Schritt für Schritt zur Verständigung: Talking Pictures überwindet Sprachbarrieren

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Bilder sagen manchmal mehr als Worte – insbesondere dann, wenn Sprache zur Barriere wird. Talking Pictures wurde als innovative Lösung entwickelt, um Kommunikation im Gesundheitswesen für fremdsprachige Personen verständlicher zu machen. Was als Forschungsprojekt begann, hat sich inzwischen zu einem verbreiteten Hilfsmittel in der Praxis entwickelt. Ein Überblick über Erreichtes und die nächsten Schritte.

Der Weg von Talking Pictures – Rückblick und Ausblick

Vor zweieinhalb Jahren berichteten wir in einem Artikel in SocietyByte über das Forschungsprojekt Sprechende Bilder, das eine bildbasierte Kommunikationshilfe für den Kindernotfall entwickelte. Ziel war der Abbau von  Sprachbarrieren im Gesundheitswesen.

Seither hat sich viel getan: Das Projekt ist gewachsen, entwickelte sich weiter, fand neue Anwendungsbereiche und führte zur Gründung des Spin-offs Talking Pictures – ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Lösung für die Praxis.

Grosser Bedarf in der Praxis

Ein Meilenstein in der Weiterentwicklung von Talking Pictures war die schweizweite Bestellaktion, die wir mit der Unterstützung der Allianz Gesundheitskompetenz und der Rahn-Stiftung durchführen konnten. Es gingen fast 700 Bestellungen aus verschiedenen Gesundheitsfachgebieten ein. Die damit verbundene Umfrage unter 118 Gesundheitsfachpersonen zeigte, dass Sprachbarrieren für viele ein grosses Problem im Alltag darstellen (Bild 1). Talking Pictures wurde sehr positiv bewertet: 98,7% der Befragten würden unsere Lösung weiterempfehlen. Besonders hervorgehoben wurden die Benutzerfreundlichkeit, die Verständlichkeit der Bilder sowie die Reduktion von Missverständnissen und die Zeitersparnis.

 

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Bild 1: Die Umfrage bei 118 Teilnehmenden aus Schweizer Gesundheitsinstitutionen zeigt klar, dass Sprachbarrieren ein allgegenwärtiges Problem sind. Fast zwei Drittel der Befragten Fachpersonen gaben an, täglich oder mehrmals pro Woche mit Sprachbarrieren konfrontiert zu sein.

 

Für die Bestellaktion haben wir die Bildersammlungen erstmals nicht nur als App, sondern auch als gedruckte Broschüren angeboten. Eine wichtige Erkenntnis war die hohe Nachfrage nach den Broschüren.  Daher haben wir beschlossen, diese als Ergänzung zur digitalen Lösung anzubieten. Die Kombination von digitalen und gedruckten Materialien bietet viele Vorteile, da sie je nach Bedarf und Einsatzszenario flexibel genutzt werden können. Die digitale Version ermöglicht schnelle, dynamische Anpassungen, während die Broschüren eine einfache, barrierefreie Nutzung ohne technische Hürden bieten.

 

 

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Bild 2: Die Produkte von Talking Pictures: interaktive App und gedruckte Bildbroschüren

 

Forschung und Pilotprojekte als Grundlage

Die Nähe zur BFH als Forschungsinstitution ist für Talking Pictures weiterhin wichtig, um die Weiterentwicklung der Produkte auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse voranzutreiben. Gefördert durch die Strategischen Themenfelder Caring Society und Humane Digitale Transformation wurden bereits mehrere Projekte realisiert.

In Zusammenarbeit mit der temporären Unterkunft Viererfeld in Bern wurden die Einsatzmöglichkeiten der bildbasierten Kommunikation in der Erstversorgung von Geflüchteten untersucht. Es zeigte sich ein grosser Bedarf an einer einfachen und effizienten Verständigungsmöglichkeit in medizinischen Notfällen. Die erste Pilotierung mit einer Lösung zur strukturierten Anamnese lieferte wertvolle Erkenntnisse, insbesondere den Wunsch nach einer Dokumentationsfunktion. Dies ermöglicht es, medizinische Informationen und Behandlungsverläufe festzuhalten, die bei Weiterverweisungen an Notfalldienste oder Apotheken genutzt werden können. Diese Funktion wird nun in die App Talking Pictures integriert.

Im Projekt Let Pictures Talk wurde Talking Pictures um eine KI-gestützte Spracherkennungsfunktion erweitert, damit gesprochene Sprache in Text umgewandelt werden kann. Umfragen unter Gesundheitsfachpersonen zeigten grossen Bedarf für diese Funktion. Nach ersten Tests wurden Verbesserungen am UX-Design vorgenommen, um die Nutzung noch intuitiver zu gestalten. Diese Erweiterung unterstützt zusätzlich die Verständigung zwischen Fachpersonal und fremdsprachigen Patient*innen.

 

Strukturierteanamnese

Bild 3: Die strukturierte Anamnese erlaubt ein schrittweises Erfragen der wichtigsten Aspekte eines gesundheitlichen Problems. Die Antworten werden in der rechten Spalte als Protokoll dokumentiert.

 

Gründung des Spin-offs: Von der Forschung zur praktischen Umsetzung

Ein entscheidender Schritt in der Entwicklung von Talking Pictures war die Gründung eines eigenständigen, gemeinnützigen Spin-offs durch Loraine Olalia, François von Kaenel und Beatrice Kaufmann, drei Mitglieder aus dem Projektteam von Sprechende Bilder. Dieser Schritt ermöglicht eine nachhaltige Weiterführung und Skalierung des Projekts, um die Kommunikationshilfe für die Praxis umfassend verfügbar zu machen. Der Verein Talking Pictures sichert den langfristigen Betrieb, entwickelt neue Bildersets und strebt die Integration in grössere Gesundheitsinstitutionen an. Dabei wird weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit mit Forschung, Gesundheitsinstitutionen und Nutzenden gesetzt.

Zukunftsausblick: Von der Notfallkommunikation zur umfassenden Gesundheitslösung

Nach den positiven Ergebnissen der ersten Pilotierung wurde schnell klar, dass das Potenzial von Talking Pictures weit über die Kindernotfallversorgung hinausgeht. Die bildbasierte Kommunikationshilfe wird nun inhaltlich weiterentwickelt und für verschiedene Gesundheitsbereiche angepasst, u.a. für Geriatrie und Langzeitpflege, stationäre Spitalbehandlung oder Autismus. Neben dem Ausbau der Produkte wird das Unternehmen laufend weiter aufgebaut. Gleichzeitig soll aber auch die Nähe zur BFH dazu genutzt werden, weiterhin relevante Aspekte zu beforschen, bspw. im Bereich interkulturelles Bildverständnis oder die Kombination von Bild- und Sprachübersetzung und die Integration von Künstlicher Intelligenz.

Die positive Resonanz aus der Praxis zeigt, dass Talking Pictures einen echten Mehrwert in der Gesundheitsversorgung schafft. Durch die enge Zusammenarbeit mit Gesundheitsinstitutionen und Forschungspartnern wird das Tool stetig verbessert – mit dem Ziel, sprachliche Barrieren im Gesundheitswesen zu überwinden.

Mehr Informationen unter: www.talkingpictures.ch

Creative Commons Licence

AUTHOR: Beatrice Kaufmann

Beatrice Kaufmann ist künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institute of Design Research der Hochschule der Künste der BFH. Sie leitet das Projekt "Sprechende Bilder" und ist Mitarbeiterin in der interdisziplinären Arbeitsgruppe Health Care Communication Design HCCD.

AUTHOR: Francois von Kaenel

Francois von Kaenel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Medizininformatik des Departements Technik & Informatik der BFH. Seine Forschungstehmen sind Fast Healthcare Interoperability Resources,
Semantische Interoperabilität und Patient Reported Outcome (PRO).

AUTHOR: Loraine Olalia

Loraine Olalia ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im strategischen Themenfeld Humane Digitale Transformation. Davor war sie Projektmitarbeiterin in verschiedenen interdisziplinären Forschungsprojekten am Institute of Design Research der Hochschule der Künste an der BFH. Als Designerin und Designforscherin arbeitet sie an den Schnittstellen zwischen Design, Digitalisierung und Gesundheit.

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