Wie das TecLab den MINT-Nachwuchs fördert

Teclab Mint Zoo Anlage Ret

Fledermäuse, Solaranlagen, kreislauffähige Brücken oder kollaborative Roboter – das Themenfeld am TecLab ist breit. Hinter den Workshops und Kursen für Schülerinnen und Schüler steckt das Ziel, zukünftige Fachpersonen für MINT-Berufe zu motivieren. Das TecLab reflektiert Erfahrungen aus der Pilotphase.

Für die nachhaltige Entwicklung fehlen bereits heute zahlreiche Fachkräfte. Die Herausforderungen werden in absehbarer Zukunft nicht geringer. An der Nahtstelle zwischen Schule, Unternehmen und potenziellen Lernenden, Studierenden oder Arbeitnehmenden wirkt das TecLab. 2020 starteten wir in Burgdorf mit ersten MINT[1]-Förderangeboten für Schulklassen. Spielerische Herangehensweisen, spannende Geschichten, gesellschaftliche Zusammenhänge und praktische Aufgabestellungen ermöglichen dabei einer breiten Gruppe von Kindern und Jugendlichen den Zugang zu MINT-Themen und -Berufen. Laufend werden diese ein- bis mehrtägigen Kurse, Anlässe und Workshops seither pilotiert, evaluiert und unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse weiterentwickelt.

Technische Berufe anhaltend unter Druck

Nicht nur klassische MINT-Berufe sind vom Fachkräftemangel betroffen. Gerade erweiterte Anforderungen an Arbeitsplätze und Berufsbilder im Kontext der nachhaltigen Entwicklung stellen sich einem Grossteil der Schweizer Unternehmen und Organisationen. Nachdem der Mangel an qualifizierten Fachpersonen bereits 2022 nach Ende der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie einen Höchstwert erreichte, publizierte die Adecco Group Schweiz im November 2023 in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich wieder einen Rekordwert des «Fachkräftemangel Index Schweiz»[2]. Neben Gesundheitsberufen seien insbesondere technische Berufe am stärksten betroffen, unter anderem in den Bereichen ICT und Bau.

Hinweise auf die Gründe liefert beispielsweise die Branchenumfrage[3] von Ecoplan AG anlässlich der Bildungsoffensive Gebäude von EnergieSchweiz: So würden in der Gebäudebranche zum Beispiel überdurchschnittlich viele Lehrverträge wieder aufgelöst, ein schlechtes Image der Berufe trage zudem zur schwierigen Besetzung der ausgeschriebenen Stellen bei. Und nicht zuletzt: im Zusammenhang mit der grossen Nachfrage aufgrund der Energiewende sei der Bedarf nach diesen Fachkräften gestiegen.

Ein weiterer, häufig genannter Faktor ist die starke Untervertretung von Frauen in technischen Berufen. Die Studie «Frauen in Wirtschaftsinformatik und ICT Berufen»[4] von Isabelle Clerc und Simone Artho an der Berner Fachhochschule gab bereits 2015 Einblick in teilweise ähnliche Gründe, unter anderem die bereits früh verbreitete Vorstellung der schlechten Vereinbarkeit von Arbeit und Familie in den MINT-Berufen. Aber auch fehlende weibliche Rollenvorbilder für Nachwuchskräfte werden genannt. Frauenförderaktivitäten von Schulen, einzelnen Unternehmen, Berufsverbänden und öffentlichen Institutionen sind keine Seltenheit mehr, trotzdem sind die grossen Unterschiede in der Geschlechterverteilung noch immer auch auf der Nachwuchsstufe sichtbar. So studierten 2022 in den Bachelor- und Masterstudiengängen des Departements Technik und Informatik der Berner Fachhochschule kennzeichnenderweise zu 86% Männer[5].

Vielfältig und didaktisch

Wie gehen wir diese Punkte an? Die Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern beauftragte die Berner Fachhochschule gemeinsam mit verschiedenen Partnerorganisationen damit, dem Fachkräftemangel entgegenzutreten und Schulen wie auch Unternehmen dabei zu unterstützen, MINT-Themen und -Berufsbilder attraktiv und zielgruppengerecht zu vermitteln.

Teclab Mint Prototyping Turbine

Bild 1: Schülerinnen bauen eine Prototyping Turbine.

Das TecLab ist als Projektorganisation breit abgestützt. Personen verschiedenster Hintergründe arbeiteten und arbeiten noch immer bei der Ausarbeitung der strategischen Ziele und Ausrichtung der Aktivitäten mit. Diese vielfältigen Einflüsse und Ansprüche von pädagogisch-didaktischen Fachpersonen, MINT-Expert*innen, aber auch Vertreter*innen der Wirtschaft und der Politik zu konsolidieren, bildete eine zentrale Herausforderung in der Pilotphase. Sie ermöglichte aber auch eine offene Auseinandersetzung mit der zentralen Frage: Wie gestalten wir die Nachwuchsförderung möglichst wirkungsvoll? Die Herangehensweise in den MINT-Förderangeboten wurde dabei insbesondere auf Abklärungen mit Lehrpersonen der Volksschule und Mitarbeitenden der Pädagogischen Hochschule Bern sowie auf den eigenen Erfahrungen in den Pilotangeboten basiert.

Um bereits früh entstehende Vorurteile oder Hemmungen gegenüber MINT-Berufen auffangen zu können, startet das TecLab mit Workshops für Schulklassen und Freizeitangeboten bereits im Kindergartenalter. Die Auseinandersetzung mit Technik und Informatik geschieht in diesen auf eine spielerische und ungezwungene Art – das Thema Orientierung mit Sensoren wird beispielsweise anhand des Ultraschallsinnes bei Fledermäusen eingeführt. In allen Angeboten für Schulklassen stehen dabei Problemlösungskompetenzen und die Arbeit im Team im Fokus. Über positive Erfahrungen und Erfolgserlebnisse bei der Lösungsfindung sollen alle Teilnehmenden Zugang zu MINT erhalten und sich als selbstwirksam erfahren können, nicht nur diejenigen, die in ihrem familiären Umfeld bereits mit diesen Themen in Berührung kamen oder die sich über gute Schulnoten in Mathematik einen MINT-Werdegang vorstellen können.

Alltagsnah und abwechslungsreich

Als weitere zentrale Faktoren erwiesen sich eine altersgerechte Sprache, abwechslungsreiche Tagesabläufe und – wohl mitunter am wichtigsten – als Identifikationsfiguren geeignete Vermittlungspersonen. Bezüglich Alter, Geschlecht und Interessen diverse Vorbilder und die Vermeidung von entsprechenden Stereotypen unterstützen die ebenso unterschiedlichen Schülerinnen und Schüler dabei, Bezüge zu den eigenen Fähigkeiten und Vorlieben herzustellen und entsprechende Ausbildungen und Studiengänge in Betracht zu ziehen. In Einzelfällen zeigte sich die Einschränkung auf spezifische Zielgruppen sinnvoll, insbesondere in der Mädchenförderung. So bezeichnen die Teilnehmerinnen von Programmierworkshops die Kursleitung durch Informatikstudentinnen in Befragungen regelmässig als grossen Pluspunkt.

Teclab Mint Schall

Bild 2: Kinder erleben das Thema Schall.

Experimente und spannende Challenges aus dem Nachhaltigkeitskontext begeistern am TecLab die ganze Bandbreite der MINT-Zielgruppe, vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe. Die Erfahrungen der Pilotphase zeigen hier: Auch komplexe Fragestellungen in den Bereichen Automatisierung oder erneuerbare Energien bieten Ansatzpunkte auf diversen Altersstufen und Gelegenheit zum Trainieren der genannten Problemlöse- und Teamarbeitskompetenzen. Einige dieser Aufgabestellungen und Exponate erwiesen sich dabei sogar als auch für Erwachsene gut geeignet. Diese setzen wir nun an Teamanlässen für Unternehmen oder zur Auflockerung in Workshops und Weiterbildungen ein.

Nicht alle Teilnehmenden von Angeboten am TecLab wollen und müssen MINT-Fachkräfte werden. Für die nachhaltige Entwicklung sind aber alle gefragt, von den Eltern als Bezugspersonen junger Menschen über Lernende und Studierende bis hin zu Führungskräften von Unternehmen und Politik. Das TecLab setzt sich zum Ziel, die Herstellung von Bezügen zwischen MINT-Themen und aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu unterstützen. Im Vollausbau der Organisation sollen alle Schülerinnen und Schüler des Kantons Bern das TecLab in ihrer Schulzeit mindestens einmal besucht haben können – ergänzend zu den Aktivitäten der Schulen, Unternehmen und Familien können wir damit einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten.


Referenzen

[1] Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik

[2] adecco-jobs.com/de-ch/-/media/project/adeccogroup/press-releases/tag-ch-graphic-device-11-2022-skills-shortage-index-2023_de.pdf/

[3] Ecoplan_Ergebnisse Branchenumfrage (polarstern.ch)

[4] Adresse (bfh.ch)

[5] Student*innen | BFH


Mit BFH eng verbunden

Gegründet wurde das TecLab als Initiative der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit der Technischen Fachschule Bern, der Pädagogischen Hochschule Bern sowie der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern, der Stadt Burgdorf und den Wirtschaftsverbänden Handels- und Industrieverein Kanton Bern und Berner KMU. Das Projektteam des TecLab setzt sich aktuell aus Mitarbeitenden der Partnerorganisationen zusammen. Durch die enge Zusammenarbeit mit projektinternen und externen Partnern kann das TecLab bedürfnisorientierte Angebote entwickeln und das entstehende Netzwerk in Kooperationen zur Verfügung stellen.

2020 startete das TecLab in die Pilotphase, in welcher in allen Bereichen Angebote getestet und evaluiert wurden. Erste Angebote für Schulklassen und Unternehmen sind seitdem regulär buchbar. Während der Projektphase des TecLab finden die Angebote am Standort Tiergarten der Berner Fachhochschule in Burgdorf statt. Sobald diese im Rahmen der Standortkonzentration in den Campus Biel/Bienne umzieht, wird das Gebäude saniert und entsprechend dem Angebotskonzept des TecLab umgebaut.

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AUTHOR: Jana Schiendorfer

Jana Schiendorfer ist Projektkoordinatorin und Leiterin des Bereichs Kommunikation am TecLab in Burgdorf. Seit 2018 entwickelt sie das Projekt für die Berner Fachhochschule gemeinsam mit einem interdisziplinären Team. Weitere Informationen zum TecLab: teclab.swiss.

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