Spitalexterne Versorgung im Fokus: Mit Mapping-Methoden Kommunikationsbarrieren identifizieren

Eine funktionierende Kommunikation und reibungslose Informationsflüsse spielen im komplexen Setting der spitalexternen Pflege eine wichtige Rolle. Wo Kommunikationshürden auftauchen und wie man diese künftig überbrücken könnte, untersucht das Projekt CuraComm. Dieser Beitrag zeigt auf, wie durch den Einsatz der Visualisierungstechnik „Mapping“ zielführend Kommunikationshürden identifiziert werden können.

 In der Betreuung chronisch oder post-akut kranker Menschen zu Hause spielt die spitalexterne Pflege (Spitex) eine entscheidende Rolle. Ihre Kundinnen und Kunden werden primär von Gesundheitsdienstleistern wie Hausärzt*innen oder aus Spitälern, psychiatrischen Kliniken oder Rehakliniken an sie überwiesen. Eine ungehinderte Kommunikation zwischen den Gesundheitsdienstleistern, aber auch innerhalb der Spitex sowie zwischen Spitex Fachpersonen und ihren Klient*innen und den betreuenden Angehörigen ist zentral für eine qualitativ hochstehende und wirksame Versorgung durch die Spitex. Denn nur mit aktuellen Informationen entsteht ein klares Bild der vorliegenden Probleme, Risiken, Sorgen, Ressourcen, Gesundheitsziele und der Möglichkeiten zur Alltagsgestaltung, das es der Spitex erlaubt, eine sorgfältige, bedarfs- und ressourcenorientierte Pflegeplanung zu erstellen und umzusetzen.

Doch was, wenn die Kommunikation und der Informationsfluss nicht so reibungslos verlaufen, wie sie sollten? Im Projekt CuraComm werden hierfür Antworten gesucht. Dazu werden Spitex-Pflegefachpersonen, Eltern von kranken Kindern und Seniorinnen und Senioren einbezogen. Es geht zum einen darum zu verstehen, wo Kommunikationsprozesse im Alltag der Spitexversorgung schwierig sind und zum andern wie beim Auftreten von gesundheitlichen Beschwerden der Kundinnen und Kunden die Kommunikation abläuft. Im interdisziplinären Forschungsprojekt arbeiten Pflege- und Designforschende zusammen: Die Pflegeforschung bringt Expertise in Pflegeabläufen, Informationsflüssen, medizinischem Fachwissen und dem Verständnis der Bedürfnisse von Pflegebedürftigen und Gesundheitsfachpersonen ein. Die Designforschung steuert Fachwissen zu Kommunikationsprozessen, Visualisierungsmethoden und zur Nutzungsfreundlichkeit von Kommunikationstools bei. Dies ermöglicht einen multiperspektivischen Erkenntnisgewinn. Methodisch setzten die Forscherinnen u.a. die Visualisierungstechnik des Mappings ein (Journey Mapping, Mind Mapping und Stakeholder Mapping). Damit können die Schwierigkeiten der analogen und digitalen Kommunikation sowie die damit verbundenen Herausforderungen im digitalen Informationsfluss konkret, detailliert und übersichtlich erfasst werden.

Der Einsatz von Visualisierungstechniken: Journey Mapping

Zur Identifizierung der Kommunikationshürden wurde die Methode des Journey Mappings[i] eingesetzt. Diese stammt aus dem Design Thinking und dient dazu, komplexe Prozesse und Abläufe nicht nur besser zu verstehen, sondern auch auf eine verständliche und ansprechende Weise darzustellen. Journey Mapping wird oft in der Produktentwicklung und im Service Design eingesetzt, um die Nutzungserfahrung zu verbessern. Im CuraComm-Projekt wurde Journey Mapping auf die Kommunikation und den Informationsfluss im Versorgungsprozess übertragen und als Pflege-Journey sowohl in analoger Form bei der Datenerhebung (Interviews) als auch digital bei der Auswertung verwendet. Die Pflege-Journey bildet in den Spalten einer Matrix den Prozess vom Eintritt der Klientin/des Klienten über die Bedarfserhebung bis hin zum Austritt aus der Spitexversorgung ab. In den Zeilen werden unterschiedliche Aspekte der Kommunikation erfasst: wer bei welchen Handlungen über welche Kommunikationskanäle was für Informationen austauscht und welche Kommunikationsprobleme dabei auftreten. Mittels Post-its in unterschiedlichen Farben konnten während der Gespräche Probleme und Lösungsansätze auf einem DIN-A1 grossen Plakat festgehalten werden. Entlang der Pflege-Journey wurde das Thema gemeinsam mit Spitexpflegenden und Eltern von Kindern mit Spitexpflege vertieft diskutiert. Das visuelle Hilfsmittel diente somit sowohl als Orientierungshilfe im Prozess als auch als Leitfaden für die Interviews und Fokusgruppen (siehe auch Abb. 1).

Abbildung 1: Analoge Map der Pflege-Journey. Diese diente bei den Interviews als Gedankenstütze und Gesprächsleitfaden.

Diese gemeinsam erarbeiteten analogen Journey Maps wurden digitalisiert und anhand der Gesprächsnotizen und Audioaufnahmen kritisch abgeglichen, vervollständigt und analysiert. Dadurch konnten die wichtigen thematischen Dimensionen induktiv herauskristallisiert, datenbasiert validiert und die Pflege-Journey spezifiziert werden. Wichtige Problemfelder waren beispielsweise der Informationsfluss bei Transitionen (z.B. Übergang von der Spitalpflege in die häusliche Pflege), die Weitergabe oder der Erhalt von Expertise sowohl auf Pflege- als auch auf Elternseite sowie die Vielfalt der genutzten Kommunikationskanäle.

Die Verwendung der Software „Mindmanager“ ermöglichte bei der Analyse eine effiziente Datenverarbeitung bei gleichzeitig ansprechender Darstellung der Gespräche. Es entstand rasch ein Überblick darüber, wo im Pflegeprozess Probleme hinsichtlich Kommunikation und Informationsfluss auftreten. Durch die Nutzung des digitalen Tools „Mindmanager“ konnten zudem verschiedene Varianten von Darstellungen und inhaltlicher Gliederung rasch getestet und verglichen werden.

Die Forscherinnen schätzen die im Projekt CuraComm eingesetzte Mapping-Methode als besonders interessant ein, da diverse Vorteile vereint sind:

  • Visuelle Darstellung: Durch die visuelle Darstellung werden komplexe Zusammenhänge leichter verständlich. Dies ist besonders hilfreich, wenn es darum geht, komplexe Abläufe und Prozesse in der Pflegekommunikation zu analysieren.
  • Bessere Orientierung: Journey Mapping ermöglicht eine klare Übersicht von Themen zu den verschiedenen Phasen des Pflegeprozesses. Dies erleichtert die Navigation und Identifizierung von Problembereichen.
  • Interdisziplinäre Kommunikation: Die visuelle Darstellung und die gemeinsame Auseinandersetzung anhand der Maps fördert den kritischen fachlichen Diskurs und die interdisziplinäre Kommunikation und treibt diese voran, da sie verschiedenen Fachbereichen eine gemeinsame Sprache bietet.
  • Effizienz bei der Analyse: Mapping-Methoden ermöglichen bei begrenzten Ressourcen eine effiziente Analyse von komplexen Themen, ohne aufwendige qualitative codierende Analysemethoden basierend auf einem Transkript durchzuführen. [ii], [iii]

Zugleich sind die visuelle Darstellung und bessere Orientierung aber auch Herausforderungen, da diese aus einer grossen Menge an Informationen und Themen erarbeitet werden müssen.

Ausblick

Die vorliegenden Ergebnisse der Pflege-Journey Mappings fassen die identifizierten analogen und digitalen Kommunikationshürden und Probleme im Informationsfluss zusammen. Sie werden nun in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Mascha Kurpicz-Briki (bfh.ch) (BFH Technik und Informatik) und Spitexfachpersonen als Use Cases aufbereitet, mit dem Ziel, das Potenzial innovativer, nutzerzentrierter und machbarer digitaler Lösungen zu prüfen. Wirtschaftliche Aspekte fliessen durch den Austausch mit interessanten Anbietern ebenfalls ein. Künstliche Intelligenz könnte dabei eine Rolle spielen, um die Effizienz und Qualität der Kommunikation und die Informationsflüsse zu verbessern.

Hinsichtlich methodischem Vorgehen hat sich Journey Mapping als effiziente Methode eines interdisziplinären Datensammlungs- und Analyseprozesses erwiesen. Die benötigte Analysetiefe konnte damit bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Komplexität von Kommunikationsprozessen erreicht werden. Es ist vorstellbar, dass solche Methoden auch für andere Konstellationen inter- und intradisziplinärer Zusammenarbeit im Gesundheitswesen von Mehrwert sind.


Über das Projekt CuraComm

Forscher*innen der BFH-Departemente Gesundheit, Technik & Informatik und die Hochschule der Künste Bern die Bedürfnisse von Spitex-Kund*innen und deren Angehörigen sowie von Pflegefachpersonen der Spitex in Bezug auf die Kommunikation von gesundheitlichen Beschwerden. Die Forscher*innen  einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Kommunikation in der Spitexbetreuung und der interprofessionellen Kommunikation leisten und einen wahrnehmbaren Nutzen für digitale Lösungen aufzeigen.


Referenzen

[i] Joseph, A. L., Kushniruk, A. W., & Borycki, E. M. (2020). Patient journey mapping: current practices, challenges and future opportunities in healthcare. Knowledge management & e-learning12(4), 387

[ii] Fearnley, C. J. (2022). Mind mapping in qualitative data analysis: Managing interview data in interdisciplinary and multi‐sited research projects. Geo: Geography and Environment9(1), e00109.

[iii] Pelz, C., Schmitt, A., & Meis, M. (2004, May). Knowledge mapping als methode zur Auswertung und Ergebnispräsentation von Fokusgruppen in der Markt-und Evaluationsforschung. In Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research (Vol. 5, No. 2, p. 35). DEU.

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AUTHOR: Beatrice Kaufmann

Beatrice Kaufmann ist künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institute of Design Research der Hochschule der Künste der BFH. Sie leitet das Projekt "Sprechende Bilder" und ist Mitarbeiterin in der interdisziplinären Arbeitsgruppe Health Care Communication Design HCCD.

AUTHOR: Tabea Schmid

Tabea Schmid ist wissenschaftiche Assistentin am Fachbereich Pflege der BFH Gesundheit.

AUTHOR: Loraine Olalia

Loraine Olalia ist Mitarbeiterin in der interdisziplinären Arbeitsgruppe Health Care Communication Design HCCD und Projektmitarbeiterin im Institute of Design Research der Hochschule der Künste der BFH.

AUTHOR: Friederike J. S. Thilo

Prof. Dr. Friederike Thilo ist Leiterin Innovationsfeld "Digitale Gesundheit", aF&E Pflege, BFH Gesundheit. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Design Zusammenarbeit Mensch und Maschine; Technologieakzeptanz; need-driven Entwicklung, Testung und Evaluation Technologien im Kontext Gesundheit/Krankheit; datenbasierte Pflege (Künstliche Intelligenz).

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