Interaktive Visualisierung zeigt, wie National- und Ständerat zusammen arbeiten

Im Herbst stehen die Nationalratswahlen bevor. Höchste Zeit also Bilanz zu ziehen und mal einen Blick hinter die Kulissen des Parlaments zu werfen: Arbeiten die verschiedenen Parteien eigentlich gegeneinander oder miteinander? Und zu welchen Themen? Und wer sind die aktivsten oder faulsten Ratsmitglieder? Diese und viele weitere Fragen lassen sich nun auf spielerische Art und in Eigenregie erforschen – dank einer interaktiven Visualisierung des Instituts Public Sector Transformation der BFH.

Die Visualisierung stellt die Zusammenarbeit der Ratsmitglieder aus dem National- und dem Ständerat als Netzwerk dar.

 

Dabei repräsentieren die Knoten des Netzwerks die Ratsmitglieder und die Anzahl der Vorstösse, an denen diese, z.B. als Mitunterzeichner:innen, beteiligt waren. Die Kanten des Netzwerks wiederum repräsentieren die Zusammenarbeit zwischen den Ratsmitgliedern bei gemeinsamen Vorstössen. Die Visualisierung lässt sich nach zahlreichen Kriterien, wie Legislaturperiode und Thema und Art der Vorstösse filtern und lädt so zum eigenständigen Erforschen der Daten ein.

Doch was steckt denn nun genau in den Daten? Hier eine kleine Übersicht:

1. Nationalrat

Der Nationalrat besteht aus 200 Ratsmitgliedern welche in den mindestens vier Sessionen pro Jahr jede Menge Vorstösse einreichen. Diese können eine Vielzahl von Formen annehmen von einfachen Fragen bis hin zu Gesetzesvorschlägen. Dabei werden Vorstösse oft von einer Vielzahl von weiteren Ratsmitgliedern unterstützt.

Parteiübergreifende Zusammenarbeit

Diese Zusammenarbeit findet zum grössten Teil innerhalb der Parteien und Fraktionen statt. Die Partei mit der grössten parteiinternen Zusammenarbeit ist dabei die SP. Doch auch über Parteigrenzen hinweg werden Vorstösse eingereicht. Das überparteiliche Netzwerk zeigt eine klare Aufteilung entlang der politischen links-rechts Achse. Auf der politischen Linken bilden die Grünen und die SP einen gemeinsamen Cluster und auf der politischen Rechten die SVP. Die Brücke zwischen beiden Clustern wird von den Mitte-Parteien (CVP, FDP, glp, EVP und BDP) gebildet, wobei sich die EVP und glp eher nach Links und die FDP eher nach Rechts gruppieren.
Die stärkste Vernetzung zwischen verschiedenen Parteien besteht zwischen der SP und den Grünen.

Abbildung 1 : Zusammenarbeit bei Vorstössen zum Thema Migration (51. Legislaturperiode)Abbildung 2 : Zusammenarbeit bei Vorstössen zum Thema Medien und Kommunikation (51. Legislaturperiode)

Die überparteiliche Zusammenarbeit kann darüber hinaus je nach Thema variieren. Ein Thema mit augenscheinlich eher geringem Polarisierungspotential und daher relativ viel lagerübergreifende Zusammenarbeit ist Medien und Kommunikation (Abbildung 1). Anders sieht es beim Thema Migration aus, bei dem sich das SVP Lager grösstenteils abspaltet (Abbildung 2).

Auch die politische Nähe der Mitte-Parteien zum linken oder rechten Lager kann sich je nach Thema unterscheiden. Im Thema Wirtschaft beispielsweise arbeiten die Mitte-Parteien BDP und CVP enger mit der SVP zusammen und im Thema Soziale Fragen enger mit den Linksparteien.

Themen über die Zeit

Das politische Interesse an bestimmten Themen folgt dem jeweils aktuellen gesellschaftlichen Diskurs und kann sich mit der Zeit wandeln. Das Thema Umwelt beispielsweise hat seit der 50. Legislaturperiode (2015-2019) im Vergleich zu den vorherigen Legislaturperioden stark an Bedeutung gewonnen.

Abbildung 3 : Zusammenarbeit bei Vorstössen zum Thema Umwelt (49. Legislaturperiode)Abbildung 4: Zusammenarbeit bei Vorstössen zum Thema Umwelt (50. Legislaturperiode)

Ein Grund für diesen Wandel ist sicherlich die Klimajugend, welche spätestens seit 2018 bundesweit Politiker:innen unter Druck gesetzt hat, klare Positionen zu beziehen. Wurde jedoch das Thema in den Legislaturperioden davor noch relativ gleichmässig von allen politischen Lagern bearbeitet, so ist es in der 50. Legislaturperiode vor allem ein Thema von SP, Grünen und glp geworden.

Die aktivsten Ratsmitglieder

Wer von den Ratsmitgliedern war in der auslaufenden Legislaturperiode am fleissigsten? Ein Blick auf Abbildung 5 zeigt, dass die Ratsmitglieder der SP an den meisten Vorstössen beteiligt waren, sowohl bezüglich Vorstössen welche die Gesetzgebung betreffen, als auch bei Anfragen.

Abbildung 5 : Zusammenarbeit bei Vorstössen im Nationalrat (51. Legislaturperiode)

Ein Teilgrund dafür ist die starke parteiinterne Zusammenarbeit bei Vorstössen und die enge Zusammenarbeit mit den Grünen. Die Nationalrätin Martina Munz (SP) war, Stand März 2023, an insgesamt 814 Vorstössen beteiligt und damit das aktivste Ratsmitglied des Nationalrats in der laufenden Legislaturperiode. Die Zweit- und Drittplatzierten sind ebenfalls Frauen aus der SP: Sandra Locher Benguerel mit 693 Vorstössen und Claudia Friedl mit 679 Vorstössen. Es ist jedoch zu betonen, dass die Anzahl der mitunterzeichneten Vorstösse noch keine Aussage macht über die tatsächlich investierte persönliche Arbeit. Sie kann jedoch einen Überblick über die Grösse des jeweiligen persönlichen Netzwerks und der Stellung innerhalb der eigenen Partei geben.

2. Ständerat

Der Ständerat hat 46 Ratsmitglieder und damit deutlich weniger als der Nationalrat. Das hat zur Folge, dass im Ständerat insgesamt deutlich weniger Vorstösse eingereicht werden und die Ratsmitglieder damit auch an durchschnittlich deutlich weniger Vorstössen beteiligt sind. Dennoch  lassen sich die meisten Trends aus dem Nationalrat auch ähnlich im Ständerat beobachten.

Parteiübergreifende Zusammenarbeit

Ein Unterschied zwischen National- und Ständerat ist die parteiübergreifende Zusammenarbeit, die im Ständerat tendenziell grösser ist als im Nationalrat (Abbildung 6). Dennoch gibt es auch hier eine sichtbare Aufteilung der Netzwerke nach politischen Lagern. Im Gegensatz zum Nationalrat dominieren allerdings die Mitte-Parteien, sowohl im Hinblick auf Anzahl der Ratsmitglieder als auch der Zusammenarbeit. Im Ständerat stellen Stand März 2023 die FDP (Damian Müller, Luzern; 108 Vorstössen), die Günen (Lisa Mazzone, Genf; 107 Vorstösse) und die Mitte (Charles Juillard, Jura; 100 Vorstösse) die Ratsmitglieder mit den meissten Vorstössbeteiligungen.

Abbildung 6 : Zusammenarbeit bei Vorstössen im Ständerat (51. Legislaturperioden)

Creative Commons Licence

AUTHOR: Jurek Müller

Jurek Müller, PhD in Klimawissenschaften, arbeitet am Institut Public Sector Transformation zu den Themen Open Government Data, Linked Data, Public Value, Smart Government und Smart City. Sein Ziel ist in der öffentlichen Verwaltung die Grundlagen für eine transparente, innovative und partizipative Gesellschaft zu schaffen.

Create PDF

Ähnliche Beiträge

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert