Wie Schweizer Banken und Versicherungen nachhaltige Massnahmen umsetzen

Wie kann auch die Finanz- und Versicherungsbranche  zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen? Diese Frage steht im Mittelpunkt der aktuellen Debatten in der Unternehmenspraxis und Managementforschung. Das Institut Sustainable Business der BFH Wirtschaft führt in Zusammenarbeit mit der VU Amsterdam und der Universität Oxford eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierte qualitative Studie durch, um die effektive Umsetzung von ESG (Environment, Social, Governance) in der Schweizer Banken- und Versicherungsbranche zu untersuchen. Ein Zwischenstand der BFH-Forscher*innen Eva Schlindwein und David Risi.

ESG bezieht sich auf eine Reihe von Kriterien, die Investor*innen und Banken verwenden, um die Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Auswirkungen eines Unternehmens zu bewerten. Zu den Umweltfaktoren gehören die Kohlenstoffbilanz, die Energieeffizienz und die Abfallbewirtschaftung. Soziale Faktoren umfassen Menschenrechte, Arbeitspraktiken und Gemeindeengagement. Governance-Faktoren umfassen die Vergütung von Führungskräften, die Diversität im Vorstand und die Transparenz bei der Finanzberichterstattung.

Mittels Interviews mit Manager*innen in Banken und Versicherungen und Branchenexpert*innen sowie Dokumentenanalysen untersucht die Forschungsstudie über vier Jahre, wie Banken und Versicherungen versuchen, ESG in ihre Geschäfts- und Entscheidungsprozesse zu integrieren und dabei aufkommenden Herausforderungen begegnen.

Unternehmerische Transformation – Umsetzung von ESG

In der Finanzwirtschaft nutzen Banken und Versicherungen ESG als Steuerungsinstrument im Management von Finanzkapital (inkl. Investitionen und Kreditvergabe). Eine Studie (Risi, 2020) zeigt etwa, dass Schweizer Finanzinstitute auf ESG in ihrem Kerngeschäft setzen wie etwa Banken, die im Bereich des Wealthmanagements neben ökonomischen nun auch ESG-Aspekte einbeziehen. Die Studie weist aber auch auf den Umstand hin, dass die ESG-Umsetzung eine grosse Herausforderung darstellt, da sie neue Wege der Unternehmensführung erfordert, einschließlich der systematischen Integration sozialer, ökologischer und ethischer Belange im Geschäftsbetrieb.

Unternehmerischer Beitrag – Messung von ESG

ESG-Messung ist ein immer beliebteres Mittel, um Unternehmen für ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zur Rechenschaft zu ziehen und ihnen Anreize zu bieten, ihren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu verbessern (Howard-Grenville, 2021). Damit einher geht das Aufkommen von ESG-Ratingagenturen. Diese Agenturen wandeln komplexe Nachhaltigkeitsinformationen über Unternehmen in Kennzahlen um, welche die Grundlage dafür liefern, Unternehmen hinsichtlich ihrer ESG-Leistung zu vergleichen (Crace & Gehman, 2022).

Die Messung von ESG- Massnahmen und damit des effektiven Beitrags, den Unternehmen zur nachhaltigen Entwicklung leisten, steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. In erster Linie wird davon ausgegangen, dass die unzähligen ESG- und weiteren Nachhaltigkeits-Aktivitäten von Unternehmen die von ihnen beabsichtigten positiven Auswirkungen haben, wobei es aber meist keinerlei verlässliche Belege dafür gibt, welche Auswirkungen solche Massnahmen effektiv auf soziale, ökologische und ethische Belange haben (Barnett et al., 2020; Wickert und Risi, 2019).

Effektive unternehmerische Leistung – Umsetzung und Messung von ESG

Um die unternehmerische Leistung an der nachhaltigen Entwicklung zuverlässig zu eruieren, untersucht das Forschungsprojekt nicht nur wie ESG-Aktvititäten umgesetzt werden sondern auch, ob jeweils umgesetze Aktivitäten auch tatsächlich dazu beitragen, die Ergebnisse zu erzielen, die diese Aktivitäten kurz-, mittel- und langfristig erzielen sollten. Diese doppelte Ausrichtung auf Umsetzung und Messung von ESG-Massnahmen verspricht, die effektive unternehmerische Leistung an der nachhaltigen Entwicklung zu verstehen.

Zu diesem Zweck führen die beiden BFH-Forscher*innen Fallstudien mit Schweizer Finanz- und Versicherungsinstituten durch, um zu untersuchen, wie sie ESG-Aspekte in ihre Geschäftspraktiken integrieren und wie effektiv diese Massnahmen sind. Das Ziel ist es, Einblicke in bewährte Verfahren und Schwachstellen zu gewinnen, um Empfehlungen für eine verbesserte Integration von ESG-Aspekten in der Finanz- und Versicherungsbranche zu entwickeln.

Zwischenergebnisse des Projekts zeigen, dass Schweizer Finanz- und Versicherungsinstitute zwar eine Vielzahl von ESG-Massnahmen umsetzen, es aber oft an einer effektiven Messung und Überwachung fehlt. Es besteht auch eine gewisse Diskrepanz zwischen den ESG-Initiativen der Unternehmen und den tatsächlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt. Um eine nachhaltigere Wirtschaft zu erreichen, müssen die Unternehmen ihre ESG-Praktiken verbessern und die Effektivität ihrer Massnahmen besser messen und überwachen.


Referenzen

Barnett, M., Henriques, I., & Husted, B. W. (2020). Beyond Good Intentions: Designing CSR Initiatives for Greater Social Impact. Journal of Management, 46(6), 937–964. https://doi.org/10.1177/0149206319900539

Crace, L., & Gehman, J. (2022). What Really Explains ESG Performance? Disentangling the Asymmetrical Drivers of the Triple Bottom Line. Organization & Environment, 0(0). https://doi.org/10.1177/10860266221079408

Howard-Grenville, J. (2021). ESG impact is hard to measure—but it’s not impossible. Harvard Business Review. http://www.repository.cam.ac.uk/handle/1810/317097

Risi, D. (2020). Time and Business Sustainability: Socially Responsible Investing in Swiss Banks and Insurance Companies. Business & Society, 59(7), 1410–1440. https://doi.org/10.1177/0007650318777721

Wickert, C., & Risi, D. (2019). Corporate social responsibility. Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781108775298


Über das Forschungsprojekt der BFH Wirtschaft

Corporate Social Responsibility (CSR) wird von vielen Unternehmen angewendet, um zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Die Umsetzung von CSR-Aktivitäten bleibt aber nach wie vor herausfordernd und bedingt Änderungen in bestehenden Unternehmensprozessen. Entscheidend für die Umsetzung sind einerseits CSR-Manager*innen, die die Aktivitäten vorantreiben, andererseits aber auch die Ressourcen, die für CSR-Aktivitäten zur Verfügung stehen. Das neue Forschungsprojekt von Dr. David Risi, das auch vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert wird, will das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren besser verstehen. Gemeinsam mit Forschungskolleg*Innen an der Vrije Universiteit Amsterdam und der University of Oxford will David Risi Unternehmen im Schweizer Finanz- und Versicherungssektor untersuchen – sowohl mit qualitativen Interviews, als auch mit der Analyse von Sekundärdaten (z.B. CSR-Reports, Geschäftsberichte oder Codes of Conduct). Das Projekt schliesst damit eine Forschungslücke: Erstmals wird untersucht, wie CSR-Manager*innen und CSR-Ressourcen gemeinsam die Umsetzung von CRS-Aktivitäten beeinflussen und welche Mechanismen zu einem positiven oder negativen Impact führen.

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AUTHOR: David Risi

David Risi ist Forschungsprofessor für Responsible Management an der BFH Wirtschaft und Senior Research Fellow an der Universität St. Gallen. In seiner Arbeit verbindet er empirische und konzeptionelle Methoden mit den Schwerpunkten Wirtschaftsethik und Managementlehre.

AUTHOR: Eva Schlindwein

Dr. Eva Schlindwein arbeitet als Postdoc am Institut Sustainable Business an der BFH Wirtschaft. Sie forscht zu Sustainability und Corporate Responsibility und untersucht Spannungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft.

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