Schlagwortarchiv für: Gesundheitsdaten

«Public Value of Personal Health Data»

Was passiert, wenn wir die Daten aus dem Gesundheitswesen nicht nutzen? Diese Frage untersuchten Forschende der Berner Fachhochschule und der ETH im Rahmen des SATW-Projekts unter Beteilung von 30 ExpertInnen und InteressensvertreterInnen von PatientInnen, Gesundheitsberufen, Leistungserbringern, Industrie, Gesellschaft und Verwaltung. Ein durchgeführter Workshop lieferte vier mögliche Szenarien.

Die Szenarien wurden so ausgewählt, dass sie bekannten Prototypen für Datenplattformen entsprechen. Wesentliche Unterschiede zwischen ihnen lassen sich anhand untenstehender schematischer Einordnung im abstrakten dreidimensionalen Raum aufzeigen, mit den Dimensionen Datenvielfalt, Nutzungsvielfalt und Nutzervielfalt.

Die vier untersuchten Szenarien sind:

  1. Datensammlung: In diesem Szenario sind alle Daten anonymisiert. Auf die pseudonymisierten persönlichen Gesundheitsdaten kann zugegriffen werden, wenn alle Betroffenen mit dem Zugriff und seinem spezifischen Zweck einverstanden sind. Daten können von der Plattform in Forschungsumgebungen exportiert werden, die nicht unter der Kontrolle des Plattforminhabers stehen. Daten beziehen sich nicht auf die repräsentierten Personen, ausser in unvermeidbarer Weise, wie z.B. Genomdaten. Es werden keine Annahmen über die Preisgestaltung getroffen.
  2. Forschungsplattform: Eine Sammlung von persönlichen Gesundheitsdaten steht registrierten und authentifizierten Forschern auf einer Plattform zur Verfügung. Die Daten sind nicht anonymisiert und können nur auf der Plattform ausgewertet und nicht exportiert werden. Die Registrierung ist nur für Forscher im Rahmen von Projekten an einer Schweizer Universität oder für forschende Mediziner in der Schweiz möglich.
  3. Erweiterte Register: Ein Krankheitsregister das statistische Daten über Krankheiten, ihre Besonderheiten und Korrelationen mit anderen Registern enthält. Das Register ist Teils als Open-Data veröffentlicht und Teils für registrierte Benutzer zugänglich.
    Die Registrierung bedarf der Unterzeichnung einer Ethik-Erklärung und ist nur für Forscher im Rahmen von Projekten an einer Schweizer Universität, für in der Schweiz forschende Mediziner oder für von der Regierung beauftragte Personen möglich.
  4. Begrenzte Datensammlung: Eine begrenzte Sammlung von schwer de-anonymisierenden Gesundheitsdaten (d.h. insbesondere keine Genomdaten) können von registrierten und authentifizierten Anwendungen abgerufen werden. Die Registrierung erfolgt auf einer unterzeichneten Ethikerklärung der Anwendungsentwickler oder Unternehmen.

Die vier Szenarien unterschieden sich substanziell. Sie entsprechen unterschiedlichen Zugängen zu Datenplattformen, die alle existieren, wenn auch in der Schweiz in unterschiedlichen Entwicklungsständen. Die Arbeit mit ihnen hat die Diskussion fokussiert und verändert – vom Grundsätzlichen zum Spezifischeren. Dies wurde von den Teilnehmenden als wertvoller Fortschritt wahrgenommen.


Die vollständige Publikation finden Sie hier.

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Digitalisierte Pflegedokumentation: Denkt künftig der Computer für mich?

Klinische Pflegedokumentation ist Teil des pflegerischen Alltages, sei es zur Versorgungsplanung, zur Evaluation erreichter Erfolge oder für Qualitäts- und Abrechnungszwecke. Was dabei zu beachten ist, schreibt unser Autor Dirk Hunstein.

Man sollte meinen, dass mit zunehmender Digitalisierung die bisherige klinische Pflege(prozess)dokumentation ihren rein „Informationen verwahrenden“ Charakter verlöre und zu einer Verbesserung der pflegerischen Versorgung beitrage. Doch solange bestehende Papierformulare 1:1 in eine Software kopiert werden, ist nichts gewonnen. Die elektronische Umsetzung des Pflegeprozesses funktioniert eben nicht über Formulare, sondern über Datenmodelle.

Solche Datenmodelle, wie sie z. B. den pflegerischen Basisassessments der Methode epa (ergebnisorientiertes Pflege-Assessment) zu Grunde liegen, strukturieren Informationen und setzen diese in Prozesse um. Bei epa steht zu Beginn die klinische Entscheidungsfindung, also die Feststellung von Art und Schwere von gesundheitsrelevanten Fähigkeiten und Beeinträchtigungen von PatientInnen (Pflegediagnostik), danach folgen die daraus abgeleitete Ziel- und Massnahmenplanung sowie die abschliessende Evaluation der Wirksamkeit pflegerischen Handelns. Diese aus der pflegerischen Routinedokumentation gewonnenen Primärdaten können anschliessend als Kennzahlen für die fachliche, organisatorische und finanzielle Steuerung sowie für Zwecke der Versorgungsforschung eingesetzt werden und – dabei wird es richtig spannend – für Prognosemodelle genutzt werden.
Bevor hierfür einige Beispiele aufgeführt werden, zum Verständnis zunächst einige Erläuterungen zur Funktionsweise der Instrumente der Methode epa.

Wie epa funktioniert

Die Basisassessmentinstrumente epaAC (Acute Care), epaKIDS (Pediatric Care), epaPSYC (Psychiatric Care) und epaLTC (Long Term Care) der Methode epa sind das Ergebnis eines pflegewissenschaftlichen Praxisforschungsprojekts, das 2002 in den HSK Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden gestartet wurde. Seit 2007 wird die Methode von der ePA-CC GmbH kontinuierlich weiterentwickelt. Kern der Methode ist die Messung (funktionaler) Patientenfähigkeiten, wie z. B. die Fähigkeit, sich selbst zu kleiden, sich fortbewegen zu können, Informationen aufzunehmen und interpretieren zu können usw., aber auch psychosozialer Konzepte (z. B. Angst, Schmerz, Traurigkeit) sowie verschiedener Kontextinformationen (z. B. ob Ableitungssystemen für Urin oder Stuhl vorliegen usw.). Alle Informationen werden skaliert erhoben. Je nach Ausprägung seiner Fähigkeiten erhält der Patient pro Item 4, 3, 2 oder 1 Punkte, wobei 4 Punkte für den Normzustand „volle Fähigkeit“ und 1 Punkt für das Fehlen der entsprechenden Fähigkeit stehen.

Weil diese Daten im Rahmen der pflegerischen Routinedokumentation kontinuierlich anfallen, können – in Verbindung mit einer geeigneten Massnahmenklassifikation (95% aller Anwenderbetriebe arbeiten hier mit der Methode LEP) – auch Veränderungen sowie die Wirksamkeit des pflegerischen Handelns nachgewiesen werden.

Mit über 400 epa-Vertragsbetrieben im D-A-CH-Raum steht ein immenses Datenpotenzial zur Verfügung, um innovative Lösungen für die pflegerische Gesundheitsversorgung über alle Settings hinweg zu entwickeln bzw. bereitzustellen.

Nachfolgend werden einige Lösungsansätze skizziert, wie elektronische (Pflege-) Dokumentation in Verbindung mit künstlicher Intelligenz KI den klinischen Alltag erleichtern und die Patientenversorgung verbessern kann. Alle nachfolgend aufgeführten Beispiele sind schon heute umsetzbar.

Lösungsbeispiel geringer Komplexität

Automatisierte Massnahmenvorschläge: In allen elektronischen Dokumentationssystemen, in denen die Instrumente der Methode epa sowie LEP-Interventionen integriert sind (derzeit bieten 21 Softwarefirmen entsprechende Lösungen an), werden nach der Einschätzung der Patientenfähigkeiten automatisch nur noch jene Interventionen vorgeschlagen, die zum individuellen Patientenzustand passen; die Pflegefachperson muss nicht mehr aus dem gesamten Katalog auswählen. Dies erfolgt durch einfache fach- und sachlogische Verknüpfungen von Zustand (z. B. gering vorhandene Fähigkeit sich zu waschen) und dazu passenden Massnahmen, wie z. B. Unterstützung bei der Körperpflege. Bei diesem Beispiel steht das Thema effiziente Dokumentation im Vordergrund.

Lösungsbeispiel mittlerer Komplexität

Verbesserung der individuellen (pflegerischen) Versorgungsplanung durch automatische frühzeitige Risikoerkennung bei gleichzeitiger Vereinfachung der Dokumentation („selbstausfüllende“ Dokumentation): Durch die Verbindung von „Devices“ wie Lagesensoren, wie sie in jedem Smartphone oder jeder Smartwatch enthalten sind, kann erkannt werden, ob sich ein Patient im Bett ausreichend bewegt oder ob er ein erhöhtes Dekubitusrisiko aufweist. Ist dies nicht der Fall, erkennt die drucksensitive Matratze, dass der Patient soeben von der linken auf die rechte Seite gelagert wurde. Um welchen Patienten es sich dabei handelt, erkennt das System am Chip, der im Patienten-Identifikationsarmband enthalten ist. Die handelnde Person wiederum identifiziert sich über den Chip, der in ihr Namenschild eingebaut ist, so dass in der elektronischen Falldokumentation automatisch die richtige Handlung einschliesslich ihrer Dauer durch die richtige Person dem richtigen Patienten zugeordnet wird. Bei diesem Beispiel steht das Thema „Patientensicherheit“ im Vordergrund.

Lösungsbeispiele hoher Komplexität

Hierzu gehören Prognosemodelle, wie z. B. die Vorhersage der voraussichtlichen Entlassung in Verbindung mit dem voraussichtlichen Fähigkeitsprofil eines Patienten, um so früh wie möglich die passende erforderliche poststationäre Versorgung planen zu können. Aus dem Wissen über normale Genesungsverläufe können Hinweise auf mögliche Komplikationen gegeben werden, bevor sich eindeutige klinische Symptome zeigen, v. a. in Verbindung von Pflegedaten mit Biomarken oder Laborwerten (auf diesem Prinzip beruhen auch z. B. einige Krebsfrüherkennungsuntersuchungen oder HIV-Tests).

Weiter unterstützen Vorhersagen typischer Interventionen, die üblicherweise bei Patienten mit vergleichbaren Merkmalen erbracht werden. So lassen sich nicht nur noch genauere Vorschläge für individuelle Pflegeplanung geben, sondern es kann auch der Aufwand abgeschätzt werden und wie viel Personal gebraucht wird.

Aus Sicht der Versorgungsforschung ist interessant, dass mit den einheitlichen Datenmodellen von epa auch Setting-übergreifend Daten ausgewertet werden können. Wenn z. B. Herr Müller aus dem Langzeitbereich in die akutstationäre Versorgung, anschliessend in die Rehabilitation und danach wieder in den Langzeitbereich wechselt. Damit kann eine Einrichtung und Setting übergreifende massgeschneiderte Versorgung geplant und hinsichtlich ihres Erfolgs evaluiert werden. Bei diesen Beispielen steht die qualitativ hochwertige und effektive Gesundheitsversorgung im Vordergrund.

Herausforderungen und Ausblick

Alle Beispiele haben ein gewaltiges Missbrauchspotenzial gemeinsam: Wird künftig Fachexpertise durch künstliche Intelligenz ersetzt? Oder werden Patienten künftig nur noch dann behandelt, wenn eine ausreichende Rendite vorhergesagt werden kann?
Fest steht: Die Gesundheitsversorgung der Zukunft wird sich ändern. Wenn immer mehr Menschen von immer weniger Fachpersonen versorgt werden, müssen Lösungen gefunden werden. Digitalisierung kann hierbei helfen. Daher ist ein breiter und öffentlicher gesellschaftlicher Diskurs zu führen, der sich mit den Risiken und Konsequenzen aus der Nutzung von Gesundheitsdaten beschäftigt. Da dies aber kein abgegrenzter Prozess ist, der fortwährenden Änderungen unterliegt, hilft Abwarten nicht, bis ein Konsens erzielt ist. Vielmehr gilt es, digitale Lösungen nicht von vornherein zu blockieren, sondern ihre Einsatzmöglichkeiten konsequent weiterzuentwickeln, gleichzeitig aber kritisch zu hinterfragen und mögliche Konsequenzen abzuwägen.

Die Zukunft von Digitalisierung in der Pflege resp. der Gesundheitsversorgung sehe ich nicht in Robotik, sondern in Assistenzsystemen, die die klinische Entscheidungsfindung unterstützen, passgenauere Therapien vorschlagen und somit letztlich die Gesundheitsversorgung verbessern.

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Blockchain sichert den Datenaustausch im Gesundheitswesen

Mit der digitalen Sicherheitstechnologie können nicht nur elektronische Patientendossiers geführt werden sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den medizinischen AkteurInnen vertraulich realisiert werden. Ein Fachbeitrag über die möglichen Anwendungen im Gesundheitswesen von zwei Medizininformatikern der BFH.

Blockchain ist eine IT-Technik, mit der Daten in einem Netzwerk von Rechnern aufgrund ihrer fortlaufenden Verkettung in einer zentralen Datenstruktur, die selbst in jedem Knoten des Netzwerkes komplett also redundant vorliegt, mit hoher Sicherheit ohne Verfälschungen und Informationsverlust nachverfolgt werden können. Vertrauensschaffende Dritte (Intermediäre) zur Validierung der Daten können damit überflüssig gemacht werden. Bekannt geworden ist die Technik unter anderem aus dem Bereich der Digitalen Währungen (Bitcoin).

Man kann zwei Bedingungen für den Einsatz von Blockchain-Technologie im Gesundheitswesen formulieren:

  1. Es gibt eine relevante Anzahl von Stakeholdern, die Informationen sicher austauschen und für alle Beteiligten zugänglich speichern wollen.
  2. Intermediäre sind entweder nicht effizient oder vertrauenswürdig genug und können durch die Blockchain-Idee eliminiert werden [1].

Dabei sollten jedoch Anpassungen an die Erfordernisse des Gesundheitswesens vorgenommen werden, die sich vom Finanzsektor wesentlich unterscheiden, vor allem im Hinblick auf die Blockbildung und deren Validierung. So sind zum einen private Blockchains für Kontexte wie Studien denkbar, die nur einem ausgewählten Kreis an Stakeholdern den Zugriff auf Patientendaten ermöglichen. Wichtig ist auch eine angepasste Validierung, da der finanzielle Anreiz nicht per se im Fokus stehen muss und der Validierungsaufwand auch durch aktuelleren bzw. erweiterten Zugriff auf Daten belohnt werden kann.

Wozu Blockchain im Gesundheitswesen?

Für den Einsatz von Blockchain im Gesundheitswesen gibt es eine Vielzahl von Szenarien. Beispielsweise die fälschungssichere Archivierung medizinischer Daten und jederzeitige Vorlage dieser Daten, ohne eigene Systeme dafür aufbauen zu müssen [2]. Vor allem aber für die Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Kontexten, die je verschiedene Qualitätsansprüche besitzen, wie bei der Zusammenführung von Daten aus Forschung, privatem Kontext (Quantified Self) und der Versorgung, kann die Blockchain einen passenden Mechanismus zur Speicherung von Daten bieten [3].

Wir beschreiben im Folgenden drei Anwendungsszenarien etwas näher: (i) Klinische Studien, (ii) Patientendossier und (iii) Identity Management in Affinity Domains.

(i) Klinische Studien

Im Kontext klinischer Studien sind Konsequenzen von Verzerrungen in der Ergebnisdarstellung, Manipulationen und fehlende Transparenz Treiber für die Suche nach alternativen Datenvorhaltemechanismen. Eine Blockchain verbindet unter anderem Forschungsinstitutionen (CROs), Pharmaunternehmen, PatientInnen und Spitäler und ermöglicht eine zeitnahe und konsistente Bereitstellung von Daten im Forschungsverlauf [4]. In der Blockchain werden die Patientendaten pseudonymisiert und/oder verschlüsselt vorgehalten und können aufgrund der verketteten Hashwert-Bildung nur unter unverhältnismässig hohem Aufwand verändert werden. Dies gilt auch für die Studienfragen und den statistischen Analyseplan, so dass keine intransparenten und manipulativen Veränderungen möglich sind. Eine semi-automatische Abwicklung des Studienorganisationsprozesses kann durch Smart Contracts gesteuert werden: Programmcode, dessen Ausführung im Netzwerk gesteuert und validiert wird. Ein Smart Contract lässt sich dabei unter anderem für die Aufnahme einer Person in die Studie (Enrolment) als auch den finalen Studienabschluss (Database freeze) nutzen.

(ii) Patientendossier

Zum Einsatz von Blockchain für ein Patientendossier schreiben Peterson et al. [5]: „The challenges of a patient record are not unlike those of a distributed ledger. For example, a patient may receive care at multiple institutions. From the patient’s point of view, their record is a single series of sequential care events, regardless of where these events were performed”. Im Gegensatz zur klassischen Theorie des Patientendossiers können mit dem Blockchain-Ansatz Informationen schneller distribuiert und validiert werden, was erhebliche Verbesserungen in der Patientenversorgung bringen kann.

Für die Schnelligkeit förderlich sind:

  • eine Public-Key-Infrastruktur für den Zugriff auf die Daten in der Blockchain,
  • Angabe von Referenzen statt der Rohdaten in der Blockchain und
  • Zeitstempel von Zugriffen auf die Blockchain, um jederzeit zu wissen, wer auf welche Daten wie und wann zugegriffen hat.

Die gleichen Daten können zudem für Forschungsaktivitäten bereitgestellt werden, um grössere und diversere Studienkollektive zu ermöglichen (Stichwort: Citizen Science). Zudem sinken damit die Hemmnisse für vielfältige Formen des Datenaustausches, da die zentralen Daten der Versorgung für alle zur Verfügung stehen.

Durch das über die Blockchain gestiftete Vertrauen in die Daten resultieren neue Optionen zur Zusammenarbeit. In Brasilien wurde die Implementierung einer Gesundheitsakte OmniPHR auf Blockchain-Technik pilotiert [6]. Es handelt sich aber eher um einen technischen Umsetzungsnachweis für ein theoretisch entworfenes Modell, das noch nicht praktisch eingesetzt wurde.

(iii) Identity and Access Management in Affinity Domains

An der Schnittstelle von Gesundheitspraktikern wie ÄrztInnen, PflegerInnen, Apotheken, Laboren, etc. spielen Identitätsdaten eine zentrale Rolle, um z.B. auch verteilte Daten in unterschiedlichen Systemen des Gesundheitswesens zu schützen. Hier hat sich der Begriff des Identity and Access Managements (IAM) etabliert. Das Verwalten, Bereitstellen und Beweisen von Identitäten und Zugriffsberechtigungen wird vereinfacht durch die Bildung von Vertrauensräumen oder auch Affinity Domains. In einem solchen Raum, etwa in einem Spital mit zuweisenden und stationären ÄrztInnen kann das IAM durch Blockchain unterstützt werden. Identitätsdaten sowie Identifizierungs- und Authentisierungsmittel lassen sich effizient integrieren, schützen, unwiderruflich speichern und mit Zeitstempel versehen werden (z.B. zur Abgrenzung von Tätigkeitsdauern etwa von ÄrztInnen). Zudem könnte das, was heute über sogenannte Proxies zur Integration des IAM über Affinity Domains und nationale Grenzen hinaus realisiert wird, über vernetzte Blockchains gelöst werden, so dass ein integriertes IAM über unterschiedliche Domänen und Metadomänen hinaus ermöglicht wird.

Wer profitiert von Blockchain im Gesundheitswesen?

Die Beispiele deuten an, dass die Beschleunigung des Datenaustausches (wo heute noch zum Teil schriftliche Verträge und Bestätigungen von Trusted Third Parties notwendig sind), die verbesserte Validierung und die reduzierte Manipulationsgefahr vor allem für Gesundheitsdienstleistende, PatientInnen, Krankenversicherungen und den staatlichen Institutionen von grossem Nutzen sein kann. So verspricht sich Estland mit dem e-Health Record auf Basis von Blockchain einen erheblichen Nutzen durch beschleunigten Zugriff auf Gesundheitsdaten [7]. Dadurch wird eine Möglichkeit geschaffen, zu mündigeren PatientInnen zu kommen, die über ihre Daten selbst bestimmen.

Blockchain erscheint derzeit als Lösung für viele Probleme des Datenaustausches im Gesundheitswesen, dennoch existieren auch Zweifel, da für viele Überlegungen noch kein Nachweis eines tatsächlichen Mehrwertes erbracht wurde. Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der stetigen Vergrösserung eines redundant vorliegenden Blockchains (Netzwerkblockierung und Speicherineffizienz), bezüglich der Probleme von Validierungsproblemen bei kleineren Netzwerken (ein Angreifer braucht viel weniger unter Rechner seine Kontrolle zu bringen, um die Validierung auszuhebeln) und wegen der steigenden Datenschutzproblematik, wenn Daten nicht mehr «vergessen» werden können. Ob sich der technologische Aufwand gegenüber klassischen Lösungen rentiert, muss sich erst noch zeigen. Zusammenfassend kann gesagt werden: Blockchain ist eine relativ neue Technologie, und es ist noch unklar, ob sie im Kontext der Gartner-Zyklus-Darstellung [Abb., 8] noch im Gipfel der übersteigerten Erwartungen liegt oder gerade ins Tal der Desillusionierung fällt.

 


Referenzen

  1. Mettler M. Blockchain technology in healthcare: The revolution starts here, IEEE; 2016, p. 1–3. doi:10.1109/HealthCom.2016.7749510.
  2. Azaria A, Ekblaw A, Vieira T, Lippman A. MedRec: Using Blockchain for Medical Data Access and Permission Management. 2016 2nd Int. Conf. Open Big Data OBD, 2016, p. 25–30. doi:10.1109/OBD.2016.11.
  3. Health IT Security. Exploring the Use of Blockchain for EHRs, Healthcare Big Data. HealthITAnalytics 2016.  (accessed October 23, 2018).
  4. Nugent T, Upton D, Cimpoesu M. Improving data transparency in clinical trials using blockchain smart contracts. F1000Research 2016;5:2541. doi:10.12688/f1000research.9756.1.
  5. Peterson K, Deeduvanu R, Kanjamala P, Mayo KB. A Blockchain-Based Approach to Health Information Exchange Networks, 2016.
  6. Roehrs A, da Costa CA, da Rosa Righi R. OmniPHR: A distributed architecture model to integrate personal health records. J Biomed Inform 2017;71:70–81. doi:10.1016/j.jbi.2017.05.012.
  7. e-Health Records — e-Estonia n.d. / (accessed October 23, 2018).
  8. 5 Trends Emerge in the Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies (accessed October 23, 2018).
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Novemberausgabe: Wie gefährlich ist E-Health? – Von der Datenkrake zur Performance

Ist E-Health eine Gefahr für die Privatsphäre? Ja, natürlich. Bewegen wir uns in Richtung Big Brother? Ja, teilweise. Nur: Es wäre falsch von nur einer Datenkrake zu sprechen. Blickt man in die Zukunft, dann werden wir ein ganzes Ökosystem von Datenkraken im E-Health haben – eigentlich eine ganze Datenkraken-Biosphäre, in der E-Health sich untrennbar mit anderen Digitalisierungsbereichen verbindet.

Schaut man sich allerdings die Gegenwart an, so fehlen zugreifbare Daten an allen Ecken und Enden. Deshalb müssen wir sie für die Forschung Daten aus dem Ausland einkaufen. Und dort, wo potentiell hochspannende persönliche Gesundheitsdaten vorhanden sind und genutzt werden dürften, fehlen andere Mittel – nämlich Geld, Werkzeuge und Skills für die Datennutzung.

Wir wissen zwar, dass Machine Learning bei vielen abgrenzbaren ärztlichen Aufgaben die besten FachärztInnen klar schlägt und durch Mensch-Maschinen-Zusammenarbeit die Qualität der Arbeit noch weiter gesteigert werden kann, aber im regulären medizinischen Einsatz ist die Maschinenintelligenz kaum präsent. Intelligente Datenverarbeitung findet noch immer primär durch geniale numerische Tricks statt, die in die medizinischen Geräte eingebaut sind.

Das heisst, E-Health wird arm an Daten und noch ärmer an Künstlicher Intelligenz praktiziert. Ausgenommen dort, wo es direkt um Menschenleben geht, beispielsweise wenn WissenschaftlerInnen über Jahre hinweg um das Leben eines Kindes kämpfen und dafür Big Data und Simulationen nutzen. Und ausgenommen dort, wo es mittelbar um viele Menschenleben und um Milliardengewinne geht, beispielsweise in der Forschung zu häufig tödlichen Erkrankungen. Denn wo sehr viel auf dem Spiel steht, funktioniert sehr vieles sehr anders: Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Offenheit für neue Ideen werden dann zum Glück meist ebenso eine Selbstverständlichkeit wie Investitionen in digitale Werkzeuge und in Digital Skills. Nur die Verfügbarkeit von (rechtmässig) zugreifbaren Daten bleibt auch dort oft ein Problem.

Im High-End Bereich des Gesundheitswesens zeigt sich klar, Daten bringen grossen Nutzen und sind für die Personalisierung der Gesundheitsversorgung von eminenter Bedeutung. Ihre richtige Nutzung verbessert das Gesundheitswesen. Es macht es nicht billiger, aber wirksamer und damit nicht nur effektiver, sondern auch effizienter. Und würde man die Datennutzung auf das gesamte Gesundheitswesen ausweiten, könnte man den Nutzen vervielfachen.

Es ist darum beides unanständig: Daten schlampig zu nutzen und dabei die Privatsphäre zu verletzen UND auf die Nutzung der Daten zu verzichten und deshalb die Menschen schlechter zu versorgen, als es möglich wäre und dafür auch noch mehr Geld auszugeben, als nötig wäre.

E-Health ist gefährlich, ja! Aber Krankheiten sind auch gefährlich! Wir müssen darum lernen, persönliche Gesundheitsdaten und Künstliche Intelligenz effektiv und verantwortungsbewusst zu nutzen!

Herzlichst, Ihr Reinhard Riedl

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Reportage PRAEVENIRE 2018

Das PRAEVENIRE Gesundheitsforum Seitenstetten fand vom 18. bis 20. April 2018 zum dritten Mal statt. Mehr als 20 Experten aus dem Gesundheitswesen und über 200 Gäste leisteten in diesen Tagen ihren Beitrag zur Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung.

Hier finden Sie eine Reportage über das 3. PRAEVENIRE Gesundheitsforum Seitenstetten von vielgesundheit.at:

 


Weitere Beiträge zum Thema:

Radiobeitrag Ö1: Transparenz und Nutzen, Warum Schweizer BürgerInnen ihre Gesundheitsdaten hergeben. (Infos zum Beitrag)

 

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Neue App für Pollenallergiker

Pollensaison: Für die rund zwei Millionen Allergikerinnen und Allergiker in der Schweiz gibt es jetzt die neue kostenlose App «Ally Science». Diese lanciert am 24. April 2018 die Berner Fachhochschule (BFH) und das UniversitätsSpital Zürich (USZ). Mit der intuitiv bedienbaren, in allen vier Landessprachen sowie in Englisch verfügbaren App dokumentieren die Anwender ihre Beschwerden. Sie erhalten ausserdem Pollenprognosen sowie exklusiv eine Darstellung zur aktuellen Entwicklung der Allergiesymptome in den verschiedenen Regionen. Durch die Studienteilnahme tragen sie dazu bei, dass künftig Frühwarnsysteme und Therapien für Pollenallergiker verbessert werden können.

Rund zwei Millionen Menschen in der Schweiz leiden während der Pollenflugsaison unter körperlichen Beschwerden. Dazu gehören etwa brennende Augen, triefende Nase, juckende Haut, Halsschmerzen und Atemnot. Nicht bekannt ist bislang, in welchen Regionen (Kantone, städtische und ländliche Gebiete) die Symptome besonders häufig oder stark auftreten und durch welche Faktoren (Pollenart, Feinstaub, Wetter etc.) sie beeinflusst werden. Die Allergiestation der Dermatologischen Klinik des UniversitätsSpitals Zürich will diesen Fragen nun in einer wissenschaftlichen Studie in sämtlichen Regionen der Schweiz auf den Grund gehen.

Mehrwert für Pollenallergiker
Kernelement der Studie ist die App «Ally Science». Sie ist ab sofort in je einer deutschen, französischen, italienischen, rätoromanischen und englischen Version herunterladbar und ermöglicht es sämtlichen interessierten Pollenallergikern in der Schweiz, an der Studie teilzunehmen. Die Daten werden dazu anonymisiert. Durch jede zusätzliche Anwenderin und jeden zusätzlichen Anwender wird die wissenschaftliche Erhebung aussagekräftiger und der aus ihr resultierende Mehrwert für alle Pollenallergiker grösser. «Das Ziel ist es, dank der via Studie gewonnenen Erkenntnisse Pollenfrühwarnsysteme, Beratungen und Therapien zu verbessern», so Prof. Peter Schmid-Grendelmeier, Leiter der USZ-Allergiestation.

Konzipiert und entwickelt wurde die App an der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit der Firma ELCA Informatik AG. «Es war uns wichtig, dass die App grafisch attraktiv sowie intuitiv bedienbar ist und einen echten Mehrwert für die Benutzer bietet», sagt Prof. Serge Bignens, Leiter des Instituts für Medizininformatik. «Um die Symptome im persönlichen Allergietagebuch einzutragen, benötigt man weniger als 20 Sekunden.» Auf einer speziellen Karte sind ausserdem die Pollenflugprognosen von MeteoSchweiz aufbereitet. Indem die Anwender auf der App ein Tagebuch führen, wird darüber hinaus in Echtzeit ersichtlich, wie sich die Allergiesymptome in den verschiedenen Regionen entwickeln. Abgerufen werden kann ferner der Entwicklungsverlauf über die letzten 24 Stunden und die letzten Tage.

Kontrolle über die eigenen Gesundheitsdaten
Die mit der App erfassten Daten werden verschlüsselt auf der MIDATA-IT-Plattform gespeichert. Die Plattform wird betrieben von der gemeinnützigen MIDATA-Genossenschaft. MIDATA wurde mitbegründet von den ETH-Professoren Ernst Hafen und Donald Kossmann. MIDATA erlaubt es den Bürgerinnen und Bürgern, ihre Gesundheitsdaten sicher zu hinterlegen, die Kontrolle über deren Verwendung zu behalten und sie nach eigenen Interessen und Bedürfnissen für Forschungszwecke in anonymisierter Form freizugegeben. Der Erlös für das Zurverfügungstellen von Daten wird in die auf der MIDATA-IT-Plattform angebotenen Dienste sowie in weitere Forschungsprojekte reinvestiert. Er kommt somit nicht einer einzelnen Firma, sondern der gesamten Gesellschaft zugute.

Projektpartner

«Ally Science» zeichnet sich schliesslich auch durch das eingebrachte Know-how und das Engagement weiterer gewichtiger Partner aus. Es sind dies:

  • der Raumklima-Spezialist Dyson, Zürich, (Kompetenzpartner Industrie)
  • das aha! Allergiezentrum Schweiz, die unabhängige Stiftung für Menschen mit allergischen Erkrankungen, Bern
  • die Agentur für Digital-Design Superhuit, Lausanne

Infos und Download «Ally Science»-App: www.allyscience.ch

Infos MIDATA-IT-Plattform: www.midata.coop

 

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