Von Technologie bis Farm-Management – wie smart ist die Schweizer Landwirtschaft?, Teil 2

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Smartfarming und Technologie in der Landwirtschaft sind die Themen der Stunde, die auch die Agrargenossenschaft Fenaco beschäftigen. Welche Geschäftsrisiken bringt die digitale Transformation mit sich? Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Business und IT? Wie digital ist die Logistik? Und: Wie steht es um die Hype-Themen Blockchain und KI? Darüber spricht Societybyte-Autor und Digotalisierungsexperte Reinhard Riedl mit Michael Buser, dem Leiter IT und Logistik der Fenaco im Teil 2 eines Interviews.

Teil 1 des Interviews findet sich hier.

Michael Buser leitet das Departement Informatik / Logistik bei Fenaco.

Michael Buser leitet das Departement Informatik / Logistik bei Fenaco.

Frage: Wie gut ist die Fenaco darauf vorbereitet, dass ausländische Detailhändler mit viel Geld und technischem Know-how eines Tages ins Land kommen und mit ihren Angeboten die hiesigen Akteure angreifen?

Michael Buser: Wir sind gut aufgestellt – und bleiben wachsam. In England zum Beispiel ist Amazon auch im Bereich Lebensmittel relativ breit aufgestellt und aktiv. Das Unternehmen könnte in Zukunft also auch mit Lieferwagen den ländlichen Raum in der Schweiz anfahren und unsere Volg Läden bedrängen. Im Non-Food-Bereich ist die Konkurrenzsituation heute schon offensichtlich. Alles, was du in der Landi kaufen kannst, gibt es auch bei Amazon. Unsere Landi Läden können sich aber differenzieren mit Kundennähe und einer guten Kombination aus stationärem Handel vor Ort, wo ich Artikel anschauen und riechen kann, und aus Online-Handel.

Wie ist die Situation in der Landwirtschaft?

Die «Fenacos von Europa» sind im Verein Intercoop Europe zusammengeschlossen und treffen sich ab und zu zum Meinungs- und Informationsaustausch. Unter den CIOs rechnet man damit, dass Amazon in die Grosshandelsmärkte eindringen könnte, ebenso Alibaba. Im Ausland beobachtet man, dass beide Agrarfachleute einstellen und Bauern anschreiben, um Gespräche zu führen. Allerdings werden die grossen Player nicht als erstes in die Schweiz kommen. Die Schweiz hat zu viele kleinere Betriebe und eine zu komplexe und aufwendige Logistik.

Eine mittlerweile klassische Herausforderung der Digitalisierung ist die Zusammenarbeit zwischen Business und IT. Wo steht die Fenaco da? In welche Richtung wird es in Zukunft gehen?

Als ich zur Fenaco kam, habe ich als erstes eine Bestandesaufnahme in der IT gemacht. Dabei habe ich festgestellt, dass man im Bereich der Infrastruktur, der Hardware und der PC-Server einen relativ konsequenten, zentralen Ansatz verfolgt hat. Im Bereich der Applikationen hatten die Tochterfirmen hingegen ziemlich freie Entscheidungskompetenzen. Das hat dazu geführt, dass die IT-Landschaft auf Applikationsebene recht heterogen war. Irgendwann wird das schwer managebar, aufwendig und sehr teuer.

In der Geschäftsleitung und auch im Verwaltungsrat haben wir in der Folge einen Plan präsentiert, um zu harmonisieren, zu standardisieren, kosteneffizienter und sicherer zu werden. Das geht nur über ein transparentes Projektportfolio. Nur wenn wir wissen, was bei den Tochterunternehmen gemacht wird, können wir auch steuern. Seither müssen alle IT-Projekte zentral gemeldet werden. Und weil fast jedes Businessprojekt mit IT verbunden ist, heisst das, dass auch fast jedes Businessprojekt diesem Portfolio gemeldet wird.

Unsere Disponent*innen sind der KI nach wie vor eine Nasenlänge voraus ist. Aber eines Tages wird sich das Blatt wenden. Vielleicht früher als wir denken.

Macht das Business da mit?

Wir haben in der IT keine Entscheidungs- oder Befehlskompetenz, sondern können nur empfehlen. Das finde ich gut und richtig so. Unsere Unternehmensarchitekten erkennen das Potenzial für Synergien. Und mit guten Argumenten können wir steuernd eingreifen. So haben wir in den letzten Jahren einiges erreicht und die Offenheit für Unterstützung, Beratung und Implementierung durch uns in der zentralen IT hat auch dank der zunehmenden Komplexität und dem Fachkräftemangel deutlich zugenommen.

Sie sind auch für die Logistik zuständig. Wie weit ist die Disposition digital transformiert? Wollen Sie in Zukunft autonomes Fahren nutzen?

Als IT-ler staune ich immer wieder, wie entscheidend der Faktor Mensch in der Transportlogistik nach wie vor ist. Bestellungen werden zwar digital angenommen, aber die Verteilung der Aufträge auf die Lastwagen passiert mehr oder weniger manuell durch die Disponent*innen. Deren Know-how und Erfahrung sind entscheidend. Unsere Disponent*innen sind der KI nach wie vor eine Nasenlänge voraus ist. Aber eines Tages wird sich das Blatt wenden. Vielleicht früher als wir denken. Was das intelligente Fahren betrifft: Das ist vorerst noch kein Thema und ich glaube, dass die Zeit dafür auch noch länger nicht reif sein wird. Was uns aber intensiv beschäftigt, sind alternative Antriebe.

Zum Abschluss: Wie stehen Sie generell zu den aktuellen Hype-Themen Blockchain und KI?

Ich glaube nicht, dass der Blockchain-Ansatz breit Einzug halten wird. Für typische Nutzungsideen, beispielsweise die Rückverfolgbarkeit von Lebensmittelketten vom Landwirtschaftsbetrieb ins Ladenregal, gibt es konventionelle Lösungen, die ohne viel Rechnerleistung auskommen. Künstliche Intelligenz dagegen setzen wir bei der fenaco in gewissen Bereichen bereits heute ein, etwa in der Obst- und Gemüsesortierung. Diese Technologie wird sich durchsetzen. Dort, wo ein breites Fachwissen notwendig und dieses gut dokumentiert ist, ist uns KI massiv überlegen. Ich denke da beispielsweise an gewisse Bereiche in der landwirtschaftlichen Beratung.


Von Landi bis Ramseier Most

Die Fenaco ist eine Agrargenossenschaft mit Sitz in Bern. Mitglieder sind 153 landwirtschaftliche Organisationen, die meist unter der Marke Landi auftreten. Indirekt ist daher die Fenaco grossmehrheitlich im Besitz von rund 41’000 Mitgliedern der Landi-Genossenschaften, davon sind rund 23’000 aktive Landwirte. Bekannte Unternehmen und Marken der Fenaco sind der Getränkehersteller Ramseier Suisse, der Fleischverarbeiter Ernst Sutter AG, die Detailhandelsunternehmen Volg und Landi, die Dünger-Marke Landor, der Futtermittelhersteller UFA sowie der Mineralölkonzern Agrola.

Die Fenaco-Genossenschaft beschäftigt rund 11’500 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2022 einen Umsatz von rund 8,06 Milliarden Franken.


Partnerschaft mit BFH

Die Fenaco ist Partnerin des Instituts Digital Technology Management. Zudem bietet die BFH Wirtschaft eine massgeschneiderte Kaderausbildung in IT für die Führungskräfte der Fenaco an.

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AUTHOR: Reinhard Riedl

Prof. Dr. Reinhard Riedl ist Dozent am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft. Er engagiert sich in vielen Organisationen und ist u.a. Vizepräsident des Schweizer E-Government Symposium sowie Mitglied des Steuerungsausschuss von TA-Swiss. Zudem ist er u.a. Vorstandsmitglied von eJustice.ch, Praevenire - Verein zur Optimierung der solidarischen Gesundheitsversorgung (Österreich) und All-acad.com.

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