Die digitale Identität ist besonders wichtig bei der offiziellen Kommunikation mit Behörden. Über seinen Alltag in der Ausgleichkasse im Kanton Schwyz und künftige Sicherheitslösungen in Behörden schreibt unser Gastautor und Präsident der Konferenz der Kantonalen Ausgleichskassen (KKAK) Andreas Dummermuth.
Soziale Sicherheit ist die teuerste Infrastruktur der Schweiz. Nicht die wichtigste, aber eben die teuerste. Im Jahr 2015 sind 163 Milliarden Franken in eine Krankenkasse, eine Pensionskasse, eine Familienausgleichskasse, eine Unfallkasse oder eine andere Kasse geflossen. Tendenz: Steigend!
163 Milliarden Franken, das sind 25 Prozent des Bruttoinlandproduktes der Schweiz. Jeder vierte Franken, der also in der Schweiz erarbeitet wird, fliesst in die soziale Sicherheit. Diese enorme volkswirtschaftliche Bedeutung spiegelt sich zwingend in den laufenden finanz- und sozialpolitischen Diskussionen wider. Jeder Franken, der ausgegeben wird, muss entsprechend einer engen Regulierung ausgegeben werden. Jeder Franken, der eingeht, bedarf ebenfalls einer klaren sachlichen und rechtlichen Grundlage. Soziale Sicherheit ist deshalb derart hoch reglementiert, weil es um 163 Milliarden Franken für über acht Millionen Menschen geht. Eine gute, verlässliche und greifbare Organisation und Durchführung der sozialen Sicherheit ist deshalb ein Standortvorteil für die Schweiz.
Sicherheit im Massengeschäft
Das Verfahren für die Abwicklung dieses Massengeschäftes ist im Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) geregelt. Das Verfahren kann im Telegrammstil beschrieben werden: Keine Leistung ohne Anmeldung – keine Leistung ohne Verfügung. Anmeldung und Verfügung sind also die beiden Eckwerte – dazwischen findet ein hoch reglementierter Abklärungs- und Entscheidprozess statt.
Als Geschäftsleiter einer kantonalen Sozialversicherungsstelle, der Ausgleichkasse / IV-Stelle Schwyz, muss ich dafür sorgen, dass alle unsere gesetzlich definierten Sozialversicherungsprodukte richtig, wirtschaftlich, speditiv und bürgerfreundlich hergestellt werden. Unsere Produkte haben Abkürzungen: AHV, IV, EO, MSE, FZ, EL, IPV, PF, usw. In einem kleinen Kanton mit rund 157’000 Einwohnerinnen und Einwohnern richten wir jährliche Leistungen von rund 750 Mio. Franken aus und nehmen Sozialversicherungsbeiträge von einer halben Milliarde Franken ein. Dafür scannen wir knapp eine Million Seiten Papier ein, das uns jedes Jahr ins Haus geliefert wird. Seit zwanzig Jahren haben wir in Schwyz ein ‹papierloses› Büro mit einem digitalen Archiv und einem Workflow-System, das sich hervorragend für das interne Kontrollsystem und das Qualitätsmanagementsystem bewährt hat und so revisionssichere Prozesse erlaubt. Sehr schnelle und sehr genaue Kundenauskunft sind jedoch das Wichtigste dabei. Wir wissen in jedem Fall und in jedem Stadium, wer was gemacht hat. Übrigens: Alles, was eingescannt wird, wird physisch gesichert entsorgt. Was bleibt, sind nur noch digitale Informationen. Mit jährlichen IT-Security-Audits lassen wir dieses System laufend auf Sicherheit und Funktionalität überprüfen. Weil wir der Meinung sind, dass die föderale Struktur der Durchführung auch bei den Sozialversicherungen der beste aller Wege ist, pflegen wir noch lange keinen Kantönligeist. In der Informatikgesellschaft für Sozialversicherungen haben zwanzig Kantone und das Fürstentum Liechtenstein die IT gepoolt.
App versus Papier
Zwischenfazit: Wir haben betriebsintern ein völlig papierloses Verfahren. Aber vorher und nachher? ‹In-bound› (Eingang) und ‹out-bound› (Ausgang) sind noch nicht vollständig digital. Die digitale Anmeldung und die digitale Verfügung sind also die nächsten notwendigen Schritte. Ich persönlich meine, dass dies technisch die viel kleinere Herausforderung ist als das papierlose Workflow-System mit den enormen Datenbeständen. Während wir jedoch betriebsintern relativ selbständig agieren können, sind wir beim ‹in-bound› und ‹out-bound› logischerweise auf Schnittstellen angewiesen. Aber nun Schritt für Schritt gemäss ATSG. Starten wir also mit der Anmeldung.
Wir können in Schwyz den Arbeitgebern eine kostenlose Applikation der digitalen gesicherten Kommunikation anbieten. Das ganze Handling der Sozialversicherungsbeiträge, der Familienzulagen, der Mutterschaftsentschädigung und der Erwerbsersatzordnung werden von den Unternehmen und der Ausgleichskasse papierlos und unterschriftslos abgewickelt. AHVeasy ist selbstverständlich mit www.swissdec.ch kompatibel. Leider aber bevorzugen noch viele KMU den traditionellen Papierweg, obwohl wir in Schwyz den Firmen jedes Jahr zwanzig Prozent Rabatt auf ihre Verwaltungskostenbeiträge gewähren. Mit den Unternehmen klappt die digitale Kommunikation also mehr und mehr.
Anders aber bei den Einzelkunden, den Versicherten, die eine Leistung beziehen wollen. Die Vereine ‹eAHV/IV und ‹Informationsstelle AHV/IV arbeiten in einem gemeinsamen Projekt daran, solche neue digitalen Anmeldemöglichkeiten zu bieten. Dabei ist uns ein Problem im Weg, das gar kein Problem ist. Was meine ich? Eine Anmeldung muss rechtlich keine Unterschrift der versicherten Person haben. Dieser Grundsatz wird aber nicht gelebt. Die Tradition der handschriftlichen Unterschrift auf einem Papierformular hält sich aber seit 200 Jahren. Das nennt man Usanz.
Vom Digitalen ins Reale
Bei der Anmeldung haben wir also einen Spielraum: Die Anmeldung muss eigentlich nicht unterschrieben werden, die Verifizierung der Person ist jedoch immer möglich. Dieser Spielraum könnte genutzt werden für digitale und intelligente Anmeldetools. Diese würden die Versicherten unterstützen, ihnen unnötige Formulararbeiten abnehmen und den Versicherungsorganen die Datengrundlagen für ihre Produktionsapplikationen geben. Kommen wir damit zum zweiten Punkt: Der Verfügung. Das grössere Problem ist die Zustellung des Entscheides, dem Versand der Verfügung. Das muss genau erfolgen: Name und Postadresse der versicherten Person sowie ihre Vertretungen sind heute eruierter, verifizierbar und standardisiert. Soweit notwendig, bietet die Post auch gesicherte Zustellwege (z.B. A-Post plus oder Einschreiben) an. Leider haben die Versicherungsträger keinen sicheren digitalen Weg. Mit einer staatlich geregelten digitalen Identität wäre das dann möglich. Oder anders formuliert: Die Sozialversicherung ist auf eine digitale Basis-Infrastruktur (e-ID, gesicherte Mailadresse, verlässliche Bandbreite) angewiesen.
Wenn wir das hätten, dann wäre für die Sozialversicherungen ein einfacher, billiger und technisch unspektakulärer Weg vorstellbar. Konkret: AHV-Nummer = Emailadresse. Punkt. Jede natürliche Person in der Schweiz hat heute schon eine Sozialversicherungsnummer. Daraus wird z.B. AHV-Nummer@ahv.ch z.B. oder AHV-Nummer@sss.ch. ’sss› steht für «Soziale Sicherheit Schweiz», was in allen Landessprachen und Englisch aussagekräftig wäre. Eine zentrale Stelle, z.B. die Zentrale Ausgleichsstelle ZAS, welche bereits heute schon die AHV-Nummern vergibt, befasst sich damit und stellt die E-Mailadresse zur Verfügung. Die Crux dabei ist die gleiche, wie es alle anderen Wirtschaftsteilnehmer haben: Die Verifizierung von Person und Adresse. Aber die halbe Welt macht das heute schon und deshalb können wir das in der Schweiz auch.
Der Vorteil für die Bevölkerung und alle Organe der sozialen Sicherheit ist klar: Jede Kommunikation und jede Zustellung einer Verfügung kann auf diese Emailadresse erfolgen. Und auch hier: Gesicherte E-Mails gibt es im privaten und öffentlichen Geschäftsleben. Auch das muss man nicht machen, sondern nur installieren. Wenn man will.
Soziale Sicherheit ist die teuerste Infrastruktur der Schweiz. Wie gesagt nicht die wichtigste, aber eben die teuerste. Genau deshalb lohnt es sich, dass diese volkswirtschaftliche Infrastrukturaufgabe auch eine betriebswirtschaftlich moderne Infrastruktur für die Kommunikation hat.