Wie öffentliche Beschaffung die Digitalisierung von Schulen unterstützt

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Schulen sind nicht mehr nur Bildungsstätten: Sie haben sich zu Hightech-Zentren mit einem enormen Bedarf an Hard- und Software entwickelt. In ihrer Studie untersuchte die Forschungsgruppe Öffentliches Beschaffungswesen des Instituts Public Sector Transformation (IPST) der BFH, ob die Beschaffungsprozesse in Schulen den gesetzlich vorgeschriebenen Wettbewerb fördern, um Qualität und Innovation zu gewährleisten, und ob ihre IT-Lösungen den gesetzlichen Anforderungen an ökologische und soziale Nachhaltigkeit entsprechen.

Meine Schulzeit verbrachte ich in den 1990er Jahren. Als ich gebeten wurde, eine rechtliche Studie über die Beschaffung von IT-Dienstleistungen durch Schulen durchzuführen, war ich überrascht, denn in meiner Erinnerung war die Schule ein Ort, an dem die Lehrer mit weisser Kreide auf schwarze Tafeln schrieben und die Schüler Bücher und Papier hatten, aber keinen Computer (abgesehen von dem einen Computerraum, den sich die ganze Schule teilte). Doch die Schulen von heute stehen in krassem Gegensatz zu diesem Bild: sie haben sich in High-Tech-Zentren verwandelt, in denen die Schüler von klein auf Tablets und Laptops benutzen und die traditionellen Tafeln durch interaktive Versionen mit «intelligenten Bildschirmen» ersetzt werden. Darüber hinaus erfordert die Kommunikation zwischen Lehrerpersonen und Eltern keine Telefongespräche, sondern eine einfach zu bedienende Kommunikationssoftware, die dennoch den Schutz personenbezogener Daten gewährleistet. Und schliesslich führt dieser Wandel hin zu einem digitalen Umfeld zu einem weit verbreiteten Einsatz digitaler Werkzeuge in der Bildung selbst («EdTech»).

Was hat das öffentliche Vergaberecht damit zu tun?

Angesichts dieser rasanten technologischen Entwicklung hin zur Digitalisierung ist die Nachfrage nach IT-Hardware und -Software in Schulen sprunghaft angestiegen. Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang häufig übersehen wird, ist: Als öffentliche Einrichtungen werden die Schulen mit Steuergeldern bezahlt. Daher müssen sie sich an das öffentliche Beschaffungsrecht halten und können nicht einfach nach eigenem Gutdünken Waren oder Dienstleistungen einkaufen (zumindest nicht, wenn die Ware oder Dienstleistung einen Schwellenwert von 150’000 CHF überschreitet). Das öffentliche Beschaffungsrecht sieht ein Ausschreibungsverfahren vor.

  1. Dies bedeutet erstens die Veröffentlichung einer offiziellen «Ausschreibung», die es allen Anbietern ermöglicht, ein Angebot abzugeben und den Auftrag zu «gewinnen». Dabei muss die Ausschreibung neutral und transparent verfasst sein und darf keinen bestimmten Bieter bevorzugen.
  2. Zweitens müssen die Angebote fair und nach vorher festgelegten Kriterien bewertet werden. Es liegt in der Verantwortung der Beschaffungsbehörde, im Voraus die Kriterien festzulegen, nach denen die Bewertung durchgeführt wird.

Ein Kriterium, das in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden muss, ist die Nachhaltigkeit, die mit der Revision des Vergaberechts im Jahr 2021 eingeführt wurde. Vor diesem Hintergrund wurde unsere Forschungsgruppe beauftragt, den aktuellen Stand der IT-Beschaffung in Schulen zu evaluieren, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und Handlungsempfehlungen zu entwickeln.[1]

Generelles Fehlen eines wettbewerbsorientierten Ausschreibungsverfahrens

Etwas überraschend war unsere anfängliche Feststellung, dass es aufgrund des Mangels an statistischen Daten recht schwierig ist, konkrete Erkenntnisse zu gewinnen. Während die Beschaffungsbehörden in der Regel ihre Aufträge ab einem Wert von CHF 150’000 auf der offiziellen Plattform simap.ch veröffentlichen , sind nur wenige Veröffentlichungen von Schulen zu finden. Ein Grund dafür könnte sein, dass die IT-Beschaffungen der Schulen einen Wert von weniger als 150’000 CHF haben, oder es könnte auf ein falsches Verständnis der Vorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen oder der Methoden zur Berechnung des Auftragswerts zurückzuführen sein.

Vor diesem Hintergrund, der auf ein allgemeines Fehlen eines Ausschreibungsverfahrens hindeutet, lautete unsere erste politische Empfehlung, dass die Schulen generell prüfen sollten, ob ihre IT-Verträge über dem Schwellenwert für das öffentliche Beschaffungswesen liegen und ob sie in einem Ausschreibungsverfahren veröffentlicht werden müssen.[2] Daher war es uns wichtig zu betonen, dass die Einhaltung der Gesetze nicht nur aus Gründen der Rechtskonformität von entscheidender Bedeutung ist, sondern auch, weil ein wettbewerbsorientierter Ausschreibungsprozess letztlich zu höherer Qualität und mehr Innovation führt,[3] und zu mehr Nachhaltigkeit und damit zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis führt.

Effizienz und Standardisierung durch Kooperation

Recherchen mit Intelliprocure.ch, unserem BFH-Tool zur Analyse von Daten des öffentlichen Beschaffungswesens, haben ergeben, dass Schulen unter den veröffentlichten Aufträgen häufig Laptops, Tablets und andere Multimedia-Geräte wie interaktive Whiteboards beschaffen. Der Wert dieser Aufträge liegt typischerweise zwischen CHF 350’000 und über CHF 1 Million. Hinzu kommt eine wachsende Nachfrage nach Bildungssoftware und IT-Supportdiensten, die sich oft auf mehrere Millionen Franken belaufen, was die Komplexität und den Wartungsbedarf dieser IT-Lösungen unterstreicht.

Die Analyse dieser Daten war jedoch schwierig, da die Zuständigkeit für die IT-Beschaffung regional unterschiedlich ist: In einigen Städten oder Gemeinden ist die Gemeindeverwaltung für die IT-Beschaffung der Schulen zuständig, in anderen Gebieten sind es die Schulen selbst, die Schulbehörden oder die Digitalisierungsbehörden.

Vor diesem Hintergrund haben wir empfohlen, dass die Schulen (auf lokaler oder kantonaler Ebene) bei der Durchführung öffentlicher Beschaffungsprozesse zusammenarbeiten und ihre IT-Anforderungen standardisieren. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die Kaufkraft zu konsolidieren, die Preise zu senken und den Verwaltungsaufwand für die Schulen zu reduzieren.

Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen

Bei der Analyse der veröffentlichten Ausschreibungen fiel auf, dass die meisten Schulen Nachhaltigkeit nicht als Kriterium für die Vergabe von IT-Verträgen berücksichtigen. Ein Grossteil der Ausschreibungen stellte den Preis» als wichtigstes Vergabekriterium in den Vordergrund. Dies deutet darauf hin, dass in der Praxis – trotz des neuen Nachhaltigkeitsziels im Vergaberecht – die IT-Lösungen mit dem günstigsten Einkaufspreis den Zuschlag für IT-Verträge erhalten. Dieser Kaufpreisansatz vernachlässigt die langfristigen Auswirkungen auf die ökologische oder soziale Nachhaltigkeit sowie die Lebenszykluskosten (LCC). [4]

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse haben wir uns dafür ausgesprochen, Nachhaltigkeitskriterien in Beschaffungsprozesse einzubeziehen und den Einkaufspreis nicht überzubewerten.[5] Die Umweltauswirkungen von IT-Hardware und -Software sind beträchtlich und variieren stark. Es ist wichtig, Materialien aus erneuerbaren Ressourcen zu bevorzugen und sicherzustellen, dass die Hardware sowohl wiederverwendbar als auch recycelbar ist. Ausserdem ist es wichtig, die Rolle des Stromverbrauchs bei den CO2-Emissionen zu erkennen. Neben den Umweltfaktoren sind auch die sozialen Auswirkungen der öffentlichen Beschaffung von entscheidender Bedeutung. Es ist ein tiefgreifender Widerspruch, wenn Schulen IT-Ausrüstung für den Unterricht verwenden, die paradoxerweise durch Kinderarbeit hergestellt wird, wodurch diesen Kindern ihr Grundrecht auf Bildung verwehrt wird.[6]

Eine vierte Dimension: Digitale Nachhaltigkeit?

In diesem Zusammenhang warf unsere Studie die Frage auf, ob eine zeitgemässe Auslegung des Rechtsbegriffs «Nachhaltigkeit» auch die «digitale Nachhaltigkeit» umfassen sollte. Dieses Konzept legt nahe, dass digitale Güter und Dienstleistungen, die als «öffentliche Güter» betrachtet werden, so gestaltet sein sollten, dass ein nachhaltiger Zugang zu und eine nachhaltige Nutzung von digitalem Wissen gewährleistet ist. Obwohl dieses Konzept nicht ausdrücklich vom Wortlaut des Gesetzes abgedeckt wird, scheint es im Bildungssektor besonders relevant zu sein, da die Endnutzer Kinder und Jugendliche sind, eine besonders schutzbedürftige Gruppe. Dies ist besonders wichtig in der Grundschulbildung, in der grundlegende Verhaltensweisen vermittelt werden. Wenn man Kindern beibringt, digitale Werkzeuge unabhängig von bestimmten Betriebssystemen oder Produkten zu nutzen, kann dies die Selbstständigkeit fördern und zukünftige Abhängigkeiten verhindern.[7]

In jedem Fall geht es bei der Behandlung des Themas Nachhaltigkeit in der IT-Beschaffung von Schulen nicht nur um die Einhaltung von Vorschriften, sondern auch um die Aufrechterhaltung ethischer Standards in Bildung und Beschaffung.


Referenzen

[1] Rika Koch, Öffentliche Beschaffungen im Bildungssektor – Studie im Auftrag der Fachagentur Educa zur Verortung der (IKT-) Beschaffungen von Schulen nach dem revidierten öffentlichen Beschaffungsrecht, 2023, hier verfügbar.

[2] siehe S. 27 der Studie, Handlungsempfehlung Nr. 1

[3] vgl. S. 28 der Studie, Handlungsempfehlung Nr. 9 («Innovationspotenziale nutzen»).

[4] Für eine Diskussion von LCC vs. Einkaufspreis siehe S. 23-24 der Studie.

[5] Siehe S. 28 – 29, Politikempfehlungen Nr. 6 und Nr. 7.

[6] Siehe S.14 und S.29 der Studie.

[7] Siehe S. 14 – 15 der Studie.

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AUTHOR: Rika Koch

Prof. Dr. Rika Koch ist Assistenzprofessorinam Institut Public Sector Transformation und Co-Leiterin der Forschungsgruppe für öffentliche Beschaffung. Die RGPP bietet praxisnahe Forschung und Beratung für Studierende und Praktiker. Rika Kochs Forschungsschwerpunkt ist die öffentliche Beschaffung im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

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