Zur Förderung der psychischen Gesundheit: Potenzial Sozialer Roboter im Schulalltag
Die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern ist zentraler Bestandteil für erfolgreiches Lernen und eine gesunde soziale und emotionale Entwicklung. Wie kann dabei ein Sozialer Roboter unterstützen? Mit welchen Tätigkeiten und Rollen kann er Lehrpersonen unterstützen? Ein Forschungsteam der BFH befasst sich mit diesen Fragen.
Soziale Roboter verbreiten sich zunehmend und in verschiedenen Bereichen, wie dem Gesundheitswesen, Bildungsbereich, Hotellerie, Gastronomie und im Haushalt (Bendel, 2021). Sie interagieren mit dem Menschen, wobei ihr Einsatz nicht nur auf die Ausführung bestimmter Dienstleistungen ausgerichtet ist, sondern auf der Anpassung an ihre Umgebung und auf den Aufbau einer Beziehung mit dem Menschen (Pijetlovic, 2020).
Soziale Roboter im Gesundheitswesen
Die Einsatzmöglichkeiten Sozialer Roboter im Gesundheitswesen gelten als vielversprechend, auch wenn weiterhin Entwicklungsbedarf bezüglich Technologie und einer gezielten Integration in bestehende Versorgungsstrukturen besteht (Dawe et al., 2019). Soziale Roboter wurden bereits international in verschiedenen Bereichen der Gesundheitsversorgung, sowie bei unterschiedlichen Zielgruppen eingesetzt und getestet. Im Umgang mit Kindern wurden sie bisher verwendet, um deren emotionalen Umgang mit einer Krankheit (z.B. Diabetes) zu unterstützen, das Wohlbefinden während eines Krankenhausaufenthalts zu fördern oder zur Ablenkung während medizinischen Interventionen mit dem Ziel, Stress und Angst zu reduzieren (Cifuentes et al., 2020). Auch in der Therapie von Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung wurden Soziale Roboter eingebunden, beispielsweise als Assistent bei therapeutischen Interventionen (Cifuentes et al., 2020).
Darüber hinaus wurden Soziale Roboter auch involviert in der Betreuung älterer Menschen. Sie fungieren dabei beispielsweise als Begleiter, welcher als Instruktor und Motivator für körperliche Betätigung agiert (Cifuentes et al., 2020). Ein weiteres Beispiel ist der Serviceroboter «Hobbit», welcher autonom durch Wohnräume patrouilliert und sicherstellt, dass die älteren Menschen nicht gestürzt sind oder ihnen Gegenstände bringt, die sie benötigen (Bajones et al., 2018).
Soziale Roboter in der Schule
Spezifisch in Bezug auf Kinder und Jugendliche hat sich gezeigt, dass Soziale Roboter durch eine interaktive Gestaltung Lernprozesse wirkungsvoll unterstützen können. Da Kinder am effektivsten in einer sozialen Umgebung lernen, kann die Interaktion mit einem Sozialen Roboter ihre kognitive und soziale Entwicklung positiv beeinflussen (European School Education Platform, 2022). Es ist deshalb denkbar, dass Roboter zukünftig gezielt zur Förderung sozialer Kompetenzen, zur Unterstützung bei psychischen Belastungen sowie zur Stärkung einer positiven Schulkultur eingesetzt werden können. Die Sozialen Roboter können bereits heute die Rolle eines Tutors, eines Lehrassistenten oder Peers einnehmen (Bendel, 2021).
Neben den genannten Vorteilen sind jedoch auch einige Einschränkungen erkennbar. Der «Neuheitseffekt» neuer Technologien kann zunächst zu gesteigerten Lernerfolgen führen (Liu et al., 2009), jedoch lässt dieser Effekt nach, sobald sich die Lernenden an den Einsatz der Technik gewöhnt haben (van den Berghe et al., 2019). Zudem bestehen weitere technische und konzeptionelle Herausforderungen: Die Funktionalität und Belastbarkeit der Roboter müssen verbessert werden für einen stabilen und langfristig wirksamen Einsatz (Cifuentes et al., 2020).
Projekt SOCIUS – Soziale Roboter in der Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern
Seit Frühling 2024 arbeiten die Departemente Gesundheit und Wirtschaft der Berner Fachhochschule, die Hochschule der Künste Bern, die Fachhochschule Nordwestschweiz und die Schweizerische Gesundheitsstiftung RADIX im Forschungsprojekt SOCIUS zusammen. Ziel des Projektes ist es zu verstehen, welche Rollen Soziale Roboter in einem Klassenzimmer und Schulsetting einnehmen können und welche Anforderungen sowie Nutzenaussichten zu erfüllen sind, um eine Machbarkeitsstudie im realen Alltag durchführen zu können. Diese Rollen wurden im spezifischen Kontext des Programms «MindMatters» entwickelt. «MindMatters» ist «ein wissenschaftlich begleitetes und in der Praxis erprobtes Programm zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in den Zyklen I, II und III sowie in Brückenangeboten. Es basiert auf dem Konzept der ‘Gesundheitsfördernden Schule und bezieht die gesamte Schule mit ein (Setting-Ansatz). Das Programm fördert das Sprechen über eigene und fremde Gefühle, Partizipation, Achtsamkeit und Freundschaft mit Gleichaltrigen sowie die Verbundenheit mit der Klasse und der Schule.» (RADIX Schweizerische Gesundheitsstiftung, 2025, S. 1). Das Forschungsteam hat deshalb ein theoretisches Modell zu Roboterrollen im Kontext mit «MindMatters» zur Prüfung und Weiterentwicklung erarbeitet.
Roboterrollenentwicklung
Basierend auf den Design-Thinking-Prinzipien nach Brown (2008) hat das Forschungsteam in einem iterativen Prozess von fünf Workshops unterschiedliche Roboterrollen entwickelt. Diese Rollen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Einsatzszenarien, ihres Interaktivitätsgrads sowie hinsichtlich ihrer Vorteile und Limitationen. Fünf Roboterrollen wurden identifiziert, die sich unterscheiden, aber in einigen Eigenschaften überschneidend sind, mit unterschiedlichem Fokus oder Kontext oder Zielsetzung.
Der Vorprogrammierte

© 2025, Institute of Design Research, HKB Bern
Der vorprogrammierte Roboter führt vordefiniert und -programmierte Aufgaben aus. Er stellt Emotionen dar und vermittelt Informationen, z.B. Reaktionen der Klasse auf eine bestimmte Situation oder einen bestimmten Input. Der Roboter kann aufgrund seiner Programmierung nicht spontan und flexibel auf eine Situation reagieren. Deshalb ist sein Einsatz gezielt und kontrolliert. Mögliche Limitation kann dadurch sein, dass die Nutzerinnen und Nutzer schnell Interesse an dieser Rolle verlieren.

© 2025, Institute of Design Research, HKB Bern
Der Fassbare
Der fassbare Roboter kann auf physische Impulse wie Berührungen mittels Sensorik reagieren, und je nach Intensität der Berührung seine Reaktion ändern. Eine Simulation von emotionalen Zuständen, z.B. Traurigkeit, kann imitiert und ein direktes Feedback generiert werden. Der Mehrwert dieses Roboters definiert sich darin, dass heikle Themen, wie beispielsweise welche Art von Berührungen in welchen Situationen angebracht sind, durch die Entpersonalisierung des Roboters einfacher angesprochen werden können. Die Limitation dieser Roboterrolle ist, dass die Komplexität der Programmierung aktuell noch unklar ist.

© 2025, Institute of Design Research, HKB Bern
Der Interaktive
Dieser Roboter kann mit seinem Umfeld situationsorientiert interagieren und dabei spontan und abwechslungsreich antworten. Er kann das Gegenüber individuell erfassen, durch vordefinierte Variablen (z.B. das Hobby des Kindes), und darauf Bezug nehmen. Der Vorteil dieser Roboterrolle dürfte ein anhaltenderes Interesse der Nutzerinnen und Nutzer sein, da die Roboterreaktionen nicht repetitiv sind. Ausserdem dürfte diese Rolle eine klare Entlastung der Lehrperson darstellen, insofern diese Roboterrolle ohne Supervision interagieren kann. Die Komplexität der Programmierung lässt sich aktuell kaum einschätzen.

© 2025, Institute of Design Research, HKB Bern
Der Ferngesteuerte
Der ferngesteuerte Roboter wird aus der Ferne bedient, z.B. von einer Lehrperson oder einem Kind in einem anderen Raum. Der Fokus auf diese Rolle ist der Roboter als «Körper» in beispielsweise einem Rollenspiel. So findet eine Entpersonalisierung statt, die dazu beitragen kann, dass gewisse Situationen einfacher thematisiert werden können, z.B. eine Konfliktsituation. Dieser Roboter braucht Überwachung und im Fall einer kindsgesteuerten Bedienung müsste auch das Kind von einer Fachperson betreut werden.

© 2025, Institute of Design Research, HKB Bern
«Spiegelung eines Ereignisses»
Dieser Roboter folgt dem Modell eines «Kasperli-theaters». Zwei Roboter können Situationen spielen, die zuvor an der Schule stattgefunden haben, z.B. ein Mobbingfall oder ein Gewaltkonflikt. Diese Szenarios sind dann entpersonalisiert, vorprogrammiert und der Roboter wird von einer Fachperson gesteuert. Die Roboter schlüpfen dabei in die Rolle der Kinder und kommunizieren vor der Klasse. Somit können heikle Themen aufgegriffen werden.
Nächste Schritte
Im nächsten Schritt werden diese Roboterrollen in Fokusgruppen Lehrpersonen von «MindMatters» Schulen vorgestellt, diskutiert und auf ihre Machbarkeit und ihren Nutzen geprüft. Konkrete Szenarios werden herausgearbeitet, in denen diese Roboterrollen eine Unterstützung im Schulalltag leisten können. Es geht darum zu verstehen, welche positiven Veränderungen möglich sind, wie Mehrwert zu erkennen ist und welche Herausforderungen und Grenzen für jede Roboterrolle gesehen werden. Basierend auf diesen Ergebnissen wird die Folgestudie ausgearbeitet.
Literaturverzeichnis
Bajones, M., Fischinger, D., Weiss, A., Wolf, D., Vincze, M., de la Puente, P., Körtner, T., Weninger, M., Papoutsakis, K., Michel, D., Qammaz, A., Panteleris, P., Foukarakis, M., Adami, I., Ioannidi, D., Leonidis, A., Antona, M., Argyros, A., Mayer, P., … Frennert, S. (2018). Hobbit: Providing Fall Detection and Prevention for the Elderly in the Real World. Journal of Robotics, 2018(1), 1754657. https://doi.org/10.1155/2018/1754657
Bendel, O. (Hrsg.). (2021). Soziale Roboter: Technikwissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche, philosophische, psychologische und soziologische Grundlagen. Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31114-8
Cifuentes, C. A., Pinto, M. J., Céspedes, N., & Múnera, M. (2020). Social Robots in Therapy and Care. Current Robotics Reports, 1(3), 59–74. https://doi.org/10.1007/s43154-020-00009-2
Dawe, J., Sutherland, C., Barco, A., & Broadbent, E. (2019). Can social robots help children in healthcare contexts? A scoping review. BMJ Paediatrics Open, 3(1), e000371. https://doi.org/10.1136/bmjpo-2018-000371
European School Education Platform. (2022, Oktober 17). The impact of social robots on children’s development: What science says. European School Education Platform. https://school-education.ec.europa.eu/en/discover/news/impact-social-robots
Liu, S.-H., Liao, H.-L., & Pratt, J. A. (2009). Impact of media richness and flow on e-learning technology acceptance. Computers & Education, 52(3), 599–607. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2008.11.002
Pijetlovic, D. (2020). Das Potential der Pflege-Robotik: Eine systemische Erkundungsforschung. Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31965-6
RADIX Schweizerische Gesundheitsstiftung. (2025). MindMatters—Mit psychischer Gesundheit Schule entwickeln. https://www.radix.ch/de/gesunde-schulen/angebote/mindmatters/
Tim Brown. (2008). Design Thinking. Harvard Business Review. https://readings.design/PDF/Tim%20Brown,%20Design%20Thinking.pdf
van den Berghe, R., Verhagen, J., Oudgenoeg-Paz, O., van der Ven, S., & Leseman, P. (2019). Social Robots for Language Learning: A Review. Review of Educational Research, 89(2), 259–295. https://doi.org/10.3102/0034654318821286
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