Unternehmensaffiliationen – Erfolgsgarantie oder der erste Schritt in die Abhängigkeit?

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In einer neuen Studie [1] hinterfragen wir, ob Unternehmensaffiliationen jungen Gründer*innen wirklich helfen oder ob sie eher zum „Business-Ehepartner“ werden, den man sich vielleicht doch besser hätte ersparen sollen. Zusammen mit meinen Kollegen Christian Hopp und Gernot Pruschak haben wir untersucht, welche Rolle Erfahrung und beruflicher Hintergrund bei der Wahl und beim Erfolg einer unternehmerischen Strategie spielen.

Unternehmensaffiliation: Zuckerbrot oder doch eher Peitsche?

Wenn es um die Gründung eines Unternehmens geht, stehen die meisten Startups vor der Wahl: Flügge werden und selbstständig loslegen oder sich lieber bei einem großen Unternehmen ein „Nest“ suchen und unter deren Fittichen starten. Die zweite Variante klingt verlockend, vor allem wenn man daran denkt, dass man sich nicht alleine um alles kümmern muss – ein bisschen wie eine „Business-WG“, in der der Mitbewohner schon ein volles Konto und einen gut gefüllten Kühlschrank hat. Doch was ist dran? Helfen diese Corporate Affiliated Entrepreneurial Strategies (CAES) oder endet man irgendwann als der ewige „Kaffeekocher“ im Unternehmen?

In unserer Untersuchung haben wir die Vor- und Nachteile dieser unternehmensaffiliierten Strategie beleuchtet und uns angesehen, wie gut sie wirklich funktioniert. Und – keine Sorge – wir haben dafür einen dicken Datensatz, der uns erlaubt, einige interessante Schlüsse zu ziehen.

Menschliches Kapital: Keine Sorge, hier geht’s nicht um Kapitalverbrechen

„Menschliches Kapital“ – klingt ernst, oder? Keine Angst, es geht nur darum, wie viel Erfahrung ein Gründer ins Feld führt.[2] Dabei haben wir uns verschiedene Erfahrungsarten angesehen:

  • Allgemeine Berufserfahrung – also „habe ich mehr als nur Ferienjobs?“
  • Branchenerfahrung – kennt man sich in der eigenen Branche aus?
  • Management- und Führungserfahrung – kurz: Kann man auch mal den Chef raushängen lassen?
  • Gründungserfahrung – hat man schon mal den steinigen Gründungspfad beschritten?

Unsere Analyse zeigt: Je nach Erfahrung kann eine CAES tatsächlich hilfreich sein – aber eben nicht immer. Gründer, die Branchenerfahrung mitbringen, profitieren oft wenig von einer Affiliation, da sie sich in ihrem Bereich ohnehin gut auskennen. Manager und ehemalige Gründer hingegen setzen eher auf den Schutz eines Unternehmens, wohl wissend, dass es manchmal doch angenehm ist, wenn jemand anderes den Karren aus dem Dreck zieht.

Unternehmensaffiliation – Erfolgsrezept oder Mogelpackung?

Unsere Ergebnisse zeigen: Wer ein „Unternehmensnetzwerk“ nutzt, hat tatsächlich oft bessere Chancen, schneller profitabel zu werden. Denn die Unterstützung und Ressourcen eines Mutterunternehmens beschleunigen den Weg zum Erfolg, besonders für diejenigen, die nicht auf tiefgehendes Branchenwissen, sondern auf tatkräftige Unterstützung angewiesen sind.[3]

Aber Vorsicht, es gibt keine „Eine-Grösse-passt-immer-Lösung“. Einige Affiliationen, wie etwa Franchises, funktionieren gut für Gründer, die einen „Leitfaden“ schätzen. Das Spin-off oder Sponsoring von Mutterunternehmen hingegen ist ideal für erfahrene Gründer, die bereits im Umfeld des Unternehmens tätig waren. Wie bei jeder guten Beziehung hängt der Erfolg einer Affiliation also von den eigenen Vorlieben ab – oder, wie wir es gerne sagen: „Es gibt für jeden Topf einen Deckel – aber nicht alle Deckel passen auf alle Töpfe!“

Tabelle: Die Zutaten für eine erfolgreiche Affiliation

FaktorEffekt auf Wahl einer CAESEffekt auf Erfolg
BranchenerfahrungWeniger wahrscheinlich / negativWeniger stark / negativ
Management- und FührungserfahrungWahrscheinlicher / positivStärker / positiv
Vorherige GründungserfahrungWeniger wahrscheinlich / negativStärker / positiv
MotivationWahrscheinlicher / positivStärker / positiv

Mit oder ohne „Big Brother“ gründen?

Unsere Ergebnisse machen klar, dass die Wahl einer CAES für viele Gründer eine strategische Entscheidung ist, bei der es weniger um „richtig oder falsch“ geht als um „passt oder passt nicht“. Ein CAES kann sehr hilfreich sein, ist aber kein Allheilmittel. Und, wie wir es herausgefunden haben, ist die Entscheidung auch nicht immer ganz freiwillig – manchmal, so scheint es, gibt das eigene Portfolio den Ton an.

Wie ein Kollege so schön sagte: „Die einen brauchen einen Sparringspartner, die anderen schlagen sich lieber alleine durch.“ Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Affiliation dann besonders hilfreich ist, wenn man von den Strukturen und Netzwerken profitieren kann, die grössere Firmen bieten – der Zugang zum schnellen Erfolg durch Netzwerke und Kapital gleicht oft fehlende Erfahrung in spezifischen Branchen mehr als aus.

Fazit und letzte Gedanken: Wann ist CAES sinnvoll?

Zusammengefasst kann man sagen: Die Wahl zwischen Selbstständigkeit und Unternehmensaffiliation ist wie der erste Sprung ins kalte Wasser.[4] Wer gut schwimmen kann, wird vielleicht lieber alleine loslegen. Wer hingegen die Schwimmflügel noch schätzt, greift gerne auf einen etablierten Partner zurück. Die Unternehmensaffiliation bringt in vielen Fällen Vorteile, aber eben nur, wenn die Ausgangsbedingungen passen.

Unsere Studie zeigt also: Keine Angst vor dem Schritt – Hauptsache, man kennt die eigenen Stärken und weiß, welche Unterstützung man wirklich braucht. Schließlich ist Unternehmertum [5] auch immer eine Entscheidung, bei der man oft etwas Mut und die richtige Portion Selbstbewusstsein mitbringen muss – und manchmal auch einen Schuss Ironie.

 


Links

1 https://link.springer.com/article/10.1007/s11365-024-00998-y

2 Quelle: Hopp, C., & Sonderegger, R. (2015). Understanding the dynamics of nascent entrepreneurship—prestart‐up experience, intentions, and entrepreneurial success. Journal of Small Business Management, 53(4), 1076-1096.

3 Quelle: Semrau, T., & Hopp, C. (2016). Complementary or compensatory? A contingency perspective on how entrepreneurs’ human and social capital interact in shaping start-up progress. Small Business Economics, 46, 407-423.

4 https://www.bfh.ch/en/studies/master/entrepreneurship-business-innovation/

5 https://www.bfh.ch/de/forschung/entrepreneurship/

Creative Commons Licence

AUTHOR: Christian Hopp

Prof. Dr. Christian Hopp ist Professor an der Berner Fachhochschule (BFH) und leitet dort das Institut für Applied Data Science and Finance. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Entrepreneurship, Innovations- und Technologiemanagement sowie Gründungsfinanzierung. Vor seiner Tätigkeit an der BFH leitete er das Lehr- und Forschungsgebiet Technologieorientiertes Unternehmertum an der RWTH Aachen und war Assistenzprofessor an der Universität Wien. Aktuell ist er an zwei SNF-Projekten zum Thema Social Crowdfunding und Leadership beteiligt.

AUTHOR: Gernot Pruschak

Gernot Pruschak promovierte an der RWTH Aachen und arbeitet derzeit als Dozent am Institut für Applied Data Science & Finance der Business School der Berner Fachhochschule. Pruschak hat mehrere Forschungsprojekte durchgeführt, die sich mit Ethik in der Wissenschaft, der Glaubwürdigkeitskrise in den Sozialwissenschaften und Open Science befassen. Er war Teil des Forschungsteams, das erstmalig die Open-Innovation-in-Science-Forschungslandschaft kategorisierte (Beck et al., 2022) und beteiligt sich aktiv in der Anwendung von Open und Reproducible Science im Bereich der Wirtschaftswissenschaften (Hopp & Pruschak, 2022; Pruschak et al., 2022).

AUTHOR: Michel Krebs

Michel Krebs ist promovierter Mathematiker und Professor am Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule (BFH). Er hat an der Universität Bern studiert und leitet in Co-Leitung die Fachgruppe Applied Data Science. An der BFH unterrichtet er Mathematik, Statistik, Data Science und Machine Learning. Sein Fokus liegt auf der verständlichen Vermittlung komplexer quantitativer Inhalte sowie der Anwendung mathematischer Methoden in Wirtschaft und Forschung.

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