Wie VR-Technologie die Zusammenarbeit auf dem Bau verändert

Das virtuelle Gebäudemodell steht heute im Zentrum der digitalen Planung. Teams sind mit Bauaufgaben konfrontiert, die immer komplexer werden und grosse ökonomische, soziale und ökologische Anforderungen erfüllen müssen. Dafür suchen sie nach geeigneten Lösun­gen. Wie digitale Technologie helfen kann, zeigt unser Experte für Digitales Bauen, Christian Eichhorn.

Ein Gedankenspiel: 3-D-Modelle rotieren auf den Bildschirmen der Planungsbüros. Die daraus resultierenden Daten steuern zeitgleich und automatisiert 3-D-Drucker im Büro und auf der Baustelle an. Materialien so realistisch dargestellt, als könne man in der Badewanne, die vor einem steht, sofort ein Bad nehmen. Aber die Badewanne sieht in der gemeinsamen Virtual-Reality-Begehung im Rahmen einer Bauherrensitzung nur real aus. Die Full-Physical-Reality-App* hat einen Bug im Sensitivity-Touch-Modul*, deswegen lässt sich bei der Begehung die Haptik und die Sinnlichkeit des Materialkonzepts leider nicht wahrnehmen.

Tatsächlich sind wir von Full Physical Reality, in der man ein virtuelles Schaumbad mit allen Sinnen erleben kann, oder von vollautomatisierten 3-D-Drucken, die direkt aus den 3-D-Modellen von Planungsbeteiligten gestartet werden, weit entfernt. Was indes auch fortschrittliche Technologien allein nicht lösen können, sind fragmentierte Leistungsphasen zwischen Planung und Realisierung, Misstrauen und Abgrenzungen der Beteiligten sowie mangelnde Zielvorgaben seitens der Bauherrschaft. Per se macht der Einsatz von Technologie und digitalen Tools Gebäude in ihrer Nutzung und Gestaltung sowie den Wert für die Gesellschaft nicht automatisch besser. Die Herausforderungen bestehen darin, all diese Möglichkeiten sinnstiftend in die Prozesse der Planung und Realisierung eines Gebäudes zu integrieren.

Neue Kompetenzen nötig

Das Bauen im zunehmend digitalisierten Umfeld wird komplexer, weshalb es heute wichtiger denn je ist, bei der Planung und Abwicklung von Bauprojekten professionelle Projektmanagementmethoden und -instrumente einzusetzen. Gesellschaftlich bedingte Voraussetzungen wie Preisdruck oder knappe Terminvorgaben bei gleichzeitigem Anspruch auf höchste Qualität sind nur zwei der massgebenden Faktoren, aufgrund derer ein professionelles Projektmanagement für die erfolgreiche Abwicklung von Projekten notwendig ist. Relevant dabei ist die Vermittlung notwendiger Kompetenzen, Methoden und Werkzeuge zur erfolgreichen Planung und Führung von Bauprojekten aller Art. Dabei ist ein Schlüssel zum Erfolg eine nachhaltige Kultur der Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten im zunehmend digitalisierten Bauumfeld.

Wie gelingt es, diese nachhaltige Zusammenarbeitskultur in Bauprojekten zu etablieren und zu fördern? Ist es doch die Branche gewohnt, unternehmerische Grenzen klar abzustecken und stets misstrauisch gegenüber anderen Beteiligten zu sein. Das sind Eigenschaften, die im Widerspruch stehen zu offenen Arbeitsformen und transparenten Prozessen.

Gegenseitiges Vertrauen

Der Ansatz liegt im gegenseitigen Vertrauen, sodass die Art und Weise, wie man miteinander arbeitet und sich wertschätzt, erfolgsversprechend für alle Beteiligten ist. Das schliesst sowohl Bauherr*innen, Planende, Ausführende und Nutzende ein. Integrierte Formen der Zusammenarbeit lassen sich nicht mit blossen Vertragsklauseln und Stapeln von Papier regeln und den Mitarbeitenden aufzwingen. Erfolgsversprechend scheint an dieser Stelle der Weg des Vormachens, Begeisterns und Vertrauens zu sein.

Beginnend in der Aus- und Weiterbildung bedeutet das eine Veränderung in der Art und Weise, wie Unterricht gestaltet und Wissen vermittelt wird. Denn die Krux heutiger Lehrveranstaltungen ist, dass Wissen meist über 100-seitige Foliensätze im klassischen Frontalunterricht vermittelt wird – eine Extraklasse der «alten» Lehrformen und die perfekte Analogie zu konventionellen Arbeitsmodellen in der Baubranche. Beide Modelle scheitern daran, dass der Mensch nicht im Mittelpunkt der Betrachtung steht.

Im Rahmen des CAS Bauprojektmanagement bietet die Berner Fachhochschule BFH das Modul «Leistungsträgermodelle und Zusammenarbeitsformen in analogen und digitalen Bauprojekten». Der Fokus richtet sich dabei auf Modelle und Formen der integrierten Zusammenarbeit. Während der Vorbereitung des CAS wurde der Austausch und Dialog gesucht, um herauszufinden, wie man das Thema besser vermitteln kann. Das Ergebnis war ein Unterrichtsformat, bei dem aktiv und gemeinsam aktuelle und moderne Modelle der Zusammenarbeit entwickelt werden. Auf spielerische und zugleich fundierte Weise nähern sich die Studierenden den Themen an. Sie kombinieren analoge und digitale Formen, erarbeiten gemeinsam den Inhalt des Unterrichts und wagen ein Experiment. Sie erleben integrierte Zusammenarbeit und stellen fest, dass diese überall einsetzbar ist.

Abb.: Nutzung digitaler Bauwerksmodelle und darauf basierender Folgeanwendungen wie Virtual Reality (VR) sein. Die VR­-Technologie ermöglicht den am Planungsprozess Beteiligten eine Diskussion auf Augenhöhe.

 

Im Umfeld realer Bauprojekte erweist sich die Etablierung solcher Zusammenarbeitsmodelle als komplex. Wesentlich mehr Akteur*innen mit opportunen Einzelinteressen müssen motiviert werden. Ebenso ist das Wissensniveau der Beteiligten unterschiedlich. Oftmals ist bei allen Beteiligten auch keine Erfahrung mit Modellen der integrierten Zusammenarbeit vorhanden. Wenn sich Bauherrschaften indes dazu entschliessen, sich während der gesamten Planungs- und Realisierungsphase inhaltlich und fachlich am Projekt zu beteiligen, spielt der Faktor Vertrauen eine zentrale Rolle.

Diskussion auf Augenhöhe

Der Einstieg in eine erfolgreiche Zusammenarbeit unter sinnstiftender Nutzung digitaler Methoden beginnt bei formulierten und messbaren Zielen. Neben ökonomischen, terminlichen und qualitativen Zielen sollten sich die Beteiligten auch Gedanken über weiterführende Ziele machen. Wichtig ist, dass offen und transparent kommuniziert wird und der gemeinsame Projekterfolg im Zentrum steht. Aus diesen Zielformulierungen lassen sich konkrete Handlungsmassnahmen ableiten. Dabei sind Zusammenhänge einzelner Ziele relevant. Beispielhaft stehen dafür die Ziele «Stakeholder-Zufriedenheit» und «Digitale Arbeitsweise».

Eine Massnahme kann die Nutzung digitaler Bauwerksmodelle und darauf basierender Folgeanwendungen wie Virtual Reality (VR) sein. Die VR-Technologie ermöglicht den am Planungsprozess Beteiligten eine Diskussion auf Augenhöhe. Dies wird bei der Arbeit in gemischten Gremien mit fachfremden Personen deutlich. VR reduziert Missverständnisse und ermöglicht Diskussionen, die ins Detail gehen. Gemeinsam können optimale Lösungen erarbeitet und Vertrauen erreicht werden. So schafft der Einsatz von Technologie und digitaler Arbeitsweise sichere Entscheidungsgrundlagen und Zufriedenheit bei den Stakeholdern.

Als Fazit ist festzuhalten, dass Technologien und digitale Methoden nur erfolgreich sind, wenn sie in mo- derne Prozesse und Zusammenarbeitsformen eingebettet sind. Bestehende Hürden müssen durch Mut, Vertrauen und Begeisterung einzelner Stakeholder beseitigt und der Beweis angetreten werden, dass es sich lohnt, neue Wege zu gehen.

* Frei erfundene Bezeichnungen.

Mehr zum Thema

Creative Commons Licence

AUTHOR: Christian Eichhorn

Christian Eichhorn ist Dozent für Digitales Bauen am Fachbereich Architektur der BFH Architektur, Holz und Bau.

Create PDF

Ähnliche Beiträge

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert