Eine Vision für 2035: Wie wird die Holzbranche produzieren?
Industrie 4.0 wird auch in der Holzbranche umgesetzt. Beim Blick in die Zukunft geht es aber nicht primär um Maschinen, sondern hauptsächlich um die Verkettung von Material und Daten ganzer Produktionsflüsse. Der Fokus richtet sich auf kleine und mittelgrosse Betriebe, damit die digitale Transformation dort für alle Mitarbeitenden nachvollziehbar ablaufen kann. Ein Einblick von BFH-Experte Stefan Jack.
Viele Aktivitäten laufen in holzverarbeitenden Unternehmen derzeit isoliert ab. Die Unternehmenssoftware ERP ist nicht automatisch gekoppelt mit dem Auftragseingang, die Bestellungen werden bei den Lieferant*innen «von Hand» platziert, und für die Montage von Schränken und vorgefertigten Elementen werden Pläne auf Papier gedruckt und die Erzeugnisse manuell zusammengebaut. Feedback über die tatsächlichen Produktionszeiten fliesst kaum in die Angebotserstellung zurück. Das liegt an durchschnittlich kleinen Unternehmensgrössen, die bei den Schreiner*innen bei 6 bis 19 Mitarbeitenden und bei den Zimmerleuten bei 10 bis 49 Angestellten liegen.
Erfreulicherweise hat die Verkettung der benachbarten Prozesse in den letzten Jahren zugenommen, wie folgende Beispiele zeigen:
- Vollautomatische Übergabe von Konstruktionsdaten auf die Bearbeitungsmaschinen
- Automatisches Zurücklesen von Werkzeugdaten nach dem Schleifen
- Unterstützung von Mitarbeitenden, die schwere Lasten heben, durch Exoskelette
- Elektronisches Einblenden von Montageinformationen durch Augmented-Reality-Brillen
- Vollautomatischer Datenaustausch unter den Unternehmenssoftwares des Kund*innen und des Lieferant*innen
Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit und geschlossene Kreisläufe in der Bauindustrie sind kein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Erste Vorreiter der Branche berücksichtigen bereits vor der Erstellung des Konzepts eines Gebäudes den ökologischen Fussabdruck, den die eingesetzten Bauteile haben werden. Entsprechend planen sie einfach rückbaubare und wiederverwendbare bzw. rezyklierbare Materialien ein und produzieren vorfabrizierte Elemente in hoch automatisierten Fabriken. Ausserdem kann der Abfall beim Plattenzuschnitt stark reduziert werden, indem grössere Mengen von Platten gemeinsam zugeschnitten werden (Nesting). Damit ist der Anteil der grauen Energie am Gebäude möglichst tief.
Marktentwicklung
Die Baubranche fordert, erschwinglichen Raum schnell bauen zu können, schnellere Erträge beim Kunden zu erzielen und konkurrenzfähig gegenüber dem Ausland zu bleiben. Die Effizienz über die ganze Wertschöpfungskette muss also gesteigert werden, zum Beispiel durch das Vermeiden von Medienbrüchen. Das betrifft die Material- und Datenverarbeitung, die sich folglich von der Insel- zur Flussfertigung entwickeln muss.
Abb. 1: Verkettung einer Produktion im Holzbau
Bei den Holzbauunternehmen ist der Bedarf an Vorfertigung von Elementen und Raummodulen gross. Von Schreiner- und Sanitärbetrieben wird vermehrt verlangt, dass sie Schränke, Küchen und Nasszellen vorfabrizieren und direkt in die 3-D-Module zur Montage liefern. Führende Landentwicklungs- und Baufirmen wollen künftig Gebäude als Produkte abwickeln können, statt wie heute als Projekte. Dies stellt hohe Anforderungen an die durchgängige Planung der Produzierbarkeit.
Technologie
In den Fertigungslinien ist eine immer höhere Prozessautomation erkennbar, und auf die Materiallogistik wird stärker geachtet. Das wirkt sich aus in:
- automatischen Zuführungssystemen für den Balken- und Plattenzuschnitt,
- automatischer Zwischenlagerung in Hochregallagern,
- automatischem Transport von Balken und Platten und
- zunehmender Automation bei der Montage, etwa beim Leimen, Heften, Dämmen (Isolieren) und Schrauben.
In Zukunft wird die Datenintegration weiter zunehmen, indem viele Prozesse nahtlos verbunden werden sowie künstliche Intelligenz den Menschen im Bestellwesen und der Anlagenführung unterstützt. Die Eigenschaften von Produktionsanlangen werden schon in der Konstruktionsphase berücksichtigt, und Produktionsdaten fliessen zurück, um Angebote präziser zu erstellen und die Standzeit von Werkzeugen besser auszunützen.
Fazit
Heute beherrscht die holzverarbeitende Industrie manuelle und automatische Prozesse gut. Die Herausforderung ist die nahtlose Verkettung der Material- und Datenflüsse.
Das Berufsbild der Techniker*innen und Hochschulabgänger*innen im Holzbau befindet sich im Wan- del und wird laufend stärker angereichert mit Fähigkeiten in den Bereichen Automation, Robotik, Informatik sowie Anforderungs- und Projektmanagement. Die Fertigung mit Holz ist ein Megatrend. Er fördert die nachhaltige Entwicklung, stellt nachhaltige Lösungen für die Gesellschaft zur Verfügung und leistet einen Beitrag zur humanen Digitalisierung. Für Letzteres braucht es in der Holzindustrie die entsprechende Ausbildung auf allen Stufen, neue Jobprofile, die die Mitarbeitenden von Beginn an auf veränderte Wertschöpfungsprozesse vorbereiten, und das Bewusstsein dafür, dass ältere Mitarbeitende im Veränderungsprozess aktiv einbezogen und mitgenommen werden müssen.
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