Ein Tool für smarte Gemeindestrategien

Eine Smart-Government-Plattform für kleinere und mittlere Gemeinden – daran arbeiten Forscher*innen des Instituts Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft. Mit dem laufenden Innovationsprojekt «InoVille 4.0» entwickeln sie die Grundlagen und Modelle, damit die Gemeinden Smart Government Strategien und intelligente Führungsprozesse nutzen und transparenter agieren können. 

Heute basieren die Führungs- und Strategieprozesse kleinerer und mittlerer Gemeinden der Schweiz oft auf Papier oder allenfalls auf verschiedensten Excel-Tabellen. Im jährlichen Strategiemeeting wird dann die schriftlich festgehaltene Strategie überprüft und falls nötig angepasst. Sicherlich ist das Festhalten des Führungs- und Strategieprozesses sowie der benötigten Kennzahlen auf Papier oder in Excel-Tabellen besser, als wenn die Prozesse gar nicht niedergeschrieben würden. Dennoch ist diese Vorgehensweise nicht optimal, da sie diverse Nachteile mit sich bringt.

Konkret gibt es vier Gründe, wieso eine Gemeinde ihre Führungs- und Strategieprozesse nicht auf Papier- oder in Excel-Tabellen festhalten sollte:

  1. hoher Zeitaufwand
  2. Fehleranfälligkeit
  3. Aktualitätsverlust
  4. Intransparenz

Hoher Zeitaufwand: Die Vorbereitung von jährlich stattfindenden Strategieklausuren ist mit dem oben beschriebenen Vorgehen sehr zeitintensiv. Dies weil jährlich stets alle notwendigen Daten neu beschafft und aufbereitet werden müssen.

Fehleranfälligkeit: Beim händischen Übertragen der benötigen Daten in das «Strategiepapier» können leicht Fehler passieren. Ein unbemerkter Tippfehler kann die Kennzahlen manipulieren und so das gesamte Resultat des Strategiemonitorings verfälschen.

Aktualitätsverlust: Wenn das Strategie- und Monitoring-Meeting nur jährlich stattfindet, werden die Kennzahlen i.d.R. nur einmal jährlich überprüft. Sicherlich gibt es Kennzahlen, die nur einmal pro Jahr publiziert werden, aber es gibt auch zahlreiche Kennzahlen, die in regelmässigeren Abständen erfasst werden können. Dies sollte im Monitoring ebenfalls berücksichtigt werden. Bei stetiger Aktualisierung der Kennzahlen kann man saisonale Trends erkennen und hat stets ein Dashboard zur Hand, das der Realität am nächsten steht.

Intransparenz: Werden die Führungs- und Strategieprozesse nur jährlich besprochen, führt dies zu Intransparenz. Es scheint wahrscheinlich, dass die überprüften Kennzahlen bei den Entscheidungsträgern maximal ein paar Wochen präsent bleiben. Danach werden diese vergessen, weil der Fokus wiederum auf das Tagesgeschäft gelegt wird. Aufgrund der mehrmals jährlich stattfindenden Gemeindeversammlungen wäre es aber gut, wenn an diesen Veranstaltungen jeweils der zu diesem Zeitpunkt aktuelle Stand des Überwachungsprozesses vermittelt werden könnte.

Transparente Prozesse

Im Rahmen des Innosuisse-Projekts «InoVille 4.0» entwickeln die BFH Wirtschaft und die inova:solutions AG eine Smart Government Plattform, welche Gemeinden bei ihren Strategiefindungs- und Monitoringprozessen bestmöglich unterstützt, sodass die oben beschriebene Problematik der Vergangenheit angehört. Die BFH fokussiert sich dabei auf die wissenschaftlichen Aspekte:

  • Wie sollen solche Monitoringprozesse aussehen?
  • Wie können diese in Zukunft verbessert werden, z.B. durch partizipative Aspekte?
  • Welche Schlüsselindikatoren gibt es sowohl national wie auch international?
  • Welche Indikatoren sind für Schweizer Gemeinden besonders relevant?

Die inova:solutions AG dagegen kümmert sich in erster Linie um die Umsetzung in einem Software-Werkzeug, welches sie unter dem Namen «inova:score» vertreibt.

Mit dieser Smart Government Plattform können die Gemeinden ihre Ausgangslage analysieren, eine Strategie entwickeln und dokumentieren, diese umsetzen und laufend überprüfen. Zu diesem Zweck unterstützt die Plattform die Entscheidungsträger und -trägerinnen mit einer Vielzahl an digitalen Hilfsmitteln. Dies sind unter anderem eine SWOT-Analyse, Strategien von Mustergemeinden, die an die individuellen Bedürfnisse der Gemeinde angepasst werden können, eine Canvas-Bibliothek, ein Indikatorenkatalog mit aktuell total 286 KPIs (=Schlüsselindikatoren, Key Performance Indicators), ein Taskboard, um die verschiedenen Aufgaben den verschiedenen Entscheidungsträger und -trägerinnen zuzuordnen, sowie eine Berichtsbibliothek um periodische Auswertungen und Berichte zu erstellen und diese zugänglich zu machen. Zur Übersichtlichkeit können die Strategiefelder und KPIs auch einer dem Smart City Wheel nachempfundenen Darstellung hierarchisch gegliedert angezeigt werden.

Durch die Verwendung dieser Hilfsmittel wird der Strategiefindungs- und Monitoringprozess nachvollziehbar dokumentiert. Die Strategie kann so laufend überprüft werden. Bei sich ändernden Einflüssen können Anpassungen rasch vorgenommen und ebenfalls zeitnah überprüft werden. Die entwickelte Plattform kann die für den Strategiefindungs- und Monitoringprozess benötigen Daten in kurzen regelmässigen Zeitspannen zusammenbringen. Dies ist für die Entwicklung und Überwachung einer Smart-Governance-Strategie von grosser Wichtigkeit. Die Tatsache, dass die Strategie, sowie die aktuellen Werte der ausgewählten KPIs durch die Plattform laufend dargestellt werden können, führt zu mehr Transparenz und kann längerfristig auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Gemeindebehörden stärken.

Workshop bezieht Gemeinden ein

Das Institut Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft und die inova:solutions AG blicken auf ein ergiebiges erstes Projektjahr zurück, in welchem die gesteckten Projektziele grösstenteils erreicht werden konnten. So wurde das Initialkonzept definiert und es wurden relevante Indikatorenframeworks identifiziert und priorisiert. Aus den relevanten Indikatorenframeworks hat die BFH und die inova:solutions AG schliesslich die geeigneten KPIs extrahiert und es wurde ein nach den Dimensionen des Smart City Wheels kategorisierter Katalog von KPIs erstellt. Der Indikatorenkatalog ist wie auch ein kürzlich publiziertes White Paper, das weitere und detailliertere Informationen über das Projekt enthält, auf der Projektwebseite aufgeschaltet. Im Juni wurde ein erster Workshop mit vier Gemeinden (Moosseedorf, Wohlen BE, Thun, Winterthur) durchgeführt. Dieser hat gezeigt, dass das Vorhaben für Gemeinden relevant ist.

In der zweiten Hälfte der Projektlaufzeit steht nun vor allem die agile Weiterentwicklung der Konzepte und der Plattform in Zusammenarbeit mit Pilot- und Produktivgemeinden im Vordergrund. Anfang Dezember wird der nächste Workshop mit interessierten Gemeinden stattfinden, und ausserdem wird das Projekt verschiedenen Verbänden und Organisation präsentiert und an Schweizer Smart City Veranstaltungen bekannt gemacht werden.

Partizipation als Erfolgsfaktor

Partizipation wird in diesem Projekt grossgeschrieben. Mittels des gewählten Co-Creation-Ansatzes können sich Entscheidungsträger und -trägerinnen der beteiligten Gemeinden einbringen und ihre Anregungen zur Funktionalität und Gestaltung der Plattform laufend platzieren. So wird sichergestellt, dass die Plattform auch in der Praxis funktionieren wird und die Gemeinden bei der der Modellierung, Umsetzung und Überprüfung ihrer Smart-Government-Strategien bestmöglich unterstützen kann. In Zukunft ist es ausserdem abzusehen, dass auch Einwohner*innen der Nutzergemeinden partizipativ mitwirken können: Sei es bei der Auswahl oder Definition der für die Gemeinden relevanten Schlüsselindikatoren, oder sei es bei der Datenerfassung via Gemeinde-App zur Bestimmung der Werte von bestimmten Indikatoren wie z.B. der Zufriedenheit mit Gemeindedienstleistungen.


Weitere Gemeinden gesucht

Sollte auch Ihre Gemeinde interessiert sein, an einem unserer Workshops teilzunehmen, treten Sie bitte mit uns in Kontakt. Ebenfalls stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung, wenn Sie sonstige Fragen oder Anregungen im Zusammenhang mit dem Projekt haben. Wir sind überzeugt, dass wir mit Ihrer Beteiligung das Nutzenversprechen dieses Projekts einlösen können und so Gemeinden unterstützen können, in Zukunft transparenter zu agieren sowie einfacher und kostengünstig Smart City Strategien zu definieren und umzusetzen.

Wenden Sie sich direkt an Prof. Stephan Haller, den Fachgruppenleiter Data and Infrastructure, Telefon: +41 31 848 44 16.


Danksagung

Das Innovationsprojekt «Smarte Modelle für Strategie- und Führungsprozesse in der Gemeinde von morgen (lnoVille 4.0)» wird durch Innosuisse unter der Nummer «48377.1 IP-SBM» unterstützt.

Creative Commons Licence

AUTHOR: Nicolai Wenger

Nicolai Wenger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft. Er hat 2019 sein Bachelorstudium in Wirtschaftsinformatik an der BFH Wirtschaft abgeschlossen. Aktuell absolviert er einen Master in Applied Information und Data Science an der Hochschule Luzern.

AUTHOR: Stephan Haller

Stephan Haller ist Professor am Institut Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft und am BFH-Zentrum Digital Society. Er lehrt über Projektmanagement, IT-Sourcing und E-Government lehrt und forscht in den Bereichen Smart City, Open Data und Internet der Dinge.

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