Datenethik als Wissenschaftskommunikation – eine Brücke zwischen Technik und Nicht-Technik

Datenethik ist eines der weltweit am meisten diskutierten Themen. Digitale Technologien beeinflussen zunehmend unser tägliches Leben, und dieser Einfluss wird noch zunehmen. Warum sind ethische Fragen im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt so wichtig?

Normalerweise bezieht sich das Wort «Ethik» auf bestimmte Verhaltensregeln und -normen, die oft die Wahl- und Handlungsfreiheit einschränken. Im Zusammenhang mit wettbewerbsorientierten Geschäftsbeziehungen wird Ethik daher oft als Hindernis, als komplizierender Umstand oder als künstliche Einschränkung angesehen. Diese Sichtweise ist nicht nur falsch, sondern auch direkt gefährlich.

In der griechischen Tradition bedeutet «Ethos» ein Muster des Denkens und Verhaltens. Dies sind die ungeschriebenen Gesetze des gesellschaftlichen Lebens, die dazu beitragen, Konflikte, materiellen und moralischen Schaden zu vermeiden. Ethik ist eine unausgesprochene Übereinkunft darüber, was annehmbar oder verboten ist. Der Inhalt ethischer Anforderungen hat sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet und auf seine soziale Tragfähigkeit hin überprüft

Ethische Kodizes und Tabus sind notwendig

Die digitalen Technologien sind ein innovativer und bedeutender Bestandteil der modernen Zivilisation, der in gewissem Sinne eine «weltbildende» Perspektive besitzt. In diesem Fall hat die Menschheit nicht genug Zeit, um verschiedene Varianten ethischer Normen zu testen: gut durchdachte und korrekte Entscheidungen in Bezug auf Datenoperationen sind jetzt erforderlich, da ihre gedankenlose Nutzung negative Folgen für das Leben von Einzelpersonen, Ländern und der Menschheit als Ganzes haben kann. Gegenwärtig ist es nicht nur notwendig, bestimmte ethische Kodizes und Tabus zu formulieren, sondern vor allem, ethische Regeln zu entwickeln und in die Architektur technologischer Lösungen zu integrieren. Dies ist eine ernsthafte Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation, da sich die Terminologie, die Argumentationsweisen, die Methodologien und die Werkzeuge des humanitären und des technologischen Wissens grundlegend unterscheiden. Daher können wir behaupten, dass Datenethik die interdisziplinäre Zusammenarbeit erleichtert und kontinuierliches Lernen und Anpassung unterstützt. Wie funktioniert das bei Mobilitätsdaten?

Die Ethik der Mobilitätsdatenoperationen bei der Posmo Genossenschaft wird als Priorität gegenüber wirtschaftlichen Interessen und Vorteilen definiert. Dieser Ansatz stellt einen Paradigmenwechsel auf dem Markt für Mobilitätsdaten dar, nicht nur als Beispiel für sozial verantwortliches Handeln, sondern auch als Betriebsmodell für ethische Management- und Technologielösungen, die als vertrauenswürdiger Datenbroker fungieren. Dieses Vertrauen basiert auf den Werten des Schutzes der Privatsphäre, der Transparenz und der Verantwortlichkeit bei der Entscheidungsfindung und der gemeinsamen Nutzung von Daten sowie auf der Selbstbestimmung und Autonomie der Datenproduzenten. In der Praxis bedeutet dies, dass eine Strategie der maximalen Einbeziehung der Datenanbieter in den Lebenszyklus der Daten verfolgt wird.

Potenzielle Vorteile und Risiken bei der Nutzung von Daten

Eine notwendige Voraussetzung für die Nutzung von Mobilitätsdaten durch POSMO, nicht generell, ist die Einholung der Zustimmung der betroffenen Personen. Die Menschen sollten die potenziellen Vorteile und Risiken, die mit der Verwendung ihrer Daten verbunden sind, klar verstehen. Diese Informationen den Nutzern in einer zugänglichen, umfassenden und dennoch prägnanten Weise zu vermitteln, ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Unternehmen. Darüber hinaus können die Daten für verschiedene Zwecke verwendet werden, über die POSMO die betroffenen Personen ebenfalls rechtzeitig und genau informieren sollte. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, diese Informationen für ein nicht fachkundiges Publikum zugänglich und verständlich zu machen, ohne sie zu sehr zu vereinfachen

Neben den terminologischen und technischen Herausforderungen spielen auch emotionale Faktoren wie die «Datenangst» eine Rolle bei der gemeinsamen Nutzung von Daten. Dies ist der Fall, wenn Einzelpersonen nicht wollen, dass ihre Mobilitätsverhaltensdaten gesammelt und in der Öffentlichkeit verwendet werden. Dementsprechend stellt die Erhebung und Nutzung von Mobilitätsdaten eine große kommunikative Herausforderung dar, insbesondere im Hinblick auf Bedenken hinsichtlich der Überwachung und des möglichen Missbrauchs für Zwecke wie gezielte Werbung oder diskriminierende Praktiken. Solche Voreingenommenheiten von Datenanbietern können zu schwerwiegenden Reputationsschäden für das Unternehmen, zu wirtschaftlichen Risiken und zu vermindertem Vertrauen und Glaubwürdigkeit führen. Um diese negativen Folgen der Datennutzung zu vermeiden, investiert POSMO Ressourcen in eine effektive Kommunikation sowohl innerhalb der Genossenschaft – unter den Mitgliedern, dem Ethikausschuss, durch technische Dienste und App-Nutzer – als auch durch die Einbindung externer Stakeholder, darunter wissenschaftliche Forschungseinrichtungen (BFH), Experten mit praktischer Erfahrung und potenzielle Datenkäufer.

Datenethische Werte sind für den geschäftlichen Erfolg unerlässlich und stellen kein künstliches Hindernis für diesen dar. Ein ethischer Ansatz im Umgang mit mobilen Daten verbessert die Datenqualität und -zuverlässigkeit, wodurch die resultierenden Daten genauer und repräsentativer werden. Bekanntlich gewähren große Technologieunternehmen wie Alphabet oder Facebook keinen Zugang zu ihren Daten für die Forschung oder die öffentliche Verwaltung in den Bereichen städtische Infrastruktur, Verkehr oder Umweltfragen. Daher müssen sich Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger oft auf ungenaue oder unvollständige Daten verlassen oder eigene Erhebungen durchführen, was erhebliche Kosten und Ressourcen erfordert. Die Nutzung von Mobilitätsdaten ist nicht nur für Statistiken und Analysen der aktuellen Situation notwendig, sondern auch für Zukunftsprognosen, was die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Erhebung und Nutzung bestätigt. POSMO zielt auf ein «ganzheitliches» Bild der Mobilität ab, da es kurze Segmente (Fuss, Fahrrad) abdeckt und qualitativ hochwertige, geschützte und repräsentative Daten produziert. Die oben erwähnten praktischen Lösungen für die Datennutzung tragen dazu bei, den Erwartungen der Verbraucher gerecht zu werden und das öffentliche Vertrauen in eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu erhalten.


Über das Projekt

Die Genossenschaft Posmo (POSitive MObility) sammelt Mobilitätsdaten in einer bisher in der Schweiz nicht verfügbaren Qualität. Die Daten werden nicht nur als Entscheidungsgrundlage für die Gestaltung einer nachhaltigeren Mobilität genutzt, sondern auch in einem Datenmarkt für Forschung, Stadtentwicklung oder Mobilitätsplanung zur Verfügung gestellt. Das Ziel der Genossenschaft ist es nicht, Gewinn zu machen, sondern einen wichtigen Beitrag für eine bessere Zukunft der Schweiz zu leisten. Da Mobilitätsdaten datenschutzrechtlich hochsensibel sind, hat Posmo in einem früheren Innocheque-Projekt zusammen mit Forschern des Instituts für Datenanwendungen und Sicherheit IDAS ein erstes Konzept für den ethischen Datenmarkt entwickelt, das nun weiterentwickelt werden soll.

Weitere Informationen finden Sie hier.

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AUTHOR: Olena Yatsenko

Olena Yatsenko ist Gastwissenschaftlerin am Labor für Virtuelle Realität und Robotik an der Berner Fachhochschule sowie Dozentin für Universitätsphilosophie an der Nationalen Pädagogischen Drahomanov Universität (Kiyv, Ukraine).

AUTHOR: Maël Gassmann

Maël Gassmann arbeitet als Assistent im Institut für Datenanwendungen und Sicherheit IDAS an der Berner Fachhochschule. Er hat Informatik mit Vertiefung in IT-Sicherheit studiert.

AUTHOR: Dominic Baumann

Dominic Baumann arbeitet als Assistent im Institute for Data Applications and Security IDAS an der Berner Fachhochschule. Er studiert Informatik in der Vertiefungsrichtung IT-Security.

AUTHOR: Annett Laube

Annett Laube ist Dozentin der Informatik an der BFH Technik & Informatik und leitet das Institute for Data Applications and Security (IDAS). Sie hat die fachliche Verantwortung für das Wissenschaftsmagazine SocietyByte, insbesondere für den Schwerpunkt Digital Identity, Privacy & Cybersecurity.

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