Frauen in ICT-Berufen: «Ich freue mich über jede Bewerberin»
Der ICT-Branche fehlen die Fachkräfte, deshalb wirbt sie verstärkt auch um weibliche Talente. Im Interview spricht Geschäftsführerin Sandra Völler über Chancengleichheit und Frauen in ICT-Berufen.
Frau Völler, können Sie sich als Geschäftsführerin eines Technologieunternehmens erklären, warum sich in der Schweiz nur wenige Frauen für technik- und informatiknahe Berufsausbildungen oder Studienrichtungen entscheiden?
Ich denke, dass diese Entscheidung schon sehr viel früher passiert. Bereits in der Primarschule wird ein falsches Bild des/der Informatiker*in geprägt. Man denkt, dass dies Personen sind, die am Computer rumschrauben und dass, überspitzt gesagt, nur Jungs mit IT-Vorwissen die Informatikmittelschule absolvieren. Leider gibt es nach wie vor keine umfassende, frühe Orientierung über die Möglichkeiten von IT-Berufen. Die Fähigkeiten wären sicher vorhanden; es fehlen aber passende Berufsbilder und Rollenmodelle, an welchen sich die Mädchen orientieren können.
Verfolgen Sie (intrinsisch) eine Frauenquote im ICT-Bereich Ihres Unternehmens?
Wir haben bereits einen guten Anteil an Frauen in unserem Unternehmen. Generell freut mich jede Bewerbung einer Frau, obwohl es leider viel zu wenige davon gibt. Mit unserem internen «Mentos-Programm» setze ich mich persönlich für die Förderung von jungen Frauen in unserem Unternehmen ein.
Haben Sie schon spezielle Kampagnen zur Frauenförderung im Unternehmen gefahren?
Nein. Wenn wir eine Stelle ausschreiben, suchen wir immer das Talent als solches.
Bieten Sie Schnupperlehren oder Praktikumsplätze mit Fokus auf Chancengleichheit an?
Wir gestalten den jährlichen Zukunftstag jeweils mit dem Ziel, Begeisterung für ICT Berufe zu wecken. Das hat bisher gut geklappt: Wir dürfen heute bereits einige Töchter (und natürlich auch Söhne) von Mitarbeitenden zu unseren Kolleg*innen zählen.
Setzen Sie bei der Stellenausschreibung eine andere Sprache ein, um mehr Frauen zur Bewerbung zu gewinnen?
Nein, wir versuchen moderne und aufgeschlossene Ausschreibungen zu gestalten mit Videos und Statements aus allen Bereichen. Wir wollen für alle Talente attraktiv sein.
Wie wichtig sind gute Noten in den MINT-Fächern im CV einer Bewerbung?
Genauso wichtig wie die Soft Skills: Begeisterungsfähigkeit, Kommunikationsstärke und Verantwortungsbewusstsein.
Haben Sie das Gefühl, dass Männer im Allgemeinen selbstsicherer sind, wenn sie eine neue Stelle antreten?
Ich glaube, dass das heute nicht mehr so ausgeprägt ist. Leider stehen aber junge Frauen nicht immer ganz so selbstbewusst zu ihren Fähigkeiten und betonen eher, was sie noch nicht können, um sich abzusichern.
Fällt es Frauen schwerer die eigene technische Kompetenz aufzuzeigen?
Nein. Sie sind nur teilweise zu wenig selbstbewusst, da sie tendenziell nicht so gerne im Mittelpunkt stehen wie einige ihrer männlichen Kollegen.
Hatten Sie persönlich das Gefühl, auf dem Weg zu Ihrer Position als Geschäftsführerin einen «härteren Weg» beschreiten zu müssen als ein männlicher Kollege?
Nein, denn ich war mir immer bewusst, wie ich die Vorteile aus meinen Fähigkeiten nutzen kann. Als Beispiel haben mir sicher meine Kommunikationsfähigkeit und Empathie immer geholfen, ob in der Akquisition, der Führung oder im Ausbau des Geschäftes mit Kunden und Partnern.
Zur Person
Sandra Völler ist Geschäftsführerin der Agilita AG. Das Unternehmen ist Partnerin des Instituts Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft und unterstützt Unternehmen bei der Einführung und Weiterentwicklung von SAP-Applikationen. Agilita unterstützt das Departement unter anderem bei der Durchführung der TRANSFORM 2021 am 3. November 2021. Die Online-Konferenz steht im Zeichen des Spannungsfeldes zwischen einem digitalisierten Berufsalltag und einer Arbeitswelt, die den Menschen stärker in ihren Mittelpunkt rückt. Hier geht es zur Anmeldung.
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