Wie gelingt Inklusion mithilfe von Digital Skills?

Soziale Organisationen sind direkt vom digitalen Wandel betroffen. Es geht nicht nur darum, ob heutige Arbeitsanteile durch die digitalen Technologien ganz oder teilweise automatisiert oder ersetzt werden könnten. Auch das Geschäftsmodell der sozialwirtschaftlichen Organisation an sich wird in Frage gestellt. Beispielsweise ob Arbeits- und Leistungsbeziehungen zukünftig über offene Plattformen an- und wahrgenommen werden können, oder welche Konsequenzen eine durch die digitalen Technologien zunehmende Autonomie von Menschen mit Beeinträchtigungen für das Geschäftsmodell haben. Mit diesen Herausforderungen beschäftig sich ein gemeinsames Projekt der Stiftung Brändi und der Berner Fachhochschule im Themenfeld Humane Digitale Transformation.

Bild 1: Jugendlicher in der Ausbildung bei der Stiftung Brändi. Quelle: Stiftung Brändi

Die Digitalisierung selbst macht weder an den Eingangstüren von Wohngruppen mit Menschen mit Beeinträchtigung noch vor den Produktions- und Ausbildungsstätten halt. Für Menschen mit Beeinträchtigung gehören das Smartphone oder das Tablett bereits heute zum Alltag. Diese Konfrontation mit der zunehmenden digitalisierten Umwelt ermöglicht im Alltag eine grössere Autonomie und bietet ungeahnte Chancen für eine Inklusion.

Bild 2: Mitarbeitende der Abteilung Konstruktion. Quelle: Stiftung Brändi

Digitalisierung als Teil der Unternehmensstrategie

Die Stiftung Brändi hat sich in ihrer Unternehmensstrategie neben der Arbeit mit den Menschen mit Beeinträchtigung auch explizit zur Thematik der Digitalisierung bekannt. Die Stiftung Brändi ist überzeugt, dass ein erfolgreiches Bestehen als sozialwirtschaftliche Institution entscheidend von der Fähigkeit abhängt, die Mittel der Digitalisierung in die eigenen Wertschöpfungsketten sinnvoll einbinden und nutzen zu können.

Bild 3: Ein Mitarbeitender in der Schreinerei. Quelle: Stiftung Brändi

Grosse Teile der rund 700 Fachkräfte der Stiftung Brändi, die die Menschen mit Beeinträchtigung begleiten, verfügen über einen Hintergrund aus der Sozialpädagogik und Arbeitsagogik. Diese sollen zukünftig nicht nur die eigenen digitalen Kompetenzen systematisch stärken und weiterentwickeln, sondern auch die Menschen mit Beeinträchtigung erfolgreich in ihrem Lernpfad der digitalen Kompetenzen begleiten können.

Die Startposition der einzelnen Mitarbeitenden in ihren digitalen Kompetenzen ist jedoch heterogen und aufgrund ihrer Berufsbilder sehr unterschiedlich.

Bevor Tools, Technologien, Medien, automatisierter- oder digitalisierter Prozesse eingeführt und Vorhaben zur weiteren Digitalisierung gestartet werden können, lautet die zentrale Frage für die Stiftung Brändi, wie die Mitarbeitenden hin zu einer Homogenisierung des Niveaus als Ausgangspunkt für die weitere Digitalisierung individuell begleitet werden können.

Es sind zwei Grundsatzfragen beantworten zu können.

  • welche digitalen Kompetenzen sind im Umfeld der Stiftung Brändi notwendig oder relevant?
  • wo stehen die Mitarbeitenden heute in Bezug auf diese notwendigen und relevanten digitalen Kompetenzen?

Um die zwei Fragen zu klären und darauf aufbauend individuelle Schulungsmassnahmen definierten zu können, hat die Stiftung Brändi gemeinsam mit der Berner Fachhochschule das Projekt «Digital Skills @ Brändi» gestartet.

DigComp – Zugang zu den digitalen Kompetenzen und das Projekt mit der BFH

Zunächst muss festgelegt werden, was unter digitale Kompetenzen in der Stiftung Brändi verstanden wird. Der Europäische Rahmen für digitale Kompetenzen «DigComp» stellt ein geeignetes Rahmenwerk dar, um die digitalen Kompetenzen von Menschen zu erheben, zu entwickeln und zu verbessern. Definiert sind innerhalb DigComp fünf Felder digitaler Kompetenzen (siehe Abbildung 1)

Abb. 1: Fünf definierte Felder digitaler Kompetenzen in DigComp.

Für diese fünf Felder sind wiederum 21 Einzelkompetenzen definiert (siehe Abbildung 2)

Abb. 2: 21 Kompetenzen, Quelle: Joint Research

1. Welche Einzelkompetenzen sind relevant?

Eine generelle Schulung aller Mitarbeitenden in all den 21 Einzelkompetenzen ist jedoch nicht sinnvoll oder motivierend und aus unternehmerischer Sicht für die Stiftung Brändi nicht umsetzbar. In einem ersten Schritt werden daher diejenigen Kompetenzen herausgearbeitet, die relevant und notwendig sind.

2. Relevante digitale Kompetenzen bei Mitarbeitenden

Sind diese relevanten Kompetenzen, selektiert, kann eine Erhebung der darauf basierenden, vorhandenen Fertigkeiten und Fähigkeiten erfolgen. Hierzu wird ein digitales Self-Assessment erstellt. Die Herausforderung dabei besteht nicht nur darin, die notwendigen digitalen Kompetenzen in dem geplanten Self-Assessment mittels weniger Fragen konkret zu beschreiben, sondern auch das vorhandene Know-how präzise zu erfassen.

3. Assessment-Ergebnisse in Weiterbildungskonzept integrieren

Aus den Antworten im Self-Assessment der Mitarbeitenden werden Clustergruppen gebildet, welche die vorhandenen Fertigkeiten und Fähigkeiten beschreiben. Inwiefern diese Clustergruppen hierarchie-, funktions- oder ausbildungsspezifisch gegliedert werden, gilt es in diesem angewandten Forschungsprojekt explorativ zu ergründen.

Es ist angedacht, das Self-Assessment in einem zweiten Schritt mit den Menschen mit Beeinträchtigung umzusetzen, um auch für sie geeignete Massnahmen auf ihrem Lernpfad zu entwickeln.


Mehr über «Digital Skills @ Brändi» und die Stiftung

Zur Umsetzung des Projektes sind von der Berner Fachhochschule Forschende des Instituts Digital Technology Management (IDTM) und der Departemente Soziale Arbeit sowie Technik und Informatik mit eingebunden.

Für die Umsetzung auf Seiten der Berner Fachhochschule ist Prof. Dr. Alexander Schmidt in der Projektleitung verantwortlich. Prof. Dr. Andreas Liedtke ist neben seiner Tätigkeit am IDTM vom Departement W auch Leiter Digitalisierung und ICT an der Stiftung Brändi.

Die Stiftung Brändi ist eine privatrechtliche Stiftung und professionelle Non-Profit-Organisation, angesiedelt im Kanton Luzern. Im Zentrum ihrer Arbeit steht seit 1968 die Förderung der beruflichen, gesellschaftlichen und kulturellen Integration von Menschen mit vorwiegend geistiger oder psychischer Beeinträchtigung. Die Stiftung Brändi führt dazu insgesamt 15 eigene Unternehmen, die in 14 Branchen in den Bereichen Produktion und Dienstleistung tätig sind und arbeiten eng mit Industrie, Gewerbe und dem Kanton Luzern zusammen. Mit insgesamt über 2000 Beschäftigten ist sie eine der grössten Arbeitgeberinnen in der Zentralschweiz.

Die Angebote für Menschen mit Beeinträchtigung in der Stiftung Brändi umfassen geschützte Arbeitsplätze in der Produktion und Dienstleistung, eine eigene Berufsschule mit 240 Plätzen sowie Wohnangebote mit insgesamt über 300 Wohnplätzen.

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AUTHOR: Andreas Liedtke

Prof. Dr. Andreas Liedtke ist Dozent am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft.

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