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Wie smart sind Schweizer Städte?

Städte als Orte des zwischenmenschlichen Austauschs, von Wohlstand und Innovation mit sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Freiräumen unter Berücksichtigung von Ungleichheit und Andersartigkeiten sind auch bei uns ungebrochen attraktiv. Geprägt durch neue Herausforderungen wie zum Beispiel die Digitalisierung und den Klimawandel respektive den Ressourcenverschleiss stehen Städte vor grossen Aufgaben. Zudem wird unser urbaner Alltag immer komplexer.

Neben den Anforderungen steigen auch die Ansprüche der Bevölkerung: effiziente Dienstleistungen, Transparenz und stabile Lebensbedingungen sind gefragt. Die BewohnerInnen der Städte wollen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und gleichzeitig ihre sozialen Freiräume zugesichert haben. Die hohe Lebensqualität soll möglichst durch den Einsatz der neusten Errungenschaften der Digitalisierung gewährleistet werden. Alles soll besser und digitaler laufen. Smart City ist dabei der neue Dachbegriff, der neuartige Lösungsansätze verspricht. Kritiker nennen es eine Verheissung der TechnologiefanatikerInnen, die an den wahren Bedürfnissen der Stadtbewohnenden vorbei agiert. Die Befürwortenden sehen hingegen ein riesiges Potential mittel Nutzung von Technologien und einer vernetzten themenübergreifenden Herangehensweise, um bessere Lösungen für die künftige Stadtentwicklung zu ermöglichen.

Und wo stehen wir mit diesem Thema in der Schweiz? Um es vorweg zu nehmen: Die Ideen dieses Entwicklungskonzepts fassen langsam Fuss. Das Konzept wird immer besser verstanden. Einige Städte sind mit ersten Initiativen gestartet und probieren etwas aus, wenn auch mit Verspätung, aber gutschweizerisch bedächtig und zunehmend mit mehr Dynamik. Fast alle, insbesondere die grossen Städte sind sich bewusst, dass sie sich dabei auf einen hürdenreichen Weg begeben, der Zeit braucht. Andererseits werden aber v.a. von der Politik schnelle Erfolge verlangt.

Grosse Herausforderung für klassische Hierarchien

Die Umsetzung einer Smart City ist insbesondere in organisatorischer Hinsicht eine grosse Herausforderung für unsere meist klassisch hierarchisch aufgestellten Stadtverwaltungen. Es ist klar, dass „silohaft“ organisierte Strukturen für eine vertiefte und vernetzte Zusammenarbeit mit verschiedensten Partnern hinderlich sind. Vernetzte agile und vielfältig zusammengesetzte Projektteams sind in diesem Verwaltungskontext Neuland. Dazu kommt, dass, zumindest in der Startphase, eine vernetzte Lösungssuche personell und finanziell deutlich aufwendiger ist, insbesondere im Bereich der Kommunikation.
Eine intelligente Stadt orientiert sich zwingend an den Bedürfnissen der Stadtbevölkerung. Häufig sind die Befindlichkeiten und Wünsche der BewohnerInnen in den städtischen Verwaltungen nur unzureichend oder gar nicht bekannt. Hier haben die Städte noch einen grossen Nachholbedarf, denn partizipative Elemente stellen für das Gelingen von Smart City-Aktivitäten einen zentralen Erfolgsfaktor dar. Technologie kann ein nützliches Werkzeug bei der Lösungsfindung und Bearbeitung von Herausforderungen sein. Sie ist aber nie mehr als Mittel zum Zweck, kann niemals Selbstzweck sein. Denn wenn es darauf hinausläuft, dass alles mit allem vernetzt wird, sind wir mit Bestimmtheit nicht smarter!

Smart ist individuell

Städte gehen ihre zukünftigen Herausforderungen in der Praxis sehr individuell an. Und das ist auch gut so, denn eine gültige Blaupause gibt es nicht, auch eine klare Definition oder ein Label für Smart Cities fehlen noch. Zürich ist nicht Basel, ist nicht Winterthur oder St. Gallen und schon gar nicht die Agglomerationsgemeinde Pully. Jede Stadt oder Gemeinde hat ihre eigene Geschichte, entwickelt eigene Vorstellungen von ihrer Zukunft und damit auch auf ihre Vorstellungen zugeschnittene Prioritäten. Klar ist aber auch, dass es trotz aller Verschiedenheit einen grossen Teil an gemeinsamen Herausforderungen gibt, bspw. was den demografischen Wandel oder die regionale Zusammenarbeit angeht. Rund 20 Städte sind konkret daran, das Thema Smart City übergeordnet zu bearbeiten, Lösungen auch unter Einbezug von neuen externen Partnern zu entwickeln und „Anfassbares“ oder Pilotprojekte zu realisieren. Auch mittlere und kleine Städte wie Wil SG, Aarau oder Wädenswil starten erste Initiativen. Oft sind es „spontane“ Projekte, die sich nach den Opportunitäten vor Ort richten. Aber auch ganze Kantone wie Genf oder Basel nähern sich dem Thema.

Von Mobilität bis Gartenbau

Dabei sind die Handlungsfelder vielfältig: Energiefragen, Quartierentwicklungen, wie auch der Diskurs um vernetzte Mobilitätsdienstleistungen bis hin zu Nachbarschaftsnetzwerken und vertikalen städtischen Gartenbau- oder Gesundheitsthemen lassen viel Spielraum für Handlungsfelder. Zentral ist, dass sich Städte auf neue Zusammenarbeitsformen einlassen und diese austesten, ohne zu vergessen, dass Sie auch von anderen lernen können und auch mal etwas nicht gelingen kann. Das Programm Smart City Schweiz von Energieschweiz unterstützt Städte neue und oft komplexe Wege zu beschreiten. Dies im Wissen, dass gemeinsame und abgestimmte Lösungen besser getragen und effizienter sind. Es braucht neue Partnerschaften mit einem besseren Verständnis der Komplexität und der Möglichkeiten zur Umsetzung. Wir stehen in der Schweiz nicht mehr am Anfang, tauchen an sehr vielen Stellen ins Thema ein und sind in vielerlei Hinsicht gut aufgestellt. Eine smarte Bevölkerung und eine gute Infrastruktur sind da. Den Vergleich mit dem Ausland haben wir dabei nicht zu scheuen. Unsere Städte bieten viel und rangieren im Vergleich selbst weltweit an den vordersten Stellen. Nun gilt es, die Wege künftig gemeinsam zu gehen, um unsere Städte auch langfristig attraktiv zu gestalten und zu erhalten.

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Juniausgabe: Ist die Digitalisierung der Stadt wirklich so belanglos?

Was ist eine «Smart City»? Fast immer verweist der Begriff auf den Einsatz von technikgetragenen Innovationen, um eine Stadt attraktiver zu machen. Es ist aber nicht möglich den vielfältigen Verwendungen des Begriffs eine gemeinsame Bedeutung zuzuweisen, auch wenn zwei beliebig ausgewählte Verwendungen des Begriffs meist Gemeinsamkeiten aufweisen. So weit, so einfach – und schon bei Wittgenstein nachzulesen. Smart City ist aber mehr: Es steht für das allumfassend Kluge, quasi «Weltversöhnung am Beispiel Stadt». Oder eben für «Das Smart». Das ist gut so – dann und nur dann, wo die Sprachhülle mit konkreten und praktisch nützlichen Online-Diensten gefüllt wird.

Noch unklarer, weil bislang seltener verwendet, ist der Begriff «Digitale Stadt». Ist damit die Summe aller digitalen Zwillinge gemeint von all dem, was es in der Stadt gibt, also das digitale Abbild beziehungsweise die Datafizierung der physischen Stadt? Oder ist darunter die digitale Dienste-Infrastruktur zu verstehen, offene Entscheidungsplattformen inklusive? Wir haben bewusst darauf verzichtet, in unserem Aufruf zu Beiträgen den Begriff «digitale Stadt» zu definieren. Denn in der aktuellen Situation ist die Ausweitung der Perspektive eine wesentlich dringlichere Aufgabe als die Fokussierung. Vielen Projekten mangelt es an Phantasie. Sie produzieren viele Daten und viel Infrastruktur, aber die Nutzung beider ist sehr konventionell und arm an Nutzern. Für Aufregung sorgt lediglich, wenn eine Standard-App, wie man es von grösseren Städten kennt, im Parlament einer kleinen Stadt abgelehnt wird. Motto: «Bei uns braucht es das nicht».

Ich möchte aber in diesem Editorial auf eine Nicht-Verknüpfung hinweisen, die mir immer wieder krass auffällt. Die Diskussionen zur smarten, digitalen Stadt haben wenig gemeinsam mit dem Diskurs rund um Urbanität. Die Urbanisten haben bislang kein Interesse, das Digitalisierungspotential zu nutzen und die Digitalisierer haben mit Urbanistik nichts am Hut. Das ist zwar etwas ganz Typisches, das ich als Gutachter internationaler Forschungsprojekte immer und immer wieder erlebe. Aber es zeigt eben auch, dass es um nichts geht. Jeder bewegt sich in seinem Diskurs, weil er weiss, dass das Lösen von praktischen Problemen viel weniger einbringt als das Bedienen von Diskurs- und Technologieerwartungen.

Ich stelle darum die Frage: Geht es bei der Digitalisierung der Städte (und bei der Entwicklung urbaner Lebensräume) wirklich um nichts? Ich hoffe, geschätzte Leserinnen und Leser, wir können Ihnen in diesem Monat einige Beiträge bieten, die konkrete Geschäftsmodelle für die digitale Stadt eindrücklich aufzeigen. Ich bin selber gespannt darauf.

Herzlichst,

Ihr Reinhard Riedl

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Oktoberausgabe: Smart Homes

The digital transformation of society is more driven by technology innovation than by needs.  Let us be honest: The way it works is that we have a solution and now we seek the problem which it solves. This also holds for ICT-enabled homes, which we shall call “smart homes”:

  • IoT (Internet of Things)• BIM (Building information Modeling)
  • AI (Artificial Intelligence)• Several further technologies, like e.g. augmented reality
  • Lots of communication tools and media, that are already broadly used for other purposes
  • Several global trends like open data

BIM plays an increasingly prominent role in construction and in maintenance. The principal potential is already well understood. However, key open questions are: What could be the roles of IoT and AI be? What can we gain if we combine all of them? And: Which data to share as open data?

The big pictures

There are two main types of questions. The first relates to:  Which problems of existing homes will we solve with smart homes. There, we are observing some consensus, that smart homes can be become active, if their inhabitants have well identified challenges and risks, for example because they are elderly people that may fall und then be unable to help themselves. This for sure is a big topic worthwhile to be pursued with many resources. But is it the only type of problem we may have?

The second type of main questions relates to: What is our vision of a new quality of living in a smart home. There, many discussions related to energy or some version of to self-organized fridges proactively issuing purchases. In some countries, these intelligent fridges are about to become a standard, but should we not look for visions that go beyond it?

Cornerstones, not be ignored

There are some corner stones, which we have to take into consideration, of course. The following list is not comprehensive, but indicates some relevant perspectives:

  • Architecture: good design principles (varying to a large extent among scholars)
  • Energy: concepts around net zero energy (including new findings about wellbeing)
  • Construction & Maintenance: BIM & Co, feasibility aspects, knowledge about long term costs
  • ICT: pattern languages
  • Biology & Psychology: anthropological findings, e.g. territoriality concepts
  • Art: literary descriptions of life styles

Pattern languages are a key element thereby. The architect Christopher Alexander has invented the concept of a pattern language, which flooded computer science thereafter, together with its evil twin, the concept of antipattern languages. Since the oo gang of four has appropriated his pattern language concept for computer sciences, we find it much easier to talk about code – and apprentices find it much easier to code professionally. So it is rater natural, to ask how architectural patterns change, when an ICT-enabled construction is possible, and how this leads to patterns for smart homes.

Fundamental research questions

There are several natural perspectives that come into mind (and I again do not claim that the list is comprehensive):

  1. Digital Representation: If we create a digital twin of a building, how should it be structured? Which information is easy/cheap to obtain? How can we use the digital twin – both instantly and in the long run? Which information is hidden in the digital twin that is not available otherwise? Etc.
  2. Cognitive Perception: How is a home, either smart or not, perceived by its inhabitants, visitors, and other actors? How does this perception fit with the digital representation? Can we extend the cognitive perception with proper digital tools? Etc.
  3. Information and service needs of users (Users = owners, residents, visitors, maintenance and service providers, construction companies, government, …): Which information do users need about the home? Which intelligence do users want from their home? Etc.
  4. Combination with other sources: How does the smart home with its devices and its intelligence interact with technology carried by its inhabitants? How does it interact with information services outside? And the other way round: Which useful information can be created for autonomous machines? Etc.
  5. Patterns and anti-patterns: What are typical successful solutions (patterns), on which we can build? Is there a hierarchy of patterns? How do they relate to Christopher Alexander’s and to classical IT patterns? What are typical bad solutions (anti-patterns)? Etc.
  6. Societal and Economic Change: How will the new design opportunities for our homes influence or living styles and societal life? What will be the impact on our quality of life? Are there specific risks to be considered? Which societal problems can be solved with it? Which new markets will be created? Which existing markets will be significantly changed (how?)or destroyed? Etc.
  7. Disciplinary perspective: How will the possibilities around the smart home change the professional and the scientific disciplines related to the home? What will the impact on architecting, constructing, anthropology, ethnology, sociology, etc. be? Will it lead to the emergence of new disciplines?

The October edition of Societybyte tries to start a discussion on these topics. We hope that you enjoy reading and thinking about it.

Yours sincerely, Reinhard Riedl

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Gebäude (-technik) verstehen durch smarte Daten

Die energetische Gebäudeperformance moderner Liegenschaften liegt im Betrieb oft über den Grenzwerten der Planungs- und Projektierungsphase und erfüllt damit die Anforderungen der bekannten Energielabel wie Minergie nicht. Ursachen hierfür kann es viele geben, die datenbasierte Gebäudediagnostik schafft Abhilfe.

Höhere Ansprüche an Komfort sowie Energie- und Kosteneffizienz erfordern komplexere Gebäudetechnik mit untereinander vernetzten haustechnischen Gewerken. So ist beispielsweise die energieeffiziente Bereitstellung von Klimakühlung längst nicht nur vom aktuellen Raumluftzustand abhängig. Innerhalb eines Komfort-Toleranzbandes wird sie zusätzlich von aktuellen und zu erwartenden internen und externen Einflussparametern bestimmt (z.B. Belegung oder Witterung). Erst daraus ergibt sich, ob, in welchem Mass und wie die notwendige Kälteenergie erzeugt werden soll (Verschattung, Aussenluftkühlung, Kompressionskälte, Freecooling, etc.).

Entscheidungsfolgen also, die es in Abhängigkeit von den technischen Voraussetzungen und unter Berücksichtigung der effektiven Nutzung im Sinne eines optimierten Gesamtsystems zu treffen gilt.

IOT bringt neue Datenflut
Mit der sich zunehmend standardisierenden Kommunikationstechnik produzieren haustechnische Anlagen der Wärme-, Kälte-, Lüftungs- und Elektrotechnik fortlaufend mehr und unterschiedlichere Daten. Energieverbräuche, Massenströme, Anwesenheit, Temperaturen, Ventilstellungen usw. werden ständig gemessen und aufgezeichnet. Mit dem Internet of Things (IOT) kommen neue Informationsquellen dazu. Zusammen mit bestehenden Datenquellen wird die Menge und der Detaillierungsgrad vervielfacht. Schon heute lässt sich beispielsweise eine Anwesenheitserfassung statt über konventionelle Präsenzmelder über die Netzwerkeinwahl von Mobiltelefonen realisieren. Der damit gewonnene Informationsinhalt ist ungemein höher, wenn man bedenkt, dass dadurch die genaue Anzahl von Nutzern und deren Verweilzeit zu eruieren ist.

Diagnostik als Schlüssel für effizienten Gebäudebetrieb
Mit Anlagenkenntnis, viel Erfahrung im Gebäudebetrieb und der Hilfe von Assistenzsystemen versucht der Gebäudediagnostiker die Datensammlung zu ordnen und sie als Information nutzbar zu machen. Ohne intelligente Algorithmen in Softwaretools wäre dies aber nicht möglich. Die Mustererkennung in historischen Datenreihen ist aufwendig und mit dementsprechend vielen Einflussgrössen unübersichtlich. Komplexere Systeme verlangen die Möglichkeiten zur Erkennung von eigentlichen „Treibern“ eines spezifischen Anlagenverhaltens. Dazu werden historische Daten so aufbereitet und gespeichert, dass die Abweichungen bei der Aufzeichnung von zukünftigen Daten einfach erkennbar und verglichen werden können. Weitere Möglichkeiten bietet die Projektion zukünftiger Zustände durch Methoden aus der Wahrscheinlichkeitstheorie (z.B. Monte Carlo Simulation).

Kosteneinsparung dank datenbasierten Prognosen
Gebäudediagnostik legt die Basis, um Entscheide im Gebäudebetrieb aufgrund von Fakten und nicht aufgrund eines «Bauchgefühls» zu treffen. Produzierende Betriebe werden ihren zukünftigen Energiebedarf mit Hilfe der Methoden der Gebäudediagnostik deutlich besser abschätzen können, indem verschiedene Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und mit Hilfe von intelligenten Tools ausgewertet werden. Denkbar sind Daten aus der Produktionsplanung sowie historische Datensätze zu Witterungstemperatur und –feuchte. Auf dieser Basis können verlässliche Prognosen zum zukünftigen Energiebedarf erstellt werden. Mit der gewonnenen Information kann die Energie frühzeitig zu besseren Konditionen eingekauft und damit Kosten eingespart werden.

Big-Data-Ansätze auch in der Gebäudetechnik zu nutzen kann sich lohnen. Smarte Daten führen zu erhöhter Energie- und Kosteneffizienz, steigert den Komfort und die Betriebssicherheit. Höhere Kosten für die Realisierung komplexerer Gebäudetechnik lohnen sich im Betrieb bei einer Betrachtung auf mittlere und längere Sicht.

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Attraktive Siedlungsentwicklung als Teil einer Smart City

In smarten Quartieren steht nicht nur die Technologie im Zentrum, sondern auch die Kultur und Berücksichtigung qualitativer Siedlungsentwicklung. Das Kompetenzzentrum Dencity der Berner Fachhochschule beschäftigt sich mit attraktiver Siedlungsentwicklung und zeigt am Beispiel des zukünftigen Campus Biel (Projekt eSmarQ) auf, was ein Smartes Quartier ausmacht.

Emotionales Smartes Quartier
Der Handlungsdruck in der inneren Entwicklung von Gemeinden und Städten, ausgelöst durch das revidierte Raumplanungsgesetz, hat in der Schweiz die Diskussion über Smart-Cities etwas in den Hintergrund gerückt. Der Siedlungsraum Schweiz ist facettenreich, chaotisch und eher kleinräumig gedacht. Die Raumplanung verkörpert eine bestimmte Sichtweise auf gesellschaftliche und strukturelle Problemlagen, die einen spezifischen Lösungsansatz implizieren: Durch systematische Intervention und umfassende Planung und Ordnung sollte das Zusammenleben der Gesellschaft aktiv gestaltet werden. Es zeigt sich, dass dabei aktuell die bisherigen Werkzeuge an ihre Grenzen stossen. Die Stellschrauben der Raumplanung im Rahmen Bau- und Nutzungsordnung werden kurzfristig überholt sein oder nicht mehr funktionieren. Die Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetztes bedeutet einen Paradigmawechsel.

Die Weichen wurden von einer bislang nachfrageorientierten Raumplanung hin zu einer koordinierten nachhaltigen Allokation des Bodens und des Raumes gestellt. Eigentlicher Kern der Herausforderung ist; Innenentwicklung findet immer dort statt, wo schon jemand ist, jemand mit Vorstellungen, Zielen und insbesondere Emotionen – emotionaler smarter Raum. In der aktuellen städtebaulichen Diskussion geht es meist nur um die bauliche Dichte. Sie macht lediglich eine Aussage über die Privatparzellen, nicht über die öffentlichen Aussenräume oder über ganze Quartiere. Hier knüpft Dencity an.

Auch der Kompetenzbereich Dencity (www.dencity.ch), Urbane Entwicklung und Mobilität im Institut Siedlungsentwicklung und Infrastruktur der Berner Fachhochschule, sieht seinen Schwerpunkt in der qualitativen Innenentwicklung und Verdichtung von Siedlungsstrukturen. Dencity versucht aber die Raumplanung zu erweitern, indem sie Emotionen vor allem in öffentlichen Aussenräumen und Quartieren berücksichtigen und dadurch zur Entwicklung smarter Quartiere beitragen.

Denn auch innere Verdichtung muss die qualitativen Aspekte des Zusammenlebens, des Sozialraumes, berücksichtigen. Identität ist ein Schlüsselwort. Das Smart City Konzept, wie europaweit und schweizweit definiert bietet hier eine Chance, kulturelle Entwicklungen und Technologiefolgeentwicklung mit qualitativer Siedlungsentwicklung zu verknüpfen.

Nutzungskoordination Campus Quartier Biel-Nidau
Dencity nutzt diesen Ansatz in einem Pilotprojekt in Biel. Was für eine Identität kann sich im zukünftigen Quartier um den neuen Campus BFH in Biel entwickeln?

Zwischen dem Bahnhof Biel/Bienne und dem Gebiet Seemätteli/Strandbad Nidau wird in den nächsten 20 Jahren ein neues Stadtquartier entstehen. Die Stadtentwicklung in diesem Gebiet ist geprägt von drei grossen Neubauprojekten:

  • Neubau Campus Berner Fachhochschule
  • Neubau Switzerland Innovation Park
  • Neubau Seequartier AGGLOlac

Es ergeben sich verschiedene Synergiepotentiale für die Planung und den Bau der Neubauprojekte, aber auch für die bereits vor Ort ansässigen Stakeholder. In einer ersten Sondierung hat sich gezeigt, dass einige urbanistische Schlüsselfragen für mehrere Anspruchsgruppen Gültigkeit haben und koordiniert untersucht und bearbeitet werden sollten. Innerhalb des Projektperimeters ist ein enormes Potenzial für einen ganzheitlichen smarten Ansatz vorhanden. Es besteht die Chance, die sich verändernde Siedlungsstruktur und den neuen Stadtteil interdisziplinär und parzellenübergreifend als Ganzes zu denken und zu planen. Es wurde deshalb über den Zeitraum von zwei Jahren ein Runder Tisch für eine Nutzerkoordination initiiert, um Synergiepotentiale zu definieren:

  • Öffentlicher Raum
  • Mobilität, Energie
  • Dienstleistungen
  • Infrastruktur
  • Betrieb

Aus diesen Koordinationsaufgaben werden ab nächstem Jahr thematische Workshops initiiert und moderiert.

eSmarQ – Smart City Stadtlabor – Planen des Ungeplanten
Parallel dazu soll das neue Campus Quartier in Biel als Prototyp genutzt werden, um neue Formen der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interaktion, die durch die Technologiefolgeentwicklung in der ICT möglich werden, aufzuzeigen. Das Campus Quartier soll zu einem «Laborquartier» der BFH, resp. der Stadt Biel werden, in welchem immer wieder neue Lösungen und Interpretationen der Gestaltung des Quartiers, der Nutzung und des Zusammenlebens im Quartier erarbeitet werden.

Dencity hat deshalb das Projekt eSmarQ – „smartes Quartier“ – lanciert, welches über die Analyse von Nutzer- und Konsumverhalten der Bewohner, Studierenden und Besucher im Quartier einen emotionalen Mehrwert und eine Identitäts-Stiftung für das neue Quartier generieren soll. Es soll eine interaktive digitale Plattform zur Planung, Koordination und Optimierung von Nutzungs- und Angebotssynergien der Realwelt zwischen Anspruchsgruppen im Quartier entwickelt werden. Es besteht ein Bedarf nach Infrastrukturkoordination, welche als strukturiertes „Menu“ über eine Plattform, vereinfacht als App beschreibbar, den Nutzern angeboten werden soll. eSmarQ koppelt Industrie 4.0 mit Smart City Kompetenz und generiert neue Kompetenzen (Emotionalität, Identität, Netzwerke) mit der methodischen Filterung von kontextuellen Daten, sowie deren Visualisierung und Verortung zuhanden einer realräumlichen Anwendung in Biel.

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Ein Blick in das Hochhaus der Zukunft

Science Tower der Smart City Graz: Das innovativste Gebäude Österreichs!

In Graz wurde am 21. September 2017 mit dem Science Tower ein Leuchtturmprojekt für die intelligente Stadt der Zukunft feierlich eröffnet. Österreichs erstes umgesetztes Smart City-Projekt ist zugleich ein Vorzeigebeispiel für umweltfreundliche und energieeffiziente Stadtentwicklung weltweit: Dank innovativer Energietechnologien versorgt sich der 60 Meter hohe Turm vollkommen selbst mit Energie. Das 16 Millionen Euro teure Vorhaben ist Teil der Smart City Graz, die durch den Klima- und Energiefonds mit 4,2 Millionen Euro gefördert worden ist.

Der weltweite Trend zu Urbanisierung findet auch in der steirischen Landeshauptstadt seinen Niederschlag: Laut Prognosen wird die Grazer Bevölkerung in weniger als 20 Jahren um über 22% wachsen. Diese Entwicklung erfordert zukunftsfähige, platz- und ressourcenschonende Antworten seitens der Stadtentwicklung. Das Projekt „Smart City Graz“ umfasst dabei ein ganzheitliches Stadtplanungskonzept, in dem intelligente Gebäude mit allen Einrichtungen des täglichen Bedarfs miteinander vernetzt sind. Energieeffiziente Wohnungen, Arbeitsplätze, Schulen, Nahversorger, ein Krankenhaus und öffentliche Parks sind fussläufig bzw. durch gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, Strassen und Radwege für Fahrräder, E-Bikes sowie wenige Elektroautos per Carsharing leicht erreichbar. Auf einem Gesamtareal von 130.000 m2 werden neue Wohnungen für bis zu 3.000 Personen sowie 1.000 Jobs entstehen.

Der Science Tower als „Living Lab”

Wenngleich dieses Gesamtkonzept erst 2023 Realität werden wird, so wurde unter der Bauherrschaft der Firma Science For Life Technologies (SFL), einem steirischen Technologieunternehmen mit Fokus auf Energie- und Umwelttechnologien, bereits das Herzstück der Smart City fertiggestellt: Der Science Tower erlangt als neues Wahrzeichen der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes Sichtbarkeit.

Auf einer Gesamtfläche von 4.500 m2 ziehen nun Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus dem Bereich der Umwelttechnologie in das innovative Hochhaus ein. Innovatoren wie etwa die Joanneum Research Forschungsgesellschaft, die Technische Universität Graz, eine Aussenstelle der European Space Agency sowie verschiedene Start-Ups arbeiten hier an den grünen Innovationen von morgen.

Smart, energieautark & nachhaltig

Der Science Tower kann Umgebungsenergien wie Licht und Wind selbstständig in elektrische Energie umwandeln. So wird Energie autark produziert, gespeichert und je nach Bedarf abgegeben. Die Aussenfassade des Turms besteht aus einem matt schimmernden Energieglas mit eingebauten „Grätzel-Zellen“. Diese transparenten, rötlich braunen Glasscheiben können in einem Prozess, ähnlich der Photosynthese bei Pflanzen, selbst Energie erzeugen – auch bei Schlechtwetter und sogar bei Innenraumlicht. Das Energieglas ist damit dreimal so effizient im Schwachlichtbereich wie konventionelle Photovoltaik und kann als weltweit erstes, transparentes System Licht von beiden Seiten ernten und dezentral elektrische Energie bereitstellen. Der Science Tower ist bislang das einzige Gebäude weltweit, bei dem diese Technologie realisiert wurde.

Eingebettet in die Dachkonstruktion des Turms drehen sich nahezu lautlos spezielle Windturbinen. Diese geschlossenen Windräder erreichen höhere Drehgeschwindigkeiten als offene Bauformen. Unerwünschte Phänomene wie etwa Eiswurf oder der „Disco-Effekt“, den der Schatten von bewegten Rotorblättern verursacht, treten in dieser Konstruktion nicht auf.

In die Fassade integriert ist zudem ein fahrbarer Sonnenschutz, der gleichzeitig als Photovoltaikanlage fungiert. Die ultraleichten Module drehen sich automatisch mit der Sonne und umrunden innerhalb von 24 Stunden einmal den Turm. Die Anlage liefert optimalen Stromertrag, schattet die Büroräume ab und zeigt auch, gleich einer Sonnenuhr, die Tageszeit. So kann der Energiebedarf des Turmes zu 100% mit erneuerbaren Energien gedeckt werden.

Mit intelligenten Technologien in die Zukunft

Nicht nur im Turm selbst, auch darunter verbergen sich smarte Lösungen: Eine unterirdische Geothermie-Anlage stellt ein konstantes Temperaturniveau im Gebäude sicher. Zwölf Bohrungen führen 200 Meter tief in die Erde. Damit wird dem Turm im Sommer Wärme entzogen und im Erdreich geparkt. Im Winter kann die Energie über Wärmepumpen wieder zurückgeholt werden.

Zur Belüftung des Turms öffnen sich in der Nacht, wenn die Temperatur sinkt, die Fenster automatisch. Mittels Auftrieb wird so der ganze Turm durchgelüftet und die effizienteste Form der Kühlung angewandt.

Shared Economy wird Realität

In der zukünftigen Smart City sind die Fahrzeuge elektrisch betrieben. Somit dient die selbst erzeugte Energie des Turms nicht nur für den Eigenverbrauch der MieterInnen, sondern auch als Stromquelle für die nähere Umgebung: Elektrofahrzeuge können direkt am und durch den Turm aufgeladen werden.

Die Einbindung der BewohnerInnen zur aktiven Mitgestaltung ihres Lebensraums in der Smart City zeigt sich auch in einem grünen Highlight „on the top“: Im 14. Stockwerk des Science Towers, auf Augenhöhe mit dem Grazer Uhrturm, ist ein Smart Urban Gardening-Bereich mit 300 m2 Nutzfläche angelegt. In diesem Dachgarten in 50 Metern Höhe werden Obst, Gemüse und Kräuter angebaut. Dank des speziellen Mikroklimas sollen hier auch Südfrüchte wie Bananen gedeihen.

In Graz entsteht mit Unterstützung des Klima- und Energiefonds also nicht nur ein technologisches, sondern auch ein soziales Pilotprojekt, welches zeigt, wie Sharing Economy in der Praxis funktionieren kann. Als Teil des vom Klima- und Energiefonds geförderten Leitprojektes „Smart City Graz“ dient der Science Tower als Leuchtturm für die Gestaltung einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Stadtentwicklung.

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