Landwirtschaft heute: Zwischen idealisierter Vorstellung und Technologie

Die Landwirtschaft steht vor grossen Herausforderungen: Sie soll einerseits wirtschaftlich erfolgreich sein, gleichzeitig aber auch ökologischen Ansprüchen genügen. Schon viele landwirtschaftliche Betriebe setzen auf digitale Technologien, etwa um Prozesse zu automatisieren. Ein Überblick über Smart Farming von Samuel Moor, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der BFH-HAFL und Student im Master Digital Business Administration.

Das Leben als Landwirt*in in der Schweiz war sicher noch nie so kompliziert wie heute: Einerseits besteht der Druck, immer mehr Menschen zu ernähren und dabei idealerweise nicht noch mehr Land zu verbrauchen, da das Land entweder direkt für die Natur oder als Lebensraum für die Menschen benötigt wird. Andererseits besteht der Eindruck, dass einige der Mittel, die die landwirtschaftlichen Erzeuger zur Produktion der Waren einsetzen, alles andere als schonend für die Bevölkerung und ihre Umgebung sind.

Die Öffentlichkeit ist sich also bewusst, dass einige dieser Mittel schädlich sein können, und die Stimmung in der Schweiz scheint sich in Bezug auf die Landwirtschaft zu ändern: Man denkt nicht mehr an fleckige Kühe, unberührte Alpen und glänzende Glocken, sondern an Herbizide und Gülle, die in die Gewässer und letztlich ins Grundwasser gelangen. Alles in allem scheint die Landwirtschaft heutzutage wirklich in einer schwierigen Lage zu sein. Und es ist auch klar, dass der ökologische Landbau zwar die Situation und die Wahrnehmung in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Produktion verbessern könnte, aber nicht dazu beitragen wird, die Produktion auf ein bisher nicht gekanntes Niveau zu heben, wie es für die Ernährung der wachsenden Bevölkerung erforderlich sein wird. Es scheint eine Nullsummen-Situation zu sein. Das muss es aber nicht sein!

Abbildung 1: Die Schweizer Landwirtschaft, wie sie von der breiten Öffentlichkeit am Ende des letzten Jahrtausends wahrgenommen wurde (links) und wie technologisch es heute in vielen Ställen aussieht.

Smart Farming ist längst auf dem Weg

Nachfolgend finden Sie einige Beispiele, in welchen Bereichen die Digitalisierung bereits jetzt eingesetzt wird und wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen könnte.

1) Internet der Dinge

IoT-Geräte können in der Landwirtschaft in vielerlei Hinsicht nützlich sein: in Gewächshäusern, bei Nutzpflanzen, in der Viehzucht, aber auch in neueren Bereichen (in der Schweiz) wie Aquakultur und Aquaponik (vgl. Ruan et al., 2019, S. 91f):

  • Gewächshäuser können überwacht, beheizt und bewässert werden, Pflanzen können überwacht werden – idealerweise alles automatisch – und liefern mit weniger externen Inputs (wie Wasser, Dünger, Energie) die gleichen oder bessere Ergebnisse.
  • Anbauflächen können überwacht und präzise bewässert werden, mit genügend Daten können sogar Schädlinge erkannt werden. Bodenbearbeitung, Düngung und Ernte können dank der GPS-Navigation effizienter sein.
  • Die Umgebung der Tiere (im Stall) kann automatisch kontrolliert werden. Die Fütterung kann individualisiert werden. Die Züchtung kann optimiert werden.
  • In der Aquakultur und Aquaponik ist es wiederum die Überwachung der Umweltvariablen (wie Sauerstoff, Salzgehalt, Wasserqualität usw.), die weitgehend automatisiert werden kann.

Offensichtlich ist es einfacher, die Vorteile von Sensoren in geschlossenen Systemen wie Aquaponik oder Gewächshäusern zu nutzen, wo der Landwirt die Kontrolle über viele der Variablen (z.B. Temperatur, Feuchtigkeit) hat. Offene Systeme, wie z. B. Anbauflächen, könnten jedoch auch davon profitieren, da der Landwirt durch die Kenntnis selbst meteorologischer Daten bereits viele Informationen erhält. Sicherlich würde es dem Landwirt (oder dem integrierten System des landwirtschaftlichen Betriebs) noch mehr Informationen liefern, wenn er noch mehr Informationen zur Hand hätte, wie z. B. den pH-Wert des Bodens, die Nährstoffwerte des Bodens usw., um grundlegende Entscheidungen zu treffen (wo soll gedüngt werden, wo soll bewässert werden usw.).

2) Roboter und Drohnen

Roboter und Drohnen könnten als ein Teilsystem des IoT betrachtet werden: Die Automatisierung funktioniert am besten, wenn sie so viele Informationen wie möglich über die Systeme, in denen sie arbeiten, haben. Sie können für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden (vgl. Puri et al., 2017; Roldán et al., 2018):

  • Kartierung: Drohnen sind eine kostengünstige Alternative, um aktuelle Karten mit Dichten, Bedeckung und Höhenunterschieden zu erstellen. Die Karten können zur Unterstützung von Maschinen am Boden verwendet werden (z. B. zur automatischen Erstellung von Wegen für die Ausbringung von Dünger).
  • Unkrautbekämpfung: Das Unkrautjäten in niedrig wachsenden Kulturen kann effektiv mit Robotern mit Kameras durchgeführt werden.
  • Schädlingsbekämpfung: Boden- und Flugroboter können eingesetzt werden, um Schädlinge zu identifizieren und auch vor Ort Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
  • Ernten: Die Ernte von Feldfrüchten wie Mais ist eine tief hängende Frucht in der Automatisierung (andere, empfindlichere, wie z. B. alle Arten von Beeren, könnten schwieriger sein).

Je integrierter das System ist, desto größer ist der potenzielle Nutzen – da das System im Idealfall weiß, wo das Wachstum unterdurchschnittlich ist, und infolgedessen Drohnen einsetzt, um das Problem zu analysieren und schließlich gegenzusteuern (z. B. ein bestimmtes Herbizid ganz lokal per Drohne ausbringt).

Nachhaltige Vorteile?

Während die Vorteile der Nachhaltigkeit auf den ersten Blick eher abstrakt erscheinen, zeigen sich die potenziellen Vorteile erst im Zusammenhang mit dem gesamten Problem. Zunächst muss viel Energie für die Geräte und Maschinen aufgewendet werden, die auf dem Feld eingesetzt werden, aber der Effizienzgewinn bei den danach eingesetzten Ressourcen (Wasser, Dünger, Herbizide, Pestizide) wird erheblich sein. Im Idealfall müssen insgesamt weniger Ressourcen aufgewendet werden, was aus wirtschaftlicher Sicht interessant ist, aber auch und vor allem aus Sicht der Nachhaltigkeit, da diese Ressourcen entweder knapp sind (Wasser, Dünger) oder potenziell schädlich (Herbizide, Pestizide).

Gleichzeitig sollte die gleiche Fläche produktiver sein, da die Umweltbedingungen idealer sind als zuvor und Schädlinge besser unter Kontrolle gehalten werden können. So können und werden beide Ziele gleichzeitig angegangen: Die Produktion von landwirtschaftlichen Gütern kann gesteigert werden, aber gleichzeitig wird der Ressourcenverbrauch sinken. Insbesondere der weit verbreitete Einsatz von Herbiziden und Pestiziden kann umgangen werden; Schädlinge können gezielter bekämpft werden, was wiederum zu einer insgesamt geringeren Belastung mit Krankheitserregern führen wird.

Vertrauen zurückgewinnen

Die Digitalisierung insgesamt scheint sich in einer ähnlichen Situation zu befinden wie die Landwirtschaft: Sie hat etwas an Vertrauen in der Bevölkerung verloren (Osburg & Lohrmann, 2017). Allerdings könnte man argumentieren, dass die Digitalisierung dieses Vertrauen gar nicht erst hatte. Der Nachweis ihres Potenzials, Prozesse effizienter und sauberer zu gestalten (Digitalisierung) und gleichzeitig mehr zu produzieren und weniger Ressourcen zu verbrauchen (Landwirtschaft), könnte daher für beide Bereiche von Vorteil sein und als Beispiel dafür dienen, wie die Digitalisierung ein System effektiv zum Besseren verändern kann.

Der Vorteil der Landwirtschaft, zumindest in der Schweiz, ist, dass sie immer noch greifbar ist – die Menschen sind weit davon entfernt, sich von ihr zu entfremden. Sie wissen, woher die Milch kommt, wie das Getreide angebaut und geerntet wird (zumindest verstehen sie die Grundzüge), und es ist sehr einfach, die direkten Vorteile der Digitalisierung in diesem Bereich aufzuzeigen. Dies steht im Gegensatz zu Branchen, wie z.B. der maschinenproduzierenden Industrie, zu denen die breite Öffentlichkeit wohl weniger Zugang hat und daher auch nicht sofort begreifen kann, wo die Vorteile der Digitalisierung liegen (oder zumindest müsste die Mehrheit einige Zeit aufwenden, um die Prozesse in einer Fabrik zu verstehen). Daher ist es einfacher als in anderen Branchen, den Zusammenhang zwischen der Digitalisierung und den möglichen Vorteilen aufzuzeigen.


Referenzen

  1. Osburg, T., & Lohrmann, C. (2017). Nachhaltigkeit in der digitalen Welt braucht Vertrauen. In T. Osburg & C. Lohrmann (Eds.), Nachhaltigkeit in einer digitalen Welt (pp. 3-19). Springer. https://doi.org/https://doi.org/10.1007/978-3-319-54603-2_1
  2. Puri, V., Nayyar, A., & Raja, L. (2017). Landwirtschaftsdrohnen: Ein moderner Durchbruch in der Präzisionslandwirtschaft. 0510. h ttps://doi.org/10.1080/09720510.2017.1395171
  3. Roldán, J. J., Cerro, J. del, Garzón-Ramos, D., Garcia-Aunon, P., Garzón, M., León, J. de, & Barrientos, A. (2018). Robots in Agriculture: State of Art and Practical Experiences. In Service Robots (Issue Tourism, S. 13). InTech. https://doi.org/10.5772/intechopen.69874
  4. Ruan, J., Wang, Y., Chan, F. T. S., Hu, X., Zhao, M., Zhu, F., Shi, B., Shi, Y., & Lin, F. (2019). A Life Cycle Framework of Green IoT-Based Agriculture and Its Finance, Operation, and Management Issues. IEEE Communications Magazine, 57(3), 90-96. https://doi.org/10.1109/MCOM.2019.1800332
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AUTHOR: Samuel Moor

Samuel Moor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Ressort Lehre an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL der BFH.
Er absolviert aktuell den Master Digital Business Administration am Departement Wirtschaft.

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