KI-gestützte Dienstplanung in der Pflege – Chancen und Herausforderungen

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Die Dienstplanung ist zentral für die Arbeitszufriedenheit in der Pflege und häufig Auslöser für Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben. Ein interdisziplinäres Projekt der Berner Fachhochschule zeigt, welche Chancen und Herausforderungen KI birgt und warum Fairness, Transparenz und Partizipation bei der Gestaltung von Dienstplänen entscheidend sind.

Die Dienstplanung spielt eine zentrale Rolle für die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden und ist eine der Hauptursachen für Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben [1] . Schichtarbeit, starre Dienstpläne und geringe Mitbestimmungsmöglichkeiten führen häufig zu Frustration, Stress und erhöhter Fluktuation [2] . Mögliche Folgen sind frühzeitige Berufsausstiege und eine weitere Verschärfung des Personalmangels im Gesundheitswesen. Ein flexibler und mitarbeiterorientierter Ansatz in der Dienstplanung könnte daher einen wichtigen Beitrag zur Reduktion dieser negativen Effekte leisten und gleichzeitig die langfristige Zufriedenheit und Bindung der Pflegekräfte fördern.

Hier setzte das interdisziplinäre Forschungsprojekt «Partizipative Dienstplanung» der Berner Fachhochschule (BFH) an [3] . Ziel des Projekts war es, die zentralen Ursachen von Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben zu identifizieren und die Perspektiven von Pflegefachpersonen, Assistenzpersonal und Führungspersonen im Hinblick auf Fairness, Transparenz und den sinnvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Dienstplanung zu beleuchten. Zu Beginn des Projekts wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, bei der über 230 wissenschaftliche Studien zum Thema Dienstplanung und KI im Gesundheitswesen gesichtet wurden. Ergänzt wurde diese Grundlage durch Fokusgruppeninterviews mit 22 Gesundheitsfachpersonen aus Spitälern, Spitex-Organisationen sowie Alters- und Pflegeheimen [4] .

KI als Chance – Potenziale für mehr Fairness und Transparenz

Der Einsatz von KI in der Dienstplanung wurde von den befragten Fachpersonen überwiegend positiv bewertet. Besonders hervorgehoben wurde das Potenzial, Planungsentscheidungen zu objektivieren und persönliche Einflussnahmen zu minimieren. Viele erhoffen sich dadurch eine gerechtere Dienstverteilung und eine spürbare Entlastung der Planungsteams.

Vor allem in Planungsprozessen, die stark von personellen oder strukturellen Faktoren geprägt sind, wird KI als neutrale Instanz wahrgenommen, die mehr Transparenz schafft und bestehende Ungleichgewichte abbauen kann. Aus Sicht der Praxis wurden insbesondere folgende Vorteile genannt:

  • Objektivität und Neutralität: Planungsentscheidungen basieren auf transparenten, vordefinierten Kriterien. Subjektive Verzerrungen und persönliche Präferenzen können so reduziert werden.
  • Zeitersparnis durch Automatisierung: Der Planungsaufwand wird deutlich reduziert, was die Führungspersonen entlastet und ihnen mehr Freiräume für Managementaufgaben oder die direkte Pflegearbeit verschafft.

Grenzen und Herausforderungen beim Einsatz von KI

Trotz der aufgezeigten Potenziale wurden auch kritische Aspekte im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI deutlich. Eine zentrale Herausforderung ist die fehlende emotionale Intelligenz von KI-Systemen. Persönliche Belastungssituationen oder Teamkonflikte können nicht automatisch erfasst oder adäquat berücksichtigt werden – menschliche Einschätzung und Empathie bleiben hier unverzichtbar.

Auch die Qualität der zugrunde liegenden Daten wurde kritisch hinterfragt. Die Funktionalität und Fairness eines KI-Systems hängen massgeblich von der Aktualität, Vollständigkeit und Korrektheit der verfügbaren Daten ab. Veraltete oder unvollständige Informationen können zu fehlerhaften oder als unfair empfundenen Planungen führen.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist das Vertrauen in die Technologie. Dieses entsteht nur dann, wenn die Mitarbeitenden die Logik hinter der Dienstplanung verstehen können. Eine transparente, nachvollziehbare und verständlich kommunizierte Planungslogik ist daher essenziell, nicht nur für die Akzeptanz, sondern auch für die aktive Mitgestaltung durch das Team.

Anforderungen an eine KI-gestützte Dienstplanung

Im Dialog mit Planungsverantwortlichen und Pflegenden wurden vier zentrale Anforderungen an eine KI-gestützte Dienstplanung formuliert. Dabei wurde auch deutlich: Die Erwartungen an Fairness, Transparenz und Mitbestimmung gelten unabhängig davon, ob die Planung manuell oder digital erfolgt.

  1. Zeitersparnis und Flexibilität: Die Dienstplanung soll effizienter sein als bisherige Systeme und ohne zusätzlichen administrativen Aufwand. Gleichzeitig müssen individuelle Präferenzen und Lebenssituationen berücksichtigt werden. Kurzfristige Änderungen, wie etwa Schichttausche, sollen unkompliziert und benutzerfreundlich eingebbar sein.
  2. Faire und dynamische Schichtverteilung: Die Verteilung von Früh-, Spät-, Nacht- und Wochenendschichten soll nicht nur objektiv fair sein, sondern auch subjektiv als gerecht empfunden werden, indem Individuelle Bedürfnisse und Einschränkungen berücksichtigt werden. Ein intelligentes Ausfallmanagement und eine automatisierte Überstundenverwaltung gelten als weitere wichtige Funktionen.
  3. Transparenz und Mitgestaltung: Pflegepersonen möchten nachvollziehen können, wie Dienstpläne entstehen. Eine transparente, verständlich kommunizierte Logik sowie benutzerfreundliche Oberflächen zur Eingabe von Wünschen und Rückmeldungen fördern das Vertrauen in die Technologie und stärken die Akzeptanz innerhalb des Teams.
  4. KI als Unterstützung – nicht als Ersatz: Die Technologie soll die menschliche Einschätzung nicht komplett ersetzen. Besonders in komplexen oder emotional herausfordernden Situationen bleiben menschliches Urteilsvermögen und Führungskompetenz unerlässlich.

Die technische Umsetzung

Im Rahmen des Projekts wurden verschiedene KI-Methoden, wie Mixed-Integer Programming, Constraint Programming, Genetic Programming und Reinforcement Learning auf ihre Tauglichkeit bezüglich der Anforderungen geprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere die Berücksichtigung individueller Präferenzen eine technische Herausforderung darstellen und eine zu hohe Abhängigkeit von der Technologie ein Risiko für die Praktikabilität birgt [5] .

Fazit: KI-gestützte Dienstplanung braucht Partizipation und Transparenz

KI-gestützte Dienstplanung bietet grosses Potenzial, die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben in der Pflege zu verbessern. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Umsetzung liegt jedoch in einem partizipativen, transparenten und fairen Planungsprozess. Nur wenn Pflegepersonen aktiv in die Gestaltung eingebunden sind und die zugrunde liegende Logik der Dienstplanung nachvollziehen können, entsteht das notwendige Vertrauen – als Grundlage für Akzeptanz und eine nachhaltige Nutzung. Technologie kann menschliches Urteilsvermögen nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen. Entscheidend ist ein ausgewogenes Zusammenspiel von technischer Effizienz und menschlicher Erfahrung. Für eine markttaugliche KI-Lösung, die transparent ist und Partizipation ermöglicht, braucht es noch einige Entwicklungsschritte.

 


Referenzen

1 Peter, K. A., Voirol, C., Kunz, S., Gurtner, A., Renggli, F., Juvet, T., & Golz, C. (2024). Factors associated with health professionals’ stress reactions, job satisfaction, intention to leave and health-related outcomes in acute care, rehabilitation and psychiatric hospitals, nursing homes and home care organisations. BMC Health Services Research, 24(1), 269. https://doi.org/10.1186/s12913-024-10718-5

2 Webster, B., & Archibald, D. (2022). Self-rostering, work-life balance and job satisfaction in UK nursing: A literature review. Nursing Management (Harrow, London, England : 1994). https://doi.org/10.7748/nm.2022.e2048

3 Berner Fachhochschule (BFH). (o. J.). Partizipative Dienstplanung. Abgerufen 22. April 2025, von https://www.bfh.ch/de/forschung/forschungsprojekte/2024-700-173-738/

4 Gerlach, M., Renggli, F. J., Bieri, J. S., Sariyar, M., & Golz, C. (2024). Exploring Nurse Perspectives on AI-Based Shift Scheduling for Fairness, Transparency, and Work-Life Balance. In Review. https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-5248710/v1

5 Renggli, F. J., Gerlach, M., Bieri, J. S., Golz, C., & Sariyar, M. (2024). Integrating Nurse Preferences into AI-Based Scheduling Systems: Qualitative Study (Preprint). JMIR Formative Research. https://doi.org/10.2196/67747

Creative Commons Licence

AUTHOR: Fabienne Renggli

Fabienne Renggli arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Innovationsfeld Gesundheitsversorgung und Personalentwicklung am Departement Gesundheit der Berner Fachhochschule.

AUTHOR: Murat Sariyar

Prof. Dr. Sariyar ist am Institut für Optimierung und Datenanalyse (IODA) tätig. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die statistische Modellierung, fortgeschrittene Datenanalyse sowie die Anwendung von Optimierungstechniken zur Lösung komplexer Fragestellungen in verschiedenen Industrien. Zudem beschäftigt er sich intensiv mit der Erzeugung synthetischer Daten, der Anonymisierung von Daten und der Entwicklung von Ansätzen in der personalisierten Medizin.

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