Smarter Tourismus: Wo Digitalisierung auf Nachhaltigkeit trifft

Ja, Reisen ist eine wunderbare Sache. Aber die Umwelt zu schützen auch! Unser Masterstudent schreibt über seine Weltreise und welche nachhaltigen Entscheidungen möglich sind. Sein Ziel war klar: Wie können wir beides miteinander verbinden? Wie können wir nachhaltiger reisen? Können wir smarte Technologien für unsere Abenteuer rund um die Welt nutzen? Seine Reise 2019 begann im schönen Bern und führte ihn auf ein Abenteuer über sechs Kontinente. Für ihn war das Reisen und der Umgang mit anderen Kulturen schon immer eine grosse Leidenschaft und gleichzeitig ein Augenöffner in Sachen Nachhaltigkeit.

Heute können sich mehr Menschen als je zuvor das Reisen leisten. Aber wie kann man intelligent reisen? Wie kann man dazu beitragen, die Umwelt und die Sehenswürdigkeiten zu erhalten und die Einheimischen nicht zu belästigen? Vor der COVID-19-Pandemie boomte der Tourismus wie nie zuvor. Nach Angaben der UNCTAD zeigen Frühindikatoren, dass der Reise- und Tourismussektor einer der am stärksten von der Pandemie betroffenen Sektoren ist. Ihre Studien zeigen, dass es trotz der Einführung von Impfungen länger dauern wird, bis der Reiseverkehr wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Es ist also an der Zeit, diese soziale Pause im Reiseverkehr zu nutzen und zu schauen, wo intelligente Technologien im Reiseverkehr zu mehr Nachhaltigkeit geführt haben.

Die Welttourismusorganisation (UNWTO ) hat berechnet, dass im Jahr 2018 1,4 Milliarden Menschen international gereist sind, die Hälfte davon in Europa. Doch der Tourismus bringt einer Region oder Stadt nicht nur gute Gewinne. Orte wie Dubrovnik, Amsterdam oder Venedig haben Mühe, den massiven Zustrom von Touristen zu bewältigen. Manche sagen, dass Apps wie Airbnb oder Booking.com die Einheimischen verdrängen und ganze Städte in riesige Hotels verwandeln. Darüber hinaus verstärken Anbieter sozialer Medien wie Instagram unseren Wunsch, entlegene und kulturell reiche Orte zu besuchen und die besten Fotos davon mit nach Hause zu nehmen.

Abb. 1: Übertourismus in Venedig, Italien.

Wenn es mehr Touristen gibt, als ein bestimmter Ort oder eine Landschaft verkraften kann, sprechen wir von Overtourism, der sich in den letzten Jahren wieder negativ auf die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz des Reisens ausgewirkt hat.

Sind intelligente Technologien die Lösung?

Können Spitzentechnologien dazu beitragen, das Reisen für Besucher und Einheimische freundlicher zu gestalten? Lisa Kinne, Smart-Travel-Expertin des deutschen Digitalverbands Bitkom, sagt dazu: Ja! Im Tourismus hat die Digitalisierung laut Bitkom-Studie großes Potenzial, die Nachhaltigkeit zu verbessern. Wenn es erst einmal darum geht, Informationen leicht zugänglich zu machen, etwa Echtzeitdaten zu Touristenzahlen, lassen sich die Touristenströme in beliebten Orten nachhaltiger steuern. Das würde weniger Übertourismus bedeuten. Eine weitere Option ist die Verknüpfung intelligenter Reiseoptionen. So können wir effizienter von A nach B gelangen. Mit mehr und einfacheren Reiseinformationen können sich Touristen bewusst für nachhaltigere Reiselösungen entscheiden. Das ist es, was den Tourismus heutzutage intelligenter macht. Für mich bedeutet das, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um Risiken so weit wie möglich zu minimieren und Nachhaltigkeit zu unterstützen.

Praktische Beispiele und Hacks des intelligenten Reisens

Zum Beispiel, wie man zu einem Reiseziel kommt. Dienste wie www.ecopassenger.org helfen Reisenden, verschiedene Reiserouten im Hinblick auf den CO2-Ausstoß zu vergleichen. Wir sind auch oft mit dem Zug gereist, und dabei hat uns der berühmte «Mann von Platz 61» geholfen, der auf www.seat61.com einen Online-Blog über nachhaltiges Bahnfahren betreibt .

Abb. 2: Ecopassenger.org unterstützt die Reduzierung von CO2-Emissionen.

Websites wie www.myclimate.org berechnen den ökologischen Fußabdruck unserer Reise und rechnen ihn in den erforderlichen CO2-Ausgleich eines Fluges um. Als wir beispielsweise von São Paulo nach Johannesburg geflogen sind, konnten wir durch die Kompensation von rund 70 zusätzlichen Schweizer Franken an ein Klimaschutzprojekt in Entwicklungs- und Schwellenländern spenden. Der letztgenannte Fall unserer Reise zeigt, dass es bei der Nachhaltigkeit nicht nur um Emissionen geht, sondern auch um soziale Nachhaltigkeit – wie Wiederaufforstung oder Bildung – die auf Reisen berücksichtigt werden sollte. Was die soziale Nachhaltigkeit betrifft, so sind wir beispielsweise nach Arequipa in Peru gereist, um in einem sozialen Bildungsprojekt zu helfen. Die digitale Plattform www.socialbnb.org, ein nützliches Beispiel aus der Sharing Economy, machte dies möglich. Ähnlich spannend ist hier der Anbieter www.fairbnb.coop, der mit Provisionsgeldern lokale Projekte unterstützt.

Die Macht von Daten, KI und maschinellem Lernen für nachhaltigeres Reisen

Es wäre großartig, wenn wir die bestehenden Datennetzwerke erweitern und mehr Daten über nachhaltigeres Reisen mit der Gesellschaft teilen könnten. Als Reisende haben wir die Technologien zur Hand, um Daten zu sammeln und sie der Reisegemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Zur Veranschaulichung: Nehmen wir an, wir halten ein Reiseangebot für nicht besonders nachhaltig. Dann können wir der Community online ein anderes Angebot vorschlagen und letztendlich etwas Gutes tun, indem wir laufend Daten über nachhaltigere Angebote sammeln. Durch intelligenten Tourismus können wir durch die Bereitstellung von Daten einen weiteren Beitrag zur Wissenschaft leisten.

Schnappschüsse aus dem Urlaub können Teil eines Datenpools für intelligenten Tourismus werden. Im Rahmen eines Projekts des Citizen Science Center der Universität Zürich können Reisende ihre Fotos online hochladen und so wertvolle Daten für die Forschung über Küsten und Tiere sammeln. Sie fragen sich, wie das funktioniert? Sie reisen zu einer Küste oder einem Strand und machen ein paar Schnappschüsse davon? Reisende können heutzutage ihre Küstenfotos auf Coastwards oder über die Coastwards-App ohne Anmeldung hochladen und den genauen Standort angeben. Diese Bilder gehen in eine globale Datenbank ein und helfen Wissenschaftlern, die Risiken des steigenden Meeresspiegels durch künstliche Intelligenz und maschinelle Lernmodelle besser zu verstehen.

Während unserer Safaris in Südafrika konnten wir eine der seltensten und am stärksten gefährdeten Tierarten in freier Wildbahn beobachten: den Wildhund. Dabei lernten wir auch die digitale Lösung Wild Me kennen. WildMe entwickelt offene Software und künstliche Intelligenz, um den Schutz von Wildtieren zu unterstützen. Sie setzen maschinelles Lernen im Kampf gegen das Aussterben bedrohter Arten ein. Diese intelligente Technologie dokumentiert die Wanderrouten und -pfade von Wildtieren.

Abb. 3: Wie Wild Me über Microsoft Azure funktioniert.

Ein Tier mit einzigartigen Mustern wie der südafrikanische Wildhund wird von einem Reisenden fotografiert. Die Bilder werden dann von Nutzern in die Cloud gestellt oder über soziale Medien gescannt. Computer-Vision-Modelle verwenden Mustererkennung, um die Arten und einzelnen Tiere zu identifizieren. Die Nutzer können dann ihre Lieblingstiere in einem Wildbuch nachverfolgen (durch eine Zusammenarbeit mit Microsoft ist ein Spiel möglich). Die gesammelten Daten helfen Wissenschaftlern bei der Überwachung gefährdeter Populationen, der Interaktionen zwischen Tieren und der Bewegungen einzelner Tiere, was dem Schutz der Wildtiere zugute kommt.

Abb. 4: Die KI-Technologie von Wild Me kombiniert mit maschinellem Lernen zum Schutz der südafrikanischen Tierwelt.

Wissenschaftler sind nicht die einzigen, die von dieser Big-Data-Generation profitieren können. Auch Reisende wie wir profitieren davon. Tourist*innen in der Stadt Hangzhou (China) werden beispielsweise per Geo-Tracking verfolgt, damit die Stadt die Besucher*innen darüber informieren kann, wie voll ein Ort oder eine Sehenswürdigkeit ist, und dies ist mithilfe von Vorhersageanalysen etwa zwei Stunden im Voraus möglich. Unsere Reise um die Welt hat uns durch diese Beispiele und digitalen Hacks eindrucksvoll gezeigt, dass die Digitalisierung den Tourismus und das Reisen revolutioniert und dass automatisierte Innovationen zu mehr Nachhaltigkeit beitragen können.

Intelligentes Reisen – in einem europäischen Vorbild

Die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) behauptet, dass Smart Cities am besten darauf vorbereitet sind , Nachhaltigkeit und Reisen in Einklang zu bringen. In den letzten Jahren wurden zum ersten Mal zwei Städte zu europäischen Hauptstädten für intelligenten Tourismus ernannt. Lyon und Helsinki. Das Beispiel von Helsinki (Finnland) zeigt, wie intelligentes Reisen und damit eine Smart City aussehen kann. Sie können Ihre Reise nach Helsinki komplett digital beginnen!

Tatsächlich kann jeder Helsinki mit Hilfe von VR-Technologie und einem VR-Headset virtuell besuchen und erkunden. In Zukunft könnte es sogar möglich sein, Konzerte und Ausstellungen virtuell zu besuchen oder in Helsinki virtuell einkaufen zu gehen. Nicht jeder kann es sich leisten zu reisen, oder die Pandemie-Situation verhindert dies derzeit. Durch die VR-Technologie von Helsinki können diese Hürden überwunden werden, und sie bietet die Möglichkeit, die Stadt und verschiedene Sehenswürdigkeiten zu erkunden, ohne zu fliegen oder physisch zu reisen.

VR spart Reisezeit und die damit verbundenen CO2-Emissionen. Diejenigen, die dennoch persönlich nach Helsinki reisen, können über Myhelsinki die nachhaltigsten Essens- und Erkundungsmöglichkeiten herausfiltern. Und dann ist da noch die Frage, wie man in Helsinki nachhaltig von A nach B kommt? Mit der U-Bahn oder Stadtbahn, mit dem Fahrrad oder mit der nächsten Mitfahrgelegenheit? Mit der App Whim (auch in der Schweiz erhältlich) können Sie die verschiedenen in Helsinki verfügbaren Verkehrsmittel suchen, buchen und bezahlen. Innerhalb der App kann die nachhaltigste Route direkt mit dem entsprechenden Verkehrsmittel ermittelt werden. Das macht die Stadt viel sauberer, bequemer und erhöht die Lebensqualität der Einwohner*innen.

Abb. 5: Virtual Helsinki: ein komplett digitaler Besuch in Finnland durch VR.

Viele dieser Initiativen werden von der Stadtverwaltung unterstützt, um eine bessere und nachhaltigere Zukunft zu schaffen, was Helsinki zu einem Beispiel für eine intelligente Stadt für intelligente Reisende macht.

Fazit

Dieser Blog endet mit der gleichen Aussage, mit der er begann: Ja, Reisen ist eine wunderbare Sache. Aber der Schutz der Umwelt ist es auch! Es wird eine große Herausforderung für Reisende, für Städte oder Länder und für die Gesellschaft bleiben, das Reisen nachhaltiger zu gestalten. Die digitalen Lösungen unserer Zeit und die damit verbundene Macht der Daten können uns jedoch helfen, die Nachhaltigkeit auf unseren Reisen zu fördern. Die damit verbundene Community für nachhaltigeres Reisen wird wachsen, und gleichzeitig werden mehr Städte zu Smart Cities digitalisiert. Das Potenzial, nachhaltiger zu reisen, ist groß, und wenn wir das nächste Mal reisen, wird die Digitalisierung sicher schon neue Möglichkeiten bieten. Lassen Sie uns also alle die technologischen Entwicklungen unserer Zeit im Bereich des Reisens nutzen, damit auch künftige Generationen unseren Planeten in einem nachhaltigen Zustand und in seiner ganzen Schönheit erkunden und bereisen können.


Referenzen

  1. COVID-19 und Tourismus – ein Update. Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, 2021. https://unctad.org/system/files/official-document/ditcinf2021d3_en_0.pdf
  2. Internationale Touristenankünfte erreichen 1,4 Milliarden, zwei Jahre früher als prognostiziert. Welttourismusorganisation UNWTO, 2019. https://www.unwto.org/global/press-release/2019-01-21/international-tourist-arrivals-reach-14-billion-two-years-ahead-forecasts
  3. «Tourists Go Home!»Tourism Overcrowding And «Tourismophobia» In European Cities (Can Tourists And Residents Still Co-Habitate In The City?), Egresi, I., 2018. https://www.researchgate.net/publication/327883652_Tourists_go_home_-_Tourism_overcrowding_and_tourismophobia_in_European_cities_Can_tourists_and_residents_still_co-habitate_in_the_city
  4. Nationale Tourismusstrategie digital denken – Bitkom-Handlungsempfehlungen für den Tourismusstandort Deutschland. Kinne, L., 2020. https://www.bitkom.org/sites/default/files/2020-05/20200504_bitkom_positionspapier_nationale-tourismusstrategie-digital-denken.pdf
  5. Digitaler Tourismus 2020: So smart reisen die Deutschen. Paulsen, N., 2020. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Digitaler-Tourismus-2020-So-smart-reisen-die-Deutschen
  6. Die verblüffende Art und Weise, wie Wild Me künstliche Intelligenz und Bürgerwissenschaftler nutzt, um beim Naturschutz zu helfen. Marr, B., 2021. https://www.forbes.com/sites/bernardmarr/2021/01/29/the-amazing-ways-wild-me-uses-artificial-intelligence-and-citizen-scientists-to-help-with-conservation/?sh=449b4152dcdc
  7. Stadtentwicklung: Mit der App «Smart Cities» in die Zukunft. Euronews, 2019. https://de.euronews.com/next/2019/10/17/stadtentwicklung-mit-der-app-smart-cities-in-die-zukunft
  8. Helsinkis großer VR-Auftritt deutet auf das Potenzial des virtuellen Tourismus hin. Baxter, S., 2020. https://www.theguardian.com/travel/2020/may/05/helsinki-huge-vr-virtual-reality-gig-potential-virtual-tourism

Über den Master Digital Administration

Dieser Artikel wurde im Rahmen des Masterstudiengangs Digital Business Administration an der BFH Wirtschaft verfasst. Der Studiengang vermittelt die relevanten Kompetenzen, um die digitale Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft mitzugestalten. Dank aktuellen Live Cases aus Unternehmen in der digitalen Transformation ist das Studium stark praxisorientiert und vermittelt praktische Erfahrungen im Umgang mit aktuellen und neuen digitalen Technologien. Weitere Informationen finden Sie hier.

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AUTHOR: Paulo Cabral

Paulo Cabral ist Masterstudent des Studiengangs Digital Business Administration an der BFH Wirtschaft.

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