Pinkwashing – alles nur Schaum oder echte Inklusion von LGBTIQ+ Menschen?

Der Regenbogen hat Hochsaison im Pride Monat Juni. Die Regenbogenfahne weht auf Dächern von Unternehmen und Botschaften, Logos und Webseiten werden bunt. Verbirgt sich dahinter echtes Engagement für LGBTIQ+ Menschen oder ist alles nur Marketing?

Juni ist Pride Month. In vielen Ländern finden Christopher Street Day (CSD) Pride Paraden statt. Die LGBTIQ+ Community trifft sich laut und farbig zum Umzug durch die Stadt. Auf der Festwiese laden Bars und Bühnen zum Verweilen ein, LGBTIQ+-Organisationen und -Initiativen stellen sich vor. Die Bevölkerung ist eingeladen und feiert mit. In offenen Gesellschaften gehört die Pride inzwischen zum Sommerfestprogramm. Im grossen Umzug fahren Wagen von Unternehmen und Mitarbeitendengruppen laufen mit in T-Shirts mit ihren Unternehmenslogos. Und sie sind stolz darauf. Warum?

Inklusion und Zugehörigkeit

In unsicheren Zeiten suchen Menschen Zugehörigkeit, Sicherheit und Sinn. Sie suchen Arbeit, die wertvoll und interessant ist, die Spass macht und sie erfüllt. Sie wollen sich einbezogen und wertgeschätzt fühlen. Unternehmen und Organisationen haben das erkannt und richten ihr Employer Branding danach aus.

Laut dem Culture Report 2021 über Zugehörigkeit (Belonging) am Arbeitsplatz des Achievers Workforce Institute ist ein Gefühl der Zugehörigkeit die beste Art des Employer Brandings, 51 % der Befragten mit einem starken Zugehörigkeitsgefühl empfehlen ihr Unternehmen weiter als grossartigen Arbeitsplatz und 40 % denken nur selten daran, sich nach einem anderen Arbeitsplatz umzusehen, gegenüber  je 4-5 % der Befragten mit einem geringen Zugehörigkeitsgefühl. Allerdings sprechen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch wertebasierte Gründe für offene, inklusive und vielfältige Organisationen.

«Going pink» Business Case und Menschenrecht

Den wirtschaftlichen Nutzen einer inklusiven und offenen Unternehmenskultur haben Arbeitgebende erkannt. Sie verstehen, dass junge Fach- und Führungskräfte Arbeitgebendenattraktivität nicht mehr nur an Karrierechancen und Einkommen messen. Soziales Engagement, Werte wie Gerechtigkeit, Zugehörigkeit und psychologische Sicherheit gewinnen an Bedeutung. Ein Bekenntnis zu Vielfalt und Inklusion, insbesondere mit der Berücksichtigung der Diversity Dimension «Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität» birgt das Potential, sich als attraktive Arbeitgebendende zu positionieren. Die Inklusion von diversen Menschen mit vielfältigen Erfahrungen bereichert Teams und erweitert den Erfahrungshintergrund ihrer Kolleginnen und Kollegen. Unternehmen mit einer offenen und inklusiven Kultur sind als Arbeitgeber attraktiv und gewinnen und halten motivierte, leistungsbereite und innovative Mitarbeiter*innen.

Trotz grosser gesellschaftlicher Veränderungen in den letzten Jahren erleben Angehörige von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten am Arbeitsplatz Diskriminierung und Ausgrenzung. In einem wenig inklusiven Umfeld, in dem Mitarbeitende nicht sie selber sein können, die ihr Privatleben aktiv verstecken müssen, können sie auch nicht ihre volle Leistung erbringen. Aus Angst vor sozialem Ausschluss oder Diskriminierung erzählen sie kaum von sich, halten sich abseits, nehmen nicht an gemeinsamen Mittagessen teil, schrecken vor Teamevents zurück. Es fehlt der Austausch, Kolleginnen und Vorgesetzte nehmen sie oder ihre Potentiale weniger wahr. Sie fühlen sich nicht zugehörig, nicht sicher.

In einer im letzten Jahr durchgeführten Befragung von über 3’000 LGBTIQ+ Menschen in der Schweiz berichtet ein Drittel der Angehörigen sexueller Minderheiten und über die Hälfte der Angehörigen geschlechtlicher Minderheiten Diskriminierung am Arbeitsplatz zu erfahren. Entsprechend haben sich auch nur knapp die Hälfte, bzw. gut ein Drittel gegenüber den meisten Kolleginnen und Kollegen geoutet.

Ausgrenzung und Diskriminierung muss nicht immer bewusst und explizit sein. Auch fehlendes Wissen und fehlende Prozesse zum Beispiel im Recruiting und bei Beförderungen können zu Ausschluss führen, eine Transition erschweren oder verhindern. Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter scheidet dann oftmals aus dem Betrieb aus.

Inklusion leben

Die Angst vor negativen Konsequenzen ist der Hauptgrund, sich nicht zu outen. Ein Outing fällt dann leichter, wenn im Unternehmen bereits Vorbilder existieren, wenn sich beispielsweise eine Führungsperson bereits geoutet hat und dies im Unternehmen bekannt ist. Klare Ansagen aus der Führungsetage und insbesondere auch ermutigende Botschaften von der unmittelbar vorgesetzten Person sind wichtig. Auch die Kommunikation der positiven und inklusiven Haltung der Organisation nach aussen und innen stärkt das Gefühl der Zugehörigkeit. Ein Auftritt an der Pride mit Wagen oder einer sichtbaren Mitarbeitendengruppe, auch finanziell unterstützt, vom Arbeitgeber, ist ein deutliches Signal und macht LGBTIQ+-Mitarbeitende stolz.

Es gibt also gute Gründe Regenbogenfarben zu zeigen, gerade im Pride Monat, wo auch Medien das Thema vermehrt aufnehmen. Allerdings spricht es sich schnell herum, wenn Inklusion nach innen nicht auch gelebt wird. Fehlt echtes Engagement und gelebte Inklusion, werden entsprechende Initiativen von Mitarbeitenden und der Community negativ bewertet. Pinkwashing ist es dann, wenn es bei der öffentlichen Ansage bleibt, die Fahne gehisst, das Logo eingefärbt wird, die Inklusion nach innen aber nicht gelebt wird und entsprechende inkludierende Massnahmen fehlen.

LGBTIQ+ Organisationen unterstützen Arbeitgebende in ihrem Bestreben nach stärkerer Inklusion von Angehörigen von sexuellen oder geschlechtlichen Minderheiten. In der Schweiz zeichnet das Swiss LGBTI-Label Organisationen mit einer offenen und inklusiven Organisationskultur aus. Damit LGBTIQ+ Inklusion nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, sondern sich auch Angehörige sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in ihrem Arbeitsumfeld sicher und zugehörig fühlen.


Referenz

Gurtner, Andrea (2021). Diversity & Inclusion nachhaltig in Unternehmen und Organisationen verankern: Faktoren einer offenen und inklusiven Unternehmenskultur für homosexuelle Mitarbeitende Zeitschrift für Diversitätsforschung und -management, 6(2), S. 169-183. Budrich Journals 10.3224/zdfm.v6i2.05


Zum 4. Mal Swiss LGBTI-Label verliehen

In der vergangenen Woche fand bereits die vierte Vergabe des Swiss LGBTI-Label statt. Insgesamt 18 neue Organisationen wurden mit dem Label ausgezeichnet; aus der Region Bern kamen die Stadt Bern und die Swiss Post dazu. 🌈 Das Label würdigt Organisationen, die sich für die Inklusion von #LGBTI-Personen in der Schweiz einsetzen.

Von Seite BFH sind Lena Scheidegger und Andrea Gurtner (sie, ihr) vom Institut New Work, Mitglieder des Kernteams und sorgen für eine wissenschaftlich korrekte Bewertung der teilnehmenden Unternehmen und Organisationen.

Weitere Informationen über die Verleihung und das Label allgemein.


LGBTIQ+

Das Akronym steht für Angehörige von sexuellen Minderheiten (lesbisch, schwul, bisexuell) und geschlechtlichen Minderheiten (trans, intergeschlechtlich) und öffnet sich für weitere Identitäten (queer+).

Creative Commons Licence

AUTHOR: Andrea Gurtner

Prof. Dr. Andrea Gurtner leitet das Institut New Work der Berner Fachhochschule Wirtschaft. In Forschung und Lehre interessiert sie insbesondere, wie Unternehmen und Organisationen die Vielfalt ihrer Mitarbeitenden wertschätzen und ein offenes und inklusives Arbeitsumfeld ermöglichen können. Sie ist Mitinitiantin und -herausgeberin des Swiss LGBTI-Labels.

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