Zwei Seiten einer Medaille: Zusammen entfalten Konzepte CSR und ESG ihre Wirksamkeit

In der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft wird die Forderung immer lauter, dass Unternehmen eine aktive Rolle bei der nachhaltigen Entwicklung spielen müssen. Und auch die Unternehmen selbst befassen sich immer stärker mit ihrer Rolle in der aktuellen gesellschaftlichen Nachhaltigkeitstransformation. Der „Sustainability Transformation Monitor“ (2023) von Bertelsmann zeigt, dass Nachhaltigkeit bei rund 84 Prozent der deutschen Unternehmen wichtiger geworden ist und auch in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Unternehmen stützen sich auf unterschiedliche Konzepte, um Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen zu verankern und erfolgreich zu managen. Die neuen Managementansätze dienen als Orientierungshilfe für die Unternehmensspitzen und ihr Management, um die nachhaltige Entwicklung proaktiv mitzugestalten. Die neuen Managementperspektiven erhalten so immer mehr reales Gewicht in den Unternehmen, da sie direkt Einfluss auf Geschäftsmodelle, Unternehmensstrategien und konkrete Managemententscheidungen nehmen.

ESG (Environment, Social, Governance) und CSR (Corporate Social Responsibility) haben sich in diesem neuen Managementkanon als besonders prominente Konzepte hervorgetan. CSR hat sich schon seit längerem in der wissenschaftlichen und unternehmerischen Diskussion etabliert. Seit einiger Zeit spricht man aber vermehrt auch von ESG. Sowohl in der Praxis als auch in der akademischen Debatte führt dies zu Fragen, um nicht zu sagen, Verunsicherungen. Ist das Konzept ESG effektiver als CSR? Widersprechen sich die beiden vielleicht? Oder sind die beiden am Ende bloß Synonyme für ein und dasselbe Konzept? Konkret gilt es, die babylonische Verwirrung rund um CSR und ESG aufzulösen, um seriös gemeinte Bemühungen für eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen und Orientierung im Chaos zu geben.

Was ist ESG?

ESG umfasst die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. ESG ist ein Oberbegriff, der sich auf Kriterien bezieht, die von Stakeholdern (in erster Linie Investoren) verwendet werden, um die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Gesellschaft zu bewerten. ESG rückt seit 2006, als die Vereinten Nationen die Prinzipien für verantwortliches Investieren (UNPRI) ins Leben riefen, immer stärker ins Rampenlicht. 63 Investmentgesellschaften erklärten sich daraufhin bereit, diese ESG-Kriterien bei ihren Finanzbewertungen mit einzubeziehen. Konkret heißt das, dass bei der Bewertung von Investitionen heute viele Anleger nicht nur auf Finanzkennzahlen eines Unternehmens, sondern auch auf dessen ESG-Rating schauen. Dieser Anreiz und Druck von Seiten der Finanzmärkte führt dazu, dass immer mehr Unternehmen aus verschiedenen Branchen einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, in dem die Unternehmen auch ihre ESG-Maßnahmen und Kennzahlen offenlegen.

ESG hat dabei meist eine starke Complianceausrichtung. Dies hat auch historische Gründe: So findet man die Wurzeln von ESG bereits in der Anti-Apartheid-Bewegung, die sich seinerzeit für ein Verbot von Neuinvestitionen in Südafrika einsetzte. Die Anti-Apartheid-Bewegung war eines der ersten Beispiele dafür, dass neben ökonomisch-finanziellen Belangen auch soziale Themen für Aktionäre relevant sind. Diese erweiterte Sicht auf unternehmerisches Handeln trifft den Kern von ESG. Es geht bei ESG in erster Linie darum, eine breitere Palette von Informationen zu erfassen, um möglichst holistisch die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen zu beurteilen und Investitionen entsprechend gewinnbringend langfristig zu tätigen.

Im Unternehmen manifestiert sich die Compliance-getriebene ESG darin, dass die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (sprich: ESG-Aspekte) effizient und konsequent umgesetzt werden müssen. Die unternehmensweite Übertragung, Durchsetzung und Überprüfung von ESG-Aspekten stellen Unternehmen derzeit vor große Herausforderungen. Die bereits hohen regulatorischen Anforderungen im ESG-Bereich haben weiterhin stark steigende Tendenz. Exemplarisch seien hier die EU-Taxonomie, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU genannt, die in den nächsten Jahren in vollem Umfang auf die Wirtschaft zukommen werden.

Die effiziente Umsetzung von ESG-Maßnahmen im Unternehmen hängt dabei stark davon ab, inwiefern die Belegschaft bereit ist, diese Maßnahmen mitzutragen und in das tägliche Handeln zu integrieren. Konkret: Die Befolgung von ESG-Vorgaben hängt in höchstem Maße vom Glauben an deren Legitimität und moralische Richtigkeit ab. Erfolgreiche ESG braucht somit flankierend auch Ansätze, welche organisationale Freiräume schaffen und fördern, um sich über die Rolle der Unternehmung in der Gesellschaft und ihrer Verantwortlichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung auseinanderzusetzen.

Was ist CSR?

CSR steht für die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen als Selbstmanagement. CSR ist ein Oberbegriff, der beschreibt, wie Unternehmen, ob klein oder groß, ihre soziale, ökologische, ethische und nicht zuletzt auch wirtschaftliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen können.

CSR ist eng mit Unternehmenshandeln verknüpft und hat oft auch eine moralische Konnotation. Historisch ist CSR aus der Verantwortungsdebatte entstanden. Industrielle in den USA, wie Andrew Carnegie und John D. Rockefeller, haben im 20. Jahrhundert Milliarden für philanthropische Zwecke gestiftet. Im Jahr 1953 veröffentlichte Howard Bowen das Buch „Social Responsibilities of the Businessman“, in dem er für gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen plädiert. Seitdem wurden die Erforschung und Entwicklung von CSR fortgesetzt. CSR dient heute für die Unternehmen als Grundlage, um ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu managen. Staatliche Behörden wie die EU sehen CSR als das Konzept für den unternehmerischen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung. Dabei sind Unternehmen grundsätzlich für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft verantwortlich und angehalten, diese verantwortlich zu managen.

CSR bezieht sich dabei insbesondere auf die Praktiken, Strategien und Werte des Unternehmens und deren Bezug zur sozialen, ökologischen, ethischen und wirtschaftlichen Verantwortung. Diese Grundsätze werden meist in einer Erklärung zum Unternehmenszweck festgeschrieben. Sie werden dabei nicht extern vorgegeben oder überprüft. Stattdessen entwickeln die Unternehmensführung, das Management und die Mitarbeiter diese Grundsätze im engen Austausch mit ihren Stakeholdern und verpflichten sich gemeinsam zu deren Einhaltung. Idealerweise entwickeln sich diese Grundsätze zu einem grundlegenden Bestandteil der Unternehmenskultur und bilden somit die Grundlage für unternehmerisches Entscheiden und Handeln.

Komplementär wirksam

CSR und ESG sind in diesem Sinne komplementär. Für die Realisierung einer nachhaltigen Unternehmensführung braucht es beide Ansätze gleichermaßen. Sowohl die externe Sichtweise und Messung als auch die internen Strukturen und Werte der Unternehmensführung. Im Falle von ESG werden Unternehmen – etwas plakativ gesagt – von ihrer (Eigen-)Verantwortung für Nachhaltigkeit befreit, da Nachhaltigkeit extern vorgeschrieben und reguliert wird. Im Falle von CSR werden andererseits die Unternehmen und insbesondere ihre Mitarbeiter mit dieser Verantwortung (potentiell) überlastet, da die Unternehmen größtenteils in Eigenregie diese Verantwortung formulieren und selbst managen müssen – und somit grundsätzlich für alle ihre Auswirkungen verantwortlich sind. Die Kombination von ESG-Regelsystemen und unternehmensgesteuerter CSR scheint somit ein Ansatz zu sein, der Eigenverantwortung und externe Kontrolle miteinander in Bezug setzt.

Als dialektisches Paar können die beiden Konzepte in einem integrativen Zusammenspiel ihre Wirksamkeit für die Gesellschaft und das Unternehmen bestmöglich entfalten. Dies bringt die folgende Formel auf den Punkt: „CSR braucht ESG – ESG braucht CSR“. Demnach bedarf es einer differenzierten und den Potentialen und Möglichkeiten angepassten („smarten“) institutionellen Ausgestaltung hinsichtlich der Festschreibung und Überprüfung von ESG-Regeln und gleichzeitig der Ermöglichung organisationaler Freiräume zur Auseinandersetzung mit den unternehmerischen Verantwortlichkeiten im Sinne der CSR. Demnach kombiniert die erfolgreiche Realisierung nachhaltiger Unternehmen die beiden Konzepte miteinander und versteht diese als komplementär wirksam. Diese integrative Sichtweise gewinnt zunehmend an Bedeutung, um insbesondere die unternehmerischen Chancen einer nachhaltigen Entwicklung zu realisieren.


CAS für Verwaltungsrät*innen

Das CAS Verwaltungsrat und ESG der BFH Wirtschaft thematisiert aktuelle Anforderungen an Verwaltungsrät*innen. Die gestiegenen gesetzlichen Anforderungen, innovativen Technologien und neuen Nachhaltigkeitsansprüche von Mitarbeitenden, Kundschaft und Investor*innen verlangen auch vom Verwaltungsrat immer mehr. Das CAS umfasst rechtliche, ethische, technologische und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte einer zukunftsfähigen Organisation und Arbeit des Verwaltungsrates. Dabei werden konkrete Best-Practice, innovative Governance-Ansätze und neue Managementperspektiven vermittelt. Wenn Sie sich für diese Themen sowie neue Leadership-Ansätze in Nachhaltigkeit, Digitalisierung und New Work interessieren, dann melden Sie sich direkt an oder wenden Sie sich an Prof. Dr. René Schmidpeter.


Dieser Artikel ist zuerst in «Verantwortung – Das Magazin für Nachhaltigkeit, CSR und innovatives Wachstum» des FAZ-Instituts erschienen.

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AUTHOR: David Risi

David Risi ist Forschungsprofessor für Responsible Management an der BFH Wirtschaft und Senior Research Fellow an der Universität St. Gallen. In seiner Arbeit verbindet er empirische und konzeptionelle Methoden mit den Schwerpunkten Wirtschaftsethik und Managementlehre.

AUTHOR: René Schmidpeter

René Schmidpeter forscht und lehrt als Professor am Institut Sustainable Business des Departements Wirtschaft der Berner Fachhochschule. Zudem ist er Research Fellow in der Parmenides Stiftung, München.

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