Urbanität. Die Urbanisten haben bislang kein Interesse, das Digitalisierungspotential zu nutzen und die Digitalisierer haben mit Urbanistik nichts am Hut. Das ist zwar etwas ganz Typisches, das ich als Gutachter internationaler Forschungsprojekte immer und immer wieder erlebe. Aber es zeigt eben auch, dass es um nichts geht. Jeder bewegt sich in seinem Diskurs, weil er weiss, dass das Lösen von praktischen Problemen viel weniger einbringt als das Bedienen von Diskurs- und Technologieerwartungen.

Ich stelle darum die Frage: Geht es bei der Digitalisierung der Städte (und bei der Entwicklung urbaner Lebensräume) wirklich um nichts? Ich hoffe, geschätzte Leserinnen und Leser, wir können Ihnen in diesem Monat einige Beiträge bieten, die konkrete Geschäftsmodelle für die digitale Stadt eindrücklich aufzeigen. Ich bin selber gespannt darauf.

Herzlichst,

Ihr Reinhard Riedl

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Gebäude (-technik) verstehen durch smarte Daten

Die energetische Gebäudeperformance moderner Liegenschaften liegt im Betrieb oft über den Grenzwerten der Planungs- und Projektierungsphase und erfüllt damit die Anforderungen der bekannten Energielabel wie Minergie nicht. Ursachen hierfür kann es viele geben, die datenbasierte Gebäudediagnostik schafft Abhilfe.

Höhere Ansprüche an Komfort sowie Energie- und Kosteneffizienz erfordern komplexere Gebäudetechnik mit untereinander vernetzten haustechnischen Gewerken. So ist beispielsweise die energieeffiziente Bereitstellung von Klimakühlung längst nicht nur vom aktuellen Raumluftzustand abhängig. Innerhalb eines Komfort-Toleranzbandes wird sie zusätzlich von aktuellen und zu erwartenden internen und externen Einflussparametern bestimmt (z.B. Belegung oder Witterung). Erst daraus ergibt sich, ob, in welchem Mass und wie die notwendige Kälteenergie erzeugt werden soll (Verschattung, Aussenluftkühlung, Kompressionskälte, Freecooling, etc.).

Entscheidungsfolgen also, die es in Abhängigkeit von den technischen Voraussetzungen und unter Berücksichtigung der effektiven Nutzung im Sinne eines optimierten Gesamtsystems zu treffen gilt.

IOT bringt neue Datenflut
Mit der sich zunehmend standardisierenden Kommunikationstechnik produzieren haustechnische Anlagen der Wärme-, Kälte-, Lüftungs- und Elektrotechnik fortlaufend mehr und unterschiedlichere Daten. Energieverbräuche, Massenströme, Anwesenheit, Temperaturen, Ventilstellungen usw. werden ständig gemessen und aufgezeichnet. Mit dem Internet of Things (IOT) kommen neue Informationsquellen dazu. Zusammen mit bestehenden Datenquellen wird die Menge und der Detaillierungsgrad vervielfacht. Schon heute lässt sich beispielsweise eine Anwesenheitserfassung statt über konventionelle Präsenzmelder über die Netzwerkeinwahl von Mobiltelefonen realisieren. Der damit gewonnene Informationsinhalt ist ungemein höher, wenn man bedenkt, dass dadurch die genaue Anzahl von Nutzern und deren Verweilzeit zu eruieren ist.

Diagnostik als Schlüssel für effizienten Gebäudebetrieb
Mit Anlagenkenntnis, viel Erfahrung im Gebäudebetrieb und der Hilfe von Assistenzsystemen versucht der Gebäudediagnostiker die Datensammlung zu ordnen und sie als Information nutzbar zu machen. Ohne intelligente Algorithmen in Softwaretools wäre dies aber nicht möglich. Die Mustererkennung in historischen Datenreihen ist aufwendig und mit dementsprechend vielen Einflussgrössen unübersichtlich. Komplexere Systeme verlangen die Möglichkeiten zur Erkennung von eigentlichen „Treibern“ eines spezifischen Anlagenverhaltens. Dazu werden historische Daten so aufbereitet und gespeichert, dass die Abweichungen bei der Aufzeichnung von zukünftigen Daten einfach erkennbar und verglichen werden können. Weitere Möglichkeiten bietet die Projektion zukünftiger Zustände durch Methoden aus der Wahrscheinlichkeitstheorie (z.B. Monte Carlo Simulation).

Kosteneinsparung dank datenbasierten Prognosen
Gebäudediagnostik legt die Basis, um Entscheide im Gebäudebetrieb aufgrund von Fakten und nicht aufgrund eines «Bauchgefühls» zu treffen. Produzierende Betriebe werden ihren zukünftigen Energiebedarf mit Hilfe der Methoden der Gebäudediagnostik deutlich besser abschätzen können, indem verschiedene Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und mit Hilfe von intelligenten Tools ausgewertet werden. Denkbar sind Daten aus der Produktionsplanung sowie historische Datensätze zu Witterungstemperatur und –feuchte. Auf dieser Basis können verlässliche Prognosen zum zukünftigen Energiebedarf erstellt werden. Mit der gewonnenen Information kann die Energie frühzeitig zu besseren Konditionen eingekauft und damit Kosten eingespart werden.

Big-Data-Ansätze auch in der Gebäudetechnik zu nutzen kann sich lohnen. Smarte Daten führen zu erhöhter Energie- und Kosteneffizienz, steigert den Komfort und die Betriebssicherheit. Höhere Kosten für die Realisierung komplexerer Gebäudetechnik lohnen sich im Betrieb bei einer Betrachtung auf mittlere und längere Sicht.

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Attraktive Siedlungsentwicklung als Teil einer Smart City

In smarten Quartieren steht nicht nur die Technologie im Zentrum, sondern auch die Kultur und Berücksichtigung qualitativer Siedlungsentwicklung. Das Kompetenzzentrum Dencity der Berner Fachhochschule beschäftigt sich mit attraktiver Siedlungsentwicklung und zeigt am Beispiel des zukünftigen Campus Biel (Projekt eSmarQ) auf, was ein Smartes Quartier ausmacht.

Emotionales Smartes Quartier
Der Handlungsdruck in der inneren Entwicklung von Gemeinden und Städten, ausgelöst durch das revidierte Raumplanungsgesetz, hat in der Schweiz die Diskussion über Smart-Cities etwas in den Hintergrund gerückt. Der Siedlungsraum Schweiz ist facettenreich, chaotisch und eher kleinräumig gedacht. Die Raumplanung verkörpert eine bestimmte Sichtweise auf gesellschaftliche und strukturelle Problemlagen, die einen spezifischen Lösungsansatz implizieren: Durch systematische Intervention und umfassende Planung und Ordnung sollte das Zusammenleben der Gesellschaft aktiv gestaltet werden. Es zeigt sich, dass dabei aktuell die bisherigen Werkzeuge an ihre Grenzen stossen. Die Stellschrauben der Raumplanung im Rahmen Bau- und Nutzungsordnung werden kurzfristig überholt sein oder nicht mehr funktionieren. Die Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetztes bedeutet einen Paradigmawechsel.

Die Weichen wurden von einer bislang nachfrageorientierten Raumplanung hin zu einer koordinierten nachhaltigen Allokation des Bodens und des Raumes gestellt. Eigentlicher Kern der Herausforderung ist; Innenentwicklung findet immer dort statt, wo schon jemand ist, jemand mit Vorstellungen, Zielen und insbesondere Emotionen – emotionaler smarter Raum. In der aktuellen städtebaulichen Diskussion geht es meist nur um die bauliche Dichte. Sie macht lediglich eine Aussage über die Privatparzellen, nicht über die öffentlichen Aussenräume oder über ganze Quartiere. Hier knüpft Dencity an.

Auch der Kompetenzbereich Dencity (www.dencity.ch), Urbane Entwicklung und Mobilität im Institut Siedlungsentwicklung und Infrastruktur der Berner Fachhochschule, sieht seinen Schwerpunkt in der qualitativen Innenentwicklung und Verdichtung von Siedlungsstrukturen. Dencity versucht aber die Raumplanung zu erweitern, indem sie Emotionen vor allem in öffentlichen Aussenräumen und Quartieren berücksichtigen und dadurch zur Entwicklung smarter Quartiere beitragen.

Denn auch innere Verdichtung muss die qualitativen Aspekte des Zusammenlebens, des Sozialraumes, berücksichtigen. Identität ist ein Schlüsselwort. Das Smart City Konzept, wie europaweit und schweizweit definiert bietet hier eine Chance, kulturelle Entwicklungen und Technologiefolgeentwicklung mit qualitativer Siedlungsentwicklung zu verknüpfen.

Nutzungskoordination Campus Quartier Biel-Nidau
Dencity nutzt diesen Ansatz in einem Pilotprojekt in Biel. Was für eine Identität kann sich im zukünftigen Quartier um den neuen Campus BFH in Biel entwickeln?

Zwischen dem Bahnhof Biel/Bienne und dem Gebiet Seemätteli/Strandbad Nidau wird in den nächsten 20 Jahren ein neues Stadtquartier entstehen. Die Stadtentwicklung in diesem Gebiet ist geprägt von drei grossen Neubauprojekten:

  • Neubau Campus Berner Fachhochschule
  • Neubau Switzerland Innovation Park
  • Neubau Seequartier AGGLOlac

Es ergeben sich verschiedene Synergiepotentiale für die Planung und den Bau der Neubauprojekte, aber auch für die bereits vor Ort ansässigen Stakeholder. In einer ersten Sondierung hat sich gezeigt, dass einige urbanistische Schlüsselfragen für mehrere Anspruchsgruppen Gültigkeit haben und koordiniert untersucht und bearbeitet werden sollten. Innerhalb des Projektperimeters ist ein enormes Potenzial für einen ganzheitlichen smarten Ansatz vorhanden. Es besteht die Chance, die sich verändernde Siedlungsstruktur und den neuen Stadtteil interdisziplinär und parzellenübergreifend als Ganzes zu denken und zu planen. Es wurde deshalb über den Zeitraum von zwei Jahren ein Runder Tisch für eine Nutzerkoordination initiiert, um Synergiepotentiale zu definieren:

  • Öffentlicher Raum
  • Mobilität, Energie
  • Dienstleistungen
  • Infrastruktur
  • Betrieb

Aus diesen Koordinationsaufgaben werden ab nächstem Jahr thematische Workshops initiiert und moderiert.

eSmarQ – Smart City Stadtlabor – Planen des Ungeplanten
Parallel dazu soll das neue Campus Quartier in Biel als Prototyp genutzt werden, um neue Formen der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interaktion, die durch die Technologiefolgeentwicklung in der ICT möglich werden, aufzuzeigen. Das Campus Quartier soll zu einem «Laborquartier» der BFH, resp. der Stadt Biel werden, in welchem immer wieder neue Lösungen und Interpretationen der Gestaltung des Quartiers, der Nutzung und des Zusammenlebens im Quartier erarbeitet werden.

Dencity hat deshalb das Projekt eSmarQ – „smartes Quartier“ – lanciert, welches über die Analyse von Nutzer- und Konsumverhalten der Bewohner, Studierenden und Besucher im Quartier einen emotionalen Mehrwert und eine Identitäts-Stiftung für das neue Quartier generieren soll. Es soll eine interaktive digitale Plattform zur Planung, Koordination und Optimierung von Nutzungs- und Angebotssynergien der Realwelt zwischen Anspruchsgruppen im Quartier entwickelt werden. Es besteht ein Bedarf nach Infrastrukturkoordination, welche als strukturiertes „Menu“ über eine Plattform, vereinfacht als App beschreibbar, den Nutzern angeboten werden soll. eSmarQ koppelt Industrie 4.0 mit Smart City Kompetenz und generiert neue Kompetenzen (Emotionalität, Identität, Netzwerke) mit der methodischen Filterung von kontextuellen Daten, sowie deren Visualisierung und Verortung zuhanden einer realräumlichen Anwendung in Biel.

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Wie smart müssen unsere Gebäude sein?

Der Anspruch an die Qualität unserer Wohn- und Arbeitsräume wächst stetig. Heute ist der Energiebedarf für die Erhaltung eines komfortablen Raumklimas in der Schweiz für rund 37 Prozent des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich. Um davon wegzukommen, dürfen wir nicht ausschliesslich auf die Gebäudetechnik setzen – denn der Mensch macht deren Vorteile oft zunichte.

Ein paar Tatsachen vorweg: Wir Menschen fühlen uns wohl bei einer Raumtemperatur von 20 bis 24° Celsius, möglichst ohne Durchzug, gerne auch mit genügend Tageslicht. Wir wollen uns weder ausgestellt noch eingesperrt fühlen und brauchen frische Luft, um frei atmen zu können. Nun ist es im Schweizer Mittelland im Jahresdurchschnitt nur rund 10° Celsius warm. Die Differenz zu unserem Wohlfühlbereich überwinden wir mit einer geeigneten Gebäudehülle und, je nach deren Qualität, mehr oder weniger thermischer Energie.

Wärme ohne Heizung – eigentlich kein Problem
Um die Differenz zwischen der Aussen- und der gewünschten Innentemperatur zu überwinden, gibt es Heizungen. Aber nicht nur: Sonneneinstrahlung, verschiedenste Elektrogeräte und nicht zuletzt wir Menschen mit einer Wärmeleistung von 70 bis 100 Watt pro Person wirken ebenfalls als Wärmequellen. Mit einem ausgewogenen Glasanteil und einer optimalen Wärmedämmung kommen sogenannte Passivhäuser heute problemlos ohne Heizung aus. Solche Gebäude sind in der Lage, das Raumklima im Wohlfühlbereich von 20 bis 24° Celsius zu halten – sogar fast ohne Gebäudetechnik.

Viel Heizwärme verpufft in alten Gebäuden
Auch bei normalen Neubauten wird heute wegen der gesetzlich vorgeschriebenen, guten Wärmedämmung nur noch wenig Heizwärme benötigt. Anders ist es bei Gebäuden, die vor dem Jahr 2000 erstellt worden sind. Hier ist der Wärmestrom von innen nach aussen relativ gross. Diese Gebäude stellen den Grossteil unseres Gebäudeparks dar und brauchen viel Heizwärme, die heute noch zu einem grossen Teil aus nicht erneuerbaren fossilen Energiequellen erzeugt wird. Hier liegt eine der grossen Herausforderungen der Energiewende.

Der Mensch wird zum Störfaktor
Der Mensch hat einen sehr grossen Einfluss auf den Energiebedarf in Gebäuden. Wären wir im Winter im Durchschnitt mit einem Grad Celsius weniger zufrieden, könnten wir rund 5 Prozent Heizenergie einsparen. Wer aber lebt schon gerne in einem Haus, in dem die Temperatur nicht komfortabel ist? Ist es zu kalt, wollen wir heizen; ist es zu warm, wollen wir kühlen und öffnen die Fenster. Gerade Letzteres kommt in gut gedämmten Häusern oft vor. Ist also ein Gebäude nicht selbst in der Lage, den Komfortbereich zu halten, wird der Mensch zum Störfaktor. Insbesondere im Niedrigenergiebereich ist der Einfluss der Nutzer auf den Energiebedarf oft gross und kann Abweichungen von 50 bis 100 Prozent gegenüber der berechneten Energiemenge ausmachen, wie eine Studie des Bundesamts für Energie 2010 ergeben hat.

Die Gebäudetechnik hilft beim Energiesparen…
Wir Menschen haben wenig Gespür für Energie, für Komfort aber sehr wohl. Energie sparen wir nur dann, wenn wir Änderungen im Energieverbrauch explizit wahrnehmen, den Zusammenhang zu unserem Handeln erkennen und uns klare Ziele setzen. Hier kann die Gebäudetechnik einsetzen: Einerseits vermeidet sie durch selbsttätiges Regeln innerhalb des Komfortbereichs, dass unnötig Energie aufgewendet wird. Andererseits gibt sie dem Nutzer Feedbacks in Form von geeigneten Informationen, die diesen zum Eingreifen auffordern – oder davon abhalten. Sparsames Verhalten wird damit begreifbar. Wollen wir das Energiesparpotenzial der Gebäudetechnik ausschöpfen, müssen wir deshalb den Nutzer mit seinen Bedürfnissen und Gewohnheiten noch besser berücksichtigen.

… aber sie kann es nicht alleine richten
Wir sollten uns aber davor hüten, die Gebäudetechnik als Heilsbringerin zu sehen. Zuerst müssen wir die Hausaufgaben im baulichen Bereich sorgsam erledigen, um zu verhindern, dass die Abweichungen zum Komfortbereich mit viel technischem Aufwand und einem stetigen Energiestrom korrigiert werden müssen. Deshalb gilt: Das Gebäude soll leisten, die Gebäudetechnik soll justieren.

Smarte Gebäude müssen gutmütig sein
Sowohl die Gebäudetechnik als auch das Gebäude selbst müssen also smart sein. Ein smartes Gebäude hat solide bauliche Eigenschaften: eine gute Wärmedämmung, einen angemessenen Glasanteil, eine wirksame Beschattung und eine gute thermische Speichermasse. Es reagiert deshalb gutmütig auf schwankende externe und interne Wärmeverhältnisse und kann fast oder sogar ganz ohne Gebäudetechnik den Komfortbereich für die vorgesehene Nutzung ganzjährig erhalten. Eine intelligente Gebäudetechnik ergänzt das Gebäude als System. Aber keine auch noch so smarte Gebäudetechnik kann ein nicht smart gebautes Gebäude heilen.


Der Beitrag stammt aus der folgenden Publikation:

«Energiewende»
Wie können wir unsere begrenzten Ressourcen so einsetzen, dass wir Umwelt und Klima weniger belasten als bisher und dennoch einen hohen Lebensstandard erreichen? Diese Frage steht im Zentrum der Energiewende als Ganzes – denn die Energiewende greift tiefer als der blosse Ausstieg aus der Kernkraft. Die Autorinnen und Autoren betten die Energiewende ein in den grösseren Zusammenhang der Begrenztheit unserer Erde und präsentieren einschlägige Lösungen mit ihren Chancen und Grenzen in der praktischen Umsetzung.

Mit Glossar: „Die Energiewende in 100 Begriffen“.
EBP (Hrsg.): Energiewende. Erschienen 2017 im vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich (ISBN 978-3-7281-3827-9).

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des vdf Hochschulverlags.

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