E-Government will Verwaltungen effizienter und effektiver machen. Aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen können E-Government-Anwendungen die chancengleiche und selbstständige Teilhabe an Verwaltungstätigkeiten sowie politische Mitsprache steigern. Allerdings zeigen Studien, dass zum heutigen Zeitpunkt häufig die dazu notwendige Barrierefreiheit nicht gewährleistet ist und somit die Vorteile von E-Government für Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen nicht vollumfänglich ausgenutzt werden können.
Um die Barrierefreiheit eines Webauftritts sicherzustellen, sind die im führenden Standard für barrierefreie Webauftritte WCAG 2.0 genannten Erfolgskriterien zu berücksichtigen. Diese besagen beispielsweise, dass Bilder im Web entsprechende Alternativtexte enthalten müssen, die Personen mit Sehschwäche durch einen Screen-Reader vorgelesen werden können. Des Weiteren muss der Zugang für Menschen mit Hörschwächen zu Videos und Audiodateien durch entsprechende Transkriptionen sichergestellt werden. Formulare sind so zu konzipieren, dass sie durch Screen-Reader gelesen werden können. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass die Aufbereitung von Webinhalten für einen barrierefreien Zugang vielseitig und aufwendig ist und dementsprechende Ressourcen, Know-how und Sensibilisierungsmassnahmen bedürfen.
Ideal sind Online-Formulare für alle
Die Wichtigkeit in Barrierefreiheit zu investieren wird durch die Resultate verschiedener Studien unterstrichen. Gemäss einer Studie von Heinz et al. (2016) werden beispielsweise von Menschen mit Behinderungen Online-Formulare beim Bezug von Behördenleistungen klar bevorzugt, da diese im Gegensatz zu ausgedruckten Formularen leichter ausgefüllt und übermittelt werden können. Zudem können Menschen mit Seheinschränkungen physische Dokumente häufig nicht eigenständig lesen und das persönliche Erscheinen in der Behörde zum Ausfüllen eines Formulars wird für mobilitätseingeschränkte Personen wird als erschwerend und zeitaufwändig empfunden.
Auch die E-Accessibility-Studie (Zugang für alle 2016) bestätigt die Wichtigkeit von elektronischen Behördenleistungen. Eingehende Betrachtung findet das E-Government-Vorhaben vote électronique. Die Studie macht auf die Tatsache aufmerksam, dass Personen mit Behinderungen und ältere Menschen am aktuellen Wahl- und Abstimmungsprozess teilweise ohne fremde Hilfe nicht teilnehmen können. Die Eröffnung eines barrierefrei ausgestalteten Online-Kanals würde somit die autonome und selbstbestimmte Wahrnehmung der politischen Rechte von Menschen mit Behinderungen erlauben.
Diese Beispiele zeigen, dass die Digitalisierung von Behördenleistungen für Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen viele Vorteile bringen können. Betrachtet man allerdings den Stand der Umsetzung eines barrierefreien E-Governments, stellt man schnell fest, dass noch an verschiedenen Stellen Nachholbedarf besteht.
Ist-Zustand: grosse Unzufriedenheit
Die E-Government-Strategie Schweiz hält zwar an dem E-Inklusionsgedanken durch E-Government fest und der «Zugang für alle» als eines der Prinzipien von E-Government ist klar formuliert. Jedoch zeigen jüngste Studien, dass das E-Government für Menschen mit Behinderungen nach wie vor nicht zufriedenstellend umgesetzt wird. Eine Studie des Statistischen Bundesamts in Deutschland zeigt beispielsweise, dass grosse Unzufriedenheit bei der Informationsbereitstellung und bei den Formularen besteht (Statistisches Bundesamt 2018). Diese Ergebnisse werden auch in Untersuchungen bestätigt, die 2018 in der Bundesverwaltung durch die Bundeskanzlei und das E-Government-Institut der Berner Fachhochschule durchgeführt wurden.
Zu ähnlichen Resultaten kommt auch die E-Accessibility-Studie der Stiftung «Zugang für alle» von 2016. Hierbei wurden die Webauftritte von Bundesbehörden, Kantonen, den 10 grössten Städten, bundesnahen Betrieben sowie einzelner privatwirtschaftlicher Unternehmen auf Barrierefreiheit geprüft. Gemäss der Studie sind lediglich die Webauftritte von einzelnen Bundesbehörden und bundesnahen Betrieben, drei Kantonen und von fünf der zehn grössten Schweizer Städten für Menschen mit Behinderungen grösstenteils barrierefrei. Die Ergebnisse zeigen klar, dass für eine Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im Onlineumfeld noch viel Handlungsbedarf besteht. Dem hinzuzufügen ist, dass bereits beim einfachen Zugang zu Informationen die Barrierefreiheit teilweise schon nicht gegeben ist und die barrierefreie Zugänglichkeit von Interaktionen und Transaktionen im E-Government gar nicht erst berücksichtigt wurde.
Grosses Zukunftsthema
E-Government als Chance für Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen zukünftig zu betrachten, wird in Zukunft von noch grösser Brisanz, da aufgrund des demographischen Wandels und der zunehmend steigenden Lebenserwartung mit einem starken Wachstum dieser Bevölkerungsgruppe zu rechnen ist (Bundeskanzlei 2016). Durch eine kontinuierliche Sensibilisierung der Verwaltungsmitarbeitenden und durch entsprechende Ressourcen innerhalb der Verwaltung ist somit Barrierefreiheit im E-Government künftig sicherzustellen. Des Weiteren ist die Bewertung der Barrierefreiheit von Behördenleistungen bei Qualitätsprüfungen explizit zu berücksichtigen und das Ziel der verbesserten Teilhabe jeweils im Auge zu behalten. Auch neue Technologien sind prüfen, durch deren Einsatz im E-Government-Umfeld die Integration von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen vorangetrieben werden können.
Referenzen:
Bundeskanzlei 2016: Demografischer Wandel in der Schweiz: Handlungsfelder auf Bundesebene.
Heinz et al. 2016: Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu elektronischen Behördenleistungen in der Schweiz Studie zur Erfassung der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger 2016, Universität Basel.
Statistisches Bundesamt 2018: Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit behördlichen Dienstleistungen, Destatis.
Zugang für alle 2016: Schweizer Accessibility-Studie 2016. Bestandsaufnahme der Zugänglichkeit bedeutender Schweizer Internet-Angebote. Eine Studie der Schweizerischen Stiftung zur behindertengerechten Technologienutzung «Zugang für alle».