Schlagwortarchiv für: DSGVO

Once Only in Europa – Kann die Schweiz dabei sein?

Das Prinzip der einmaligen Erfassung von Daten gegenüber Behörden (Once-Only, OOP) in Europa als Teil der Tallinn-Deklaration ist ein zentrales Zukunftsprojekt, um Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger von administrativem Aufwand zu entlasten und die Verwaltung effizienter zu machen. Grundlage dafür sind technische und organisatorische Anpassungen, die aktuell in einem Europäischen Pilotprojekt getestet werden. Die BFH beteiligt sich am Projekt TOOP (The Once-Only Principle Project) und erforscht dabei die Möglichkeiten und Hindernisse für eine Beteiligung der Schweiz.

Das EU Large Scale Pilot «TOOP» hat zum Ziel, die Umsetzung des OOP mit dem Aufbau einer geeigneten Infrastruktur und der Definition von Schnittstellen zu den nationalen Systemen zu entwickeln und zu pilotieren. Das Zusammenspiel mit bestehenden Komponenten und Regulierungen der EU nimmt dabei eine wichtige Rolle ein. Über 50 Partner aus 20 Ländern arbeiten an konkreten Anwendungsfällen zum Austausch von Unternehmensdaten. Die Pilotanwendungen fokussieren dabei auf den Austausch von Daten aus Handelsregistern und den Austausch von Schiffzertifikaten im Seetransport.

Viele Schnittstellen verzögern umfassende Einführung

Mit einer Architektur und einigen auf wenige Länder beschränkten Pilotanwendungen konnte das grundsätzliche Funktionieren bereits aufgezeigt werden. Eine weitere Ausdehnung der Aktivitäten und die Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Lösung sind die weiteren Schritte, die bis zum Projektabschluss Ende 2019 geplant sind. TOOP stellt gemeinsam mit dem bereits abgeschlossenen Projekt SCOOP4C den Beginn der praktischen Implementierung von OOP in Europa dar. Die Komplexität des Vorhabens durch die vielen Schnittstellen und Abhängigkeiten in der Ausgestaltung der nationalen Infrastrukturen zeigt, dass eine umfassende Einführung nicht kurzfristig erwartet werden kann. Die Unterschiede in der Maturität der nationalen Infrastrukturen sind in der EU erheblich. Die Projekte zeigen aber deutlich, dass erhebliche Ressourcen für die Konkretisierung des OOP in Europa eingesetzt werden und mittelfristig eine grundlegende Veränderung der Verwaltungsprozesse erwartet werden kann.

Aus der Perspektive der Schweiz als Drittstaat mit engen wirtschaftlichen Verflechtungen mit den europäischen Nachbarn stellt sich die Frage, ob und in welcher Form eine Beteiligung an diesem Datenraum möglich ist. Mit der Beteiligung der BFH an TOOP soll diese Perspektive für die Schweiz geklärt und mögliche Anwendungsfälle identifiziert werden. Für die Schweiz kann die Interoperabilität mit der entstehenden europäischen Infrastruktur auf unterschiedlichen Dimensionen analysiert werden. Im Verlaufe des Projektes wurden insbesondere die technische und rechtliche Ebene betrachtet.

Schweiz braucht Vermittlungsinstanz

Auf der technischen Ebene sieht die Architektur von TOOP vor, dass der Datenaustausch sowohl in bestehenden Schnittstellen wie dem Business Registry Interconnection System (BRIS) stattfinden kann auch mit einem neu aufzubauenden nationalen TOOP-Layer. Auf der Basis der entwickelten Architektur und den definierten Komponenten müsste in der Schweiz eine Vermittlungsinstanz aufgebaut werden. Zur Sicherstellung der semantischen Interoperabilität leistet dieses Vermittlungsinstanz in TOOP auch die «Übersetzung» der Terminologie. Ein Detailkonzept wäre hier der nächste Schritt, dieser müsste insbesondere die heutige Ausgestaltung des Unternehmensidentitfikators (UID) berücksichtigen.

In rechtlicher Perspektive sind grosse Herausforderungen anzugehen. Die Europäische Kommission hat zum Ziel, mit TOOP viele bestehende Komponenten einzubinden. So wird die Authentifikation für den Datenaustausch auf der Basis von eIDAS durchgeführt und der Zugang soll über den Single Digital Gateway (SDG) erfolgen. Beiden Infrastrukturen liegt eine EU-Verordnung zu Grunde, die für die Schweiz aktuell keine Gültigkeit hat. Mit dem Input der BFH im Projekt sollen die Möglichkeiten der Beteiligung für Drittstaaten thematisiert werden, für die alternative rechtliche und organisatorische Grundlagen den Zugang zu TOOP erlauben sollte. Zuletzt fallen bei der Bearbeitung von Unternehmensdaten auch Personendaten an, die über die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) reguliert werden. Die Übernahme und Verarbeitung von Daten zu europäischen Unternehmen durch die Schweizer Behörden müsste diesem Rahmen entsprechen.

Idenfikationen für verschiedene Stakeholder

In einem grösseren Kontext stellt sich die Frage, welche Anknüpfungspunkte die Identifikation von Unternehmen und der Austausch von Daten für die Schweiz über die Situation in der EU hinaus funktionieren sollen. Das Bundesamt für Statistik bietet seit letztem Jahr die Möglichkeit, die UID mit einem Identifikator der Global Legal Entity Identificator Foundation (GLEIF) zu verbinden. Dazu wurden die rechtlichen Grundlagen ergänzt. Dieser Identifikator ist vor allem in den Finanzmärkten etabliert und ist über die EU hinaus weltweit in Verwendung. Der Legal Entity Identifier (LEI) erlaubt aber nur die eindeutige Identifikation, regelt und organisiert jedoch nicht den Austausch von Unternehmensdaten.

Die Beteiligung der BFH an TOOP ermöglicht:

  1. die mittelfristige Perspektive der Umsetzung von OOP für die Schweiz umfassend und auf der Basis von vertieften Kenntnissen der geplanten und pilotierten Infrastruktur zu beurteilen,
  2. frühzeitig die Perspektive eines Drittstaates in die Erwägungen der Community und der Europäischen Kommission einzugeben,
  3. die konzeptionellen Überlegungen in der Schweiz auf die europäischen Entwicklungen abzustimmen,
  4. alle Interoperabilitätsdimensionen vertieft zu prüfen,
  5. den aktuellen Wissensstand bis Ende 2019 weiter zu vertiefen.

Danksagung

Unser Dankeschön geht an Prof. Dr. Dr. Robert Krimmer von der Tallinn University of Technology, Leiter des TOOP-Projektes sowie an Fabio Tomasini, Leiter Sektion Betriebs- und Unternehmensregister (BUR), Bundesamt für Statistik für die fachliche Begleitung.

 

 

Creative Commons LicenceCreate PDF

Ähnliche Beiträge

Es wurden leider keine ähnlichen Beiträge gefunden.

«Wir brauchen eine sichere europäische eID»

Das E-Government in Deutschland kommt nicht voran. Die Nutzung von digitalen Behördenleistungen ist im vergangenen Jahr sogar gesunken. Im Interview erläutert E-Government-Expertin Lena-Sophie Müller die Gründe und was sich ändern muss.

Sie sind Politikwissenschaftlerin und leiten Initiative D21, das bedeutendste gemeinnützige Netzwerk für die digitale Gesellschaft in Deutschland. Was ist aus Ihrer Sicht der grösste eGov-Erfolg in Deutschland?

Wenn man sich rein die Nutzungszahlen ansieht, dann lautet die Antwort wohl ELSTER. Die Plattform zur Abwicklung der elektronischen Steuererklärung wird von den deutschen Bürgerinnen und Bürgern laut der aktuellen Studie eGovernment Monitor, die wir zusammen mit Kantar TNS jährlich herausgeben, am häufigsten genutzt. Dies ist aber nur ein einzelnes Projekt, das keine Breitenwirkung auslösen konnte. Bei E-Government-Diensten in Deutschland bestehen zahlreiche Nutzungsbarrieren, weswegen diese nicht häufig genutzt werden. Aus meiner Sicht stellen die E-Government-Gesetze des Bundes und der Länder deswegen die grösseren E-Government-Erfolge dar. Diese verpflichten die deutschen Verwaltungen dazu, elektronische Kommunikationskanäle zu eröffnen und ausserdem die Schriftform durch digitale Verfahren abzulösen. Auch das Onlinezugangsgesetz, das Bund und Länder verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen online über Portale anzubieten, liefert einen wichtigen gesetzlichen Rahmen. Mit diesen Gesetzten wurden rechtliche Hürden abgeschafft, um die elektronische Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie den Behörden zu vereinfachen.

Mit dem E-Government Monitor erhalten Sie seit einigen Jahren zuverlässige Daten über die Nutzung digitaler Verwaltungsangebote im deutschsprachigen Raum. Wie hat sich die eGov-Landschaft in den letzten 10 Jahren verändert?

Betrachtet man die Nutzungszahlen der letzten fünf Jahre zeigt sich eine Stagnation und keine Verbesserungen. In Deutschland sank die Nutzung von E-Government-Diensten im letzten Jahr sogar und verharrt auf niedrigem Niveau. Der letzte Bundestagswahlkampf hat aber gezeigt, dass die Politik den dringenden Handlungsbedarf erkannt hat: E-Government ist jetzt auf der Chefebene angekommen und das Kanzleramt hat Zuständigkeiten übernommen. Was sich verändern muss, ist, dass nicht immer nur einzelne IT-Projekte umgesetzt werden, sondern E-Government eine wirkliche Erleichterung bringt für Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltungen selbst.

Welches Thema wird denn in Ihrem Land am meisten diskutiert?

Was konkrete Projekte angeht sind wir gespannt auf den Portalverbund. Über dieses Serviceportal sollen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen mit wenigen Klicks finden und gleich online Anträge stellen können. Der Prototyp geht diesen Herbst online. Damit steht den Bürgerinnen und Bürgern ein Einstiegsportal zu Verwaltungsleistungen verschiedener Behörden zur Verfügung. Das Portal soll nicht nur die Auffindbarkeit von Verwaltungsdiensten erleichtern. Gleichzeitig ist beim Portalverbund ein integriertes Bürgerkonto geplant, bei dem wichtige Daten gespeichert und nicht jedes Mal neu eingegeben werden müssen. Dies könnte dann in der Tat ein Mehrwert und eine Erleichterung für die Bürgerinnen und Bürger sein, wenn dieses auch nutzerfreundlich umgesetzt wird.

Wie haben Sie den Digital Summit in Tallinn wahrgenommen?

Leider war der Digital Summit kaum ein Thema, wenn man sich nicht in den Fachkreisen oder der Wissenschaft bewegt. Bei E-Government haben EU-Massnahmenpläne leider aus meiner Sicht noch einen zu geringen Stellenwert in der Aufmerksamkeit in Deutschland.

Das klingt etwas ernüchtert. Was kann die Tallinn Deklaration konkret in Europa bewirken?

Das wird die Zeit zeigen. Die Tallinn Declaration ist nur eine Bekundung der EU-Länder, hat aber keine Bindung. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Punkte aus der Erklärung mit bindenden gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt werden. Wünschenswert wären besonders einheitliche Regelungen bei der Informationssicherheit und beim Datenschutz. Die europäische Datenschutz-Grundverordnung DSGVO brachte Datenschutzbestimmungen europaweit bereits auf ein hohes einheitliches Niveau. Dies sollte auch in anderen Bereichen fortgesetzt werden, wie beispielsweise bei einheitlichen sicheren eID-Lösungen, um diese auch grenzüberschreitend in Europa einsetzen zu können.


Zur Person:

Lena-Sophie Müller ist eine der Referentinnen unserer Tagung eGovFokus am 1. Juni im Generationenhaus Bern. Sie wird einen Überblick geben über E-Government aus der BürgerInnen-Perspektive in der Schweiz und Deutschland und nach den Impulsen fragen, die von der Tallinn Deklaration ausgehen können. Lena-Sophie Müller ist seit 2014 Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Initiative D21 e.V.  Zuvor arbeitete die Politikwissenschaftlerin seit 2008 am Fraunhofer-Institut FOKUS in Berlin und hat dort zahlreiche Verwaltungsmodernisierungs- und E-Government-Projekte mit der Industrie und der öffentlichen Verwaltung auf EU-, Bundes-, Landes- und Kommunalebene geleitet.


eGov-Fokus

«Die Schweiz im Europäischen E-Government – Projekte und Perspektiven»
Datum: Freitag, 1. Juni 2018
Zeit: 9:00-17:00 Uhr anschliessend Apéro
Ort: Berner GenerationenHaus, Bahnhofplatz 2, 3011 Bern

Referentinnen:

Prof. Dr. Reinhard Riedl, Lena-Sophie Müller, Prof. Dr. Maria Wimmer, Bas Groenveld, Cedric Roy, Marlies Pfister

Weitere Informationen und Anmeldung

Creative Commons LicenceCreate PDF

Ähnliche Beiträge

Es wurden leider keine ähnlichen Beiträge gefunden.