Wie Chatbots nachhaltiges Verhalten am Arbeitsplatz fördern

Chatbots sind eine vielversprechende Technologie, um das klimafreundliche Verhalten von MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz spielerisch zu fördern. Das zeigt ein erster Feldtest des iOS- und Android-Prototypen «KlimaKarl».

Umwelt- und Klimaschutz sind zentrale Herausforderungen unserer Zeit. Die UN erkennt die existenzielle Bedeutung dieser Herausforderungen im Rahmen der Agenda 2030 an, deren Kern die 17 Sustainable Development Goals bilden (UN 2015). In der Wirtschaft sind die letzten Jahre entscheidend von Fortschritten im Bereich der innovativen digitalen Technologien geprägt (z.B., Acemoglu und Restrepo 2018). Da nur noch wenig Zeit bleibt, um die SDGs bis 2030 zu erreichen, sollten Unternehmen das disruptive Potenzial digitaler Technologien nutzen, um ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Eine vielversprechende Technologie, die in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit in Praxis und Wissenschaft auf sich gezogen hat, sind Chatbots.

Chatbots verändern Verhalten

Chatbots werden heute in verschiedenen Unternehmensbereichen eingesetzt. In der internen Kommunikation mit der Belegschaft sehen Praktiker*innen laut einer aktuellen Interviewstudie von Meyer von Wolff et al. (2019) die Bereiche interner/externer Support, Personalwesen, Einkauf/Verkauf, Wartung, Selbstbedienung, Mitarbeitendenschulung und Wissensmanagement als vielversprechende Bereiche (z.B. Kowalski et al. 2013, Piyatumrong et al. 2018, Zumstein und Hundertmark 2017).

Aufgrund ihres interaktiven und kommunikativen Charakters (vgl. Brandtzaeg und Følstad 2017) scheinen Chatbots im Rahmen der Mitarbeitendenschulung insbesondere auch geeignet, um über Nachhaltigkeit zu informieren und entsprechende Verhaltensänderungen zu motivieren.

Der Einsatz von Chatbots zur Förderung von nachhaltigem Mitarbeiter*innen-Verhalten ist jedoch weitestgehend unerforscht. Zwar gibt es vereinzelte Chatbots zur Unterstützung der Umwelterziehung, z.B. AluxBot für Schulkinder (vgl. Peniche-Avilés et al. 2016) oder zur Förderung eines nachhaltigen Mobilitätsverhaltens (vgl. Diederich et al. 2019) – jedoch nicht im beruflichen Kontext.

Das wollten wir ändern und entwickeln einen entsprechenden Prototypen namens KlimaKarl mit der Mission, das «grüne Mitarbeiter*innen-Verhalten» (Fraunhofer IAO 2014) am Arbeitsplatz zu fördern.

Interdisziplinäre Entwicklung

Um einen Prototyp unseres Chatbots KlimaKarl zu entwickeln, führten wir ein typisches Design Science Research-Projekt durch (vgl. Gregor und Hevner 2013, Peffers et al. 2007). Um die konkreten Anforderungen an das Design und die Funktionalitäten des Chatbots zu ermitteln, haben wir in einem vierstufigen Prozess verschiedene Perspektiven aus Forschung, Markt, Kund*in und Nutzer*in berücksichtigt. In weiteren drei Schritten arbeiteten wir in einer interdisziplinären Gruppe, bestehend aus den Projektinitiator*innen, einem Entwickler und Unternehmensvertreter*innen, um die Vielzahl der Vorschläge und Ideen auf 20 Kernanforderungen an den Prototypen herunterzubrechen, siehe Abbildung 1.

Abb. 1: Auswahl Anforderungen und Funktionalitäten

 

Wir entwickelten KlimaKarl als iOS- und Android-App. Zu diesem Zweck haben wir das Google Flutter-Framework für die Implementierung des Frontends und das Express-Framework für das Backend verwendet. Abbildung 2 zeigt eine Auswahl von Screenshots der App.

Abb. 2: Screenshots der App KlimaKarl

Wer spart mehr CO2?

Zu Evaluationszwecken unterzogen wir den KlimaKarl-Prototyp im September 2020 in Zusammenarbeit mit zwei Unternehmen und 74 Mitarbeiter*innen einem Feldtest, um zu untersuchen, ob das Artefakt in einem unternehmerischen Kontext praktikabel ist. KlimaKarl wurde im Rahmen eines CO2-Sparwettbewerbs getestet. Neben der Chatfunktion beinhaltet die App auch diverse Gamification Elemente.

Im Rahmen des Wettbewerbs:

  1. trugen die Mitarbeiter*innen erledigte Aufgaben über Buttons im Chat ein und erhielten eine direkte Rückmeldung über die erreichten Punkte bzw. die CO2-Vermeidung,
  2. nahmen sie zweimal an einer Mitarbeiter*innenbefragung teil,
  3. erhielten und bewerteten sie tägliche Tipps mit Sternen,
  4. konnten sie Team-Challenges erreichen und damit verschiedene Spenden auslösen,
  5. konnten sie Abzeichen für wiederholte Aufgaben freischalten und
  6. erhielten sie einen Überblick über ihr Ranking und ihre Statistiken im Unternehmens-, Team- und User-Dashboard.

Zum Abschluss es Wettbewerbs wurde das Siegerteam bekannt gegeben, indem die Rangliste und ein Newsletter an alle TeilnehmerInnen veröffentlicht wurden.

Um zu testen, ob sich die teilnehmenden Mitarbeiter*innen während der Nutzung des Prototyps klimafreundlicher verhielten, baten wir (neben Fragen zur Benutzerfreundlichkeit und Intention zur langfristigen Verhaltensänderung) anzugeben, ob sie bestimmte klimafreundliche Aufgaben – wie veganes Mittagessen, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, Licht ausschalten usw. – häufiger ausführten als vor dem Wettbewerb. Die Abbildung fasst die Ergebnisse in Form eines Histogramms mit absoluten Zahlen zusammen. Demnach haben z.B. 18 von 25 Befragten (72%) während der Nutzung von KlimaKarl häufiger vegan oder vegetarisch gegessen als vorher (Abb. 3).

Abb. 3: Ergebnisse während der Nutzung des Prototypen

Fazit und nächste Schritte

Die Ergebnisse der ersten Evaluierung sind ermutigend und zeigen, dass der Prototyp eher benutzerfreundlich ist und Menschen zu einem klimafreundlicheren Verhalten motivieren kann. In zukünftigen Schritten planen wir, die Funktionalitäten des Chatbots zu erweitern und differenzierter zu evaluieren. Nach einer entsprechenden Überarbeitung wollen wir den Chatbot im Herbst 2021 für Schweizer und deutsche Unternehmen zur Verfügung stellen. Je nachdem, wie KlimaKarl in der Praxis angenommen wird, freuen wir uns, die App in weitere Sprachen zu übersetzen und international einzuführen.


Referenzen

  1. Acemoglu, D., Restrepo, P.: Artificial intelligence, automation and work (No. w24196). National Bureau of Economic Research (2018).
  2. Brandtzaeg, P. B., Følstad, A.: Why People Use Chatbots. In: 4th International Conference on Internet Science, Springer, p. 377-392, Cham (2017).
  3. Diederich, S., Lichtenberg, S., Brendel, A. B., Trang, S.: Promoting sustainable mobility beliefs with persuasive and anthropomorphic design: insights from an experiment with a conversational agent. International Conference on Information Systems (ICIS). Munich, Israel (2019).
  4. Fraunhofer IAO: Green Office (2014).
  5. Gregor, S., Hevner, A. R.: Positioning and presenting design science research for maximum impact. MIS quarterly, 337-355 (2013).
  6. Kowalski, S., Pavlovska, K., Goldstein, M.: Two Case Studies in Using Chatbots for Security Training. In: In Information Assurance and Security Education and Training, pp. 265-272. Springer, Berlin (2013).
  7. Meyer von Wolff, R., Masuch, K., Hobert, S., Schumann, M.: What Do You Need Today?-An Empirical Systematization of Application Areas for Chatbots at Digital Workplaces (2019).
  8. Peffers, K., Tuunanen, T., Rothenberger, M. A., Chatterjee, S.: A design science research methodology for information systems research. Journal of Management Information Systems, 24(3), 45-77 (2007).
  9. Peniche-Avilés, J., Miranda-Palma, C., Narváez-Díaz, L., Llanes-Castro, E.: AluxBot-A Chatbot that Encourages the Care for the Environment.» International Journal of Computer Science Issues (IJCSI) 13(6), 120 (2016).
  10. Piyatumrong, A., Sangkeettrakarn, C., Witdumrong, S., Cherdgone, J.: Chatbot Technology Adaptation to Reduce the Information Gap in R&D Center: A Case Study of an IT Research Organization. International Conference on Management of Engineering and Technology (PICMET), pp. 1-9. Portland, USA (2018).
  11. United Nations (UN): The 2030 Agenda, https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/70/1&Lang=E, last accessed 2021/04/11.
  12. Zumstein, D., Hundertmark, S.: Chatbots – An interactive technology for personalized communication transactions and services. IADIS International Journal on Internet, 15(1) (2017).

Zur Studie

Die Studie wurde bei SSRN im Open Access veröffentlicht.


16. DESRIST-Konferenz

Die Studie wird an der 16. Internationalen Konferenz über designwissenschaftliche Forschung DESRIST vorgestellt. Die Konferenz findet derzeit bis am 6. August an der Universität von Agder, Kristiansand, Norwegen statt. Es werden Beiträge rund um das Thema Soziotechnische Gestaltung vorgestellt und diskutiert. Alle Informationen finden Sie hier.

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AUTHOR: Kirsten Hillebrand

Dr. Kirsten Hillebrand ist Assistenzprofessorin für Social Innovation am Institut Sustainable Business der BFH Wirtschaft und Co-Founder von KlimaKarl. Sie hat an der Universität Bremen promoviert.

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