«Wir wollen zeitgemässe Rollenbilder unterstützen»

Attraktive Arbeitsbedingungen, spannende Projekte – und trotzdem fehlen vor allem weibliche ICT-Fachkräfte. Marco Bürli, Head of Project Management beim Kanton Aargau, erklärt im Gespräch, weshalb er die Persönlichkeitsentwicklung als zentralen Motivationsfaktor betrachtet, um Mädchen für Informatikberufe zu begeistern. Lesen Sie hier Teil 1 des Interviews.

Marco Bürli vom Kanton Argau.

Weshalb setzt sich der Kanton Aargau für Chancengleichheit ein und wie überprüft ihr, ob eure Massnahmen Früchte tragen?

Der Kanton Aargau hat schon früh verstanden, dass Menschen – und damit seine Mitarbeiter*innen – im Zentrum stehen. Es klingt abgenutzt, aber nur mit gut qualifizierten und motivierten Mitarbeiter*innen kann man gute Dienstleistungen erbringen. Engagement, Qualität und Motivation entstehen, wenn faire Grundlagen vorhanden sind – und da gehören Chancengleichheit und Diversität für uns dazu. Um Worten auch Taten folgen zu lassen, prüfen wir den Entwicklungsstand entlang der UN Sustainable Development Goals, wie Geschlechtergleichheit, und setzen uns verwaltungsintern dafür ein, dass alle Mitarbeiter*innen am Arbeitsplatz die gleichen Rechte, Pflichten und Chancen haben.

Kannst du das etwas konkretisieren?

In der Verwaltung des Kantons Aargau arbeiten 48,9% Frauen, der Anteil bei den Kaderpositionen liegt bei etwa einem Drittel und nimmt zu. Wir haben bereits 2012 eine erste Lohngleichheitsanalyse durchgeführt und wiederholen diese regelmässig. Daraus erfolgten jeweils Massnahmen, mit welchen wir für mehr Fairness sorgen. Zudem haben wir 2018 die Charta der Lohngleichheit unterzeichnet. Unsere Human-Ressource-Abteilung stellt spezifische Kennzahlen und Instrumente für Mitarbeiter*innen und Führungskräfte zur Verfügung. Außerdem sind die Lohnbänder nach Einstufung transparent im Internet publiziert.

Weshalb ist für dich neben der Gendergleichheit auch die Diversität, z.B. über Altersgruppen, relevant?

Ich bin der Meinung, dass Diversität zur Qualitätssteigerung beiträgt. Zum Beispiel die Vorstellung, dass ältere Mitarbeiter*innen den jüngeren Kolleginnen und Kollegen Wissen weitergeben, ist richtig, aber nicht komplett. Unsere «Informatik-Welt», bestehend aus Technologien und Methoden, ist enorm umfassend und entwickelt sich dermaßen schnell, dass Austausch und die Wissensvermittlung zwischen allen Altersstufen notwendig sind. Gute kundenzentrierte Dienstleistungen können wir aufgrund vom geforderten Tempo und der hohen Komplexität nur noch gemeinsam erarbeiten. Eine grössere Vielfalt an Erfahrungen und Meinungen schafft mehr Optionen und damit auch bessere Lösungen.

Was macht es denn aus deiner Sicht so schwierig, den Frauenanteil spezifisch im ICT-Bereich zu erhöhen?

Der verfügbare Anteil von Frauen in ICT-Berufen steigt seit Jahren, ist aber im Vergleich zu den Männern immer noch auf tiefem Niveau. Konkret: Wenn wir in der Informatik Aargau hochqualifizierte Stellen ausschreiben, befinden sich unter 40 Bewerber*innen erfahrungsgemäss etwa fünf Frauen. Die Frage drängt sich also auf, wie wir insgesamt mehr Frauen für eine ICT-Ausbildung und Berufe in diesem Bereich motivieren können.

Bei der Ausschreibung von ICT-Lehrstellen scheint das Problem weniger gravierend zu sein?

Ja, genau. Wir konnten die letzten Jahre immer wieder motivierte und sehr talentierte junge Frauen für eine Lehre in der Informatik Aargau begeistern und rekrutieren. Das freut uns sehr, weil wir damit nicht nur zur Ausbildung von Fachkräften, sondern auch zur Diversität beitragen. Insgesamt entscheiden sich aber noch viel zu wenige junge Frauen für einen der vielen möglichen Berufswege in der Informatik. Die klassische Rollenverteilung bei der Berufswahl nimmt zwar ab, ist aber immer noch präsent.


Der 2. Teil des Interviews erschien am 4. Februar.


Über die Person

Marco Bürli ist Head of Project Management, er koordiniert und begleitet Digitalisierungsprojekte in allen Fachbereichen des Kantons Aargau. 2021 war die Abteilung an 80 Projekten beteiligt, unter anderem im Immobilien-Management, der Justiz, der Volksschule und der Polizei. Das Institut Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft arbeitet seit mehreren Jahren eng mit dem Kanton Aargau zusammen und setzt gemeinsame Projekte zur Digitalisierung des öffentlichen Sektors um.

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AUTHOR: Jasmine Streich

Jasmine Streich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Public Sector Transformation des Departements Wirtschaft der Berner Fachhochschule. In ihrer Forschungstätigkeit beschäftigt sie sich mit digitaler Barrierefreiheit und der Transformation des öffentlichen Sektors.

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