Technostress: Wenn digitale Technologien zur Belastung werden

Stressed Man, Internet Interface

In den letzten Jahren hat das Thema Technostress aufgrund der digitalen Transformation zunehmend an Bedeutung gewonnen, insbesondere im Gesundheitswesen. Berichte über die Auswirkungen von Technologien auf die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden von Mitarbeitenden häufen sich. Was kann gegen diesen Technostress in Bezug auf AI unternommen werden und wie wird sich diese Problematik in den kommenden Jahren weiterentwickeln? Diese und weitere Fragen haben wir mit unserem Experten Dr. Christoph Golz besprochen. 

 

Cgo

Dr. Christoph Golz forscht und lehrt am Departement Gesundheit der BFH.

In Ihrem Forschungsgebiet setzen Sie sich mit Technostress auseinander, können Sie uns ein Beispiel geben, was das bedeutet?

Technostress beschreibt die Stressreaktion, die durch die Nutzung digitaler Technologien am Arbeitsplatz entsteht. Es gibt den belastenden Distress und anregenden Eustress, wobei der Diskurs um die negativen Stressreaktionen bislang überwiegt. Dazu gehören Gefühle der Überforderung, Unsicherheit oder Frustration, wenn neue Technologien eingeführt werden oder ständig Updates an bestehenden Systemen erfolgen. Im Gesundheitswesen kann dies beispielsweise durch komplexe Klinikinformationssysteme ausgelöst werden, die mehr Zeit für die Dokumentation beanspruchen und den Arbeitsalltag zusätzlich erschweren.

Inwiefern ist Technostress in Bezug auf Artificial Intelligence relevant?

Technostress im Zusammenhang mit AI entsteht durch die Angst vor Arbeitsplatzverlust oder durch die Unsicherheit im Umgang mit neuen, oft komplexen Technologien. AI-basierte Systeme, wie automatisierte Diagnose oder Planungs-Tools können Mitarbeitende unter Druck setzen, da sie befürchten, dass sie durch AI ersetzt werden könnten oder dass sie nicht über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um diese Technologien effektiv zu nutzen. Ein weiterer Stressfaktor ist die fehlende Transparenz darüber, wie AI-Entscheidungen getroffen werden, was Misstrauen und Verunsicherung verstärken kann.

Gibt es bestimmte Risikofaktoren, welche Personen oder Gruppen anfälliger machen für Technostress?

Ja, verschiedene individuelle und organisationale Faktoren spielen eine Rolle. Ältere Mitarbeitende, die mit digitalen Technologien weniger vertraut sind, sowie solche mit geringerem Bildungsniveau und geringerer digitaler Kompetenz sind oft stärker von Überforderung betroffen. Bei jüngeren Mitarbeitenden zeigt sich eher die Problematik, dass sie gerne mehr AI-Lösungen im Alltag integriert hätten, dies aber seitens des Arbeitgebers nicht ermöglicht wird. Auch die Organisationskultur ist entscheidend: Fehlt es an einer partizipativen Kultur, einem unterstützenden IT-Support oder an regelmässigen Schulungen, steigt die Wahrscheinlichkeit von Technostress.

Was kann gegen diesen Technostress in Bezug auf AI unternommen werden, gibt es Präventionsmassnahmen?

Eine vielversprechende Präventionsmassnahme ist die Förderung der sogenannten «Organisationalen Bereitschaft für AI». Dieses Konzept umfasst die strategische Vorbereitung einer Organisation auf den Einsatz von AI, einschliesslich der Schulung des Personals und der Anpassung der Arbeitsprozesse. Organisationen sollten sicherstellen, dass Mitarbeitende in die Implementierung neuer Systeme einbezogen werden, um Ängste abzubauen und Vertrauen zu schaffen. Dazu gehören auch gezielte Trainingsprogramme, die Mitarbeitenden die notwendigen digitalen Kompetenzen vermitteln, sowie ein verlässlicher IT-Support, der technische Probleme schnell lösen kann.

Sie konzentrieren sich auf das Gesundheitswesen, gibt es da spezielle Herausforderungen bezüglich Technostress?

Im Gesundheitswesen kommt es oft zu einer Diskrepanz zwischen den suggerierten, erwarteten Vorteilen digitaler Systeme und der Realität. Während wir von den Chancen von AI sprechen und die Forschung bereits einige Vorteile aufzeigen konnte, sieht sich das Gesundheitspersonal mit banalen Problemen konfrontiert, wie alten und unzuverlässigen Laptops, fehlendem WiFi Zugriff oder einigen fehlenden Schnittstellen. In manchen Bereichen besteht auch eine erhöhte ablehnende Haltung Technologien gegenüber aufgrund der Sorge, dass durch die Nutzung die Beziehung zwischen Fachperson und Patient*innen leide. Es müssten somit zuerst einige Voraussetzung zuerst erfüllt werden

Wie schätzen Sie ein, dass sich diese Problematik in den kommenden Jahren entwickeln wird?

Mit der zunehmenden Digitalisierung und dem verstärkten Einsatz von AI im Gesundheitswesen wird Technostress in den nächsten Jahren wahrscheinlich weiter zunehmen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, müssen Organisationen sich entsprechend vorbereiten. Das beinhaltet die Entwicklung ihrer Fähigkeit, technologische Innovationen nicht nur zu akzeptieren, sondern aktiv zu gestalten. Der Schlüssel wird darin liegen, digitale Technologien so zu integrieren, dass sie die Mitarbeitenden unterstützen, anstatt sie zu überfordern. Dazu braucht es einen frühzeitigen und aktiven Einbezug des Personals in die Entwicklung und Implementierung und personalbezogene Parameter in der Evaluation. Die Forschung muss sich diesbezüglich noch intensiver mit einer positiven Perspektive der Technostress-Thematik widmen und Massnahmen eruieren, wie Eustress gefördert werden kann.


Zur Person

Christoph Golz ist Leiter des Innovationsfeldes Gesundheitsversorgung – Personalentwicklung an der Berner Fachhochschule Gesundheit. Seine Forschungsschwerpunkte sind die zukunftsgerichtete und bedarfsorientierte Entwicklung der Gesundheitsversorgung.

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AUTHOR: Mascha Kurpicz-Briki

Dr. Mascha Kurpicz-Briki ist Professorin für Data Engineering am Institute for Data Applications and Security IDAS der Berner Fachhochschule, und stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Applied Machine Intelligence. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung unter anderem mit dem Thema Fairness und der Digitalisierung von sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen.

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