Über Augmented Intelligence in Gesundheitsberufen und sachliche Debatten – Praevenire Digital Health Workshop, Teil 2
Im zweiten Teil des Symposions an den Praevenire Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten ging es um Augmented Intelligence (AI) als wesentlichem Element der Weiterentwicklung der Gesundheitsberufe und um die Frage, wie die Diskussion über Digital Health versachlicht werden und das Verständnis der Zusammenhänge besser vermittelt werden kann.
Augmented Intelligence (AI) steht für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) beim Sammeln und Interpretieren von Informationen und beim Treffen von anspruchsvollen sachlichen Entscheidungen. Im Symposion wurde einmal mehr klar, dass die Nutzung von KI vor allem in der Spitzenmedizin und im Spitalsmanagement in Zukunft notwendig sein wird, wenn die Menschen vom medizinischen Fortschritt bestmöglich profitieren sollen.
Qualität der KI ist entscheidend
Maschinen können Daten verarbeiten, mit denen Menschen nichts anfangen können. Sie können sehr schnell sehr grosse Datenmengen verarbeiten. Und sie machen dabei keine müdigkeits- oder erschöpfungsbedingten Fehler. Allerdings hängt die Qualität der maschinellen Datenverarbeitung nicht nur von den verfügbaren Daten und der Nutzung der zweckspezifisch richtigen Algorithmen ab, sondern auch von der Qualität des digitalen Werkzeugdesigns, die ihrerseits technische und nicht-technische Aspekte hat. Auch wenn einige Gefahren mittlerweile einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind, beispielsweise die Gefahr der datenbasierten Diskriminierung, werden im Alltag von Forschung und Entwicklung oft kritische Aspekte vernachlässigt, weil die Problemstellung auf abgegrenzte Teilprobleme reduziert wird und die Expertise für eine Gesamtschau der Wechselwirkungen fehlt.
So vielfältig die erfolgreichen Anwendungen von KI in Diagnostik-Laborexperimenten sind, so wenig hat KI bisher tatsächlich den Weg in den praktischen Einsatz gefunden. Dies hat auch damit zu tun, dass AI zu einer Veränderung der Rollen der Gesundheitsfachpersonen führt und dass bislang unklar ist, wie man eine KI kontrollieren kann, die man nicht versteht. Erklärbare KI ist ein derzeit intensiv beforschter Lösungsansatz, der aber nur einen Teil der Probleme lösen wird.
Die Keynotes von Joachim Buhmann, Dietmar Meierhofer und Richard Greil lieferten wesentliche Impulse für ein zugleich breiteres und tieferes Verständnis von Chancen und Herausforderungen des Einsatzes von KI in der Praxis. Sie hat das Potenzial, die Gesundheitsversorgung viel effektiver zu machen, konkret gesagt, Patient*innen individuell massgeschneidert zu behandeln und die Gesundheitseinrichtungen besser zu organisieren. Letzteres hilft nicht nur Kosten sparen, sondern steigert auch die Versorgungsqualität. Die Keynotes zeigten aber auch deutlich, dass wir beim Thema AI noch immer ganz am Anfang stehen und wir das Thema ganzheitlich angehen müssen.
Unterschiedliche Bedürfnisse und Bedenken
Im letzten Teil des Symposions wurden viele Kommunikationsherausforderungen konkret und engagiert angesprochen und einige Themen aus den vorher- gegangenen Diskussionen vertieft. Dazu zählten beispielsweise die Darstellung des konkreten Nutzens von Blended Care, ELGA und des Einsatzes von AI aus Sicht von Patientinnen und Patienten („was bringt es wem in welcher Situation“), das Aufzeigen von Erfolgsbeispielen aus dem Ausland, um die Stakeholder von der Machbarkeit zu überzeugen (wie funktionieren Good Practices) und ein mögliches Rebranding, beispielsweise von ELGA.
Bei fast allen Themen ist es notwendig, unterschiedliche Adressatengruppen bedarfsorientiert abzuholen. Wissenschaftler*innen, Ärzt*innen, Patient*innen nehmen unter- schiedlich Aspekte der digitalen Transformation wahr, weshalb das Prinzip „One-Communication-Fits-All“ nicht funktioniert.
Gerade weil im Symposion so offen und teils auch kontrovers diskutiert wurde, zeigte sich, wie riesengross der Bedarf nach mehr Wissen, mehr kritischer Auseinandersetzung und mehr konstruktiv kreativer Lösungsentwicklung ist. Letztere kann aber nur gelingen, wenn wir erfolgreicher als bisher kommunizieren. Solange praktische Herausforderungen, wichtige Konzepte und technische Lösungen nur in kleinen Zirkeln bekannt sind, kann Digital Health nur im Schneckentempo vorankommen, denn es gibt grosse Widerstände dagegen.
AI ist mehr als Dystopie
Die Digitalisierung – insbesondere AI – wird oft, insbesondere bei prominenten Gelegenheiten, als Dystopie gebrandmarkt. Es gibt mächtige gesellschaftliche Kräfte, welche gegen den Einsatz digitaler Werkzeuge kämpfen. Diese Kräfte sind auch in wichtigen Gremien und in der Wissenschaft beheimatet. Sie bekommen viel Beifall und es wird ihnen fast nie widersprochen, weil ein solches Widersprechen unpopulär ist.
Die Akzeptanz neuer digitaler Lösungen ist deshalb keine Selbstverständlichkeit. Sie setzt Vertrauen voraus. Vertrauen setzt seinerseits Vertrauenswürdigkeit voraus. Und Vertrauenswürdigkeit setzt ihrerseits mindestens zweierlei voraus: Compliance mit den eigenen Grundsätzen, beispielsweise dem Schutz der Privatsphäre – dies war ein wichtiges Thema im Symposion – und eine verständliche Kommunikation.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Menschen die angestrebten Ziele, die Herausforderungen und die Lösungsansätze verstehen, wenn wir Akzeptanz für die neuen digitalen Werkzeuge anstreben wollen. Es genügt nicht, dass Digital Health faktisch zu mehr gesunden Lebensjahren beiträgt. Dass dies so ist und warum dies so ist, muss von den Menschen auch verstanden werden. Wir benötigen deshalb in der Kommunikation eine gute Kombination zwischen Faktenbasierung und Storytelling und wir müssen uns mit dem Widerstand gegen Digital Health proaktiv und öffentlich auseinandersetzen.
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